Mittwoch, 31. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1561

Diesmal ist wieder ein gemeinsames Motiv der Wurzelballen für die Tagesgedichte und das lautet "am und mit Wasser". Da wäre zum einen ein Gedicht mit dem verräterischen Titel "Wehmut" als Blick zurück ... und das wird gemixt mit einem Blick nach vorn: "Barkeepers Vision" - beides eher weniger typische Beiträge hier ... 


Dazu gibt es nichts zu sagen. Beide Gedichte sprechen für sich. Sprachlos war dagegen der Jens bei der Beobachtung seiner Töchter. Nun muss er doch wieder Nachforschungen aufnehmen, welches Geheimnis seine Töchter mit den Insekten verbindet (besser weiß er es noch nicht.) Diesmal aber macht er Ernst ...



Slov ant Gali: Stochern im Nebel (23)


... Am folgenden Wochenende war er mit seiner Familie zu Besuch bei seinen Eltern auf Näswerder. Sie breiteten im Garten hinter dem Haus die Decke für ein gemütliches Picknick aus. Jens´ Mutter nahm das Deckchen vom Picknickkorb … Plötzlich schrie Leonie auf. Vielleicht eineinhalb Meter von ihr entfernt flog eine Biene vorbei. Das Mädchen deutete mit dem Zeigefinger auf das Insekt und hüpfte umher, als müsste sie die anderen vor einer Klapperschlange warnen. Nun war auch ihre Schwester aufmerksam geworden. Beide brüllten so lange, bis das Picknick nach drinnen verlegt wurde.
Jens schwieg. Wie war das möglich? Er hatte doch mit eigenen Augen gesehen, wie die Mädchen zu Hause auf die Wespe reagiert hatten! Erzählen brauchte er nichts. Für den Rest der Familie waren die Mädchen noch immer von der Hornissenattacke traumatisiert.
Nun wollte es Jens genau wissen. Zuerst fiel ihm auf, dass, je näher Sina und Leonie dem Kinderzimmer kamen, sie sich immer normaler benahmen. Aber was war eigentlich normal? Dass sie die Nähe von Insekten suchten? Nach dem krankenhausträchtigen Erlebnis doch wohl nicht. Sollte sich im Kinderzimmer eines unerkannten Rätsels Lösung befinden?
Mehrmals schaffte Jens dort extra Wespen hinein.
Und was geschah? Sina und Leonie spielten mit ihnen. Wurden auch nicht gestochen.
Jens fielen die absurdesten Ziele für Familienausflüge ein. Doch alle hatten eines gemeinsam: Kaum hatten Sina und Leonie ihr Zimmer verlassen, schreckte sie das kleinste Gesumm. Es konnte also nur das Kinderzimmer sein.
Bei nächster Gelegenheit, als die restliche Familie außer Haus war, durchsuchte Jens das Reich seiner Zwillinge – oder, wie er das ausdrückte, er räumte radikal auf. Ununterbrochen schimpfte er vor sich hin. Was die beiden alles herumliegen hatten! Na, mal sehen, ob sie etwas von dem vermissen würden, was er alles in Müllsäcken hatte verschwinden lassen …
Zum Schluss stieg er auf einen Stuhl, um auf Sinas Kleiderschrank Staub zu wischen. ...



Dienstag, 30. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1560

Die Kategorie "beinahe Liebe"  innerhalb der "Gedichte des Tages" wird diesmal bereichert durch "Randgebiete" des Themas ... wenn man nicht gerade die Liebe selbst als "Randthema" auffasst.
Beim utopischen Romanmanuskript erfolgt eine Blende. Es geht weiter bei den Insekten auf dem idyllischen Land:


Die Jahreszeiten im laufenden Jahr mit denen eines Lebens zu vergleichen und vom "Herbst des Lebens" zu sprechen, ist nun wirklich nicht neu. Allerdings ist es im "Sommerausklang" ein recht wehmütig machender "Trost", gesagt zu bekommen, dass auch der Herbst schöne Tage habe ...
Zum Ausgleich etwas Heiter-Hintergründiges aus paradiesischen Zeiten: "Als GOTT die BLÖD-Zeitung schrieb"


Slov ant Gali: Stochern im Nebel (22)

... Ein stichhaltiger Beweis

Für Jens wäre die Sache mit den Hornissen im Laufe der Zeit wahrscheinlich allmählich in Vergessenheit geraten. Eine gewesene Katastrophe war keine. Doch Sina und Leonie hielten die Erinnerung Wochen nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus wach. Ein verdächtiges Summen genügte, schon schrien und tobten sie, als hätte ihnen jemand kochendes Wasser über die Arme geschüttet. Jens musste sie deshalb sogar aus dem alljährlichen Sommercamp nach Hause holen. Eine verständliche traumatische Reaktion, die auch allmählich wieder vergehen würde, hoffte Jens.
Eines Abends aber rief er nach Sina und bekam keine Antwort. Er wusste, sie war oben im Kinderzimmer. Ein zweiter Ruf. Immer noch keine Reaktion. Auch Leonie meldete sich nicht.
Verärgert stürmte Jens die Treppe herauf. Die Mädchen mussten ihn doch gehört haben. Hatten sie wieder Kopfhörer auf?
Jens klopfte an die Kinderzimmertür. Nichts. Er drückte die Klinke herunter, trat ein, entdeckte Sina am Fensterbrett, holte Luft für eine Standpauke und … blieb reglos stehen. Völlig entrückt besah sich seine Tochter gerade eine Wespe auf ihrem rechten Zeigefinger! Die schien sich friedlich zu putzen. Augenblicklich hatte Jens vergessen, was er eigentlich gewollt hatte. Leonie näherte sich von ihrem Hausaufgabentisch aus der Schwester. Beide ignorierte den zwischen den Türpfosten aufgerichteten Vater. Hatte nur Augen und Ohren für die Wespe.
Reglos bestaunte Jens die seltsame Szene. Erst wollte er irgendetwas rufen, die Mädchen aus diesem einer Hypnose ähnlichen Zustand aufwecken, aber dann schüttelte er den Kopf und machte leise die Tür von draußen zu. Ging jetzt alles wieder von vorn los? Nein, ihn hatte der Rausch verschont. Er betrachtete alles ganz nüchtern … allerdings, ohne das Geringste zu begreifen. ...





Montag, 29. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1559

Das "Literaturjournal" am Montag ist nicht anders, als das der anderen Tage. Wie üblich "Gedichte des Tages", wie üblich geht ein Prosaprojekt weiter. Oder ist das Ende eines Kapitels etwa erwähnenswert?


Allein schon die grafische Gestaltung war mir ein Vergnügen bei dieser "Vampirliebe"-Idee ... aber ist sie jetzt nur verschlimmbessert?!
"... und Tschüss!" bleibt, wie es war. Ob es allerdings von anderen Scheidungsnachwürfen verschluckt werden wird, kann ich heute noch nicht sagen ...

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (21)

... Die Zimmertür sank zusammen. Löste sich auf. Gab dem träge fließenden Strom den Weg nach draußen frei …
Rahman schöpfte wieder Hoffnung. Unmengen blau funkelnder Tropfen spritzten weg auf den Flur. … Fließt nur, fließt! Sucht euch was anderes! … Warum bildete er sich ein, dass ein Teil dieser Misttropfen an der Mauer nagte und zu ihm hochzuspringen versuchte? … Weg, weg!
Die Tropfen ließen ihm immer weniger freien Raum. Scheinbar gezielt rückten sie gegen ihn vor, langsam, aber unerbittlich. Holten sich immer mehr Brüder, Schwestern und gefräßige Nichten, obwohl sie doch längst über den Flur hätten abfließen können.
Rahman krallte sich mit einer Hand am Fensterkreuz fest, mit der anderen umklammerte er noch immer seinen Kristall. Er brüllte um Hilfe. Hoffte im nächsten Moment, dass ihn niemand gehört hatte. Wie sollte ihm jemand helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. In so eine unbegreifliche Gefahr?
Ihm blieb nur eine Chance: Raus! Da waren zwar ein paar Etagen bis unten, aber …Ja, raus hier! Draußen …
Schon hatte Rahman das Fenster aufgerissen. Mit einer Windbö klatschte erfrischender Regen ins Zimmer. Dort, wo er auf die funkelnden Tropfen traf, zischte es und … denkste: Nichts war gelöscht. Im Gegenteil! Einige jener „Tropfen“ spritzten nach oben. Erreichten Rahman. Nicht viele, aber das war wohl egal. Er merkte es ja nicht mehr. Er hatte sich gerade etwas nach draußen gebeugt, da begann seine Umwandlung. Als eine Glitzerpuppe war der vorgebeugte Teil schwerer als das Beinstück. Das ganze Ding, das einmal Rahman gewesen war, stürzte zum Fenster hinaus. Auf dem Bürgersteig prallte es auf und zerbrach. In weitem Halbkreis verteilten sich die Bruchstücke. Rahmans Hand am abgebrochenen Unterarm umklammerte noch immer den Kristall und bot sich sofort als künftiges interessantes Fundstück dar. Vielleicht zwei Zehntelsekunden fehlten, dann hätte die ganze Puppe eine Jahrhunderte überdauernde Festigkeit gewonnen. Wäre danach aber im Brei verschwunden. So aber sprangen die wenigen Tropfen, die mit abgestürzt waren, von ihrem unvollendeten Werk in unbekannte Richtungen davon. ...




