Mittwoch, 30. November 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1223

Gestern lag ein Irrtum vor: Die vorgestellten "Gedichte des Tages" stehen erst heute übermorgen auf dem Programm - also können wir einen Blick auf die Gedichte werfen, die morgen aktuell sind, also gestern als die von übermorgen "dran gewesen wären" ... Über so etwas kann man ein "logisches Gedicht" verfassen.
Dabei gibt es nicht sehr Aufregendes: Zum einen ahnen GdT-Leser den Anlass des "Testgedichts" "An deinem Grab ..."
Das Gedicht von 2008 stammt aus einer Höhenflugzeit: Titan 
Wichtig ist höchstens, dass das Gedicht zum 1. Dezember ein Gegenbild zur allgegenwärtigen Klimaerwärmung zeichnet:


Ursula Gressmann: erster Frost




Relativ gleichförmig geht es mit dem Fortsetzungsroman weiter. Bei  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth  sind wir inzwischen bei der 22. Fortsetzung des Romans angelangt ..


Einer der Reiter hob plötzlich den rechten Arm, winkte in Richtung Burg und ritt im Galopp zurück durch das Tor. So entging er vorerst unseren Strahlern, aber die Zugbrücke war hinter ihm noch nicht wieder oben. Wir jagten ihm sofort hinterher. Die verwirrten Bauern folgten uns. Auf nennenswerten Widerstand stießen wir nicht mehr.
Endlich standen wir in dem mit Fackeln beleuchteten Burgsaal. An den Seiten waren Ritterbilder im flackernden Licht zu erkennen, sicher die Ahnengalerie, am oberen Ende aber stand ein lebendiger Ritter mit gezücktem, allerdings gesengtem Schwert, als wollte er sich mit seinen Ahnen malen lassen.
Wer wagt es, gegen seinen Herrn die Hand zu erheben? Allen, die jetzt ruhig wieder nach Hause gehen, sichere ich zu, sie nicht für diesen Frevel zu bestrafen. Wer aber noch einen Schritt weiter tut, der verliert sein Leben und seine Seele.“
Unschlüssig hatten sich die Bauern hinter uns versammelt. Eine gespenstische Stille trat ein. Ernst richtete seinen Strahler auf das Schwert. Ein kurzes Zischen und die Klinge polterte auf den Boden.
Ausziehen!“
Er versuchte seiner Kinderstimme würdevolle Festigkeit zu verschaffen. Das gelang ihm allerdings nur höchst ansatzweise. Immerhin verstärkte ein leichter Widerhall die Töne.
Was fällt dir ein, ...“
Wartet, ich helfe euch!“
Der nächste Strahl schnitt den glühenden Brustpanzer von den Schultern. Das nächste Poltern. Schon wieder ein Strahl. Diesmal auf den Gürtel und über den Beckenknochen.
Hört auf!“
Ich sagte ausziehen! Und zwar ganz!“
Aber ...“
Wird’s bald?“
Ernsts Kreuz suchte nach dem nächsten Ziel. Diesmal war klar, dass es des Körper treffen musste. So fein, dass ein Strahl die Unterwäsche eines Ritters abschweißen könnte, war keine Einstellung. Da begann dieser aber, sich tatsächlich selbst zu entkleiden. Das ging langsam. Noch mehrmals versuchte dieser Herr, das Ende zu verhindern. Aber ich verstand Ernst. Wie lächerlich menschlich wirkte der Ritter, als er endlich splitternackt war.

Dienstag, 29. November 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1222

Beginnen wir mit den Gedichten des Tages von übermorgen. Da haben wir als erstes ein Testgedicht:  "Den Wort-Dürern"
dann natürlich den Rückblick auf 2008 Revoluzzertraum 
und zu guter Letzt


Einsam fliegt ein Teppich durch die Wolken 
wo wir gestern noch Träume molken 
reibt einsam die Hand nun an der Lampe 
verlassen steh´ ich vor der Rampe
Träume einsam meinen Traum vom Fliegen 
von den Welten die dahinter liegen 
träume einsam meinen Traum vom Siegen 
dich sicher hier im Arm zu wiegen
Seh´s vor mir steh´n, dass güld´dne Ganze 
sehe blitzend Augen in dem Glanze 
es steht wie starr vor mir, in seiner Kälte 
kein Wort. dass meine Nacht erhellte
Doch ich reibe unbehelligt, einfach weiter 
die Trauer macht mich oft gar heiter 
kann nicht aufhören, muss dich berühren 
lass´ die warmen Finger Feder führen
Du lehrst mir so streng, was ich vermisse 
gabst mir erst Sinn, für das Gewisse 
selbst´s Gold in der Hand reizt mich nicht 
spiegelt im Glanze nur dein Gesicht


