Montag, 30. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1375

Auch wenn das Ergebnis enttäuschen mag - zumindest stehen morgen die "Gedichte des Tages" im Zeichen des 1. Mai:


1. Mai?! Kampftag der internationalen Arbeiterklasse?! (Oder seit der Machtübernahme durch die Hitlerfaschisten Feier-"Tag der Arbeit")
Wie hat dieses Blog vor vier Jahren darauf reagiert?
2009 stand die Frage  Wer traut mir ein solches Exil im eigenen Land  zu?
2011 probierte ich auch einen Rückblick. Da wurden zum Beispiel aufgewärmt: ...: Hinz sieht hell und  Tweet 58 von Natascha P./Slov ant Gali 


Der utopische Fortsetzungsroman steht insofern nicht im Zeichen irgendeinen Datums:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (38)


... Nach einer fast zweistündigen Alleinunterhaltungsschau schlug die „Zigeunerin“ das Verdeck ihres Wägleins hoch, und zum Vorschein kamen die unterschiedlichsten Sachen, deren Sinn ich nicht begriff, die Dorfbewohner allerdings auch nicht, denn nur einer der jüngeren Männer schleppte einen Gegenstand, den die Frau und der Translator Amgakscha genannt hatten, im Austausch gegen einen Zettel in seine Hütte, um dieses Ding wie ein Schmuckstück ohne praktischen Nutzen neben dem Eingang aufzustellen. Wieder eine Entdeckung: Es schien also durchaus so etwas wie Papiergeld zu geben. Im Umgang der Dorfbewohner miteinander war das aber in den zurückliegenden Monaten nicht einmal verwendet worden beziehungsweise war mir keines aufgefallen.
Der weibliche Spielmann blieb noch zur Nacht im Dorf und zog am folgenden Morgen weiter. Wie dem auf der Erde berühmten Rattenfänger von Hameln folgten ihr die Siedlungskinder als tänzelnde Traube über die Dorfgrenze hinaus – im Gegensatz zu jener Sage aber kamen sie alle ungewöhnlich aufgekratzt wieder zurück.
Der Besuch der Fremden hätte eine heitere Episode im Dorfleben bleiben können. Aber vier Tage danach zeigten die meisten Bewohner des Dorfes unverkennbare Symptome einer quälenden Krankheit. Zuerst waren sie in der Hütte aufgetreten, in der die Amgakscha einen mittigen Ehrenplatz eingeräumt bekommen hatte. Die Gesichter der Bewohner waren von braun-violetten Flecken übersät, die Körper schienen innerlich zu glühen - ich hätte geraten, dass sie von hohem Fieber geschüttelt wurden – und die Menschen hielten sich die Bäuche, als würden sie von Krämpfen geschüttelt.
Ich muss zugeben, dass mich die Bilder verwirrten. Krankheiten gehörten nicht zu dem, was ich kannte. Ich wusste, dass es sie auch auf der Erde gegeben hatte, zu meiner Zeit noch kleine bei den Kindern und Jugendlichen ohne Nanniten-Schutz, ich wusste, dass man gegen die meisten immunisiert werden konnte, ich wusste um alte Zeiten, in denen man an einigen von ihnen sterben konnte. Aber beobachtete ich gerade eine solche? Was auch immer das war, war sicher nicht mit irdischen Erkrankungen vergangener Zeiten vergleichbar. Ich fühlte mich irgendwie hilflos. Wieder würde ich nur zusehen können.
Die Krankheit trat schon am nächsten Morgen in eine neue Phase. Von den Dorfbewohnern verließ keiner mehr den Bereich der Hütten. Ich musste daraus schließen, dass diese Menschen sehr starke Schmerzen hatten oder eine extreme Schwäche oder beides. Die Gesichter hatten sich verändert. Die meisten von ihnen waren aufgedunsen. Die Flecken vom Vortag waren zu hässlichen Beulen aufgequollen. Einige Saks hatten daran gekratzt. Die Haut war aufgeplatzt und eine gelbe Masse schoss hervor, so als ob es sich um Pickel von zwei Zentimeter Durchmesser handelte. Ich hatte keine Ahnung. Nur das Wort Beulenpest fiel mir ein. ...


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Wiedergabe von Texten derPartnerblogs nur nach vorheriger Nachfrage.

Sonntag, 29. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1374

Als die letzten "Gedichte des Tages" im April 2012 sind folgende vorgesehen:


Dies ist kein "politisches" Lyrikblog im engen Sinn. Hier werden zum Beispiel auch Liebesgedichte (oder eben Anti-Liebes-Gedichte) entwickelt - Slov ant Gali: "... und tschüss!"
Aber was gesagt werden muss, das wird eben gesagt. Thomas Reichmischt sich ein - und er hat eine adäquate Form gefunden: "Die patente Natur". Der Gruß "Heil ...!" hat eine passende Geschichte ...