Sonntag, 28. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1558

Wie vertragen sich Wahrheit und Liebesspiel? Wahrscheinlich schlechter als Geschwisterkinder in ihrem Zimmer. Zumindest diesmal sind Gedichte zu diesem Thema als "Gedichte des Tages" "zusammengelinkt". Im Romanentwurf sind wir an dem Moment angekommen, in dem Rahmen Todesangst packt ... und er hat allen Grund dazu ...


Wenn man einmal anfängt, mit einem Motivknäuel zu spielen, dann kommt mehr als nur ein Gedicht heraus. So ging es mir zumindest mit der Idee "Spinne + Wahrheit". Plötzlich rufe ich laut "mahlzeit!" ...
Tja und beim weiteren Suchen nach potentiellen Liebesgedichten stieß ich auf etwas, dass sich zu einem vergnüglichen Sonett aufpeppen ließ ... auch wenn es schon Heine - nur besser - geschrieben haben hätte können: "Wer die Butterblume zupft" ...

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (20)

... Rahmans Blick verfolgte fassungslos, was da über seine Einrichtung hinwegspritzte. Bläulich leuchtende, sich scheinbar aus eigener Kraft bewegende Tropfen. Ja, wirklich: Hüpfende Tropfen! Wie lebendig! Immer dort, wo sie auftauchten, lösten sich die gewohnten Dinge in Brei auf. Die Tropfen veränderten dabei ständig ihre Gestalt. Strahlten, glühten, teilten sich. Sprangen weiter, wo alles zähflüssig geworden war, wo nichts mehr stand oder lag …
Und Rahman lag in seinem Bett! Wenn sie so weiter machten, hätten sie es bald erreicht! Sich selbst umherspritzend, hüpfend…
Ein Traum! Ein Albtraum! Rahman, wach auf!
Dumm nur, … er kam sich wahnsinnig munter dabei vor. Und das Kneifen mit der linken Hand verursachte echte Schmerzen. Mehr als man träumen konnte. Trotzdem: Wo gab es so etwas sonst? Rahman bekam keinen Laut über die Lippen. Rührte sich nicht.
Gerade noch rechtzeitig, bevor die ersten Tropfen das Bett erreichten, schnellte er dann doch hoch. Landete artistisch auf dem Fensterbrett, dem einzigen Rest seines Zimmers, den die Tropfen noch nicht erobert hatten. Den Weg zur Tür hatten sie versperrt, Tisch und Stühle in der Zimmermitte waren im Brei verschwunden. Vor Rahmans Augen verwandelte sich das Bett, in dem er eben noch gelegen hatte, erst in etwas Glitzerndes; dann löste es sich auf. Mit etwas tieferem Schlaf hätten sie ihn selbst bereits aufgelöst. Schlammige Ruhe.
Mühsam suchte Rahman nach Ordnung in den Gedanken.
Einmal angenommen, er sah, was er sah, was sah er dann? Verwandlungen, die immer mit einer Schaumwolke begannen, auf der die ersten Tropfen ritten. Dann Eiskristalle auf der bisher gewohnten Zimmereinrichtung, auf die er notfalls auch verzichten konnte, und dann schmolz alles zu einer breiigen Masse zusammen. Wenn er nicht schnellstens einen Fluchtweg fand, dann wäre auch er gleich nur noch Brei.
Eine Schaumwolke näherte sich ihm. Inzwischen war auch der letzte Schrank verschwunden. Der Raum war leer. Bis auf den Brei und die lebhaft funkelnden Tropfen an seinen Rändern. ...

Samstag, 27. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1557

Ein literarisches Journal ist natürlich nicht besser als die Beiträge dafür. Diesmal ist das hier wie üblich zuerst einmal der Blick auf die morgigen Links zu den "Gedichten des Tages". Dann geht es weiter mit dem utopischen Romanprojekt. Zur Erinnerung: "Stochern im Nebel" könnte der erste von zur Zeit geplanten vier Teilen / Büchern des Projekts "Die sieben Kugeln" sein. Als letztes folgt eine aktuelle Rezension von Roger Suffo auf lovelybooks, dem großen Buchleseportal in heimlicher Freundschaft mit amazon ...


Liebe kann immer wieder neu beschrieben werde - erst recht der Schmerz, wenn sie nicht (mehr) da ist, wenn man die "lieb los" allein fühlt ...
Auf der Suche nach aufzubereitenden alten Ergebnissen blieb ich dann in einem wahren Spinnennetz hängen ... oder sollte ich bei "gefunden" "Spinnernetz" sagen?

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (19)


Welch ein Gefühl! Ein unbeschreiblich wertvoller Kristall. Bestimmt! Ein sich kurz aufbäumender Gedanke: Rahman, schon morgen haben sich alle Illusionen in Wohlgefallen aufgelöst. Du kannst ja nicht einmal einen Edelstein von einem ziemlich wertlosen Bergkristall unterscheiden. Wenigstens für diese eine Nacht darf ich mich reich fühlen, antwortete er sich. Dabei vergaß er sich zu wundern. Wer wird schon so unvermittelt müde und schläft dann nicht ein?
Irgendwann musste er doch eingeschlafen sein. Diese schwebenden, ihn gnadenlos jagenden Kristalle … Grrr! Und dieser leere Raum. Er war gerannt und gerannt, hatte keine Luft mehr bekommen, … und hätte jetzt schweißgebadet feststellen müssen, dass er sich die Decke über den Kopf gezogen hatte. Was wäre das für ein wunderschöner Albtraum gewesen ... zum Weitererzählen schön!
Aber die Unruhe nahm eher noch zu, jetzt, da er, mit trockener Haut und ohne Decke über dem Kopf, aufgewacht war. Wirklich aufgewacht? Ganz sicher? Vielleicht war er nur in den nächsten Traum geraten?
Neben ihm zischte etwas. Das war eigentlich ausgeschlossen. Rahman hatte das Zimmer von innen verriegelt, und sein Zimmergefährte war übers Wochenende abgeholt worden. Es konnte also nichts und niemand im Raum sein und zischen.
Am liebsten hätte Rahman laut „Ist da wer?“ gerufen, geantwortet, „Ja. Ich!“ und gelacht. Aber dafür war das Rauschen zu deutlich. Es hörte sich an, als ob Gas aus einem Rohr ausströmte. Oder… Nein, das Geräusch in seinem Zimmer wurde deutlicher, es kam näher. Rahman atmete ein, aus, ein … Er hielt den Atem an. Kein Zweifel: Etwas rauschte vom Tisch her auf ihn zu, und das war, so sehr er sich das gewünscht hätte, nicht sein Rausch.
Es wurde immer heller. Der ganze Raum war von blauem Dämmerlicht erfüllt.
Die Lampe verbreitete normalerweise natürlich kein blaues Licht, und Rahman hatte sie sowieso erst anschalten wollen. Sein linker Zeigefinger hing noch auf dem Weg zum Lichtschalter in der Luft.
Rahman lag da wie erstarrt. Der Lampenschirm! Ungläubig klebte Rahmans Blick auf dessen bisher so herrlich kitschigem Muster. Wie sich der Schirm veränderte. Sich bewegte. Als ob er aufschäumte... und dann, ebenso kurz, glitzerte er wie von Eiskristallen überzogen. Zum Schluss verlor er jede Kontur und schmolz. Auch der Schreibtisch darunter sackte wie in einer Computersimulation zu einem zähen Brei zusammen. ...