Danach können wir ganz normal mit dem SF-Roman fortsetzen. Bei  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth  sind wir inzwischen bei der 21. Fortsetzung angelangt ..


Wir zogen trotzdem nordostwärts. In einem Monat mussten wir in Thüringen sein. Es musste zu verhindern sein, dass die bewaffneten Bauern sich abergläubisch über nichts als einen Regenbogen zu freuen hätten. Den hatten sie für das Gotteszeichen ihres künftigen Sieges gehalten. Trotz dieses „Zeichens“ würden sie ohne uns bei gläubigem Gesang von den Fürstentruppen überrannt. Jedenfalls in der Geschichtsschreibung, die wir kannten.
Wir kamen gut vorwärts, von Blasen an den Fußsohlen, Muskelkater und erschöpften Beinen abgesehen. Wir hatten auch keine Angst mehr, uns nicht verständigen zu können. Zwar sprachen wir tatsächlich anders als die Bauern, denen wir begegneten, und wenn sich die stritten, erfassten wir nur Wortfetzen, aber sonst ging es.
Unterwegs stießen wir auf Kampflärm. Ein kleiner, wütender Trupp Bauern belagerte eine Burg. Diesmal mischten wir uns unter die Kämpfer. Maria bot an, für alle zu kochen. Sie führte ein Wunder vor. In eine riesengroße Wanne fast voll mit Wasser schüttete sie zehn Portionen Konzentrat und schon brodelte das Ganze zu einer richtigen Suppe auf. Wären unsere Kutten nicht ein Ausweis göttlicher Beziehungen, hätten sich wohl viele Bauern bekreuzigt und verdrückt, so aber schlürften sie bald das unheimliche Gericht. Sie bestätigten sogar eifrig, wie sehr es ihnen geschmeckt habe.
Es war eine richtige Idylle. Nur ein Spielmann fehlte, dann hätte das alles auch eine Hochzeitsfeier sein können. Wir saßen bis abends zusammen und zündeten ein Feuer an. Plötzlich brüllte einer der Wachposten am Tor. Richtig. Die Zugbrücke war bereits herunter gelassen, und wir hörten das Getrappel von Pferden. Ein Ausfall der Rittersknechte in einer für sie günstigen Lage. Das Feuer beleuchtete notdürftig die Sitzenden und Stehenden. Die Reisigen des Ritters aber kamen auf Pferden aus der Dunkelheit. Damit konnten sie auf die zahlenmäßig überlegenen Bauern regelrecht Jagd machen. Die waren nahe daran, wie Hasen auseinander zu laufen.
Maria konnte aber nicht nur kochen. Sie hatte vorher auch den Vorschlag gemacht, unsere Waffen mit kleinen Holzkreuzen einzufassen. Wir hatten dabei die Streubreite der Strahlen wieder auf Minimum eingestellt. So gelang uns das nächste Wunder. Kindermönche senkten ihre Kreuze gegen die heran stürmenden Berittenen. Blitz um Blitz und die Soldaten stürzten tot von ihren Pferden!

Montag, 28. November 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1221

Traditionell zuerst die Gedichte des Tages von übermorgen. Da stehen zwei Variationen zur Disposition:
"Auf deiner Wiese (b)" neben "Auf deiner Wiese
Es folgt ein kleines Friedensgedicht von 2008:  Noah
Hier besonders herausstellen aber möchte ich



Oh Gott 
warum nur 
sind Menschen 
so ungerecht 
bis ich auf Knien 
so verzweifelt 
zu dir flehte
Oh Gott 
könnte ich nur 
einmal zurück 
durch die Zeit 
wie schön wäre 
diese Welt 
könnte ich sie 
doch nur selber 
zum Untergang 
führen
„Teufel, ja 
das wär´s!“

Jaaaaa ...