Ganz klar steht die nächste Folge des Fortsetzungsromans fest:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (37)


... Leider überschlugen sich dann die Ereignisse, und ich wurde zu schnellem Reagieren gezwungen.
Alles fing scheinbar harmlos an. Die Gewalt der Fürstenburg hatte sich während der ganzen Zeit nicht sehen lassen. Wenn ich es nicht aus der Erdgeschichte besser gewusst hätte, hätte ich annehmen können, dass die Dörfler wahrscheinlich auf oder bei der Burg völlig freiwillig ihre Frondienste erbrachten.
Wer eben dran war, zog los, ließ die heimischen Feldstücke in der Obhut seiner „Sippe“ und kam nach vollbrachtem Dienst wieder zurück, ohne Aufsehen davon zu machen. Es gab offenbar auch so etwas wie eine Religion, ein höheres Wesen, an das diese „Menschen“ glaubten, und das alles genau so wollte, wie es war. Auch eine Ernte-Bitt-Prozession hatte ich schon beobachtet. Was ich aber bisher noch nicht gesehen hatte, waren Fremde in der Siedlung.
Die waren offenbar auch wirklich eine Seltenheit, denn als sich ein Gefährt den Hütten näherte, das von einem kuhartigen Tier gezogen wurde, strömten sofort alle Kinder herbei, aber die Erwachsenen zügelten ihre eigene Begierde nach Neuigkeiten und Abwechslung kaum weniger.
An diesem Tag verließ ich den Gleiter nicht. Ich verkniff mir, persönlich die Bauarbeiten zu überwachen. Der Film war einfach zu reizvoll. Ich hätte mir gut vorstellen können, dass in der Mittelalter genannten Erdzeit alles so abgelaufen sein könnte, wenn ein Spielmann auf einem der Dorffeste aufgetaucht war. Vielleicht mit dem Unterschied, dass hier offenbar das Fest ganz spontan begann, weil eben diese Spielfrau das Dorf erreicht hatte. Es gab wirklich derart viele Ähnlichkeiten! Die Frau klimperte und kurbelte an einem Kasten, den ich Leierkasten-Orgel nannte, und dazu sang sie Geschichten, die einen festen Rhythmus hatten. Der half ihr offenbar, sich die langen Texte einzuprägen. Die sie umringenden Dörfler lachten laut, riefen ihr vieles zu, was der Translator nur teilweise verarbeiten konnte, und in einer Liedpause tauchte plötzlich ein Topf mit Brei auf und alle begannen zu löffeln.
Das Haar der Frau war lang und verfilzt. Ihr Kleid wich deutlich von denen aller bisher beobachteten „Menschen“ ab. Nicht im Schnitt, aber das Kleidungsstück strotzte nur so von bunten Flicken und aufgenähtem Schmuckzeug, Federn, Zweige, Blüten. Wirr und irgendwie lustig. Die Frau schien überdurchschnittlich alt zu sein. Ihr Gesicht war so sehr von Runzeln beherrscht, dass die vielen verheilten Wunden kaum noch auffielen.
Genau diese Wunden aber beschäftigten mein Interesse. Sie verliefen nicht wie normale Narben in breiter Strichform. Nein, sie sahen aus, als hätte ein Kalmar seine Saugnäpfe an der Gesichtshaut angesetzt, um so den restlichen Körper in seinen Verdauungstrakt zu ziehen. Nicht total gleich groß, aber immer entweder rund oder oval. Mir kam die Idee, dass irgendwann in der menschlichen Entwicklung die Vorgänger heutiger Ärzte Blutegel angesetzt hatten, um das angeblich kranke Blut abzusaugen. Aber die hatten das doch bestimmt nicht im Gesicht gemacht, oder? Was war das nur?
Die Dörfler störte die ungewöhnliche Mischung aus Alter, Hässlichkeit, Gutmütigkeit und zur Schau gestellter guter Laune überhaupt nicht. Sie schien nur die Abwechslung zu interessieren. ...
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Samstag, 28. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1373

Wer erwarten zu Beginn dieses Journals etwas Anderes als die neuen "Gedichte des Tages"? Keiner? Dann soll keiner enttäuscht werden:


Im Test wage ich Liebesgedichte anderer Art ... und wenn sie unter "Wolke 7" fallen: "Sonnenaufgang".
.Vierter und letzter Vorschlag, mit dem die Unterschiedlichkeit meiner Gedichte vielleicht greifbar wird, ist "Origami für Hiroshima".


Natürlich soll auch niemand enttäuscht werden, der auf die nächste Fortsetzung des utopischen Roman-Manuskripts wartet:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (36)


... Noch konnte ich nicht sagen, wie viele ich brauchen würde, aber für die nächsten vier Wochen würde ich zehn Prozent der Energiereserven für ihre Fertigung einsetzen.
Die Idee war mir zwar schnell gekommen, bei der Umsetzung ergaben sich aber unbedachte Probleme. Kampfroboter und sogar noch äußerlich menschenähnliche waren meiner Gesellschaft so fremd, dass ich keine Vorlagen im Datenspeicher fand. Ich entschied mich für eine Abwandlung der Arbeitsrobbis für den meinen Burgbau. Einige mussten dahingehend umprogrammiert werden, dass sie ihre Phots gegen organische Ziele einsetzten. Es musste sich zeigen, ob auch die Programme die einheimischen Wesen für Menschen hielten. Ich erwartete es aber nicht.
Ich kann dir nicht sagen, warum ich das Problem fast mit Selbstverständlichkeit auf solche Weise anging. Dort, wo ich hergekommen war, hätte man über mich den Kopf geschüttelt. Kriegerische Handlungen, der Einsatz von Gewalt gegen andere denkende Wesen, war einfach ausgeschlossen, tabu, undenkbar. Vielleicht war es aber leicht zu erklären: Auf der Erde ging man davon aus, dass die Seite mit dem anderen Ziel genauso selbstverständlich keine Gewalt einsetzen würde. Jede Gewalt der Macht aber produziert Gewalt des Widerstands, erschwert zumindest gewaltfreien Widerstand – und sofort schaukeln sich die Handlungen beider Seiten gegenseitig hoch – und ich hatte wohl bedingungslos unterstellt, dass der ansässige „Fürst“ sowohl seine vorhandene Macht auf Gewalt stützte als auch ebenso bedingungslos bereit sein würde, sie gegen mich einzusetzen. Aber zu diesem Zeitpunkt war das nichts als Vermutung, Theorie.
Noch war ich keinem gewalttätigen Feind begegnet, und ich gedachte alles zu unternehmen, dass sich das nicht so schnell änderte. Bevor ich in das Leben der dörflichen Gemeinschaft eingreifen würde, wollte ich es verstehen. Auf der Erde gab es sehr umfassende Auffassungen über die Nichteinmischung in fremde Entwicklungen. Die Menschen aus Zeiten mit Herrschaftsverhältnissen bei uns hatten dafür zu viel abschreckende Beispiele mit nicht mehr reparierbaren Schäden bei anderen Kulturen hinterlassen.
Also beobachten, sich vor vorschnellen Urteilen hüten und eventuelle Deutungen immer neu an den nächsten Beobachtungen überprüfen. Aus mir wäre vielleicht ein guter Völkerkundler geworden. ...

