Dienstag, 30. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1727

Die nächste ist die Walpurgisnacht. Da tanzen die Hexen ...


Anna Roth: Wurzeln (9 = Schluss)


 Aber was hätte er tun sollen? Er meldete es also dem russischen Kommandanten. Unglücklicherweise mit den Worten "Da liegt ein besoffener Russe auf den Gleisen." ...
Das sonst immer gutmütige Gesicht des Igor Sergejewitsch verfinsterte sich sofort. "Nein, Hans", er nannte Vati und alle anderen Deutschen Hans, "das ist kein Russe. Das ist ein Bandit. Wir kümmern uns um ihn." Wie hat Vati es da bereut, dass er nicht doch versucht hatte, sich selbst zu kümmern. Wie einen Mehlsack schnappten sie den Körper und schleuderten ihn über die Ladeklappe eines Lasters. Ab nach Sibirien. Wer weiß, warum er sich so aufgeführt hatte. Vielleicht hatte er gerade erfahren, was aus seiner Familie geworden war, was Deutsche mit ihr gemacht hatten? "Nein, nein. Zu sowas sollst du nicht Russe sagen", wiederholte Igor Sergejewitsch später noch einmal.
Fast wären Vati und er Freunde geworden und wir eine normale Bahnbeamtenfamilie. Eines Tages jedoch behauptete jemand, Vati hätte als Beamter früher ja wohl in der Nazipartei gewesen sein müssen. Das hätte er verschwiegen. Ohne weir´tere Verhandlung wurde nun der Bahnhof nachträglich entnazifiziert und Vati arbeitslos.
... Nein, heute nicht mehr ...
... Das hoffe ich doch, dass ihr den Kachelofen nicht abreißt. Es ist so gemütlich hier. Irgendwann sitzt ihr dann an diesem Platz und erzählt euren Enkeln Geschichten. Hauptsache, darin kommt kein Krieg mehr vor ...

Wer geht morgen zur Mai-Demo? Und wenn ... zu welcher? Was ist geblieben vom internationalen Kampftag der Arbeiterklasse für ihre Rechte? Wer alles versucht diesem Tag inzwischen seinen Stempel aufzudrücken? Hier ein paar müde Gedichtangebote aus der Vorzeit des Gedichteblogs:
1. Mai?! Kampftag der internationalen Arbeiterklasse?! (Oder seit der Machtübernahme durch die Hitlerfaschisten Feier-"Tag der Arbeit")
Wie hat dieses Blog vor vier Jahren darauf reagiert?
2009 stand die Frage  Wer traut mir ein solches Exil im eigenen Land  zu?
2011 probierte ich auch einen Rückblick. Da wurden zum Beispiel aufgewärmt: ...: Hinz sieht hell und  Tweet 58 von Natascha P./Slov ant Gali 









Montag, 29. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1726

Nach der heutigen Fortsetzung der Geschichte aus der Geschichte versprechen die "Gedichte des Tages" morgen besondere Leckerbissen. Beide sind auf spezielle Weise sowohl lohnenswert als auch "anders" als erwartet.


Anna Roth: Wurzeln (8)


Die Freude über die Befreiung durch die Amis war verfrüht. Schwerin war schon vorher den Russen zugesprochen worden.
Und dann hieß es plötzlich, die Amis verteilen die gesamten Lebensmittelvorräte Ob sie nun den Russen nur leere Speicher überlassen wollten oder ob sie es auf den Spaß an kriechenden Deutschen abgesehen hatten - erreicht haben sie jedenfalls beides. Die zuerst da waren rafften, so viel ihre Körperkraft erlaubte. Zwar hatte auch ich von der Gelegenheit gehört, aber Gerlinde konnte jeden Tag kommen - da musste ich mich vorsehen. Um mich herum aber rissen sie sich gegenseitig Kartons aus den Händen, Sauerfleisch oder was weiß ich; keiner hat viel auf die Aufschriften geachtet wegen der Eile und weil andere Plünderer den vorderen in den Rücken traten. Die Kleidung zerrissen sie sich gegenseitig, und ein paar Soldaten standen drumherum, ihre Zigaretten schief im Mund, und lachten sich scheckig.
So zog mit den Russen der Hunger ein. Die kamen dann auf unsere Halbinsel. Einquartierungen für Offiziersfamilien.
Wir blieben ein russenfreies Haus.Vielleicht weil Vati sich inzwischen erfolgreich auf dem Schweriner Bahnhof beworben hatte. Als einziger gelernter Bahnbeamter fand er sich plötzlich als Bahnhofsvorsteher wieder. Natürlich stand ihm ein russischer Bahnhofskommandant zur Seite. Igor Sergejewitsch war ebenfalls gelernter Eisenbahner und Vati fand schnell Kontakt zu ihm.
... von wegen verordnete Freundschaft. Bei uns jedenfalls nicht. Die Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft blieb dann auch das einzige Politische auf das sich Vati je eingelassen hat. Den Ausweis von 1947 gibt es noch ...
Dann tobte irgendein besoffener Soldat zwischen den Gleisen, gröhlte, verprügelte den Deutschen, der ihn beruhigen wollte, schimpfte ihn Faschist und blieb schließlich zuckend auf dem Hauptgleis liegen.Vati wurde gerufen. Aber was hätte er tun sollen? Er meldete es also dem russischen Kommandante. Unglücklicherweise mit den Worten "Da liegt ein besoffener Russe auf den Gleisen." ...



Es ist in der Kunst so wie im Leben: Dasselbe tun ist in anderer Zeit das Gegenteil geworden. Hanna Fleiss hat das Gedicht "Der Kämpfer" im Stil eines Shakespeare-Gedichts geschrieben. Das Problem: Zu oft ist nach der Zeit des Meisters eben dieser Stil parodisiert und ironisiert worden. Und welch Wunder: Ich weiß nicht mehr, ob die Autorin das Gedicht so weint, wie es da steht, oder als ironisierende Kritik an einem Selbstgerechten. Zu Shakespeares Zeiten hätte diese Frage nicht gestanden ...
Ein im weitesten Sinn vergleichbares Beispiel bietet das heitere Gedicht "Die Wende" von Petra Namyslo. Wäre der Titel-Ausdruck nicht durch die politische DDR-Bürger-Katastrophe vorbelastet, könnte mandas Gedicht als ein heiteres Silvesterspaßgedicht lesen. Eben durch die verwirklichten "blühenden Landschaften, die ganz anders als erwartet aussahen, kann der Text auch als Parabel verstanden werden ... und ich kann mir gut vorstellen, dass die Autorin so meint. Na gut ... den "Ossi" als "Herr mit grauen Schläfen" darzustellen, ist ein zusätzlicher Gag ... aber bei der Überschrift ....

Sonntag, 28. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1725



Anna Roth: Wurzeln (7)


... Zugegeben: Niemals sonst habe ich meinen gewölbten Bauch dermaßen vorgestreckt. Einen Korb hatte ich in der Hand mit einem Brot darin und einem Stückchen Räucherspeck. Ein Messer hatte ich dabei und einen Krug Wasser. Gerufen habe ich irgendwas Polnisches. ...

... Weiß ich nicht mehr. Die paar Brocken habe ich längst wieder vergessen ... Ich habe später nie wieder polnisch gesprochen..
Der Mann, der die Truppe führte, Stanislaw, fragte etwas ... natürlich auf polnisch. Aber es war sowas von klar: Wer einen großen Topf habe oder etwas für eine Suppe? Nein das fragte ich. Auf ... na, ich dachte auf polnisch. Ich würde das Kochen übernehmen, deutsch, erstmal und sicher fänden wir noch mehr, was wir in den Topf schmeißen könnten.
Gundel hinter mir zitterte nur. Vati hatte den Finger am Abzug einer noch behaltenen Pistole.
Zum Mittag aber saßen wir am Lagerfeuer. Mit Suppentöpfen. Irgendwer hatte Gemüse gebracht, andere Beilagen, sogar Fleisch. Mehr vielleicht, als die Fremden in all der Zeit in Deutschland bisher bekommen hatten. Langsam waren die Fensterläden wieder aufgegangen. Alle schienen es loswerden zu wollen: Es war doch nicht ihre Schuld. Sie waren nie dabei. Sie wollten schon immer nur ihren Frieden. Ja, mutig waren die Mecklenburger nie.
Es folgten zwei idyllische Monate.Sogar mit Vat freundete sich Stanislaw an, obwohl er in ihm den Wehrmachtssoldaten witterte. Aber er war mein Mann. In unserer Siedlung gab es keinen einzigen Vorfall. Die ehemaligen Zwangsarbeiter halfen freiwillig bei der Gartenarbeit und beim Ausbessern der Häuser.Sie nahmen, was man ihnen gab. Man gab ihnen allerdings auch mehr, als sie ansonsten gefordert hätten. Ganz schwand die Angst vor den neuen Herren natürlich nicht.
Aus der Stadt kamen Nachrichten, die dieser Angst Nahrung boten. Vera, die Tochter der Martens, hatte ihre frühere Stellung in der Villenstraße am See behalten. Die Amis hatten sie vergewaltigt - gleich kompanieweise einer nach dem anderen. Die Eltern waren zur Militärverwaltung gegangen. Sie waren nicht zurückgekehrt.
Normalerweise sind die Mecklenburger Fremden gegenüber lange zugeknöpft und abweisend. Mein Suppentopf aber hatte wahrscheinlich die Siedlung vor der großen Rache bewahrt. Jeder konnte hier sicher über die Straße gehen. So hatte ich schnell einen guten Stand. Doch die Gruppe der Kriegsgefangenen löste sich auf. Ihre Baracken endeten als Lagerfeuer. Die Gerüchte verdichteten sich. Die Freude über die Befreiung durch die Amis war verfrüht. Schwerin war schon vorher den Russen zugesprochen worden.
Und dann hieß es plötzlich, die Amis verteilen die gesamten Lebensmittelvorräte. ...