Relativ gleichförmig geht es mit dem Fortsetzungsroman weiter. Bei  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth  sind wir inzwischen bei der 20. Fortsetzung des Romans angelangt ..


Allmählich wurden wir stiller wie eine helle Flamme, die nichts Brennbares mehr findet. Ich konnte mir die Frage einfach nicht verkneifen:
Und die anderen?“
Anna, du, die ganze Sache sind wir angegangen wie Jugendliche oder Kinder – eben so, wie wir jetzt aussehen. Also ich sah um mich rum meist nur bullige Kerle, die mich mit den Fingern einer Hand zermatscht hätten. Als wir hinter dem Geschütz auftauchten, da konnte ich ... also eigentlich hatte ich absolut keinen Überblick mehr. Ich habe nichts als gebrüllt und geschossen, bin in die Richtung gelaufen, wo die Bündischen standen, und wenn Zeit gewesen wäre, hätte ich gebetet, dass die Bauernkrieger hinterher kämen. Ne, du. Das Wunder gelang. Die kamen. Und schon rannte ich irgendwo zur Seite, um nicht zertrampelt zu werden. Von der Schlacht hab ich nichts mitbekommen.“
Hahaha! Dabei habe ich sie die ganze Zeit gerufen. Sie lief nämlich in die falsche Richtung, vom Baum weg.“
Ernst hustete.
Ich hab den Strahler kaum ausgestellt, immer an Rieke vorbei. Wenigstens einen von uns wollte ich nicht aus den Augen verlieren.“
Stimmt. Da zieht man los, um die Weltgeschichte zu korrigieren, und wenn es dann so weit ist, dann rennt man um sein Leben. Nein, Ich glaube nicht, dass ich feige gewesen bin. Aber genau genommen hat diese scheiß Verwandlung uns zu Witzfiguren gemacht. Ich bin so froh, da raus zu sein – und dass alles scheinbar trotzdem funktioniert hat. Da muss wohl in der Geschichte ohne uns alles an hauchfeinen Fäden gehangen haben.“
Siegrid betrachtet Ernst wie einen Schüler, der neu in ihre Klasse gekommen ist. Ich aber traue mich jetzt nicht mehr, nach den anderen zu fragen.
Wir hatten spätestens am übernächsten Morgen weiter marschieren wollen. Gemeinsam warteten wir aber noch drei Tage. Trotzdem. Außer Fritzi, Peter und Anita tauchten gerade einmal Martina, Hanna, Achim und Hartmut auf. Am meisten vermisste ich Andreas. Ich hätte mir das Rauchen angewöhnt, um sein Feuerzeug entgegengestreckt zu bekommen. Ob ich mich in ihn verliebt hätte, wäre alles anders gekommen?
Von den fünfundzwanzig Frauen und Männern, die sich auf die Reise begeben hatten, waren vierzehn übrig. Natürlich mussten wir mit Toten rechnen, aber genauso natürlich hatten wir wohl gerade uns selbst und unsere Liebsten irgendwie ausgeklammert. Mich hatte es vielleicht besonders getroffen mit Vater und Lebenspartner, aber ... Gut. Wir hatten gesiegt. Das war ein Trost. Einen Vertrag von Weingarten würde es nicht geben, und das Söldnerheer des Truchseß marschierte zu keinen neuen Siegen weiter. Diese Nachrichten zögen viele Schwankende auf die Seite der Bauern. Vielleicht wagte nun der Heldrunger gar nicht, seine Streitmacht gegen Thomas Müntzer in den Kampf zu schicken? Unsere Mission wäre damit eventuell schon erfüllt.

Sonntag, 27. November 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1220

Der Eindruck, den die "Gedichte des Tages" von übermorgen erwecken, täuscht auch: Die GdT sind weder spitzwegig wie pflanzengott  noch wortverdichtete es-wäre-beinahe-passiert-liebeslyrik wie "Versuchung" noch so politisch aktuell wie Thomas Reichs Gedicht. Nein, sind sind von allem nur eine Prise ...