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Lyrik-Prosa-Wortkultur 1372

Wir beginnen wie immer mit den aktuellen Gedichten des Tages:


Eines meiner Testgedichte hat sich als ein Liebesgedicht entpuppt: "In der Liebeswüste". 
Es folgt das dritte Gedicht, mit dem ich mich in der Anthologie des Friedrichshainer Autorenkreises vorzustellen gedachte, sollte sie denn escheinen: "Brücke".


Der utopische Fortsetzungsroman geht folgendermaßen weiter:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (35)


... Ich wartete. Nichts geschah. Ich suchte mit dem Fernglas die Burgmauern ab. Eigentlich erkannte ich nichts wirklich. Aber ich bildete mir ein, die Spitzen von Hellebarden und Lanzen gesehen zu haben – und die schwarzen Rachen riesiger Kanonen. Noch wusste ich nicht, ob ich mir nur eine Szene aus einer alten Geschichte herbeihalluzinierte, in der einer unserer Vorfahren auf einer Kanonenkugel geflogen zu sein behauptete. Inzwischen weiß ich ja, dass solche Waffen hier unbekannt waren. Aber an einem gab es keinen Zweifel: Auf die Rückkehr der Gruppe zu warten, hatte keinen Zweck.
Ich schleppte mich den Weg zurück zum Gleiter, gab die Aufzeichnungen in den Analysator ein und legte mich hin, obwohl ich wusste, ich würde nicht einschlafen können.

15 Kilometer Luftlinie neben meiner begonnenen Höhlenfestung stand also eine mächtige Burg. Die Umstände meiner blinden Landung hatten verhindert, dass ich beziehungsweise das Analyseprogramm etwas vom Niveau der Besiedlung bemerkt hatte. Und jetzt? Ich würde die Vorstellungen meines gesamten künftigen Lebens ändern müssen, wenn es auf diesem Planeten schon Herrscher gab!
Dass die acht Erwachsenen nach einer Woche zurückkamen, abends wieder in der Siedlung auftauchten, als wären sie wie die anderen nur auf den Feldern gewesen, ahnst du sicher schon. Die Zwölfjährigen – ich hatte entschieden, dass die zehn Kinder zwölf Menschenjahre alt gewesen waren, wenn sie auch sehr reif für dieses Alter wirkten – kamen nicht wieder.
Für mein Leben ergaben sich mehrere Änderungen.
Zum einen eine erfreuliche. Als ich am Morgen nach dem Ausflug den Übersetzer zur Wiedergabe zuschaltete, erklangen erstmals mehrere vernünftige Sätze nacheinander. Manchmal bewahrte der Translator einen fremden Ausdruck, wenn er für ihn keine Entsprechung gefunden hatte. Insgesamt aber hatte das analysierte Material endlich für die Übertragung der fremden Grammatik im fremden Begriffsschatz in meine Sprache ausgereicht.
Zum anderen musste ich meine Position völlig neu überdenken. Eine Burg – das hieß so etwas Ähnliches wie ein Adliger, ein Alleinherrscher, der seine Macht auf Abhängigkeiten und Söldnern gründete. Die bisher beobachteten Bauern waren also keine freien Menschen, sondern zum Beispiel zum Frondienst verpflichtete. Es war nun besonders erschreckend, in welch niedrigem Lebensniveau sie gehalten wurden. Die Kinder ... Nein, dafür hatte ich noch keine Erklärung. Vielleicht so etwas wie Pagendienst? Aber ich würde mich nicht unterwerfen. Es gab nur eine logische Konsequenz. Ich musste eine kleine Truppe Robotersoldaten replizieren, um mich durchsetzen zu können. Zumindest Hieb- und Stichwaffen konnten denen nichts anhaben. ...



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Donnerstag, 26. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1371

Also ich schrecke vor manchen Namen einfach zurück. Aber warum soll eine Auseinandersetzung mit Paul Celan nicht auch in einem "Friedrichshainer Autorenkreis" stattfinden?!


Sich an Paul Celan zu vergreifen verlangt Mut oder Unbekümmertheit oder beides. Jürgen Polinske wagt es und lässt sein "(Jetzt da die Betschemel brennen)" entstehen.
Es ist fast ausverschämt, ausgerechnet darauf das zweite meiner Beispielgedichte für eine eventuelle FAK-Anthologie folgen zu lassen: "Einladung". Allerdings ist es sowohl inhaltlich als auch formal ein "Gegenstück ...