Rezension zu

Das Geheimnis der Sonnensteine

Michael Szameit
Erschienen bei Verlag Neues Leben, 01.01.1986

Zuerst geht es darum, was einen Helden ausmacht. Um Ehrfurcht vor den Erfahrenen, Mut und Übermut.
Der Nachteil des Buches: Es ist nützlich, die früheren Bücher des Autors zu kennen. Die Handlung hier greift auf Ereignisse zurück, die u.a. die Väter der Haupthelden sehr unterschiedlich zu bestehen gehabt hatte, und solche, die deren Folge waren.
Unheimliche energetische Wirbel suchen die Erde heim Sie werden angezogen von Stromkonzentrationen und sie „vertilgen“ alle Energie. Anders ausgedrückt: Sie machen ein zivilisiertes Leben auf der Erde unmöglich. Also beginnt alles mit der Notevakuierung der Menschen, mit wilden Atomreaktionen, die die Erscheinungen durch ihre Energieballung von den Starts der Raumschiffe ablenken sollen, die auch mit Energie verbunden verbunden sind, aber mit weniger. Viele monströse Katastrophen und dazwischen zwei Mitarbeiter der Raumsicherheit (!), die im Chaos an Plünderung und Besäufnis denken. Der eine aus Leichtsinn, der andere, weil er dem Freund folgt.
Bis zum Ende des Buches gibt es dann keinen Helden mehr, der nicht irgendeinen katastrophalen Fehler gemacht hätte. Die beiden entgehen auf makabre Weise einer schweren Disziplinarstrafe … und schon spielen sie Hosentaschen-James-Bonds, weil „die da oben“ im Flottenkommando irgendeine Schweinerei vertuschen. Über die Erscheinung schienen einige schon etwas gewusst zu haben, als es sie noch gar nicht gab. Und alles, wirklich alles ist streng geheim. Im Chaos von Massenevakuierungen und Pannen beim Finden eines neuen Siedlungsplatzes tun die gewissensberufenen Helden einiges zur Lösung eines verwirrten Knäuels von Geheimnissen. Dabei wäre alles so einfach gewesen: Ein wenig mehr Vertrauen und man hätte sich gegenseitig gezeigt, was Zufälle in die einzelnen Hände gespielt hatten, ein wenig weniger Eitelkeit eines hoch dekorierten Superhelden und der wäre zwar normaler erschienen, aber manche Forschung wäre schneller vorangekommen. Aber die Verführung war zu groß: Man glaubte an einen besonderen Sinn des Mannes, der das Nahen der Vernichtung immer schon frühe als andere zu ahnen schien. Dabei trug er die Lösung der Gefahr als Schmuck um den Hals.
Die stärkste und in ihrer Gestaltung einmalige Szene ist für mich jene, als der Halbbruder jenes Superhelden den Prototyp eines Raumschiffs testen soll, mit dem die Massenevakuierung endlich etwas „angenehmer“ erfolgen könnte. Plötzlich erhält er einen echten Rettungsauftrag. Endlich sieht er seine Chance gekommen, sich als Held zu erweisen. Er nimmt eine übermenschliche Anstrengung in Kauf … und versagt im winzigen Moment der Entscheidung als Feigling. Die wenigen, die die Wahrheit erfahren werden, werden ihm im Tod Heldentum zubilligen.Die Jagd auf den, der die Familie seines Bruders sterben ließ, ist bei aller SF-Zweifelhaftigkeit extrem spannend und im Zusammen- bzw. Gegeneinanderspiel der Charaktere extrem stark. 
Die Auflösung der Menschheitskatastrophe erscheint fast nebensächlich, kaum der Erwähnung wert. 
Wobei … der Titel ist irreführend. „Das Geheimnis der Sonnensteine“ ist auch am Buchende nicht gelöst. Da weiß man nur, dass sie von Menschen gegen Menschen missbraucht wurden. Anders gesagt, das eigentliche Geheimnis der Sonnensteine stellt sich im nächsten Buch neu … und ich bin gespannt drauf.

Roger Suffo





Freitag, 26. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1556

Gelegentlich stehen die "Gedichte des Tages" auch unter einem verbindenden Motto:


Scheidungsgedichte ... gibt es so etwas? Wenn ja, sind sie im Meer der blind geschriebenen Liebesschmalzpoesie untergegangen. Ich erlaube mir also, diesen Tag ins Licht der schwarzen Liebeskerzen zu stellen.
Da haben wir zum einen die "Salzwunden", Produkt der krampfhaften Selbstbelügung, man will nicht nur den Ex vergessen, sondern man habe es längst, während man doch masochistisch die Heilung der alten Wunden verhindert, zum anderen "Geständnis bei noch laufender Ehe" - die Verwunderung darüber, dass man sich eigentlich nicht mehr liebt ... äh ... da war doch mal was?!


Die Scheidung, vor der Rahmen in dem Romanprojekt steht, ist eine ganz andere:

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (18)


... Dieser Reinfall, den er Pedro gegenüber nicht erwähnt hatte … der musste ja nicht alles wissen – in seinem Zustand bedachte Rahman überhaupt nicht, dass er ja irgendeine Geschichte erzählen musste, wenn auch Pedros Bohrer zu Bruch gehen sollte. Rahman fing einfach an.
Der Bohrer senkte sich langsam, setzte auf, es stoben ein paar Funken zur Seite, es gab ein schrilles Geräusch und … der Bohrer drang ein, als hätte er ganz normales butterweiches Holz vor sich! Rahman drückte den Rückwärtsgang. Tatsächlich: In der bisher so unverwüstlichen Oberfläche war ein winziges Loch. Zitternd suchte Rahman nach größeren Bohrern. „Das Loch“, murmelte er vor sich hin, „ich muss es vergrößern…“
Ein Wunder geschah: Er verletzte sich nicht. Er hörte sogar Pedro rechtzeitig kommen, steckte die Kugel in die Tasche, blies den Staub zur Seite, lief zurück ins Wohnzimmer …
Als Pedro die Tür öffnete, hatte Rahman sich so hingefläzt, als hätte er die ganze Zeit sehnsüchtig auf Nachschub gewartet. Aus Begeisterung über den Erfolg trank er mit Pedro mit, bis beide nicht mehr konnten und wollten.

Rahman konnte es kaum aushalten. Er entschuldigte sich bei seinen Eltern. Wochenenddienst. Er rüstete sich mit unterschiedlichsten Werkzeugen aus. Es sollte ein richtiges technisches Wochenende werden. Dachte er.
Er irrte. All sein Werkzeug brauchte er nicht. Am Freitagabend drückte er nur probeweise die Spitze eines Nagels leicht auf das Bohrloch und klopfte mit dem Hammer darauf. Schon passierte es. Die Schale zerplatzte.
Verwundert starrte Rahman auf die Reste der Kugel, die ihn vom Tisch aus staubig angrinsten: Da lag etwas, was verdächtig an ein benutztes Kondom erinnerte, nämlich die äußere Kugelhülle mit Loch. Dann lag da ein Haufen grauer Dreck, teils klumpig, teils staubkörnchenfein. Aber was Rahmans Blick fesselte, war natürlich der Kern, eben der, der das Röntgenbild so aufregend beherrscht hatte.
Ein schillernder und funkelnder Riesenkristall. Rahman nahm ihn in die Hand, putzte ihn blank, genoss das Licht, das aus ihm zurückstrahlte und presste ihn schließlich fest an sich. Seine Faust schien zu glühen, Wärme auszustrahlen, die wohlig durch den ganzen Körper floss. Ein Glückstaumel. Rahman fühlte sich federleicht. Benommen. Berauscht. Fast im selben Moment aber auch tonnenschwer müde. Er schwankte, summte vor sich hin, wiegte sich wie eine maskuline Bauchtänzerin in den Hüften. Natürlich ließ er während der ganzen Zeit seinen Kristall nicht eine Sekunde los. Er barg ihn in der rechten Hand. Mit der linken streifte er Hemd und Hose vom Körper. Ließ sie am Boden liegen und sich ins Bett fallen. Einhändig zog er die Decke über den Körper. ...