Einaug sei wachsam
bevor sie dir
das Zweite auch noch nehmen
denn auf dem Zweiten
da sieht sich's
bekanntlich besser

denn Demokratie
ist ein zartes Pflänzchen
was gegossen werden will
von den Wasserwerfern
der Staatsmacht
mit dem grünen Daumen
den sie
in jeden Topf & jede Primel
stecken müssen
um das Wohlgedeihen der Bürger
sicherzustellen

wer weiß
welche Triebe
ihnen noch entwachsen würden
wäre da nicht
der strenge Gärtner
mit der Heckenschere.


Ich empfehle übrigens wärmstens Thomas´ Blog. Dort ensteht nämlich ein besonderer Eindruck aus dem Zusammenspiel von Text und Illustration ...

Relativ gleichförmig geht es mit dem Fortsetzungsroman weiter. Bei  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth  sind wir inzwischen bei der 19. Fortsetzung des Romans angelangt ..


Die folgende Nacht hockte ich müde auf dem Ast. In der Umgebung brannten Lagerfeuer. Am Morgen sprang ich von meinem Baum herunter und rannte so schnell mich die Füße trugen. Mir begegnete niemand. Das war die Hauptsache.
Unser Rastplatz lag verlassen da. Selbst die Vögel schienen ihn zu meiden. Ich verschnaufte an eine Kiefer gelehnt. Plötzlich durchzuckte mich ein wahnsinniger Schreck. Was wäre, wenn ich als einzige aus dem Zeitschiff übrig geblieben wäre? Proviant hatte ich noch für viele Monate, denn die anderen hatten mir ihre Konzentrate anvertraut. In mir klang die Stimme von Ernst wider, der sich theatralisch vor mir aufgebaut hatte: „Du besitzt jetzt mein wichtigstes Gut. Pass ja darauf auf!“
Und später? Würde ich als Bettelmädchen verhungern? Ich war nicht darauf eingestellt, im 16. Jahrhundert zu leben. Ich hätte am liebsten drauflos geheult. Langsam wich die Spannung der vergangenen Stunden einer unendlichen Einsamkeit. Irgendwie waren die Bäume ringsum zu beneiden. Keiner von ihnen stand allein.
Unser letzter Rastplatz hatte an einer Weggabelung gelegen. Auf der linken Seite hatte Andreas mit dem Strahler einer Tanne die Vorderseite glatt rasiert. Dort hatten wir unsere Initialen in der Rinde hinterlassen. War das hier schon? Ja. Das war die Stelle. Doch es war niemand da. Ich sah mich um. Nichts als Wald. Die ersten Kämpfer hätten schon zurück sein müssen. Wenigstens einer. Ich aß einen Happen, wartete, lauschte. Nichts! Wenn ich mich hinter die Tanne setzte, könnte ich vielleicht schlafen. Aber dazu hätte ich dort erst das Gestrüpp beseitigen müssen.
Ha!“
Ich zuckte zusammen und dann lagen wir uns in den Armen. Ernst, der die anderen ins Gebüsch gescheucht hatte, nur um mich erschrecken zu können, Maria, die an ihm hing wie eine kleine Schwester, Siegrid, Dietmar, Heinz und Hannes.
Hallo!“
Ernst hob mich lachend hoch – dann brüllte er plötzlich: „Maria, hilf mir, ich kann nicht mehr!“

Samstag, 26. November 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1219

Die "Gedichte des Tages" gibt nicht nur übermorgen noch. Allerdings nicht immer mit "Highlights".  Brief eines Genesenen an seinen Husten- und Bronchialtee war 2008 wohl keines - aber zum Beschmunzeln geeignet. Das Testgedicht heißt "Aphoristisch".
Am beeindruckendsten fällt aber wohl gerade die Gedichteflut von Sebastian Deya aus. Diesmal also


Seh´ dich mit deinen Kittys, vor mir liegen
wo ich, wieder mal, nicht schlafen darf
würde so gerne dich im Arm jetzt wiegen
doch Nacht, die lange Schatten warf

Sie hat mein Herze mit dem Traum geeint
ich hab´ so Angst vor diesem Tag
noch nie im Leben, je so bitter geweint
wenn´s Herz mal nicht mehr mag

Zieht´s mich hoch, es lässt mich schreien
mit meinen Füssen, am oberen Ende
meine Hand nach deiner, Halt mir zu leihen
letzten Weg zu gehen, ohne Wende