Der Fortsetzungsroman hat es da leichter. Große literarische Vorbilder sind wohl nicht vorhanden bzw. so weit von diesem Manuskript entfernt, dass er für sich stehen kann:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (34)


... Kannst du dir vorstellen, wie zermürbend solches Lauern sein kann? Wenn ich wenigstens hätte sicher sein können, dass der Trupp wirklich den Weg an mir vorbei nehmen würde! Ich zog sogar in Betracht, dass mein Landeanflug bemerkt worden war – und die kleine Gruppe gerade deshalb ihre vorgesehene Route geändert hatte. Und was hieß überhaupt Route? Ich wusste ja nicht, wo die achtzehn hin wollten. Wenn sie nun nur zu einem etwas weiter entfernten Feld aufgebrochen waren, einem besonderen und so weit weg eben, dass Übernachtungen nötig waren? Nein, das war Blödsinn. Die eingeschlagene Richtung führte eindeutig vom Fluss weg. Die mir bisher aufgefallene Landwirtschaft beruhte aber auf dessen Wasser.
Machten sie vielleicht die erste Rast? Oder waren schon vorbei an meinem Versteck?
Als ich aus der Ferne die ersten Rufe hörte, atmete ich tief durch. Dann tat ich, als könnte ich die Luft anhalten, solange sie in der Nähe waren. Sie durften mich nicht bemerken.
Das Schweigen der kleinen Menschen, die an meinem Versteck vorübermarschierten, wurde nur vereinzelt durch kurze Zurufe unterbrochen. Alle Aufzeichnungsgeräte liefen.
Weg waren sie. Als ich mir sicher war, dass sie mich nicht bemerken würden, trat ich hinaus auf den Weg. Als einsamer Wanderer folgte ich ihrer Fährte. Immer bevor der Pfad durch den Wald die nächste Schleife machte, verharrte ich und lauschte. Die anderen hatten einen kleinen Vorsprung. Das machte nichts, solange ich nicht auf Abzweigungen in andere Richtungen stieß. Im Dickicht wären sie wohl kaum weitergelaufen. Ich konnte nur auf dem richtigen Weg sein, und noch hatte mich niemand bemerkt. Der Pfad wurde übrigens oft benutzt. Das fiel sogar mir in Naturfragen Unerfahrenen auf.
Und dann war plötzlich der Wald zu Ende.
Mir stockte der Atem. Nicht der von mir verfolgten Menschen wegen. Die trotteten den Weg weiter, ohne sich umzusehen. Wahrscheinlich hätten sie mich nicht einmal beachtet, hätte ich den Wald verlassen. Nein, es war das Bild der Landschaft und das Ziel meiner Gruppe, an dem es nun keinen Zweifel gab.
Die offene Landschaft vor mir war nämlich keine natürliche Savanne. Nein, das war eine Kulturlandschaft mit vielen unterschiedlich ausgedehnten Feldflecken – unterbrochen von mehreren Dörfern. Und das Ziel „meiner“ Menschen war eine Burg, die bedrohlich über einem Berg die weite Landschaft überragte. Die Gruppe lief inzwischen auf etwas, was man durchaus Straße nennen konnte. Ein befestigter Weg jedenfalls. Es gab keine Deckung. Mir blieb nur, so lange wie möglich alles Erkennbare mit dem Fernglas zu beobachten und aufzuzeichnen. Viel war das nicht. Die Gruppe lief noch etwa eine halbe Stunde bergauf. Das massive Burgtor blieb ihnen verschlossen. Die 18 Menschen verschwanden nacheinander durch ein kleines Türchen. .
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Mittwoch, 25. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1370

Es war doch schon Tradition, dass hier ein Blick auf die Planung bevorstehender "Gedichte des Tages" geworfen wird. Dieser Tradition werden wir diesmal gerecht:


Wir sind hier natürlich offen für Experimente - und Ursula Gressmanns Beitrag "Annonce" ist wirklich ein Experiment. Sie hat Original-Kontaktanzeigen verarbeitet, bis durch das Ergebnis ... aber was da durchschimmert, sollte jeder für sich entscheiden ...
Gelegentlich muss ich auch einmal brav sein. Eigentlich wollte der Friedrichshainer Autorenkreis anlässlich seines 40jährigen Bestehens eine Anthologie mit Beiträgen aus allen Jahrzehnten zusammenstellen. Es sollten also auch frührere Aktive "reaktiviert" werden. Tja... aber wenigstens sollten die aktuellen Mitglieder z. B. einen Prosatext und bis zu 4 Gedichte von sich vorschlagen. Mein erster Vorschlag als Slov ant Gali wäre "vom königsfloh" ...


Bei einem begonnenen Romanmanuskript geht es nicht um Tradition. Da folgt einfach die nächste Fortsetzung auf die vorige:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (33)