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1555


Es gibt Dinge, die kann man ("ich") nicht so gut in Worte fassen. Da schweigt man und ... versucht das Schweigen in Worte zu fassen ... ("beistand") ... im Test ...
In der Sammlung potentieller Liebesgedichte hat auch "Fuchsens Schmerzlied" seine Berechtigung. Jeder kennt ja die Fabel vom Fuchs und den Trauben: Jene Trauben, die der Fuchs nicht erreichen kann, erklärt er einfach für zu sauer ...


Ja, beinahe hätte ich die "Gedichte des Tages" im Schwarzen gelassen. Das kommt davon, wenn ich mit Rahmen den Dingen zu wird auf den Grund gehen will ...



Slov ant Gali: Stochern im Nebel (17)


... Abends, als er sein Schwurstück genauer betrachtete, konnte er sich nicht entscheiden. Bildete er sich das Schimmern nun ein, weil er es am Nachmittag gesehen hatte? … Hatte er es denn überhaupt gesehen? Wenn ja, war es sehr schwach. Vielleicht war es trotzdem besser, die Kugel in eine Bleimatte einzupacken? Man konnte ja nicht wissen…
Doch! Als er abends die Kugel auf den Tisch legte, das Licht ausknipste und lange genug gewartet hatte, um die Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, sah er es wieder: Da flimmerte etwas bläulich. Und das hing nicht mit seinem Zustand zusammen.
Zwei Röntgenaufnahmen hatte er mitbekommen.
„Also ich weiß nicht, was das sein soll…“
Eine Aufhellung mit scharfen Konturen in der Mitte... Das kribbelte ungeheuerlich: In der Kugel war etwas verborgen. Daran gab es keinen Zweifel. „Das wäre doch einmal ein Grund zur Freude, wenn die unscheinbare Schale vielleicht so etwas wie einen Edelstein von gewaltigen Ausmaßen verbirgt, oder?“
Die Röntgenassistentin ließ sich von Rahmans Lachen anstecken. Beide waren sich des Unsinns wohl bewusst. So leicht, wie die Kugel im Ganzen war, konnte sie keinen schweren Edelstein enthalten. Aber es wurde ein schöner gemeinsamer Abend.
Sicher war nur eines: Den Kern seiner Kugel bildete ein vollkommen ebenmäßig geformter fremdartiger Körper. Eine Art Kristall - so groß wie ein Hühnerei mit abgerundeten Ecken, feixte Rahmen. Andererseits war die Kugel fast so leicht wie ein Ball! Jeder Kern dieser Größe hätte für sich allein schon schwerer sein müssen als die ganze Kugel!
In der folgenden Woche besuchte Rahman einen Freund in dessen Werkstatt. Pedro hatte einen eigentümlichen Grund zu feiern: Seine letzte Freundin hatte ihn abserviert. Vielleicht hätte er zugeben sollen, was er wirklich vorhatte: Ein Frustsaufen. Egal. Piet und Norman waren dabei und Rahman, natürlich. Keinem fiel auf, wie sehr sich Letzterer beim Trinken zurückhielt. Trotzdem hatte die Truppe schon früh alle Reserven aufgebraucht. So stiegen Piet und Norman aus dem Wetttrinken aus.
„Bleibst wenigstens du noch?“
Pedros Frage kam Rahman sehr gelegen.
„Klar“, antwortete er. Jetzt war es so weit. Pedro brachte die anderen zur Tür – und ging in den Keller, Bier holen. Die Zeit musste reichen. Kaum war Rahman allein, lief er zur Werkstatt, holte seine Kugel hervor, spannte sie in einen Schraubstock und setzte einen von Pedros Spezialbohrern an. Es war wie ein Rausch. Zugegeben: Etwas Alkohol hatte er wirklich im Blut. Seine Bewegungen waren nicht gerade die eines Arztes. Und er hatte es eilig. Ihm ging dabei die Sache mit dem Zahnarzt durch den Kopf. ...



Mittwoch, 24. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1554

Diesmal gibt es aus derselben "Feder" zwei doch sehr unterschiedliche Gedichte als "Gedichte des Tages":


Was mach ich nur: Ich finde den Erich-Fried-Text nicht wieder, der mich zu "Individuum 1" animierte. Vielleicht sollte ich den Bezug weglassen und einen Doktor-Titel beantragen?!
Nach so schwer Sinnträchtigem sollte etwas leichtere Kost angeboten werden. Die Bedingung erfüllt, "wenn du am somstag kommst" allemal ... beinahe Liebe eben ...




Im Romanmanuskript nähert sich die erste "Horrorszene" ...



Slov ant Gali: Stochern im Nebel (16)


... Rahman entschied für sich, von nun an jedes wissenschaftliche Interesse an diesem nichtdentalen Medium geheim zu halten. Schließlich war die ganze Angelegenheit nur dadurch ins Rollen gekommen, dass er erzählt hatte, wie er kurz zuvor ähnlich den Versuchen auf Näswerder mit dem Hammer auf die Kugel eingedroschen hatte. Immerhin sei er wohl jetzt stärker und geschickter als damals, hatte er angesichts der gemeinschaftlich geleerten Flaschen erklärt. Und dass er abgerutscht war, ohne Wirkung zu erzielen. Die unscheinbar graue Kugel schien ihn verspotten zu wollen. Was er auch tat, er erreichte nichts. Sollte er vielleicht aufs Dach steigen, um sie aufs Pflaster herunterfallen zu lassen? Wahrscheinlich zertrümmerte er damit eher ein Stück Straße als den Kern der Kugel freizulegen. Das hatte dann seinen Kommilitonen provoziert, dem Ding mal richtig auf den Zahn zu fühlen.
Nie wieder so einen Mist!
Der Vorsatz hielt allerdings nicht lange. Die Wendung brachte eine sich anbahnende Freundschaft mit einer Röntgenassistentin. Dass er nicht früher auf die Idee gekommen war! Warum nicht erst einmal nachsehen, ob etwas drin war in dem Ding?
„Ja, es ist verrückt. Aber das Ding beschäftigt mich schon seit meiner Kinderzeit. Es schadet doch nichts. Du durchleuchtest die Kugel in einer Pause. Ich tue, als wäre ich Patient und verschwinde sofort wieder.“
Sie konnte ihm seine Bitte nicht abschlagen. Sie war zwar noch in der Ausbildung, aber sie freute sich zu sehr, dass er etwas verrückter schien als die Männer, die sie bisher kennen gelernt hatte, und sie trotzdem mochte. Alles geschah zwischendurch, außer der Reihe, ähnlich anderen studentischen Scherzen. Schnell ein paar Röntgenbilder, für die eigentlich Rahman in die Kabine gegangen war … „Entschuldige, ich hab ein paar Bilder mehr gemacht. Das macht doch wohl nichts bei so einer toten Kugel, oder?“ Das war natürlich eine naive Frage, aber Rahmen ahnte das nicht. Ihn beschäftigte längst etwas Anderes als die Frage, ob seine Partnerin in diesem Fall Probleme mit der technischen Abrechnung der Röntgenuntersuchungen bekommen könnte: Als er nämlich, spitzbübisch feixend, die Kugel in seinem Rucksack hatte verschwinden lassen, schien sie bläulich zu schimmern. Und Rahman war absolut nüchtern. Und verunsichert. ...