Nur du sitzt noch lange, an meinem Grabe
während man am Schmause labend
malst die Liebe im Dreck, mit Fingerfarbe
halt meine Hand, bis in den Abend

Wenn du gehst, lässt du mir  Kitty sitzen
mit deinem kleinen Regenschirmchen
ich schick dir hindurch, durch die Ritzen
nochmal ein kleines Regenwürmchen

Du schaust es dir an und lässt es erzählen
nah am Herzen, die Hoffnung bringen
können sie mich dann nicht mehr quälen
so will ich dort mein Liedchen singen

Ich will nicht ewig noch Maschine sein
den anderen nur, Wärme zu spenden
will auch ganz nah, dem Sonnenschein
darin, am Ende mich so abzuwenden

Möchte einmal gern´ selbst schön träumen
sie nicht nach Celli schreien hören
einmal nur die Bäume, sich aufzubäumen
soll keiner meinen Traum zerstören

Du, mein Schatz, liebe dich wirklich, sehr
schreibe es nun, hier für alle Ewigkeit
diesen Schatz, den gab mir unsre Liebe her
im schönsten Gedicht, der unseren Zeit

Denn, du wirst mich, bis da oben berühren
in Sonne selbst und glühenden  Hitzen
lasse dich Kühlung durch den Regen spüren
zwei sicher unter´m Schirme sitzen

Mit traurigsten Augen, so siehst du mich an
es wird, dem ewig die Liebe, doch nie alt
doch Glück im Schatz, nimmst´s an, sodann
werde ich friedlich und nur langsam  kalt



Bei  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth  sind wir inzwischen bei der 18. Fortsetzung des Romans angelangt ..


Die Kanonen der Bauern standen in guter Schussposition, aber die Anführer der Haufen trauten ihrer Kraft nicht. Sie wollten am Morgen verhandeln. Der Vertrag, den sie nach unserer Geschichte unterzeichneten, kostete Zehntausenden anderen Bauern das Leben und war der Anfang vom schmählichen Ende des ganzen Krieges. Er musste verhindert werden. Spätestens im Morgengrauen mussten wir also von verschiedenen Positionen aus das überraschende Signal zum Angriff geben.
Die Dunkelheit war nützlich für uns: An mehreren Stellen waren offene Flächen zu überwinden. Wir durften schließlich nicht entdeckt werden, bevor wir unsere Startpunkte erreicht hatten.
Ich teilte das Team in kleine Gruppen auf. Eine sollte sich an die Kanonen der Bauern heranschleichen. Hannes hatte dabei einen Feuerwerkskörper zu zünden, dessen violette Sterne auf dem ganzen Schlachtfeld sichtbar das Sturmsignal sein sollten. Die Kanoniere der Bauern würden einen ausreichenden Schreck bekommen, um uns die Kanonen abfeuern zu lassen. Hoffentlich waren nur noch die Lunten zu zünden, denn wir hatten kaum Ahnung von der Waffentechnik, und Kanonenkugeln konnten wir schon gar nicht bewegen. Mindestens genauso wichtig wäre es, mit den Strahlern die Offiziere der Bündischen daran zu hindern, ihren Truppen ordnende Befehle zu geben. Aber genau genommen wusste ich schon, dass das ein frommer Wunsch bleiben würde.
Zwei andere Grüppchen schlichen sich an die Flanken heran. Sie hatten Regenbogenfahnen dabei, und sollten mit anfeuerndem Geschrei die bewaffneten Bauern zum Sturm rufen. Hier hofften wir sehr auf den Aberglauben. Ob die Bauern Andreas und die anderen für Kobolde, Geister oder Götterboten hielten, war egal. Hauptsache, sie warteten nicht ab wie Hurlewagen und einige andere Bauernführer und liefen aufs Schlachtfeld.
Mir hatten meine Gefährten eine sichere Position zugeteilt. Von der Krone einer hohen, allein stehenden Eiche aus sollte ich möglichst viel vom Kampfgeschehen überwachen und dabei meinen Strahler einsetzen, wo immer das nötig erschien, um die Kämpfer zu unterstützen. Maria hatte durchgesetzt, dass die restlichen Mädchen in der Schlacht mitkämpfen sollten.
Somit war ich im Morgengrauen alleine. Die militärische Bedeutung meines Platzes war gering. Zwar konnte ich einige bündische Kanonenstellungen erkennen, aber das war schon alles.
Dann kam das erhoffte Zeichen. Violette Kugeln sanken erlöschend ins Tal. Ein paar Kanonendonner folgten. In meinem Blickfeld tauchten einige kleine Mönche auf. Das musste Andreas mit seiner Gruppe sein. Schmerzlich vermisste ich jetzt ein Zielfernrohr. Meine Freunde schwenkten riesengroße Regenbogenfahnen und stürmten mit ihnen auf die verwirrten Söldner zu. Einige Soldaten wurden von Feuerblitzen niedergestreckt, andere ergriffen die Flucht. Brüllende Bauern folgten dem himmlischen Zeichen, rannten, hieben und stachen wild drauflos. Von meinem Baum aus glich das Ganze einem fernen Spiel.
Sobald ihr seht, dass die Schlacht läuft und die Bauern am Siegen sind, verdrückt euch. Schlagt euch zu Ernsts letztem Rastplatz durch. Ich möchte euch lebend wiedersehen. Und passt auf, dass die Strahler nicht in falsche Hände geraten.“
So hatte ich meine Freunde verabschiedet. Als dann Tausende zu laufen begannen, verlor ich sie aus den Augen. Zwar fiel mir noch gelegentlich ein Bewaffneter auf, der zu den Bündischen gehören musste und den mein Strahler niederstreckte, aber das hatte natürlich keinen entscheidenden Einfluss auf die Schlacht. Ich hoffte, dass es gut für die Unseren lief, wobei ich einmal meine Truppe meinte und beim nächsten Mal die Bauern. Der Verlauf der Schlacht blieb mir ein Geheimnis.