Samstag, 27. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1724

Folgen wir zuerst weiter der spannenden Geschichte aus der Geschichte:


Anna Roth: Wurzeln (6)



... Gundel zitterte, als sie mir den Schlüssel gab, ich zitterte, als ich versuchte, ihn in das Loch zu stecken, ihn umzudrehen... Und dann endlich war Vati, euer Opa, zu Hause.
Mein Gott, was war er für eine Vogelscheuche geworden! Aber meine Nachricht hatte ihn doch tatsächlich in Wismar erreicht. Da kommandierte er, glaub ich, den Rest einer Kompanie. Er hat sie alle einzeln auf Urlaub, Fronturlaub geschickt. Hat sich selbst sofort zu Fuß aufgemacht in Richtung Schwerin. Durch Wälder und Felder geschlagen. Nachts.
... Ich war doch nicht dabei. Und er wollte nie davon erzählen, nicht protzen, dass er wohl auch ein paar Kameraden das Leben gerettet haben könnte. Nun können wir ihn nicht mehr fragen. ...
Erstmal aber war er ein Problem. Desertation hieß standrechtlich erschießen. Zwar konnten wir ihn heimlich ernähren, schützen, verbergen, aber wenn nur ein einziger der stationierten Soldatn den wehrfähigen Mann in unserem Haus bemerkt hätte ...
Doch dann löste sich dieses Problem ungeahnt schnell und einfach. Am nächsten Morgen flog nämlich eine Bomberstaffel an uns vorbei ostwärts. Da drehte einer der halbstarken Helden durch. Er schoss eine Flakgranate hinter den Fliegern her. Die einzige Wirkung war, dass zwei der Flugzeuge wendeten. Sie befreiten sich von ihrer Bombenlast und schlossen wieder zu ihrem Verband auf. Die Soldaten sahen wir nicht wieder. Aus einigen ihrer verstreuten Uniformteile haben wir später Arbeitssachen geschneidert.
Zehn Klinometer östlich pfiffen schon die Stalinorgeln, aber in Schwerin rückten die Amerikaner ein. Unsere Siedlung jedoch besetzten die bisherigen Gefangenen. Angst. In 54 Häusern verschanzten sich die Mecklenburger. Man konnte ja nicht wissen, was die da alles rächen wollen könnten. Besser, die Türen zur Straße waren verrammelt, die Fenster verschlossen. Abwarten ...
Eines aber hatten sie vergessen: 300 Männer hatten Hunger.
Den drei Männern, die sich bewaffnet den ersten Häusern näherten, sah man ihre Absichten nicht an. Wahrscheinlich selbst zitternd vor den lauernden Deutschen klopften sie an eine Tür. "Sofort aufmachen!" Das hatten sie an Deutsch gelernt.
Nichts rührte sich.
Sowas ist nun nix für mich. Gundel wollte mich noch festhalten. Da hatte ich schon die Tür geöffnet. Kriegsgefangene ... Na und? Auch nur Menschen. Fremdarbeiter kannte ich von früher. Als ich in der Küche arbeiten musste, habe ich ihnen immer die Reste zugeschoben, obwohl das strengstens verboten war. Es war doch so schade um das schöne Essen. Nur nix wegschütten! Was meint ihr, wie die Fremden sich gefreut haben!

Zugegeben: Niemals sonst habe ich meinen gewölbten Bauch dermaßen vorgestreckt. Einen Korb hatte ich in der Hand mit einem Brot darin und einem Stückchen Räucherspeck. Ein Messer hatte ich dabei und einen Krug Wasser. Gerufen habe ich irgendwas Polnisches. ...




Weiter geht´s mit den aktuellen "Gedichten des Tages":


Petra Namyslo schreibt natürlich noch. Über IHR "Die Krone der Schöpfung" hätte Gottfried Benn sicher zustimmend genickt - ich würde trotzdem Protest anmelden: Den alltäglichen familiären Klein"krieg" sollte man nicht so in einen Topf werfen ... zumindest, wenn man es (wie Petra) ja eigentlich besser weiß ... Aber sauber gemacht die acht Verse, oder?
Dafür biete ich einen weiteren, diesmal heiter-bösen Blick auf einen Beitrag aus "Mit Blindenhund durchs Liebesland": "Alles - nur nicht Liebe" ... 

Freitag, 26. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1723

Back to the Roots. Zurück zu den Wurzeln ... oh, das darf man ja nicht - das ist ja "radikal". Aber man wird ja nach Geschichten fragen dürfen:


Anna Roth: Wurzeln (5)


... Ich fand die Adresse auf Anhieb.Die Siedlung war während des gesamten Krieges von Luftangriffen verschont gebliebenDer Krieg kam aber gerade auf der Halbinsel an. Der Anger war voller Notbaracken mit Kriegsgefangenen, die in Tag- und Nachtarbeit Stellungen bauten. Polen, Franzosen, Russen ... Um sie herum Jungs mit ersten Barthaaren. Für einige von denen lockte noch das große Kriegsspiel.
... Ja, schütte gleich zwei Löffel Zucker in die Tassen. Danke ...
Gundel war 22, einsam und verängstigt. Nach meinem Gruß hat sie mich wie eine wiedergefundene Schwester empfangen. Ihr Mann war auch im Krieg. Sie besorgte die Wirtschaft. Außerdem ihre hilflose kranke Mutter, einen Hund und zwei alte Gänse, die zu schlachten sich nicht mehr gelohnt hatte. Mit mir zusammen sah sie den Abendstunden etwas ruhiger entgegen.
Aus den Nachrichten zur Frontbegradigung im Volksempfänger ... na, dem Radio ... versuchten wir den Stand der Frontlinie abzuschätzen. Schwerin war kein strategisch bedeutsamer Ort. Sowohl Russen als auch Amerikaner hatten keine Eile, uns zu erreichen. Wir hofften weiter, die Amis kämen zuerst.
... Zuerst aber kläffte Nero. Es war später Abend. Wie immer hatten wir abgedunkelt wegen der Bomber. Es war eigentlich Zeit zum Schlafengehen. Der altersschwache Köter aber kläffte richtig wütend.
Gundel flüsterte: "Elfriede, da ist jemand im Garten. Ein Fremder."
Und ich versuchte sie zu beruhigen: "Lass nur, was soll er schon holen? Und wenn ... Verhindern können wir es sowieso nicht. Hauptsache, er kommt nicht rein."
Ich sprach das wie so eine Beschwörungsformel. Aber sie wirkte nicht. Nun klopfte und kratzte es an der Hintertür. Gott, welcher Einbrecher hätte denn das getan? Wenn wenigstens der Kläffer die Schnauze gehalten hätte! Wir taten, als wäre niemand da.
"Elfi? Elfriede?"
Eine Hand kratzte am hinteren Mittelfenster.
Erst sahen wir uns verdutzt an. Dann aber schoss ich an die Tür, schmiss dabei einen Stuhl um, griff nach der Klinke. "Gundel, wo ist der Schlüssel? ... Im Sekretär?!" ... Moment ... Du hast gesagt, ich soll ihn nicht stecken lassen."
Gundel zitterte, als sie mir den Schlüssel gab, ich zitterte, als ich versuchte, ihn in das Loch zu stecken, ihn umzudrehen... Und dann endlich war Vati, euer Opa, zu Hause.