Dienstag, 23. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1553

Was macht man, wenn ein literarischer Partner auf die Anmerkungen, die man zu seinen Gedichten innerhalb der "Gedichte des Tages" gemacht hat, nicht reagiert hatte, ein Gedicht zur Veröffentlichung anbietet, das man ... nicht empfohlen hätte? Auf anderen Blogs ist es ja schon zu finden. Herausgekommen ist bei mir die folgende "Anmoderation":


Wie sagt man einem Autor, dass man meint, er schoss daneben? Ehrlich am besten. Allerdings strotzt "Sonnenlos" von Thomas Reich nur so von Bildern und Unlogiken, dass man kaum weiß, wo man denn anfangen sollte, einmal abgesehen davon, dass "nachts" klein geschrieben werden sollte. Soll das eine Persiflage auf christliche Ideologie sein? Also als Paria zwischen deutschen Wohlständlern würde ich mich mit Bier und trocken Brot nicht erkennen. (Dafür, "Nachts scheint die Sonne" in Verbindung mit Michael Holm z.B. zu ergoogeln ist der Autor wohl zu jung ...)
Am besten Daumen gedrückt für den nächsten Versuch ...
Mit meinem Versuch, die klassische Form des japanischen "Tanka" zu probieren, meinte ich es natülich nicht 100 Prozent ernst. Immerhin ergibt die erste 5-7-5-Silben-Konstruktion ein "Naturbild" ... und die zweite 7-7-Silben-Strophe ... löst es auf ... Allerdings macht schon die Wortwiederholung das Ganze lehrbuchwidrig ...




Wie es im Leben so ist: Eine Sache erweist sich als unerklärlich, eine andere wird wichtiger ... aber wenn nun die eine Sache mit der anderen zusammenhängt ...?


Slov ant Gali: Stochern im Nebel (15)


... „Aber Papa, wir doch nicht!“
Also auch das nicht. Eine lange Liste von unglaublichen und weniger unglaublichen Möglichkeiten. Eine nach der anderen hakte Jens als unzutreffend ab. Zuletzt blieb nur eine übrig: Er hatte im Winter den Keller aufgeräumt, in dessen Mauerspalt das Hornissennest verborgen gewesen war. Aber was sollte das eine mit dem anderen zu tun haben? Er war doch nicht an das Nest herangekommen. Der seltsame Fall landete vorübergehend in der Schublade „ungelöst“ …

Todeserwachen

Rahman hatte sich letztlich an seine neue Umgebung Näswerder und den Trooch gewöhnt. Er wurde Spitze – und nicht nur im Genießen von Schmachtblicken der Mädchen. Bald schon wollten die meisten bei Klassenarbeiten in seiner Nähe sitzen, um abzuschreiben oder seine Lösungszettel zugeschoben zu bekommen. Warum sollte er dann nicht Medizin studieren? Klar, damit kostete er seine Familie viel Geld und er zöge aus der gerade gewonnenen Heimat schon wieder weg nach Berlin, aber er besänftigte seine Eltern. Er versprach ihnen, sich nach dem Studium um eine Stelle an der mecklenburgischen Landesklinik zu bewerben, und das war doch eine Aussicht! Der Vater sah seinen Sohn schon als künftigen Chefarzt. Da machte es auch nichts, als die erste Bewerbung trotz eines hervorragenden Staatsexamens scheiterte. Rahman blieb vorerst in seiner Studentenbude in Berlin, um seinen Doktor der Medizin zu machen – das hoffte zumindest die Familie.
Von Rahmans Versuchen mit seiner Kugel ahnten sie natürlich nichts. Er hatte sie während des Studiums zum Beispiel einem künftigen Zahnarzt gezeigt. Man müsse eben, entschied dieser überzeugt und im Vollbesitz eines nicht unerheblichen Alkoholpegels, mittels eines Zahnbohrers ein Loch in die Oberfläche des merkwürdigen Objekts bohren. Unglücklicherweise machten sich beide sofort ans Werk. Die Folge dieses „wissenschaftlichen Experiments“ war niederschmetternd. Der Bohrer zerbrach wie die Freundschaft der beiden Studenten, als sich abzeichnete, wie hoch der nächtliche Schaden war. Dabei hatten sie eines trotzdem nicht geschafft: Die Oberfläche der Kugel war nicht einmal angeritzt. Der andere Student ging Rahman von da an aus dem Weg. ...



Montag, 22. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1552

Eine Kunst für sich ist es, mit Worten eine Landschaft, Gegend, Straße usw. auferstehen zu lassen. Was ist das Typische. Wie fange ich das ein? Ein seltenes Beispiel hierfür finden wir morgen is den Gedichten des Tages.


Eine Spezialität von Petra Namyslo ist das wortmalende Einfangen von Lokalkolorit. Ein Beispiel hierfür ist "Oranienburger Straße". Oder wer sieht da nicht gleich die Bordsteinschwalben herumfliegen?
Nicht käufliche "Liebe" ist dagegen Gegenstand von "Bist du das?", wobei der Titel sicher ... schwach ist ...



Der Anfang von "Die sieben Kugeln" hat zwei Aufgaben: Personen vorstellen und allmählich das Gefühl wachsen lassen, dass da eine Bedrohung heranreift, dass Kräfte am Wirken sind, die die Helden nicht verstehen können ... und der Leser auch nicht ...

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (14)


... Das Nest überwinterte. Nichts schien sich im nächsten Jahr verändert zu haben. Was also sollte dieser dumme Scherz? Wer hatte nur von dieser Sache Wind bekommen? Jens konnte seinen Ärger nur mühsam zurückhalten.
… „So nun ist genug. Ihr habt euern Spaß gehabt, und jetzt lasst mich in Ruhe.“
Doch die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung blieb dabei. Jens solle sofort kommen. Seine Töchter Sina und Leonie seien von Hornissen angefallen worden. Sie schwebten in Lebensgefahr. Auch seine Frau Janine habe es erwischt. Sie habe versucht, die Mädchen aus dem wütenden Schwarm zu befreien.
Noch immer wehrte sich jede Pore an Jens, etwas von dieser Vorstellung aufzunehmen. Dann aber raste er los zum Krankenhaus.
Es war ernst. Jens brauchte seine ganze Beherrschung, um nicht auszurufen, „Wie seht ihr denn aus?“ Aber sein Gesicht sprach sicher Bände. Er blieb bis zum Abend. Fuhr absolut verunsichert aufs Grundstück. Fürchtete sich vor dem Schlafengehen! Die entstellten Gesichter der Mädchen und Janines, ihre aufgequollenen Lippen … allergische Reaktion hörte er noch die Worte der Ärztin, die ihn hatte beruhigen wollen, das Schlimmste sei vorbei … Das würde Träume geben! Albträume dazu zu sagen, wäre die blanke Untertreibung. Dachte Jens. Erwartete Jens.
Doch was geschah? Entsetzt bemerkte er schon beim Einschlafen, dass er die Hornissen mehr als seine Familie vermisste. Dass ihn die Vorstellung plagte, dass die Feuerwehr das Nest entfernt hatte. War er krank?
Nach einer Woche waren Janine, Sina und Leonie wieder daheim. Jens freute sich natürlich darüber. Doch wo war dieses Glücksgefühl geblieben, das im letzten Jahr von den Hornissen ausgegangen war? Warum nur waren dieselben erst so harmlosen Wesen plötzlich wie Feinde über seine Familie hergefallen? Was war inzwischen anders? Die letzte Frage beschäftigte Jens am meisten. Er ging alle Möglichkeiten durch. Was könnte … , nein, hatte sich überhaupt irgend etwas verändert? Es war absolut alles beim Alten. Das Haus, die Umgebung, das Wetter, die Kinder ... Halt! Jens rannte hoch in Kinderzimmer. „Sagt mal, benutzt ihr neuerdings ein Parfüm oder habt ihr euer Deo gewechselt? So was reizt Insekten manchmal.“
„Aber Papa, wir doch nicht!“ ...



Sonntag, 21. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1551

Wie schlimm: Hinter uns liegt ein herrlich spätsommerliches Herbstwochenende und die "Gedichte des Tages" gehen gar nicht darauf ein! Aber sie gehen auch auf so vieles Andere nicht ein ...


Nein, die heutigen Gedichte passen wohl nicht zusammen. Thomas Reichs "Kleiderbügelmentalität" finde ich ... sagen wir einmal ...anfechtbar ... und sei es, weil das Bild, so schön es klingt, nicht stimmt: Zeiht man der Sau bei großen Schlachtefest die Haut ab (?!), dann zeigt sich darunter eben KEIN armes Würstchen. Aber eben auch anfechtbar im positiven Sinn: es regt zum Anfechten an ...
Ich erlaube mir, dazu ein Liebesgedicht, ein reines Liebesgedicht trotz Überschrift BEINAHE Liebe dazuzugeben: "Aneinander" ... Und das ist eben ... sehr voll Anspruch --- zu sehr?!