    Freitag, 25. November 2011

    Lyrik-Prosa-Wortkultur 1218

    Die Erinnerung an den 27.11.2008 ist zugleich die Erinnerung an "worträume": an Johannes R.
    Zu den "Gedichten des Tages gehört übermorgen aber auch wieder ein "Testgedicht" und eine heitere Krönung:


    Es war an einem Donnerstag,
    da gaben sich Marie und Mark,
    zwei Ameisen, im Birkenhain
    ein Stelldichein,
    vom Schein des Sichelmonds bewacht.
    Ich glaub, es war so um halb acht.
    Die Läuse kribbelten im Bauch;
    für Schmetterlinge wär's dort auch
    wenn man es ganz genau bedenkt,
    viel zu beengt.

    „Ach“, dachte Mark, das Herze schwer,
    „wenn ich doch bloß nicht schüchtern wär ...
    Dass sie in meinem Arm verharrt
    und ich sie mit den Fühlern zart
    betasten kann,
    wie fang ich's an?
    Es herrscht bei diesem Dämmerlicht
    ja keine allzu gute Sicht.
    Wenn wir zu diesem Hügel geh'n
    und ich ihr dort, ganz aus Verseh'n,
    ein Beinchen stell,
    und blitzeschnell
    zur Stelle bin, bevor sie fällt,
    bin ich ihr Held.
    Dann küsst sie mich – das wär der Hit.“
    Und während er so sinnend schritt,
    Mariechen zu sich selber sprach:
    „Wie helf ich bloß dem Zufall nach,
    dass er mir näher kommt als nah?
    Wenn ich beim Maulwurfshügel da
    nun stolpere in vollem Lauf,
    dann fängt er mich doch sicher auf
    und hält mich fest. Und dann … wer weiß ...“
    Sie seufzte leis'.

    Am Maulwurfshügel angelangt,
    streckt Mark geschickt ein Bein und bangt,
    ob dieser Trick nicht zu riskant.
    Mariechen strauchelt elegant
    und Mark ist vor Verblüffung platt:
    Das ging ja glatt.
    Was für ein toller Hecht er ist!
    Er bildet sich auf seine List
    wer weiß was ein.

    Das ging ja fein ...
    Marie ist ebenfalls entzückt,
    dass ihr der Plan so gut geglückt.
    Noch immer ist sie ganz perplex.
    Welch ein Reflex:
    Tatsächlich hat sie Mark galant
    mit seinen Fühlerchen umspannt
    und nun … Sie lächelt fein …
    Jetzt lassen wir die zwei allein,
    denn zuschau’n, wie es weitergeht,
             wär indiskret.