Die morgigen "Gedichte des Tages"  sind dank eines technischen Fehlers übrigend zumindest den Newsletter-Abonnenten schon bekannt:

Heute steht eine besonders wichtige Unterart des Homo sapiens sapiens im Mittelpunkt, der sogenannte, mitunter allerdings auch nur so genannte DICHTER. Was da aus Hanna Fleiss´ Spiegel uns als "Dichterlos" entgegenschmunzelt, dürfte uns dabei nicht fremd sein ... Dagegen ist die "alltagsliebe" aus "Mit Blindenhund durchs Liebesland" beinahe nur ein exotischer Sonderfall ...



Donnerstag, 25. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1722

Beginnen wir mit der erzählenden Oma, der Erzählung, welche verpflanzten Wurzeln jemanden zum DDR-Bürger gemacht haben können:


Anna Roth: Wurzeln (4)




 Durch das Fenster starrte mich eine große Puppe an. Aber es war keine Puppe. Es war eine an die Oberleitung der Straßenbahn geknüpfte Frau. Im Radio war der Tod des Führers gemeldet worden. Da habe diese Frau in aller Öffentlichkeit aufgeatmet und gesagt, Bei Gott, dann kommt Frieden!
"Zweimal noch hat Gott den Strick reißen lassen", erklärte die Barmherzige Schwester. "Früher hätte das immer Begnadigung bedeutet."
 Doch nun solle ich mir schnell etwas überziehen. Die Kranken würden abtransportiert. In ein kleines Lazarett im Westen. Rehna. Ich solle mich beeilen.
Ich bin rausgerannt. Schnell auf die noch saubere Toilette. Mein leerer Magen gab nur eine saure Brühe von sich. Lange ließ ich kaltes Wasser über mein glühendes Gesicht laufen.
"Danke, Schwester! Hier bin ich meinem Mann wahrscheinlich näher", habe ich ungefähr geantwortet. Gefragt, ob sie nicht jemandem die Nachricht nach Wismar mitgeben könne, ich sei jetzt in Schwerin? Möglich, mein Mann sei noch dort. Ich käme schon zurecht. Sie solle sich um mich keine Sorgen machen.
Die Schwester senkte den Kopf. "Ich muss los. Wenn Sie meine Kusine Grüße bestellen würden? Die wohnt in eine Siedlung am Stadtrand. Sie brauchen nur zu sagen, Sie kämen von mir, dann finden Sie Unterschlupf und Frieden."
Meine Augen brannten, doch das Kleid am Körper war gewaschen, und inzwischen hatten Anwohner die Gehängte abgenommen.
... Weiß ich nicht. Manchmal sehe ich die Gesichter vor mir, als wäre es gestern, und ich höre sie sprechen, und dann wieder ist mir, als wäre es ein selbstgemachter Film.
Für die gehängte Marianne Grunthal haben sie später zur Erinnerung einen Stein neben dem Bahnhofsgebäude aufgestellt. "Sie wollte den Frieden" steht darauf einfach. Die Stelle wurde gut gepflegt. Inzwischen sieht es aus, als wartete man nur darauf, bis die Zeit die Erinnerung wie eine alte Oma zerfallen lässt.
... Ja, spottet nur über mich! Da kommt ihr auch noch hin. Aber seht euch den Stein selbst an. Ein störender Stein des Anstoßes. Bitte haltet ihn in Ehren. Wenn ich mal nicht mehr bin. Mein Grabstein ist nicht so wichtig.
Jedenfalls war es ein strahlend sonniger Frühlingstag, als ich dann das erste Mal unseren Wasserweg entlang gegangen bin. Der Bahndamm roch vertraut nach verbranntem Heu. Wie es eben riecht, wenn das Vorjahresstroh in der Sonne trocknet und vorbeifahrende Züge Funken hineinschmeißen. Rasch ist alles schwarz. Ich kam mir wie zu Hause vor.
In meinem Bauch rumpelte es. Gerlinde wuchs dort seit Vatis letztem Fronturlaub. Hatte wohl Hunger.
Ich fand die Adresse auf Anhieb.Die Siedlung war während des gesamten Krieges von Luftangriffen verschont geblieben.


Nun kann es weitergehen mit einer lyrischen Rückschau in den morgigen "Gedichten des Tages":


Ist es nicht interessant, wenn man darüber nachdenkt, einen Band mit Liebesgedichten herauszugeben, was man vor Jahren einmal bereits herausgebracht hatte? Wenn man Pech hat, fragt man sich, ob man das nicht noch einmal aufgewärmt neu veröffentlichen sollte, wenn man Glück hat, erfreut man sich daran, dass man sich verändert hat (und nennt das dann "Entwicklung"):
"An meine kleine Pferdebremse" (aus "Mit Blindenhund durchs Liebesland")

Mittwoch, 24. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1721

Prosaisch weiter:


Anna Roth: Wurzeln (3)


... Eine Verlegung nach Wismar stünde bevor. Oder schrieb er "Frontbegradigung"? Auf jeden Fall war doch eigentlich verboten, überhaupt Orte in Briefen zu erwähnen.
Unser Ziel war Bayern oder Hessen. Jedenfalls weit genug weg von den Russen. Warum nur musste Jandl ausgerechnet jetzt Fieber und Durchfall bekommen? Wie sollte ich im Treck Wäsche waschen? Bald stank es fürchterlich auf unsrem Karren. Woher Wasser bekommen? Nachrichten? Wie lange der Treck unterwegs sein würde. Bis wohin. Alles war ungewiss. In diesem Zustand kamen wir an einem Rangierbahnhof vorbei. Das war meine Chance! Reichsbahner mussten sich doch helfen ...
Erst einmal fließendes Wasser. Zwar nur kalt, aber zum Spülen genug. Dann zwei Bahner: Ob sie eine Nachricht weiterleiten konnten ... nach Wismar? Wir seien auf der Flucht, wahrscheinlich nach Bayern, es gehe uns gut, zumindest im Moment noch ...?!
"Nach Wismar?! Dieser Zug fährt direkt dorthin. Es ist der letzte. Soldaten. Nachschub für die Front ..."
"Front?! In Wismar?! ... Egal. Könnten Sie die Nachricht ...?"
"Fahren Sie einfach mit! Hinten, auf dem Güterwaggon. Ist doch egal, wo Sie um Ihren Mann zittern."
"Ich muss aber zu den Andern. Sehen Sie?"
Ich habe den Männern die feuchten, angebräunten Spülwindeln hingehalten. Die haben gelacht.
"Nein. Der Zug fährt sofort. Mit Ihnen, ohne Sie. Es ist bestimmt der letzte in diese Richtung. Springen Sie schon. Wenn Ihr Mann dort wartet ..."
Die Lok pfiff. Ein Beamter hob seine Kelle. Langsam bekam der Zug Fahrt.
Bayern? Wismar? Ein Fehler konnte beides sein.Was ich weiter gedacht habe? Ich weiß es nicht. Vielleicht nichts. Wahrscheinlich nichts. Ich sprang einfach. Die feuchten Kackfetzen in der Hand. Ohne Familie. Ohne Geld. Ohne Papiere. Der Treck zog weiter. Nach Bayern. Mit meinem Familienkarren. Mit der Angst um mich. Mit einem Kind, einem stinkenden, um dessen Hintern ich mich hatte kümmern sollen.
Ja. Ohne diesen Sprung wäret ihr in Bayern zur Welt gekommen. Oder auch gar nicht.
... Warum verstehst du das nicht? Wir wären mit Tante Gerda zusammengeblieben. Wir hätten unsere Entschädigung bekommen, weil man uns doch vertrieben hatte ... Gut, wir hätten sie selbst bekommen. Nicht als Fresspakete von der Tante. So aber ...

... Weiß ich, ob der Zug in Wismar angekommen ist? Mich haben sie jedenfalls vorher in Schwerin rausgeworfen: Zum Arzt! Ich würde blind. Was weiß ich, wie lange ich die Bindehautentzündung schon mit mir rumgeschleppt hatte. Erst als ich die Verantwortung für die Anderen schlug sie zu. Meine Augen waren total verklebt. ...
"Wie geht es ihnen? Eine Frau in Schwesterntracht beugte sich über mich. "Hier ist das Bahnhofshospital. Sie haben seit vorgestern Margen geschlafen."
Sie reinigte mir mit einem Wattebausch die Augen.
Ich konnte wieder sehen. Das sei ein Wunder, behauptete die Schwester. So, wie sie mich abgegeben hatten ...
Dann kam der Schock. ...

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Dazu kommen die morgigen "Gedichte des Tages":

Sollten meine Burnout- und Sorgen-Gedichte zu nichts getaugt haben, so haben sie zumindest Anregungen geliefert. So meldete sich Brunhild Hauschild mit einer bei ihr auf Lager liegenden Schilderung einer "Depression" zu Wort, Hanna Fleiss dagegen zuckten die Augenwinkel. So ein wenig unernst bot sie "Leid und Mitleid" an. Irgendwie habe ich das ungute Gefühl, dass hier ein altes deutsches Sprichwort illustriert wird: Wer den Schaden hat, braucht sich um den Spott nicht zu sorgen (... Die Revolution müsste er schon selber machen ...).