Bei dem Buch eins der "sieben Kugeln" geht es noch immer um die Hornissen:

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (13)


An einem Sonnabend feierte das Dorf Erntefest. Abends hatten Jens und Janine ihre Töchter gemeinsam ins Bett gebracht. Am Sonntagmorgen kamen sie gegen vier Uhr beschwipst zurück. Es war schon hell, aber noch kühl.
„So, jetzt werde ich das Nest ausräuchern“, rief Jens, berauscht vom Alkohol. Er horchte in sich hinein. Kein Schmerz in der Schläfe. Nichts war da von dem, was sonst von den Hornissen ausging. Jens fühlte sich ihnen überlegen. Vergeblich versuchte Janine, ihn ins Haus zu zerren. „Lass mich“, schüttelte er sie ab. „Diese Viecher! Jetzt sind sie fällig.“
„Lass doch, Jens!“
Sein Jagdfieber war nicht zu besänftigen. „Am liebsten hausen Hornissen in Mauervorsprüngen“, erklärte er im Brustton der Überzeugung. „Da kannst du Martin fragen. Der hat schon mal Hornissen gehabt.“ Nur mit großer Mühe gelang es ihm, nicht zu lallen. Sorgsam suchte er mit Augen und Fingerspitzen die Wand seines Hauses zum Hof und ihre Umgebung ab. Und wirklich ...
„Komm her! Na, siehst du?!“ Diesmal schliefen die Hornissen, und Jens zeigte Janine das Nest neben dem Kellerfenster. „Das pack ich mit dem Kescher und schmeiß es in den Quadder.“
Janine verkniff sich ihren Kommentar. Allein die Vorstellung, wie Jens das Nest aus der Mauerlücke in den Kescher bekommen wollte, überforderte ihr Vorstellungsvermögen … und seines dann wahrscheinlich auch. Jedenfalls zog Janine Jens weg vom Keller in den Korridor. In der Schlafzimmertür hatte er sein Vorhaben längst vergessen.
Halbwegs ausgeschlafen sah er zur Mittagsstunde in den Hornissen wieder liebenswerte Insekten. Wann immer sie von nun an in seiner Nähe schwärmten, lösten sie Hochstimmungen aus. Jens konnte sich nicht von ihnen losreißen. Warum auch, dachte er, wenn er denn einmal dachte: Mindestens auf Leo und Sina haben sie einen positiven Einfluss. Die beiden haben sich in der ganzen Zeit kein einziges Mal mehr gestritten, und in der Schule sind sie nun die besten. Durfte er das zerstören? Die Ausreden summten in Jens´ Kopf wie ein Hornissenschwarm.

Samstag, 20. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1550

Zwischenspurt für die Sammlung "beinahe Liebe". So könnte man die "Gedichte des Tages" überschreiben.

So ... zwischendurch ... erweitern wir den Speicher für die Gedichte unter der Überschrift "beinahe liebe". Da kann man inzwischen so unterschiedliche Beispiele finden wie "So geht´s auch" und "Bist du das?". Daraus lässt sich schon ablesen, wie verscheiden man ein Motto auffassen kann 

Bei der Beziehung des Helden im utopischen Roman handelt es sich weder gegenüber seinen Töchtern noch zu den Hornissen nur um "beinahe Liebe":

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (12)


... Aber noch überwog der Wunsch, Sina und Leonie zu schützen. Jens schlug die Tür zu, lief um den Wagen herum, kletterte auf den Fahrersitz, schloss die Fahrertür und wollte vom Hof fahren. Überdachte schon die nächsten Schritte: Wenn hier so viele Hornissen herumschwirrten, war vielleicht ihr Nest nicht weit. Er musste sich sofort darum kümmern, die Feuerwehr rufen …
Da waren plötzlich ohne ersichtlichen Grund alle Hast und Unruhe wie weggeweht. Als hätte es nie eine Veranlassung dazu gegeben. Jens tauchte in einen Traum ein. Richtiger: Etwas tauchte ihn in diesen Traum hinein. Plötzlich umgaben ihn lauter schwebende Wesen. Sangen und umtanzten ihn wie Elfen oder Engel, wie Phantasiegeschöpfe von unbeschreiblicher Schönheit. Lachten ihn vergnügt an. Vergeblich sagte er sich, das sah er nicht wirklich, das musste eine Halluzination sein. Überall dort, wo er jetzt schwirrende Elfchen zu erblicken glaubte, waren ihm doch eben noch Hornissen entgegengesummt. So etwas wie eine innere Stimme aber antwortete: Na und, ist diese wunderbare Vorstellung etwa nicht schöner?
Langsam griff Jens wieder nach den Armen seiner Töchter. Er zog Sina und Leonie aus dem Auto heraus. Vergaß, dass er sie eben noch hatte beschützen wollen. Nein, wunderte sich schon darüber: Wovor eigentlich beschützen? Vor diesen schwebenden Elfchen etwa? Die jetzt auch noch alle irgendwie die Gesichtszüge seiner Zwillinge angenommen hatten? Ihn als Schwarm von Sinas und Leonies umkreisten? Das konnte er ja wohl nicht ernst gemeint haben!
Zwischendurch, für Sekundenbruchteile, verschwammen die Bilder. Da erkannte er im Hintergrund sein saniertes Gemäuer. Da ängstigten ihn summende Insekten in unmittelbarer Nähe. Aber schon war das Bild wieder ein anderes. Seine Kinder waren überall. Schwebten mit Flügelchen um ihn herum. Wie in Trance rief Jens ihnen zu: „Wollen wir nicht ein paar Blumen für Mama pflücken?“ „Oh, ja“, antworteten die beiden, also die vielen, und sie tanzten in den Garten. Jens sah einen ganzen Elfenreigen um sich herum. Er schnitt drei Rosen ab, die Mädchen flochten vier Butterblumenkränze. Setzten sich und ihrem Vater je eine Krone auf. Tanzten und tanzten. Und als Janine aus dem Dorf zurückkam, schmückten sie auch deren Kopf. Die wunderte sich überhaupt nicht und dutzende summender Hornissen-Elfchen freuten sich mit ihnen.
In der Dämmerung erzählte Jens Leonie und Sina wie immer eine Schlafgeschichte. Auch Janine hörte zu. Jens lag noch lange danach munter und lauschte in sich hinein. War nun alles in Ordnung oder nicht? Aber warum eigentlich nicht? Es war bestimmt alles in bester Ordnung!
Erst am nächsten Morgen, als sein E-Car automatisch den Weg zur Dienststelle in Berlin einschlug, fing er an zu grübeln. Sina, Leo, Janine, er selbst … Waren sie gestern alle total weggetreten? Was war da nur passiert? Kaum versuchte er in Gedanken den tatsächlichen Ablauf des Abends nachzuzeichnen, begann sein Kopf zu schmerzen. Und wie! Immer wenn er begann, sich auf seine Begegnung mit den Hornissen zu konzentrieren, hätte er vor Stechen in den Schläfen brüllen mögen. Dachte er dagegen, Ist ja nicht so wichtig, fühlte er sich entspannt, und die Schmerzen verschwanden von einer Sekunde zur nächsten.
Also ließ es Jens an diesem Vormittag dabei bewenden. Er alarmierte nicht die Feuerwehr, er sprach Janine nicht auf die Hornissen an, und er erzählte auch seinen Kollegen nichts von der Sache. Es war ja klar, was die ihm geraten hätten: Ruf die Feuerwehr und geh zum Psychiater! Und natürlich hätten sie wieder über ihn gelacht.
An den folgenden Tagen fuhr er stets beschwingt nach Hause. Im Auto trällerte er vor sich hin ... egal, worüber er sich im Büro geärgert haben mochte. Immer neu begeisterte Jens das Gefühl, er würde bald wieder bei seiner Familie sein. Darauf konnte er sich doch freuen, versuchte er seine inneren Zweifel zu zerstreuen.
Bei deiner Familie? Von wegen! Du freust dich auf irgendwelche Hornissen! Wie abartig! Denk da bloß nicht weiter drüber nach. Sonst … Nein, nein, nein, mit denen hängt die Stimmung überhaupt nicht zusammen.
Hing sie natürlich doch, und Jens wusste das. Stand nicht seine ganze Familie unter deren Einfluss? Befanden sie sich alle in Gefahr? … Quatsch! Worin sollte die bestehen? Er musste das herausbekommen, trotz Trugbildereien und Kopfschmerz. Allerdings... wenn er die anderen und sich selbst von den Hornissen befreite, ginge es ihnen schlechter als jetzt; und sollte er sich jemandem anvertrauen, käme er so schnell nicht mehr runter von der Psychiatercouch. Wem war damit geholfen? Es war doch nichts Schlimmes passiert. Jens nahm sich vor, alles zu beobachten und alles Ungewöhnliche aufzuschreiben. So, redete er sich ein, brauchte er das Angenehme nicht aufzugeben und blieb dennoch Herr der Lage. Aber was war überhaupt ungewöhnlich? ...