    Nicht "indiskret" ist natürlich die Frage, wie es beim Fortsetzungsroman weitergeht. Dort  sind wir inzwischen bei der 17. Fortsetzung des Romans "Operation Zeitensprung" von Anna Roth  angelangt ..


    Da rief Katharina vom Schanktisch aus den Männern etwas zu. Ich verstand nicht was, ob „Was haben euch die Kinder getan?“ oder „Sie haben sich Gott verschrieben.“
    Jedenfalls blieben die ersten verwirrt stehen. Zögernd drehten sie sich um. Einer von ihnen knurrte etwas zu uns herüber. Das nahmen wir als Signal zur Flucht. Wir rannten, was das Zeug hielt. Ernst, unser langsamster und dickster, drehte sich um, kaum, dass wir aus der Tür waren. Ihm bekam die wilde Rennerei am wenigsten. Bevor ihn die nun hinter uns her stampfenden Bauern erreicht hatten, fand er ein geeignetes Ziel für seinen Strahler. Die Verfolger mussten zusehen, wie aus ein paar ahnungslos auf der Straße herumlaufenden Hühnern Flammen hervorsprangen und die Tiere halb geröstet umfielen. Das immer, nachdem Ernst sein seltsames Ding auf sie gerichtet hatte. Jetzt richtete er dieses Ding auf die Männer. Sie blieben entsetzt stehen, wichen, nachdem Ernst auch einen wütend kläffenden Dorfköter zum ewigen Schweigen gebracht hatte, in den Gastraum zurück und ließen uns unbehelligt ziehen.
    Wir hofften, die Gesprächsfetzen richtig gedeutet zu haben. Demnach sammelten sich Truppen im Süden des Dorfes – die des Truchseß genau wie die Bauernhaufen. Nur, wenn wir bis zum Startsignal zwischen den Tausenden von Männern unbemerkt blieben, würden wir eine Schlacht auslösen können. Geschlafen haben wir nicht viel.
    Schon am nächsten Tag hörten wir gelegentliche Kanonenschüsse. Ich hatte inzwischen viele Quellen zu den Ereignissen bei Weinhausen studiert. Hier stand eine in Zahl und Bewaffnung überlegene Bauernstreitmacht dem noch nicht sieggewohnten Söldnerheer gegenüber. Selbst, was die Gefechtserfahrung betraf, waren die bewaffneten Bauern nicht unterlegen, denn zu ihnen gehörten viele aus dem Süden heimgekehrte kriegserfahrene Söldner. Die waren auch durch den Donner von Kanonen nicht gleich in die Flucht zu schlagen.
    Die ersten Gefechte hatten wohl schon begonnen. Ich wusste, dass beide Seiten, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, der Entscheidung aus dem Wege gingen. Etwas Zeit blieb uns noch.
    Wie meist schlug Ernst vor: „Machen wir eine Futterpause.“
    Das war wohl wirklich das Beste. Wir warteten die Dämmerung ab. Dann zogen wir weiter. Noch konnten wir von bewaffneten Bauern angegriffen werden. Was nutzte uns unser wunderbarer Plan, wenn sie uns als böse Kobolde, Mönche oder Spione ausgerechnet in dieser Nacht irgendwo festhielten? Doch glücklich unbemerkt krochen wir an all den Massen vorbei.
    In der Mitte des Schlachtfeldes hatte die Söldner des Truchseß von Waldburg, die so genannten Bündischen, ihre Stellungen gebaut. Dem erfahrenen Heerführer war seine bedrohliche Situation klar. Darauf zu hoffen, die Bauern hier in einer Schlacht zu besiegen, hätte bedeutet, nicht ein geschickter Heerführer, sondern ein seine Augen zudrückender Spieler zu sein. Aus der Literatur kannte ich den Mann aber als geschickten Taktiker. Wahrscheinlich saß er gerade in seinem Zelt und formulierte ein Vertragsangebot für die Bauern, welches diesen das Gefühl geben sollte, die Schlacht ohne Kampf gewonnen zu haben. Hauptsache, sie gingen erst einmal zufrieden auseinander; nachher konnte immer noch abgerechnet werden.

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