Dienstag, 23. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1720



Anna Roth: Wurzeln (2)



Machte man ihnen die Tür nur einen Spalt breit auf, hatten sie ihren Fuß darin, und dann wurdest du sie nicht mehr los. Ich sehe noch eure Urgroßmutter heulend in der Tür stehen, als ich aus der Schule kam: Auf dem Arm das nackte Jandl. Sie hatte gerade das Baby gebadet, da klingelte es. Eine junge Zigeunerin freute sich über das hübsche Kleine.Was es doch für niedliche Sachen habe. Was für ein tolles neues Badehandtuch. Sie habe auch ein Baby. Das möchte auch gebadet und angezogen sein. Mit diesen Worten und einem "Danke für das Verständnis!" hatte sie mit all den Sachen rückwärts den Raum wieder verlassen. Das einzige Wechselzeug war natürlich in der Wäsche ... Vielleicht hatten wir noch mehr Babyzeug. Das hatte meine Mutter aber nicht gefunden.
Ich mit meinen 12 Jahren musste nach der Schule als erstes dafür sorgen, dass das Baby nicht nackt blieb. Frag nicht wie ...
Mit 16 ging ich mit Tante Gustl und meiner Mutter zum Maifest am Tag der Arbeit. Da lernte ich euren Großvater kennen. Kurz darauf meldete e sich zum Arbeitsdienst. So brachte er un etwas Geld. Er erwischte die untere Laufbahn als Bahnbeamter, die Chance auf ein gesichertes Einkommen. Als künftiger Beamter hatte er natürlich seine arische Abstammung mit einer Ahnentafel und seine Staatstreue mit der Parteizugehörigkeit zu belegen gehabt.Den Stammbaum hatte r später verbrannt, die Partei umging er durch den Eintritt in den NSKK, so eine Art Sportbund. Er wollte nie etwas von Politik wissen.
Onkel Heinrich hatte dann das Glück mit Stalingrad. Die meisten deutschen Soldaten sind ja non dort nicht wiedergekommen. Stellt euch vor, Heinrich hätte sich nicht rechtzeitig das linke Bein abgefroren! Dann hätte ihn keiner mit dem letzten Flugzeug aus dem Kessel rausgeholt und wir hätten ihn wohl nie wieder gesehen. So war für ihn damit der Krieg schon zu Ende.
Was Vati erlebt hat, hat er nie erzählt. Manchmal gab es Feldpost von irgendwo in Europa. Manchmal km er auf Urlaub. Zuletzt war er wohl Feldwebel oder Unterleutnant. Dann kam aber schon die Front zurück. Die Nachrichten waren furchtbar. Ich hatte mitbekommen, wie WIR mit Gefangenen umgegangen waren. Sollte das nun uns bevorstehen? Dann lieber alles auf einen Karren, was nicht niet- und nagelfest war, und ab Richtung Westen. Bloß nicht den Russen in die Hände fallen!
Wir hatten ein einziges Pferd. Jandl fand es lustig, auf den Packen zu thronen und den anderen Karren vor und hinter uns zu winken. Ich aber musste mich wie immer um alles kümmern. Essbares ertauschen zum Beispiel. Bald war der Karren merklich leichter. Wenn ich wenigstens gewusst hätte, was mit Vati los war! Der letze Brief war aus Stettin gekommen. Eine Verlegung nach Wismar stünde bevor. Oder schrieb er "Frontbegradigung"? Auf jeden Fall war doch eigentlich verboten, überhaupt Orte in Briefen zu erwähnen. ...

Weiter mit den Gedichten des Tages:

Oft werde ich für besonders schwache Titel gerügt. Im Moment bin ich allerdings überzeugt, dass schon allein der Titel "Burn Out" für DIESES Gedicht als IDEE stehen bleiben können sollte. Das heißt nicht, dass man mir das Gedicht von seiner "Geschichte" her nicht verübeln könnte. Dann weise ich darauf hin, dass das literarische Ich nicht nur nicht mit dem Autoren-Ich übereinstimmt, sondern nicht einmal dessen Meinung verkünden muss ... Wie heißt es so schön: Wer keinen Kummer hat, der macht sich welchen. Insofern dürfte "Sorge sei mit uns" absolut unberechtigt sein ...


Montag, 22. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1682

"Gegen die Infamitäten des Lebens sind die besten Waffen:
Tapferkeit, Eigensinn und Geduld.
Die Tapferkeit stärkt, der Eigensinn mach Spaß, und die Geduld gibt Ruhe."
Herrmann Hesse, Briefe

Also seien wir eigensinnig tapfer und stürzen uns auf die Texte dieses Tages, zuerst also die Prosa:

Anna Roth: Wurzeln (1)


... Schon wieder, Kinder? Na gut. Erzähl ich ein bisschen von früher.Was mir so passiert ist. Aber kommt nur an den Ofen! ...
Also ihr erinnert euch: Wir lebten da in Schlesien, in einer damals neu gebauten Einfamiliensiedlung. Das Haus war der große Stolz meiner Eltern. Durch den wirtschaftlichen Aufschwung in den 20er Jahren ging es Handwerkern ganz gut. Dann aber starb mein Vater. Das war 1929, gerade als die große Weltwirtschaftskrise begann. Ich kam in das Alter, in dem ich alles bewusst miterlebte. Mit acht musste ich schon sehr erwachen sein. Zum Beispiel die gnadenlose Sparsamkeit, die jede Entscheidung im Haus bestimmte, traf natürlich auch mich. Und klar: In eurem Alter bin ich regelmäßig STOPPELN gegangen.
... Das habe ich euch aber schon ein paarmal erklärt.  Also wir haben Reste gesucht, die nach der Ernte auf den Felder zurückgeblieben sind. Überhaupt alles, was irgendwo herumlag, habe ich mitgenommen, egal, ob essbar oder sonst irgendwie nützlich. ... und aufgepasst, ob ein eventueller Besitzer auftauchte. Das war nicht Klauen, das war praktische Notwendigkeit. Das haben bei uns alle gemacht.
Meine Schwester Libeth musste ich überall hin mitnehmen. Und dann kam noch das Jandl. Dieses Baby war nicht geplant, eigentlich nicht einmal gewünscht. Aber als eine ordentliche Handwerkerfamilie haben wir es durchgebracht.
Nun bezwang der Hunger das schlechte Gewissen. Alle Leute, die ich kannte, stoppelten. Gerade zwischen den Gängen zur Stempelstelle für die paar Mark Stütze die Woche. Das ganze Jahr gab es Sachen zu finden. Alles konnte jemand gebrauchen.
Ich war halt die Große. Klar, etwas Abenteuer, Sport, sich nicht erwischen zu lassen, war auch dabei. Aber es war immer Ernst.
Meine Mutter war dem Leben nicht gewachsen. Nicht einmal mit den Hausierern ist sie fertig geworden. Diese aufdringlichen Leute liefen von Haus zu Haus, um ihr kümmerliches Zeug zu verkaufen. Machte man ihnen die Tür nur einen Spalt breit auf, hatten sie ihren Fuß darin, und dann wurdest du sie nicht mehr los. Ich sehe noch eure Urgroßmutter heulend in der Tür stehen, als ich aus der Schule kam: ...



Nun noch der Ausblick auf die morgigen "Gedichte des Tages":


Als erstes begleiten wir Thomas Reich ins "Bergwerk" seines Ichs ... oder ist es etwas Anderes?
Tja ... "Widersinn oder Wider-Sinn ... oder wieder Sinn?". Brecht hätte es natürlich besser gemacht ...