Freitag, 19. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1549

Das Freitagsjournal wieder ohne Rezension, dafür aber selbstverständlich mit Ausblick auf die nächsten "Gedichte des Tages":


Liebe und Gunda Jaron ... Geht das zusammen, ohne ein Aber oder wenigstens ein gewisses Heinesches Blinzeln? Wenn´s "Metaphysisch" wird werden wir es sehen ... Gehört es sich da, sie unsanft zu wecken? Eigentlich nicht, oder??? Slov ant Gali: "pour mémoire"


Der besorgte Vater in "Stochern im Nebel" findet noch lange keine Lösung seines Problems ... es dauert auch noch eine Weile, bevor er überhaupt erfasst, worin denn sein Problem besteht ...

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (11)


... Selbst, wenn Jens in dem Moment jemand erklärt hätte, Hornissen seien ganz liebliche Tiere, hätte er den zur Seite geschoben und geantwortet, … aber keine Spielkameraden für meine Töchter.
Jedenfalls schaltete er sofort auf Dienst um. Bei Gefahr ruhig und beherrscht handeln. Die Tiere nicht reizen. Hornissen waren angeblich normalerweise nicht aggressiv. Aber ob die hier das wussten?
Jens´ Hand lag auf der offenen Autotür. Er wartete. Noch immer beachtete ihn niemand. Für einen Moment verharrte er, mit einer Gesäßecke noch auf dem Fahrersitz, mit einem Fuß schon draußen auf dem Boden. Seine Stimme kam ihm selbst fremd vor, als er rief: „Sina, Leo, wollt ihr euren Papa nicht begrüßen?“
Die Zwillinge drehten sich zeitlupenartig zu ihm um. Zumindest kam es Jens so vor. Auf ihren Gesichtern hatte irgendein wunderschöner Traum seine Spuren hinterlassen, von dem sie sich nicht so schnell lösen konnten – aber dann liefen sie plötzlich auf auf ihren Vater zu, gerade so, als wäre sie eben erwacht.
Der Hornissenschwarm folgte ihnen. Jens schwitzte. Gleich mussten die Kinder seine Aufregung bemerken, fragen, was los sei … Wären dann immer noch die bestachelten Insekten hinter ihnen her und die beiden bekämen einen Schreck und schrien und schlügen um sich, … nicht auszumalen!
Normalerweise hängten sich Sina und Leonie zur Begrüßung sofort an Jens´ Arme. Er hätte sich dann so lange wie ein Kettenkarussell um die eigene Achse drehen müssen, bis er nicht mehr gekonnt hätte, und die Mädchen hätten dazu vor Vergnügen gequietscht und gebrüllt, dass sich die Nachbarschaft beschwert hätte, läge das Grundstück nicht so weit weg vom Dorf.
Jetzt packte Jens zuerst Leonie am Arm und drückte sie auf die Rückbank, bekam mit der anderen Hand Sina zu fassen, schob sie auf den Sitz neben ihre zur Seite rutschende Schwester. Ruhig bleiben, mahnte er sich immer wieder, bleib ganz ruhig! Bring die Kinder weg! Und bleib ruhig!
Wenigstens war noch keine Hornisse bis in den Wagen vorgedrungen.
Für den Bruchteil einer Sekunde verharrte er reglos in seiner vorgebeugten Stellung. Da passierte es zum ersten Mal: Ausgerechnet in diesem Moment, als die Angst um seine Kinder ihm fast den Atem nahm, spürte er sie, diese unvermittelt einsetzende, unerklärlich absurde Freude. Am liebsten hätte er ein Lied gesummt. Er schüttelte sich. Verrückt! ...

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1548

GOTT ist mit uns ... zumindest lyrisch morgen in den "Gedichten des Tages".


Dieses Thema war lange nicht mehr auf diesem Blog: GOTT und seine "Stellvertretung" auf Erden.
Also richten wir zwei Augen-Blicke auf diese Frage und setzen uns auseinander mit dem, was Sebastian Deya ("Dein Wille geschehe") undSlov ant Gali ("ER ist, seid IHM zu willen!").zum Thema anbieten ... Zumindest die Titel ähneln sich ja ... willentlich ...


Mit den Ex-Mecklenburgern in "Stochern im Nebel" sieht das da schon wesentlich gräulicher aus ... aber noch wissen die das ja nicht ...

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (10)


... Dies war die Lage, als sich der geplagte Vater in seinem E-Car dem Grundstück näherte. Am Nachmittag hatte er noch eine anstrengende Beratung durchgesessen. Nicht, dass dabei irgendetwas herausgekommen wäre. Das hatte wohl niemand erwartet. Jetzt, auf der Heimfahrt, gab Jens mutig die Antworten, die er in Gegenwart der anderen heruntergeschluckt hatte. Er ärgerte sich. Und auf der Bundesstraße ärgerte er sich darüber, dass er sich ärgerte. Das gehörte sich nicht. Gleich wäre er bei seiner Familie und sonst gar nichts. Warum sollte er Janine, vor allem aber Sina und Leonie mit seiner Laune quälen? Ob etwas ruhige Musik half? Oder ein paar Konzentrationsübungen? Er probierte es mit Musik.
Als Jens auf den heimatlichen Hof einbog, fühlte er sich etwas entspannter. Trotzdem hätte er sich am liebsten gleich schlafen gelegt. Vielleicht wunderte er sich deshalb nicht sofort über die Szene auf dem Hof. Sina und Leonie bewegten sich, als tanzten sie nach einer fremden, irgendwie beruhigenden Melodie über den Hof oder genauer, sie schienen gerade einen noch nie erlebten neuen Tanz zu erfinden.
Jens hatte das Autoradio ausgeschaltet und er betrachtete die ungewöhnlichen Verrenkungen seine Mädchen anfangs noch belustigt, dann aber immer gereizter: Warum ignorierten die ihn? So in sich versunken hatte er sie noch nie erlebt. Sie mussten ihn doch gehört haben?
Beim Aussteigen wandte Jens seinen Blick nicht von den Kindern ab. Rief ihnen vor lauter Verwunderung noch nichts zu. Was war nur los? In den Ohren hatten sie wohl nichts. Nein, jetzt endlich fiel es Jens auf: Etwas schwirrte um die Mädchen herum. Mit dem spielten sie. Schmetterlinge? Nein, das, was die beiden so faszinierte, summte und war größer als Bienen oder Wespen … Hornissen, das sind Hornissen! Verdammt! Die Mädchen müssen da weg! Und zwar schnell!
...