... Obwohl ich mich sehr bemüht hatte, meine fremden Menschen umfassend zu beobachten, so erfasste ich nur ein sehr beschränktes Stück ihres Lebens. Sobald sie zum Beispiel zum Arbeiten auf die Felder zogen, bewegten sie sich meist außerhalb des Blickwinkels der Kameras. Außerdem hatte ich mir sowieso angewöhnt, dort wenig hinzuschauen – und sei es nur, weil die Dörfler zur selben Zeit arbeiteten wie ich – ich also unterwegs war, wenn bei denen die Feldarbeiten liefen. Dass es bei meiner Nischenstatistik Lücken gab, dass also einzelne erwachsene Bewohner mitunter für mehrere Tage überhaupt nicht in ihren Hütten gewesen waren, fiel mir erst später auf. Es gab einfach keinen Grund, darüber nachzudenken. Nachdem ich auf eine solche Idee gekommen war, sichtete ich die bis dahin vergangenen Tage im Schnelldurchlauf. Ich hätte ja auch jemanden einfach übersehen haben können. Schließlich stand aber fest, dass einige „meiner“ Menschen mehrere Tage nacheinander verschwanden, um dann wieder am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen, ohne dass die anderen davon Notiz genommen hätten.
An diesem Morgen aber war alles anders. Ein Zug Erwachsener, wie ich feststellte sieben Männer und eine Frau, ordnete eine Reihe Kinder. Und es waren nicht irgendwelche Kinder; es waren die zehn ältesten. Meine A 14 war unter ihnen. Ich verstand noch immer nicht, wovon sie redeten, aber unverkennbar herrschte eine nicht alltägliche Stimmung. Einige Kinder waren viel stiller als sonst, andere total überdreht. Eine Mischung aus Angst und ... Irgendwie erinnerte mich das an uralte Einschulungsbilder. Zu meiner Kinderzeit kannten sich zwar die Erstklässler eigentlich alle schon von vorher, aber die Erwachsenen machten aus dem Neuen etwas so Besonderes, dass die Kinder früher oder später eine unterschiedlich starke Beklommenheit packte. Jetzt fängt ein neuer Lebensabschnitt an, jetzt wirst du bald erwachsen, jetzt ...
Nein, das traf es nicht. Diese Szene hier war ein Abschied. Alle Hüttenbewohner waren draußen, alle sagten etwas zu ihren Sprößlingen, alle ... Aber der Zug verließ schon nach wenigen Minuten jenen Bereich, in dem ihn eine meiner Kameras erfassen konnte.
Da geschah etwas völlig Neues und Wichtiges! Vielleicht klärte sich jetzt die Frage, warum es in der Siedlung keine Jugendlichen im mir vertrauten Sinn gab. Da musste ich hin! Ohne weiter nachzudenken stieg ich in den Gleiter und programmierte einen Kurs auf den nächstbesten Punkt, den der Zug passieren würde. Vorausgesetzt natürlich, er behielt die eingeschlagene Richtung bei.
Ich würde ihn in einem Versteck erwarten ...

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Dienstag, 24. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1369

Welche Gedichte des Tages haben wir eigentlich zuletzt übersehen? Klare Antwort: Die nachfolgenden.


Es ist wohl logisch, dass wenn es "Kurzgedichte (2)" gibt, es auch "Kurzgedichte (1)" geben muss. Ja, auch ein solches Angebot für Vampirfreunde stammt von Gunda Jaron.
Dagegen halte ich ein Gedicht auf der zur Jags erhobenen Faust hin, das "vogel frei" die Fans edler Vögel provoziert ...


Bei einem Roman in Fortsetzungen wäre es allerdings unangenehmer, wenn zwischendurch eine Folge vergessen worden wäre. Aber es geht ja planmäßig voran:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (32)


... So verging die Zeit. Aber wenn ich von allem so viel gehabt hätte wie eben von Zeit ... Du kannst dir vielleicht meine Freude ausmalen, als endlich wirklich zwei Roboter begannen, einen Raum aus dem Felsen zu schneiden – an einer Stelle, die nur über einen einen Meter breiten Pfad zugängig war. Dieser Pfad ließ sich leicht sperren. Nun brauchte ich „nur“ noch eine „Einfahrt“ für den Gleiter und ich konnte mir ein unsichtbares Schloss schaffen.
Zeit ... Allmählich verstand ich meine Scheu, diesen Menschen gegenüberzutreten. Es gab mehrere Gründe, das ahnst du sicherlich. Einer aber lag in Geschichten, die ich als wirklich junger Mensch gelesen hatte. Es gab immer wieder aufgewärmte Erzählungen über Menschen, die auf unnatürliche Weise zu ewiger Jugend gekommen waren. Auf der alten Erde waren sie mit einem Fluch belegt: Alle Partner, für die sie eine tiefe Empfindung entwickelten, alterten und starben neben ihnen her. Je nachdem, was die Autoren daraus machten, mussten die Helden sich ständig auf die Flucht begeben, damit nicht auffiel, dass sie nicht alterten, oder es endete anders tragisch. Auf der neuen Erde hatte jeder die Möglichkeit eines noch unvorstellbar langen Lebens. Wer also wollte, konnte Hunderte Jahre mit demselben Partner zusammenleben. Hier aber war ich der einzige meiner Art. „Meine Menschen“ hatten nur eine Lebenserwartung von vielleicht 50 Erdjahren – was nach Meinung des Computers weniger als 40 der Sakurjahre wären. Ich würde also ungeheuer schnell auffallen, wenn ich nicht sichtlich vergreiste.
Wie sollte ich damit umgehen?
Es war an einem der Abende, wo ich in einem Gemisch aus schwindender Empörung, unterdrückter Lust und wachsendem Neid zusah, wie in A die Kinder in den Schlaf gestreichelt wurden. A 14 besaß schon erste Ansätze fraulicher Anmut. Sie war mir aber nicht nur deshalb aufgefallen, sondern auch, weil sie die Berührungen besonders stark zu genießen schien. Warum ... Da packte mich ein Gedanke mit unbezwingbarer Gewalt. Das war es doch: Ein Mädchen in diesem Alter würde selbst sichtbar reifen und trotzdem noch viele Jahre jung bleiben. Ich würde beobachten, wie sie älter würde. Ihr aber fiele lange nicht auf, dass ihr Partner während all der Zeit unverändert jung bliebe – mit ihr, bei ihr, ihretwegen. Natürlich nur, wenn die Dorfgemeinschaft nicht zum Vergleich in der Nähe wäre.
Wann sollte ich einer solchen Idee die Tat folgen lassen? Plötzlich wurde mir die Unschuld jener Berührungen bewusst. Keines der Kinder war in einer Nische gewesen, alle lagen beieinander, glücklich so etwas zu empfangen, was bei meinesgleichen ein Gute-Nacht-Kuss gewesen wäre.
Eigentlich nahm ich ihnen schon mit dem Zusehen eben diese Unschuld – nur dass sie das ja nicht wussten. Ich schämte mich für meinen Gedanken.