Sonntag, 21. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1718



Das Märchen von den gelben Schafen (2 = Schluss)


... „Ihr seid aber freie Schafe. Entscheidet nur richtig. Wir möchten euch aber warnen: Das Schlimmste für ein Volk von Schafen sind gelbe Schafe unter ihnen. Von schwarzen Schafen wisst ihr. Die erkennt man leicht und kann sie aussondern. Gelbe Schafe jedoch müssen besonders behandelt werden: Man muss sie scheren und melken und ihre Lämmer schlachten und überhaupt bedürfen sie der Hunde, die ihnen im Auftrage kluger Schäfer zeigen, wohin sie laufen dürfen und wohin nicht. Das seht ihr doch ein?“
Den armen Schafen wurde ganz unheimlich: Gelbe Schafe … Wie das klang! Ja, gegen gelbe Schafe musste man etwas tun. Und überhaupt waren da die Euter, die noch daran gewöhnt waren, immer wieder gemolken zu werden und mehr Milch hatten, als es die Lämmer soffen. Oh, wie freuten sich die Schafe auf den Schutz durch kluge Schäfer.
„Da ihr nun einmal freie Schafe seid, könnt ihr auch selbst entscheiden: Wollt ihr, dass wir uns mit unseren Händen, unserer Schere und unseren Hunden um die gelben Schafe kümmern, damit sie keinen Schaden anrichten?“
Die Schafe aber, die noch nie von gelben Schafen gehört hatten, blökten zustimmend.
Wie auf Verabredung tauchten in diesem Augenblick neue Bergsteiger zwischen den Gipfeln auf. Einer von ihnen wies sich aus als Fachmann für schafspezifische Erkrankungen, man dürfe ihn Arzt nennen und er würde nun ein Schaf nach dem anderen einzeln untersuchen. Jedes von ihm in Augenschein genommene Schaf aber bekam ein Zertifikat umgehängt. Darauf stand: „Gesund, aber farbenblind“.
So verwirrt und einzeln wurden die Schafe zum zweiten neuen Bergsteiger geschickt. Auf dessen, ihnen kurz vor die gerade als farbenblind erkannten Augen gehaltenen Visitenkarte stand: „Unabhängiger Spezialist im Institut zur Begutachtung visuell erkennbarer Abnormitäten in regional abgelegenen Schafspopulationen“. Kein Schaf verstand, was dies bedeuten könnte, doch jedem erklärte dieser Spezialist mit trauriger Stimme, aber, was noch wichtiger war, er hängte es ihm auch als Schild um, damit es alle anderen Schafe lesen konnten. „Diese Schaf ist gelb.“
Wie entsetzt betrachteten die Schafe nun einander! Mal schauten sie sich aufs Fell, mal auf jenes Dokument, das in verschnörkelter Schrift überschrieben war mit „Gutachten“. Noch vermeinten sie zwar, Schafe zu sehen, die weiß, wenn auch leicht verschmutzt waren, aber dort stand, sie seien gelb, dann mussten sie wohl gelb sein. Es dauerte auch nicht lange, dann hatten sie oft genug ihrer aller Fell mit dem wunderschönen Gutachten verglichen, bis sie sich überzeugt hatten, sie alle waren gelb.
Wie leicht hatten es nun die Hunde, die sich vor sich selbst fürchtenden Schafe dorthin zu treiben, wohin sie die Schäfer haben wollten. Als die ersten Lämmer herangewachsen waren, bedurften sie des Gutachtens nicht mehr: Sie hatten längst gelernt, dass sie gelb waren. Und sollte es eines nicht gleich glauben wollen, so wurde es geschlachtet oder in das große schöne Haus der Begutachter geschickt, aus dem sie überzeugt zurückkamen, dass sie gelb und nur farbenblind waren.
Und wenn sie nicht gestorben sind, … dann speise ich immer zu Ostern Fleisch von einem Lamm, das von sich glaubte, ein gelbes zu sein.

... Und die "Gedichte des Tages" von morgen?! ...

Manche Gedichte sind einfach, kalr, ihre Aussage ist einfach, klar ... und sie sind wie ein kurzes Mmmm. Hanna Fleiss´ "Ach ja, der Frühling" gehört wohl zu dieser Gruppe. Ob aber auch "Ich LAMA traf O BAMA" dazu gerechnet werden dard, kann bezweifelt werden. Wahrscheinlich muss man noch nicht einmal etwas über den Autor wissen, um eine Gesichtsverzerrung wie Spock von der Enterprise zu bekommen ...
.

Samstag, 20. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1717

Manchmal fällt mir ganz unvermittelt zwischendurch ein Märchen ein:


Das Märchen von den gelben Schafen (1)

Es gab einmal eine Zeit, da lebte eine große Herde friedlich weidender Schafe in einem abgelegenen Tal zwischen Bergen, die an sonnigen Tagen den Himmel abkitzelten.
Eines Tages erreichten drei Bergsteiger dieses Tal und weil sie hungrig waren vom langen Aufstieg und dem Abstieg in warmer Mittagssonne, nahmen sie einen Eispickel und schlachteten eines der ahnungslos weidenden Schafe. Zum ersten Mal seit ewigen Zeiten wurde die Herde wütend, ein Gefühl, das sie so noch nie erlebt hatte, und nach gemeinsamer Absprache trampelten Schafshufe auf die Bergsteiger zu, sodass diese in heilloser Flucht über die Berge davon rannten.
Nicht viel später aber kamen sie wieder mit drei Hunden. Die rannten bedrohlich um die Herde herum. Wo immer sich die Schafe absprechen wollten, wie sie sich denn wehren könnten, übertönte das Hundegebell ihr schüchternes Blöken und einzelne von ihnen wurden aus der Herde abgedrängt und von ihren Schwestern und Brüdern nie wieder gesehen. Die betrügerischen Bergsteiger aber erklärten, dass Schafe dafür da seien, dass Menschen etwas hätten zum Essen, zum Trinken und um sich vor der kalten Luft zu schützen.
Eines Tages jedoch geschah es, dass zwei der Hunde sich um ein besonders schmackhaftes Stück Schafsfleisch stritten, das ihnen die Schäfer, wie sich die Bergsteiger nun nannten, hingeworfen hatten. Da rannten die ersten Schafe auf den dritten, den einzigen Wache haltenden Hund, zu und ihr Trampeln war viel lauter, als der hätte ihnen Angst einflößend kläffen können. So geschah es, dass drei Schäfer und zwei Hunde über den Bergkamm flohen und eine Herde friedlicher Schafe den dritten Hund in einer Grube begrub.
Es verging gar nicht viel Zeit, da kamen die Schäfer wieder mit drei Hunden, die sie sorgsam an Ketten gelegt hatten. „Ihr lieben Schäflein“, riefen sie, „ihr werden auf dieser Welt niemanden finden, der es besser mit euch meint wie wir. Ihr merkt es doch schon: Jetzt, wo die Sonne so fürchterlich brennt, schwitzt ihr gar jämmerlich. Euer Fell juckt und ihr wäret doch glücklich, wenn wir euch davon befreiten.“
Im selben Moment hatten die Schafe alle Augenblicke völlig vergessen, an denen sie frisch geschoren bitterlich gefroren, und sie träumten davon, die Last ihrer Wolle abgenommen zu bekommen.
„Ihr seid aber freie Schafe. Entscheidet nur richtig. Wir möchten euch aber warnen: Das Schlimmste für ein Volk von Schafen sind gelbe Schafe unter ihnen. Von schwarzen Schafen wisst ihr. Die erkennt man leicht und kann sie aussondern. Gelbe Schafe jedoch müssen besonders behandelt werden: Man muss sie scheren und melken und ihre Lämmer schlachten und überhaupt bedürfen sie der Hunde, die ihnen im Auftrage kluger Schäfer zeigen, wohin sie laufen dürfen und wohin nicht. Das seht ihr doch ein?“ ...



Natürlich bleiben die "Gedichte des Tages" Teil dieses Journals, die vom Folgetag, versteht sich:


Tja, das mit den "zwischenmenschlichen Beziehungen" ist auch so eine Sache. Der eine sagt vielleicht ""Ich lieb dich immer noch", der andere wie Thomas Reich sieht sich als "Mürbteig" in des Anderen Hand ... und es kann sein, beide meinen dasselbe ...
Vor Kurzem wurde ich gerügt: Betroffenheitslyrik nütze gar nichts. Das mag ja richtig sein. Was aber doll man denn tun, wenn "Die Blase drückt"?!



Freitag, 19. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1716

.Ob das der Schluss der "Geld-Geschichte" sein kann, ist unklar im doppelten Sinn: "Kann das Geschriebene schon als fertige "Geschichte" durchgehen" und ist das Ende der Geschichte das Ende der Geschichte in der Wirklichkeit ...

Die Geschichte vom Geist des Geldes (7 = Schluss?!)