Und hier ein Gruß von Roger Suffo. Er empfahl eine Rezension, die er auf lovelybooks entdeckt hat. Sie ist von Hans Kahle und dreht sich um Folgendes ... eindeutig etwas in dieses Journal Passendes:

Tilman Röhrig „In dreihundert Jahren vielleicht“


Eine Entdeckung im Antiquariat, die mich begeisterte. Das Buch wird vorgeführt als „Deutscher Jugendbuchpreis 1984“-Träger. Ich wusste, dass eine Ausgabe kurz zuvor auch in der DDR erschienen war – ein grenzüberschreitendes Buch sozusagen.
Ich habe es gelesen … und nun gehört es zu den schwierigsten Aufgaben zu begründen, warum ich NICHT fünf Sterne dafür vergebe. Der Autor erzählt doch gut und seine Absicht, den Lesern Abscheu gegen Krieg anzuerziehen, ist doch löblich?!
Da geht das Problem aber schon los: Zumindest mir guckte diese Absicht zu offensichtlich durch. Wer weiß denn nicht, dass Krieg keine Nährlösung für Menschlichkeit ist? Doch höchstens ein paar Werbeoffiziere, die in Schulen die Bundeswehr als interessante Berufsalternative anzupreisen habe.
Bei allem konkreten Leiden, was im Einzelnen angesprochen und beschrieben wird, bleibt der Krieg trotzdem fern und abstrakt. Röhrig meint, seiner Absicht einen Gefallen zu tun, dass er die Soldaten anonym lässt, weil es egal ist, ob es „unsrige“ oder gegnerische sind. Damit verletzt er aber mindestens die Perspektive der damaligen Menschen, für die das sicher „Schweden“, „Kaiserliche“ usw. gewesen sind – auch, wenn es die gleiche Heimsuchung war.
Den Einstieg fand ich großartig: Kinder und Jugendliche spielen ein perverses Spiel und werden von Herumvagabundierenden um ihre Beute gebracht. Hier wird Jockel eingeführt, man kann zusehen, was für seinesgleichen „normal“ ist, und fühlt mit ihm. Ich glaube, diese Perspektive beizubehalten, hätte meinen Problemen entgegengewirkt.
Aber der Autor wollte exemplarisch das Schicksal des Dorfes durchexerzieren. Er springt mit seiner Filmkamera hin und her zu verschiedenen Erwachsenen, zu angedeuteten Ereignissen, einer Geburt, den Todesfällen usw. Nun bin ich ein fauler Leser. Ich möchte nicht laufend blättern oder einen Zettel führen, wer wie mit wem zusammengehört. Vor allem nur, um die klare Aussage illustriert zu bekommen.
Vielleicht auch nicht: Alle Menschen dieses Beispieldorfs Eggebusch haben scheinbar eines gemeinsam: Sie verstehen die Welt nicht und reflektieren „den Krieg“ als eine schicksalhafte Naturkatastrophe. Gelegentlich sah ich ein Gemälde mit den vier apokalyptischen Reitern vor mir. Bei einem solchen Kaleidoskop von Typen hätte mehr drin sein sollen – hätte sich alles um Jockel gedreht, so wäre es „möglich“ gewesen. In seiner Zerrissenheit, sich sogar zu wünschen, selbst zu den Soldaten zu gehören, damit die Leute endlich vor ihm Angst haben und er nicht nur zu den Hilflosen gehört, ist er verständlich gestaltet.
Geradezu schrecklich fand ich jene Szene, die für den Titel ausgewählt wurde. Der geschändeten, schwerst verletzten 12jährigen Schwester so pathetische letzte Worte in den Mund zu legen, dass in dreihundert Jahren vielleicht Frieden sei, sollte bestimmt weh tun. Das Bild lässt aber in erster Linie Unsicherheit zurück über die Wahrscheinlichkeit des Bildes und der Worte. Hier spuckt das Buch Verlassenheit aus: 300 Jahre nach der Szene ging der 2. Weltkrieg mit dem Überfall auf die Sowjetunion auf den Höhepunkt zu.
Auf der anderen Seite: Jockel, Katharina und ganz wenige Dörfler verlassen ihr zerstörtes Dorf. Nachdem zuvor begründet worden war, dass man nirgendwo einen halbwegs sicheren Ort vorstellen kann und warum, ist es nur einer Dramaturgie eines Jugendbuches zuzuschreiben, wenn der Autor dem Abmarsch der Entwurzelten etwas Positives zu geben versucht. Er hätte lieber die Schnauze halten sollen und die beiden Jugendlichen, die plötzlich ein geduldetes Paar geworden waren, hätten eben festgestellt, „Wir haben ja uns“ … Und so gingen sie dem anhaltenden Krieg entgegen …
Auf der Cover-Rückseite findet sich bei meiner Ausgabe eine lobpreisende Rezension von „DIE ZEIT“. Die nimmt das Ganze als Jockel-Buch an und betont zurecht, dass es ein Buch für Jugendliche und Erwachsene zugleich ist, „...uns nicht erst in dreihundert Jahren vielleicht zur Vernunft zu bringen“. Wie viele verantwortungslose mit „Friedensnobelpreis“ ausgezeichnete Verantwortungsträger müssten wohl dafür Plätze in Guantanamo zugeteilt bekommen, um ununterbrochen Lesungen aus diesem Buch anzuhören???


  

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1547

Motto des Tages bei den morgigen "Gedichten des Tages": (Wieder) Single sein - wie ist das schön. Da kann man richtig die Sau rauslassen, die Beziehung zum / zur Ex verdammen ...
Beim Romanmanuskript reift allmählich das Unheil heran. Zuerst allerdings gibt es nur verwirrende Beobachtungen für einen der nun erwachsenen Kinder ...


Es ist nicht immer einfach, sich selbst treu zu bleiben ... das "Single"-Gedicht von Petra Namyslo beschreibt eine Variante, das zu schaffen.
Mein "nachruf" passt da irgendwie blendend dazu ... oder zu blendend ...

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (9)

...
Die Hornissen
Fast zwanzig Jahre vergingen, in denen weder die inzwischen Erwachsenen mit ihren Kugeln noch die Kugeln mit den nun Erwachsenen etwas anstellten. Richtiger: Die nun Erwachsenen bemerkten nicht, wenn die Kugeln etwas mit ihnen anstellten. Das lag vor allem daran, dass sie einander nicht trafen.
Aus Jens, der die Kinder der Schwurgemeinschaft in so viele Kämpfe geführt hatte, war Kommissar Marder geworden. Mit seiner Halbinsel hatte er nichts mehr zu tun. Möglichst weit weg von Mecklenburg hatte er gewollt. Allzu weit war er allerdings nicht gekommen – nur bis Sternekop, einem Dorf in der Nähe von Berlin, und sein Häuschen erinnerte verdächtig an eine der heimatlichen Katen.
Eigentlich war er total glücklich. Schließlich war er schon früher dem Traum nachgejagt, ein großer Detektiv zu werden, knifflige Fälle zu lösen und Verbrecher zu überführen. Das war nun sein Beruf geworden. Also wenn man nicht so genau hinsah. Doch wie stand es tatsächlich um ihn? Für die anderen Kriminalbeamten in Berlin bot er ausreichend Stoff zum Spott. Wenn man irgendetwas an ihm hätte „außergewöhnlich“ nennen können, dann war es seine Behäbigkeit. Er hatte geheiratet und war kurz darauf Vater von Zwillingen geworden. Seitdem erinnerte nichts mehr daran, dass er einmal eine wehrhafte Kindergruppe angeführt hatte. Nein, niemand stand im Kreis der Kollegen dermaßen „unterm Pantoffel“ wie Jens Marder.
Dann kam jener Freitag. Den ganzen Tag hatte er dem Revier sein die Welt umwälzendes Gesprächsthema aufgezwungen: Der 9. Geburtstag von Sina und Leonie war ein toller Erfolg gewesen. Michelmann ahnte doch nicht, was ihm mit dieser Gartenparty verpasst hatte. Den ganzen Montagvormittag berichtete Jens über deren Erfolg, während Janine, seine Frau, mit Aufräumen beschäftigt war.
Die beiden Mädchen hatten anfangs sogar beim Hausputz geholfen. Erst in der Mittagshitze zog es sie über einen Trampelpfad hinunter zum Quadder. Der dank der Geräusche beim Näherkommen mit einem treffenden Namen versehene, von allen Seiten zugewachsene Teich lockte einfach zu sehr zum Baden. Er war in Hörweite von Marders Grundstück. Hinter dem Garten der Marders begann ein offenes Stück Ufer, und es gab kaum einen sichereren Platz, an dem sich die Mädchen austoben konnten. Irgendwann unterbrach Janine ihre Putzerei. Sie lauschte kurz auf das Gequiecke der Zwillinge. Dann setzte sie sich in ihren Jeep. Sie hatte noch einiges im Dorf zu klären.
Die Mädchen kamen bald wieder auf den Hof zurück und waren völlig unbeobachtet. ...




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