Dabei ahnte ich noch nicht, was der folgende Tag meiner A 14 bringen würde …
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Lyrik-Prosa-Wortkultur 1368

Zum Start aus den "Gedichten des Tages" ein lyrischer Dialog:

Nach langer Pause wieder ein lyrischer Kommunikationsversuch. Das Motto stelltSebastian Deya mit "Auflösungserscheinungen". Das stellt dann Slov ant Gali mit "Auflösungsescheinungen?!" in Frage ... obwohl die einfachste Gegenfrage natürlich wäre, woher die Auflösung denn wirklich kommt ...

Dann - ohne große Überleitung - die nächste Folge des utopischen Fortsetzungsromans:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (31)


... Ich habe keine Ahnung, ob das auf der Erde in ihrer finsteren Menschengeschichte genauso gewesen war. Aber ähnlich. Bei uns hieß das Patriarchat. Aber es ist immer ein klein wenig anders. Auf der Erde ging es in erster Linie um Besitz und führte dann zu Geschlechtsbeziehungen, durch die die Männer wussten, welches ihre Kinder waren, denen sie ihren Besitz hinterlassen konnten. Diese Saks hier hatten doch gar keinen Besitz und die Frauen gingen mit so vielen Männer ihre Ecke, dass sie unmöglich den Schwangerschaften den jeweiligen Vater zuordnen konnten. Bei mir zu Hause war es nur etwas anders: Meist bemühten sich die Frauen um Kinder von bestimmten Männern, aber letztlich war es auch egal. Du kannst dir aber vorstellen, dass solche Beobachtungen meine Neugierde und die Hoffnung, endlich die Gespräche verstehen zu können, sehr gesteigert hatten. Und ich fühlte mich berufen, an den Beziehungen zwischen den Wesen etwas zu ändern. Die mussten doch einsehen, dass alle mit Vernunft versehenen Wesen gleich sind, weil die einen ohne die anderen nicht funktionieren. Das sollten diese Männer hier einmal probieren, Kinder zu bekommen!

Nicht dass du denkst, ich hätte die ganzen Wochen nur spannend an meinen Monitoren gesessen. Das lohnte sich sowieso nur morgens und vor allem abends. Nein, ich suchte weiter nach einem sicheren Unterschlupf. Schließlich fand ich einen Berghang, der mich auf eine, wie ich damals fand, geniale Idee brachte. Mein Hauptkristall war wieder fast völlig aufgeladen. Von wegen Grotte als Versteck! Warum sollte ich nicht eine eigene Festung bauen? Ich würde eine künstliche schaffen! Das forderte schon einiges an Hirnschmalz von mir. Ich musste den ersten Arbeitsroboter erschaffen.
Tja … Damit muss ich also eines meine großen Geheimnisse lüften. Mein Erfolg beruhte in erster Linie auf Maschinen, die mit Programmen, die ich ihnen eingab, komplizierte Aufgaben relativ selbständig lösen können. Also Computer kennst du ja. Und Programme kennst du auch, für die du Kommandos eingibst, damit sie die Programme durchführen. In einem Roboter steuern sich die Maschinen mit solchen Programmen selbst. Sie können ganz verschieden aussehen. Die du kennst, dass sind die Robbis, bei denen große Mühe dafür aufgewandt wurde, sie wie Saks oder Menschen aussehen zu lassen. Im Raumschiff hätte ich einen Roboter einfach im Ganzen repliziert. Hier konnte ich nur Segment für Segment programmieren und dann replizieren. Zusammenflicken musste ich alles per Hand! Noch schwieriger waren die Baupläne. Der beste Replikator konnte nur etwas replizieren, dessen materielle Struktur er kannte. Ich musste also die Notkopie des Materiespeichers des Raumschiffs entpacken. Plötzlich hatte ich die Speicherkapazität meines Supercomputers fast ausgeschöpft. Ich musste also erst einmal einen externen Speicher mit besonders hoher Kapazität replizieren und anschließen, bevor ich mit den Robotersegmenten überhaupt beginnen konnte. ...

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Sonntag, 22. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1367

An diese Stelle hätte ich mir eine Fledermaus gewünscht, die ja das natürliche Vorbild des Vampirs ist, doch das sähe ja nur so aus:   Also folgen die geplanten Untoten-Gedichte des Tages:


Das hat ja nun gedauert. Unbegreiflicherweise ist die Vampir-Welle bisher spurlos an den "Gedichten des Tages" vorbeigeschwappt. Endlich habe ich in einer Begleitkommunikation wohl Gunda Jaron Anstöße gegeben, zum die Menschheit zutiefst (be)rührenden Thema der Liebe unter / mit Vampiren etwas zu Halse Gehendes zu schreiben: "Kurzgedicht 2".
Nun ist es schwer, zum Folgenden einen Übergang zu finden. Vielleicht wäre die "Gemeinsamkeit" mit dem Heiteren das Motiv des "Untoten". Mehr Anknüpfungspunkte zu "Auf Siegmunds Couch" gibt es aber wirklich nicht ...


Daran mit einem utopischen Romanmanuskript anzuschließen, dessen "Held" über die Mittel zum endlosen Leben zu verfügen glaubte, hat wenigstens etwas Pikantes:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (30)



... Nein. Ich lache nicht über die damaligen Sitten deines Volkes ... doch, ein bisschen schon ... Aber ich nehme an, du kannst du dich nicht mehr an diese Einzelheiten erinnern. Da warst du noch nicht bewusst bei der Sache. ...bei DER Sache sowieso nicht …

Aber im Ernst. Eigentlich ahnte ich schon die Lösung des Geheimnisses. Aber, weißt du, wenn man etwas nicht wahrhaben will ... Und im Moment bestärkte absolut nichts meinen Verdacht. Mal dir das aus: Ich gewöhnte mich mehr und mehr an diese Wesen, an „meine Menschen“, wie ich sie immer öfter nannte. Ich merkte verwundert, dass mir ihr Äußeres von Tag zu Tag nicht nur vertrauter, sondern sogar schöner erschien.