Die arbeiteten an immer größeren Sachen und merkten, dass sie immer mehr Versprechen eingelöst bekommen mussten, um sich ihre wenigen kleinen Wünsche überhaupt erfüllen lassen zu können, während die, die eben erst 1001 solcher Versprechen besessen hatten, inzwischen 1001 mal 1001 davon besaßen.
Im Stillen ahnte es jeder: Längst bewegten sich viel mehr Versprechen von Zwischenbesitzer zu Zwischenbesitzer als hätten erfüllt werden können. Was aber niemand so richtig merkte: Längst war, wenn man alle Arbeit, die schon geleistet worden war, zusammen in einen riesengroßen Sack gesteckt hätte, mehr zur Erfüllung aller vernünftigen Wünsche darin, als es auf der ganzen Welt dieser Wesen an vernünftigen Wünschen überhaupt gab. Diejenigen aber, die die aufgeschriebenen Versprechen besaßen taten alles, damit dies niemand merkte. Der einfachste Trick war natürlich der, zu behaupten, es gäbe keinen vernünftigeren Wunsch als den, immer wieder neu ein Versprechen gegen so viele neue Versprechen einzutauschen, wie man bekommen konnte. Wer sein Versprechen einlöse, der sei ein Konsumtrottel, hieß es, obwohl der selbst meinte, er sei einfach nur immer noch hungrig.
Um die Welt dieser Wesen wand sich eine gewaltige Wolke an Wünschen, deren Erfüllung jemand versprochen hatte, die es aber eigentlich aber gar nicht gab. Immer weniger verstanden die Wesen ihre Welt. Immer wilder arbeiteten die, die arbeiten mussten, um ein Stück der großen Wunschwolke abzubekommen. Immer kranker wurden sie dabei.
Eines Tages kam da einer, der meinte, wisst ihr was, tragt doch einfach alle Wünsche zusammen, die ihr habt und überlegt dann, was ihr wirklich alles tun müsst, damit ihr sie nach kurzer Zeit einander erfüllt habt! Ihr werdet merken, euer Leben wird viel leichter sein als es gerade ist, und eure Geräte sind so groß, dass jeder Wunsch auf eurer ganzen Welt erfasst werden kann – und wenn ihn jeder sehen kann, dann könnt ihr zusammen entscheiden, welcher vernünftig ist.
Da erhoben die, die die vielen Versprechen auf erfüllte Wünsche besaßen, ein großes Geschrei. Sie verteilten unterschiedlich viele Versprechen und alle freuten sich, wenn sie jemanden gefunden hatten, der weniger Versprechen auf erfüllte Wünsche besaß als sie, und ihnen war egal, was sie sich wirklich wünschten. Gemeinsam fielen sie über den, der noch einmal neu hatte nachdenken wollen her und sie töteten ihn. Und weil sie so arbeiteten und töteten und wenig dachten, merkten sie nicht, wie sie an der Wolke unerfüllbarer versprochener Wünsche langsam erstickten.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sterben sie noch heute.


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Beginnen wir mit einem Lächeln für und mit Hanna Fleiss: "Pardong, Missjöh!".
Ohne Lächeln dagegen geht´s wohl bei Thomas Reichs "Entente" ab. Hier hätte ich gern andere Meinungen: Ist diese Bildsprache "vertretbar" ... dem Gegenstand angemessen halte ich sie nicht - andererseits hatte ich soort eine Vorstellung ... und wieder andererseits zweifle ich an DER Partnergeschichte ...


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Donnerstag, 18. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1715

.Die Geschichte vom Geist des Geldes (6)


Die da am meisten arbeiteten und die so viele Wünsche hatten, bekamen so wenige Versprechen, ihre Wünsche zu erfüllen, während andere sich einen einzigen Wunsch zu erfüllen versuchten: aus vielen Versprechen, Wünsche zu erfüllen, immer mehr Versprechen zu machen, über die sie verfügten.

Eigentlich ist es ja egal, ob man das Versprechen auf einen einzigen Wunsch besitzt, der noch nicht erfüllt wurde, auf drei oder auf 1001. Der Unterschied entsteht erst, wenn die Versprechen eingelöst werden sollen. Aber das auch nur, wenn die Einlösung des Versprechens in einem „richtigen“ Wunsch besteht und nicht im Tausch eines einzulösenden Wunsches gegen 100. Es gab aber tatsächlich Wesen, die sich für vernünftig hielten, die freuten sich, wenn sie ihren einen in drei und die drei in 1001 Wünsche verwandelt hatten. Ja, sie empfanden einen richtigen Verlust dabei, wenn sie ein solches Wunschversprechen an andere weitergeben mussten, obwohl ihnen nun ja immer noch 1000 Wünsche übrig blieben, die niemand hätte erfüllen können, wenn das jemand hätte versuchen wollen.
Die Welt der Vernunft von gegenseitig erfüllten Wünschen hatte sich in eine Welt von Versprechen auf künftig vielleicht erfüllten Wünschen verwandelt. Traurig waren nur die dran, die nichts besaßen und arbeiten musste für ein solches Versprechen auf erfüllte Wünsche, es aber dann nicht in drei und die in 1001 solcher Versprechen verwandeln konnten, weil sie Wünsche hatten, die sie sofort erfüllt bekommen mussten. Die arbeiteten an immer größeren Sachen und merkten, dass sie immer mehr Versprechen eingelöst bekommen mussten, um sich ihre wenigen kleinen Wünsche überhaupt erfüllen lassen zu können, während die, die eben erst 1001 solcher Versprechen besessen hatten, inzwischen 1001 mal 1001 davon besaßen.
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Die "Gedichte des Tages" von morgen:


Also als erstes eine Meldung am Rande. Jene "Meldung", die augenblicklich beim Aufrufen des Lyrik-Blogs erscheint, stammt nicht aus meiner Absichts-Kiste, sondern aus der vom Genossen Chaos. Im Moment behelfe man sich mit "Abbrechen" im entsprechenden Kästchen, Ich suche nach Zeit, Ort und Abstellmöglichkeit dieser Belästigung ...
Das soll aber niemanden davon abhalten, sich Hanna Fleiss´ "Der neue Hut oder Der Opportunist" "reinzuziehen".
Ich sehe da Anspielungen, die Sebastian Deya in seinem Anti-0815-Gedicht "2381" zu setzen sucht ... (oder sollte das etwa eine Jahreszahl sein sollen?)


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Mittwoch, 17. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1714

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Die Geschichte vom Geist des Geldes (5)


Selbst, wenn er schon Schmuck gewesen war, konnte er sich leicht wieder in einen anderen erfüllten Wunsch zurück verwandeln. Bei einem Brot hätte das nicht funktioniert. Wer einmal seinen Hunger damit gestillt hatte, musste neu etwas erarbeiten.

Da kamen kluge Leute, die meist nur mit dem Kopf arbeiteten, auf eine verblüffend einfache Idee: Wozu musste das, was ja gar keinen persönlichen Nutzen haben sollte außer dem, einmal in einen Nutzen verwandelt zu werden, überhaupt einen anderen haben als eben das Versprechen zu sein, irgendetwas dagegen eingetauscht zu bekommen, was in einer bestimmten Zeit erarbeitet werden könnte? Und erst in dem Moment, in dem dieses Versprechen vorgelegt würde, bewiesenermaßen erarbeitet worden sein muss?
Eigentlich, so ist es ja immer, wenn jemand einen Zauber erfindet, war alles wie zuvor: Irgendwo steckte irgendwer Arbeit in irgendwas, was irgendwann ein anderer Irgendwer gegen ein anderes Irgendwas eintauschte, das er haben wollte, aber nicht machen konnte. Der andere hatte in sein Irgendwas auch schon Arbeit gesteckt. Nur zwischendurch verwandelte sich diese Arbeit in ein aufgeschriebenes Versprechen „Ja, du kannst mich wieder in etwas Nützliches eintauschen, was dir dann im Ausgleich zu mir gehört.“

Nur ist das mit den Versprechen so eine Sache. Die sind leichter gegeben als ein Krug getöpfert werden kann. Und da diese Versprechen von Hand zu Hand gingen, wusste bald niemand mehr, wann wer welche Arbeit vorher darin gesteckt hatte. Es wusste eigentlich niemand mehr, ob überhaupt jemand Arbeit hineingesteckt hatte. Es war ja nur ein Versprechen. Gefährlich konnte es ja nur werden, wenn jemand das aufgeschriebene Versprechen gegen ein echte Produkt vernünftiger Arbeit eintauschen wollte. Die Menge der Versprechen und der Möglichkeiten, sie einzulösen, blieb aber lange noch klein. So hatten die meisten Angst, sie könnten die letzten sein, die sie einzulösen hätten und so war längst schon in nützliche Dinge hineingesteckte Arbeit da zum Tausch gegen die Versprechen, wenn dieses Geld sein Wunder vollbringen durfte. Es war höchstens ein Problem, dass die nützlichen Dinge immer weniger zu den Wesen passten, die sie hätten in erfüllte Wünsche verwandeln können. Die da am meisten arbeiteten und die so viele Wünsche hatten, bekamen so wenige Versprechen, ihre Wünsche zu erfüllen, während andere sich einen einzigen Wunsch zu erfüllen versuchten: aus vielen Versprechen, Wünsche zu erfüllen, immer mehr Versprechen zu machen, über die sie verfügten. ...


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Hiermit erkläre ich vorsorglich, dass die folgenden beiden Gedichte unabhängig voneinander entstanden sind ... manche liegen irgendwie in der Luft:
Slov ant Gali:"Es geht mir gut"


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Dienstag, 16. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1713

.Schauen wir einmal, ob man einen weltgeschichtlichen Vorgang wie ein Märchen ohne Handelnde erzählen kann:

Die Geschichte vom Geist des Geldes (4)


Verwirrung aber war notwendig, also dass der eine mit dem einen zu erfüllenden Wunsch / Bedürfnis nicht mehr direkt mit dem in Berührung kam, der ihm diesen konkreten Wunsch hätte erfüllen können … im Tausch gegen dessen zu erfüllenden Wunsch, um einen Geist zu beschwören, der alle Wünsche zu erfüllen bereit war … wenn auch nicht alle auf einmal.

Was war zu tun? Am leichtesten wäre es, so ergab es sich scheinbar ganz von selbst, es wäre etwas da, das jeder braucht oder wovon jeder wenigstens weiß, dass er schnell einen trifft, der es braucht, dann könnte jeder sagen, damit kann ich viel anfangen: Hätte ich versucht, meinen Wunsch direkt erfüllt zu bekommen, hätte ich mehr Zeit dafür aufwenden müssen. Nun trage ich die Möglichkeit, mir meine eigentlichen Wünsche zu erfüllen, immer mit mir herum. Schmuck ist schon eine gute Sache, weil überall wer Schmuck will. Allmählich liefen immer mehr dieser eigentlich klugen Wesen mit solchem Wunsch-Schmuck herum. Anstatt sich aber jeweils ihren wichtigsten Wunsch tatsächlich zu erfüllen, trugen sie nun die Möglichkeit mit sich herum, dann, wenn es denn soweit wäre, sich für einen ihrer Wünsche entscheiden zu können, sich aber erst einmal ausmalen zu dürfen, was sie sich ALLES erfüllen könnten.

Der Schmuck (das Gold) hatte aber wenigstens mit allen anderen getauschten Dingen eines gemeinsam: Bevor er gegen etwas Anderes getauscht werden konnte, hatte schon jemand echte Zeit hineingesteckt. Er hatte das selten Schöne und Dauerhafte in der Natur gesucht und gefunden und zu Schmuck gemacht. Bis er bei jemandem angekommen war, dessen Wunsch zu schmücken er erfüllte, war er für den Zwischenbesitzer das Versprechen, in ein Pferd verwandel werden zu können, ein Rind, Kleidung für den Winter, neues Werkzeug … alles was der jeweilige Besitzer an Wünschen erfüllt bekommen wollte – nur eben nicht unbedingt alle gleichzeitig … Selbst, wenn er schon Schmuck gewesen war, konnte er sich leicht wieder in einen anderen erfüllten Wunsch zurück verwandeln. Bei einem Brot hätte das nicht funktioniert. Wer einmal seinen Hunger damit gestillt hatte, musste neu etwas erarbeiten. ...

.Danach ist man bestimmt gespannt auf die Gedichte des Tages von morgen und muss sich mit Folgendem zufriedengeben:


Manchmal wächst allmählich zusammen, was zusammengehört. Nein, dies bezieht sich gerantiert nicht auf den 3.10. ... oder - wie der "Emporkömmling", der sicherheitshalber unter dem AutorenteamGunda Jaron / Slov ant Gali firmiert, illustriert - nur ... nicht sehr viel ...
Was ich als Testgedicht folgen lasse, könnten die einen groben Unfug nennen ... die anderen aber "surrealistisch". Sei´s drum: "Es muss nicht nur Mc Donald´s sein" ...



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Montag, 15. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1712

Schon vergessen? Wir haben das Erzählen der einen "Geschichte" mittendrin unterbrochen:

Die Geschichte vom Geist des Geldes (3)


... Immer weiter teilten sich dabei die Arbeiten, die immer öfter auf etwas gerichtet waren, was von Anfang an nur den konkreten Wunsch eines Anderen erfüllen sollte.

Was aber macht ein vernünftiges Wesen, wenn es Zeit in etwas steckt, das einen Anderen glücklicher machen könnte, damit der dafür etwas hergibt, was es selbst wünscht, um selbst auch glücklicher zu werden? Sollte es dafür etwa 1000 Äxte herstellen, weil es das besonders gut konnte, ganz nützliche Dinge zwar, aber nur 20 andere Wesen hätten etwas dafür gegeben, was es haben wollte?! Und eines wollte unser Äxtemacher bestimmt nicht: Äxte behalten, also zumindest nicht mehr als eine, und nachher welche ansehen, die niemand haben wollte.
Unser Äxtemacher hätte natürlich vorher herumfragen können: Brauchst du eine neue Axt und gibst mir Milch für meine Kinder dafür? Wenn er dann alles genau wüsste, brauchte er nur so viel Zeit ins Äxtemachen zu stecken wie er nachher für Milch usw. eintauschen könnte. Aber er möchte ja etwas eintauschen, von dem er vorher nur weiß, dass er es bekommen möchte, nicht aber, wer genau es zum Tausch anbieten kann. Wenn er das schon gewusst hätte, hätte er sich ja gleich mit ihm einigen können: Ich mache, was ich kann, und gebe es dir. Dafür gibst du mir, was du kannst, und gibst es mir. Beide wären glücklich damit, wahrscheinlich glücklicher noch, als hätten sie allein gemacht, was sie brauchten, wären die Sachen doch besser und schneller hergestellt …

Und damit kam eines Tages der Moment, da wusste der, den der Äxtemacher traf, einen, der hatte, was der Äxtemacher wahrscheinlich wollte, und er, also der, der das wusste und sich Händler nannte, würde tauschen, weil er brauchte, was der unbekannt bleibende Fremde zum Tauschen hatte, um es dem Äxtemacher zu geben, aber mit dem Ergebnis, dass der Händler mindestens so viel für seine Zeit bekäme, mit der er die beiden zu erfüllenden Wünsche zusammenführte, wie die brauchten, um nicht nur ihre Wünsche zu erfüllen, sondern auch zusammenzukommen. Das war alles reichlich verwirrend, oder? Gerade diese Verwirrung aber war notwendig, also dass der eine mit dem einen zu erfüllenden Wunsch / Bedürfnis nicht mehr direkt mit dem in Berührung kam, der ihm diesen konkreten Wunsch hätte erfüllen können … im Tausch gegen dessen zu erfüllenden Wunsch, um einen Geist zu beschwören, der alle Wünsche zu erfüllen bereit war … wenn auch nicht alle auf einmal. ...





Eine Unterbrechung müssen wir uns bei des Gedichten des Tages nicht leisten:

Hanna Fleiss hat inzwischen ein Gedicht "Nachbarn II" in den Ring geschickt. Wie glücklich kann ich mich schätzen, wenigstens zur Zeit andere Nachbarn zu haben ... übrigens noch & wieder ... Dafür schicke ich mein Künstlergedicht zum zweiten Mal ins Rennen, diesmal unter "Bereicherung".

Sonntag, 14. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1711

Roger Suffo brachte mich sehr in Verlegenheit: Seine Rezension zum Roman "Andymon" von Angela und Karl-Heinz Steinmüller ist wohl seine bisher längste. Sollte man die teilen? Dann die Antwort: Das soll nicht das erste Mal sein:



Rezension zu Andymon - Eine Weltraum-Utopie
von Angela und Karl-Heinz Steinmüller