Übrigens fiel mir allmählich etwas Anderes auf: Obwohl der allererste Eindruck das nicht verriet, hatten die Frauen nichts zu melden. Also die Kinder hüpften glücklich umher, unabhängig, ob Junge oder Mädchen. Und da ich meine Kameras in den Hütten platziert hatte, erlebte ich meist Frauen, die für Ordnung sorgten. Aber dann … Ich verstand ja die Reden noch nicht. Aber eine kleine Beobachtung schärfte mir den Blick. Eines der jungen Paare schien nicht einer Meinung zu sein. Zuerst hatte der Mann etwas gesagt, dann die Frau geantwortet, wahrscheinlich hatte sie widersprochen, denn es folgten Worte und Gesten des Mannes, die auch für einen der Sprache Unkundigen eindeutig ungehaltene Schlussworte für eine Debatte waren. Noch ein Laut der Frau und sie hatte einen so kräftigen Schlag ins Gesicht bekommen, dass sie zur Seite fiel.
Davon, dass es Männer gegeben hatte, die Frauen schlugen, hatte ich auch auf der Erde gehört. Was dem folgte, verunsicherte mich aber vollkommen: Die Frau richtete sich zu dtei Vierteln auf und dann ging ihre Bewegung in eine Verbeugung über! Sie sagte leise etwas dazu, was ich wahrscheinlich auch unter anderen Umständen nicht verstanden hatte, wobei ihrer ersten noch mehrere weitere kurze Verbeugungen folgten. Und die beiden waren ja nicht allein in ihrer Hütte. Weder die Erwachsenen noch eines der Kinder nahm an der Szene Anstoß.
Der Mann hatte sich also nicht daneben benommen, wie man das eigentlich auch nicht dulden sollte, er hatte etwas getan, das alle als ganz normal ansahen. Ich mein, ich hätte etwas falsch interpretieren können. Aber als ich nun besonders auf ähnliche Gesten achtete, bestätigte sich der Eindruck: Nirgends wurden kleine Kinder geschlagen, bei Frauen, zumindest den noch nicht alten, kam das häufiger vor. Aber wenn man genauer hinsieht, fällt einem ja noch mehr auf. So sprachen die Frauen insgesamt mehr, womit der Computer hoffentlich bald ausreichend Material für ein Übersetzungsprogramm gesammelt haben würde. Aber das letzte Wort hatten immer die Männer. Wahrscheinlich waren also auch sie die einzigen Teilnehmer an Dorfversammlungen, wenn es hier so etwas gab. ...

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Samstag, 21. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1366

Endlich wieder der Ausblick. Gedichte des (kommenden) Tages:


Eines der poetischsten Gedichte von Jürgen Polinske ist "Am Morgen". Im Vergleich dazu ist mein folgendes natürlich völlig deplaciert ... sollte auf diesem Blog nicht thematische und formale Breite erreicht werden ...
Vor über einem Jahr war das Wolken-Motiv lyrisch aktuell auf diesem Blog. Ein Gedicht, das noch so wenig durchkomponiert war, dass es nicht in die entsprechende Kategorie passte, war "Wolke 4". auf jeden Fall ist es jetzt etwas verbessert ...


Trotzdem sofort dahinter die nächste Fortsetzung des utopischen Romanmanuskripts:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (29)




... Schimpf nicht mit mir. Ich brauchte eine Weile, bis ich die einzelnen Personen auseinanderhalten konnte, bis ich wusste, wenn die Karawane vom Feld am Fluss kam, wer in welche Hütte gehen würde. Erst dann fing ich an, ihnen Namen zu geben, richtiger, ich nummerierte sie. Den Hütten verpasste ich Buchstaben, mit A beginnend bei der vordersten Hütte mit Überwachungstechnik. Der älteste Mann darin bekam die 1, die älteste Frau die 2 und so weiter. Ich will ganz offen sein: Ich legte ein Verzeichnis an, wer mit wem in die Liebesnische ging, um mir sicher zu sein, wer mit wem zusammengehörte. Das ging zwar nur für die acht Hütten, die ich innen beobachten konnte, aber das Ergebnis war niederschmetternd. Unter den beobachteten Menschen gab es keine Frau, die nicht im Laufe einer Woche mehrmals mit mindestens einem der Männer in einer Nische gewesen wäre, nicht einmal die Greisinnen. Ich erwischte mich dabei, wie ich auf H 3 neidisch wurde, als sich H 12 vor ihm verbeugte – eine der jungen Frauen, die ich mir in meine Nische geträumt hätte.
Ich brauchte einige Tage, um zu begreifen, dass die Hütten also polygame Gemeinschaften waren. Eigentlich verstand ich das erst, nachdem ich das erste Mal den Besuch einer der Frauen aus G, nämlich der G 8, im A-Haus beobachten konnte.