Die Grundidee ist so einfach wie genial: Die Erde hat ein Super-Raumschiff ausgerüstet. Das fliegt in fast unendliche Ferne, wo man einen besiedlungsfähigen Planeten Andymon erhofft. Als das Ziel nur noch etwa zwei Jahrzehnte Flug entfernt ist, werden die ersten Brutstätten für Menschen aktiviert. Eine Gruppe von acht Babys wird von Androiden aufgezogen – anfangs in einem künstlichen Wildpark, später dann immer mehr in der weiteren Welt des Raumschiffs und in einer simulierten Gesamtwelt von Totaloskope, durch die die Heranwachsenden eine Vorstellung der Erde und verschiedenen gesellschaftlichen Beziehungen bekommen sollen. Alle bekommen Namen, die aus dem griechischen Alphabet abgeleitet sind, mit a am Ende, wenn wiblich, ohne , wenn männlich, alle als Querschnitt des menschlichen Erderbgutes an Rassenmerkmalen. Ich fühlte mich sofort gefesselt von dem Ideenreichtum, eine solche künstliche Kindheit zu erlesen, wobei die Autoren einen besonderen Trick verwenden: Sie erzählen alles aus der Sicht eines „Beth“, der als zweiter „geboren wurde“ und im Gruppenrollenkampf auch zweiter wird hinter dem draufgängerischen Delth, der für sich stets die Führungsrolle beansprucht und auch anerkannt bekommt. Alpha wird zur Moderatorin und sie besorgt die geschlechtliche Initiation des Beth. Ein Unfall des Draufgängers während der ersten Kämpfe mit dem feindlichen Planeten zwingt Beth, die Führungsrolle zu übernehmen, was ihm aber etwas entgleitet: Auf dem Schiff einigen sich die Kinder auf eine freiwillige Hierarchie mit einem quasi Kapitän, als es letztlich darum geht, den Planeten zu besiedeln, gehen die Interessen der Einzelnen zu weit auseinander. Dort findet sich vorübergehend ein „Resth“, der in Selbstgerechtigkeit, zu wissen, was das Beste für alle sein müsse, und sich dafür berufen zu fühlen, seine Vorstellungen den anderen aufzuzwingen. Er bringt Verleumdungen und Bespitzelungen in den gegenseitigen Umgang der Gruppen miteinander ein. Praktisch wird er aus der Gemeinschaft schließlich ausgestoßen – eine der Stellen, die für mich zu reibungslos ablaufen.
Andymon erscheint als drastisches Beispiel des Terraforming. Die Kinder werden durch ihre sehr individuelle Erziehung und Ausbildung zu praktischen Supermenschen, deren intellektuelle Reife der rationalen Rundum-Bildung nahe kommt. Die Umgestaltung des Planeten von giftiger Unbewohnbarkeit zur Lebenswelt mittels Superalge-“Impfung“hätte ich für die wenigen Achtergruppen als unlösbare Aufgabe angesehen. Hier schlägt die Grundidee, dass die Vernunft (auch) der Menschen sich den ganzen Weltraum lebensgerecht umzugestalten nicht nur in der Lage ist, sondern dass dies auch ihr innerer Zweck sei, überhohe Wellen.
Dass Beth rückblickend in chronologischer Abfolge die für ihn wichtigen Erlebnisse beschreibt, beschränkt an keiner Stelle die Spannung der Handlungsbeschreibung, auch nicht, dass er sich endlich einmal wie ein unreifer Zwanzigjähriger benimmt und nicht wie der Präsident einer Planeten-Siedlungsgemeinschaft und bei der Vorstellung, der Fall „Andymon“ sei im Wesentlichen erledigt, es müsse sofort eine weitere Expedition zum nächsten „Andymon“ vorbereitet werden, etwas übereifrig ist. Schön dabei, wie die Verhältnisse übergehen von einer äußerlich homogenen, sich einigen Gruppe zu einer Vielzahl verschiedenster Interessengrüppchen.
Während an dieser Stelle die Dynamik von Gemeinschaften erlebbar wird, über die Resth-Gestalt die Entartung einer guten Idee durch „Stasi-Methoden“ dargestellt … und abgelöst wird, benutzen die Steinmüllers einen technischen Trick, den ich ihnen verüble: Geschrieben vor 1982 liegt dem Raumschiff ein technisches Niveau zugrunde, das erst in „fernerer Zukunft“ erwartet werden kann. Die Totaloskope ermöglichen es den Heranwachsenden, in die verschiedensten Rollen während unterschiedlicher Zeiten hineinzureisen, sich als alles Damalige „zu erleben“. Zum einen wage ich den pädagogischen Erfolg zu bezweifeln, wenn wer sich selbst als weiser Herrscher des Altertums feiern lassen kann, zum anderen lassen die Steinmüllers ALLE Daten / Informationen nach dem Jahr 2000 vollständig auf Null. Keinerlei Information zur Erde der Raumschiffbauzeit oder unmittelbar davor sind zugängig. Zwar schlussfolgern die Heranwachsenden, dass die vor dem 3. Jahrtausend aufgetretenen Menschheitsprobleme logisch gelöst sein müssten – wieso sonst dieses Raumschiff – warum aber sollte dies dann diesen Kunstmenschen verheimlicht werden? Es kann nur ein dramaturgischer Zug der Autoren sein, nicht darauf eingehen zu wollen – was schlimm ist, weil es die Neusiedler ja so beschäftigt, dass am Schluss die Idee aufkommt, eine Expedition zur Erde zu unternehmen. Übrigens eine Absurdität, weil diese „Menschen“ eben keine „Erdenmenschen“ sind und sie wissen, dass die ansteuerbare Erde nichts mit ihnen und nichts mit der Totalisatoren-Erde zu tun haben kann, weil Jahrtausende abgelegen, und die Expedition fast nur Sinn hätte, wenn diese Expedition die dann-Erde im Andymonzustand antrifft und sie wieder einem Terraforming-Prozess unterzieht …



Entscheidungen sind bei den "Gedichten des Tages" nicht mehr zu treffen. Die stehen für morgen schon fest:


Dunkel gruselt´s mich, dass diese Entlehnung bei der Dreigroschenoper, dieHanna Fleiss hier wagte, auf eine allzu aktuelle Meldung zurückgeht. "Und der Haifisch ..." Wir sollten uns besinnen, dass wir all dies nicht zu schnell vergessen. Danke, Hanna!
Aus Verärgerung wegen der unklaren Kritiken im Friedrichshainer Autorenkreis habe ich die "Lemminge" nunmehr etwas sonettiert ...

Samstag, 13. April 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1710

..Zuerst einmal beenden wir den Urentwurf der "Kindheits-Geschichte":
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Vorm Haus, das es nicht gab (4 = Schluss)


... Am liebsten hätte ich ihr eine Erklärung angeboten: Spiegelbilder dessen, was auf unserer Welt zu sehen ist, bewegen sich für Momente in der Luft. Mit einer unwahrscheinlich geringen, aber vorhandenen Wahrscheinlichkeit geraten sie in die Dimension, die wir Zeit nennen, und spiegeln dort zurück. Ich hatte also ein echtes Zufalls-Zukunftsbild gesehen. Ich hätte noch mit ernstem Gesicht vom Raum-Zeit-Kontinuum dozieren können. Nein, ich hätte es zumindest nicht lange gekonnt. Dann hätte ich auch Lachkrämpfe bekommen und hätte es mit eben dieser gläubigen Freundin eben anders verdorben.
Ob es eine Erklärung für mein Phänomen gibt? Sicher. Ob ich sie kenne? Wer bin ich denn? Natürlich nicht. Vielleicht brauchte meine Fantasie nur einen zusätzlichen Anstoß. Immer wird es einen Punkt geben, an dem wir für etwas keine Erklärung wissen, wo wir entweder versuchen, mit unserem begrenzten Horizont etwas Unbekanntes ins Streckbett von Bekanntem zu zerren, bis es bekannt aussieht, wenn es auch tot ist, oder Körnchen in den unkrautigen Garten der Fantasie zu werfen, die wir kraft unserer menschlichen Beschränktheit zu Samen erklären. Ist es nicht schön, an genau dieser Stelle wächst dann etwas? Das muss ja gar nicht an unseren Körnchen liegen.
… Sag bloß! Dir fallen Geschichten von mir ein, die du jetzt als Ergebnis dieser Geschichte wiedererkennst? Du bist meiner Geschichte schon im Traum begegnet? Das kann gar nicht sein. Dazu müsstest du dich erst schlafen legen, träumen, aufwachen, Jahre warten, bis Davor, Danach und Dabei im Nebel ihren Reigen getanzt haben, und plötzlich liegst du nicht mehr am Ufer des Langen Trödel sondern im vergangenen Jahrtausend auf einer kleinen Schweriner Halbinsel und dich jagen Kinder und du wünschst dir, es möge nicht so sein, und du möchtest unbedingt sehen können, wie die dich Jagenden deine Freunde geworden sind und du brauchst einen Beweis dafür, dass dein Traum kein Wunschtraum ist. Du wirst deshalb einen Menschen in deinem Traum sehen, von dem du weißt, obwohl du ihn noch nie gesehen hast, wirst du ihm einmal begegnen und dich an ihn erinnern. Du wirst aufwachen mit dem Gefühl, in deiner Welt gibt es Unerklärliches, was man Wunder nennt. Viel viel später wirst du einem Menschen begegnen, den du gern haben wirst, und du wirst mit ihm am Kamin sitzen und überlegen, was du ihm erzählen sollst, dass deine Stimme sich im Knacken der Scheite nicht verliert, und dann wird es dir einfallen: Du hast dich als Kind schon mit einem geliebten Menschen am elektrischen Kamin sitzen sehen, dabei hast du noch gar nicht gewusst, was ein elektrischer Kamin ist. Und du bist nie verprügelt worden und in der Flamme tanzt ein kleine Geist und spräche er, stellte er sich vor als … Erinnerung 

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Nun können wir getrost mit den "Gedichten des Tages" fortfahren:


Die letzten Ideen für "Voran zur Natur" müssen nun die Gelegenheit nutzen, sich noch ins Manuskript zu mischen. Hoffnungen macht sich da sicher der frisch gebackene "Vorankömmling" ...
Freuen wir uns, dass wir hier bereits eine besonders große Sebastian-Deya-Gedicht-Sammlung zusammengetragen haben, diesmal bereichert durch "Santa Muerte". 




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