Es war ein für mich wahnsinnig umständliches Verbeugungsritual: Beim Eintreten hatte sich G 8 vor allen Bewohnern von Hütte A andeutungsweise im Rund verbeugt, dann tief vor A 11, A 11 war verlegen stehen geblieben, hatte sich von einem zum nächsten gedreht, verbeugt, immer weiter, jeweils nachdem er eine Verbeugung als Antwort bekommen hatte, bis er mit allen Hüttengefährten fertig war. Dann verbeugte er sich vor G 8, dann verbeugten sich beide gemeinsam andeutungsweise noch einmal vor allen Hüttenbewohnern und verließen rückwärts die A-Hütte. Und ich ahnte es schon: Dasselbe wiederholte sich ähnlich in der G-Hütte, nur, dass die beiden dort nicht rückwärts nach draußen, sondern in die dortige Nische entschwanden. Wie gesagt, diesen Verbeugungsfilm von einer halben Stunde Länge verfolgte ich als Stummfilm. Allerdings haben sie nirgendwo viel gesagt.
Mir wollte die ganze rituelle Förmlichkeit so überhaupt nicht zu den sonstigen archaischen Lebensumständen passen. Ich muss wohl nicht betonen, dass der Film nach vollendetem Nischengesang noch einmal rückwärts abgespult wurde? G 8 brachte ihren A 11 ordentlich vor dem Schlafengehen wieder in seine Hütte zurück.
An diesem Abend konnte ich wieder nicht einschlafen – aber vor Lachen. Wenn man akzeptierte, dass alle nur in jener begrenzten Zahl von Nischen ihre Begegnungen zelebrierten, dann musste man schon das allseitige Einverständnis einholen, dass man im entscheidenden Moment jenen Platz für sich beanspruchte. Welch absonderliche Vorstellung für mich. ...

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Lyrik-Prosa-Wortkultur 1365

So war das alles nicht geplant. Die Gedichte sollten anders miteinander verknüpft werden. Aber die Technik bockte und somit also erst einmal die Gedichte des Tages:


      Grober Unsinn?! Also inspiriert zu "Schimmlig-tautologisches Sonett" hat mich auch der Spruch von den Pferden, die man schon vor de Apotheke kotzen sehen. Natürlich sollte man als Autor nicht jeden bio- und sonstwas für logischen Unsinn einfach nachplappern ... Aber in Wirklichkeit hat mir das Schreiben einfach Spaß gemacht ... 
       
Zwei Jahre ruhte das Gedicht im Testkasten. Es litt an seiner damaligen Strophe 1. Nun wage ich einen neuen Anlauf, eine lyrische Aussage zum Begriff "Human" zu treffen ...


... und gleich hinterher die nächste Fortsetzung des Romans:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (28)




... Jugendliche existierten aber scheinbar auch nicht in den Hütten. Wieso das? Ich musterte nun auch tagsüber die Alterszusammensetzung der in meinen Aufnahmen auftauchenden Menschen. Tatsächlich gab es dort viele Kinder, besonders viele sehr kleine. Die Erwachsenen im Arbeitsalter brachen früh auf und kamen vor Sonnenuntergang zurück. Die Dämmerungszeit war kurz und es gab zur Beleuchtung nur Fackeln. Im Dorf hockten überall Alte, die neben ihren Verrichtungen die Kinder im Blick behielten, offenbar nicht nur die eigenen. Sie hatten es leicht damit. Die Kleinen tobten scheinbar immer nur innerhalb unsichtbarer Grenzen. Nie entdeckte ich überdrehte Kinder. Und wenn sie es etwas toll trieben, dann zeigten sich die Alten geduldig und nachsichtig. Aber so sehr ich suchte – ich fand nicht einen Teen. Dafür musste es eine Erklärung geben – und ich wurde immer sicherer, dass ich die erst herausfinden würde, wenn ich mich mit den Wesen verständigen konnte. Und noch immer kam die Wiedergabe über ein paar Sätze, die der Translator als wahrscheinliche Übersetzung bezeichnete, nicht hinaus. Ungeduldiger werdend testete ich jeden zweiten Tag, aber es fehlten offenbar ein paar Schlüsselbegriffe, ohne die der Rest keinen meiner Sprache zugänglichen Sinn ergab. Auch auf der Erde hatte es Zeiten gegeben, da raste die Entwicklung der Menschen. Die Kinder mussten viel schneller erwachsen werden und wurden viel schneller alt. Vielleicht war meine erste Eva in Wirklichkeit erst 30 Jahre und lange schon Oma? Was wusste ich schon? Wie sollte ich einmal damit umgehen? Noch war ich froh, dass ich nur Beobachter war, mit nichts umgehen musste.
Ich kannte jetzt schon viel. Zum Beispiel bestand die Hauptnahrung dieser Menschen aus einer Frucht, die mich an grüne Tomaten erinnerte. Ich nahm mir vor, beim nächsten Ausflug welche mitzunehmen, um sie zu kosten. Die Wesen aßen sie sowohl roh, dann trieften sie wie besonders saftige Äpfel, oder als Brei – den zerkochten sie so lange, bis sie die gummiartige Schale, die sie sonst ausspuckten, aussieben konnten. Dann kannten sie eine Wurzel, die ich Rübe nannte, und die sie in Scheiben geschnitten in den fast fertigen Brei gaben, und ein paar Früchte. Bisher hatte ich nichts entdeckt, was sich als Mehl hätte eignen können. Es gab also keine Teigwaren als Vorrat für erntefreie Zeiten und ... keine Tiere, die sie essen, melken oder von denen sie Eier bekommen konnten. Ein sehr beschränkter Speiseplan. Dass ich mich da irrte, erfuhr ich erst viel später. Verstehst du, Menschen, also Meinesgleichen, sind schon lange dem Gedanken entwöhnt, dass es bestimmt Esswaren nur in ihrer jeweiligen Saison gibt und in einer anderen Saison nur die dann zu erntenden oder noch aufbewahrten. Auf die Idee, dass ich in einer Jahreszeit aufgetaucht sein könnte, in der alles alte Mehl verbraucht war, kam ich einfach nicht. ...
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