Donnerstag, 28. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1666

Aktuell bei den Gedichten des Tages ist gerade das Sammeln von Gedichten, die vielleicht für eine Veröffentlichung in Frage kommen könnten. Nach den Liebesgedichten die zu Umwelt und Natur:

In Anbetracht des hoffentlich endlich vor der Tür stehenden Frühlings habe ich aus der Sammlung von Gedichten unter dem Motto "Voran zur Natur" zwei Wintergedichte ausgesucht. Das eine, das auch schlicht ""Wintergedicht" heißt, ist sozusagen ein Kindergedicht, das andere, "Flockentanz" würde den entschiedenen Protest meines damaligen Ästhetik-Dozenten hervorrufen. Der meinte nämlich, die Natur könne nicht "schön" sein, das sei eine Kategorie, die auf der einen Seite den positiv wertenden Betrachter, also den Menschen, erfordert, auf der anderen Seite aber auch den Menschen, der diese Wirkung bewusst beabsichtigt hatte. Die Natur hat in diesem Sinn aber gar keine Absicht - sie ist einfach da. Für mein Gedicht ist mir das aber völlig egal ...




Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (22)


Das Einzige, was ich nicht erwähnt hatte, waren die emsigen Roboter, die das Dazugekommene ständig so ein- und umsortierten, dass es nicht im Weg stand oder lag, aber trotzdem gesehen wurde und griffbereit lag.
Mit einem normalen Mädchen einkaufen zu gehen mag ja schon eine Strafe sein, mit einem Mädchen, dessen Begeisterungsrufe sogar eine Berechtigung haben, ist aber fast völlig unerträglich.
In der ganzen Halle gab es ja so gut wie nichts, was Mahay gekannt hätte, was sie also nicht wenigstens von Nahem hätte sehen, meist aber auch anfassen wollen. Mein einziges Glück waren die Pausenecken. Da konnte ich mich hinsetzen, Luft holen … und dann kam Mahay und wir kosteten von einigen Dingen, die ich ihr als Delikatessen angepriesen hatte. Das gab ich allerdings schnell auf. Ihre Zunge musste auf einer anderen Evolutionsstufe stehengeblieben oder angekommen sein. Was am schlimmsten war: Sie schien irgendwelche Spuren von Verpackung auf Käse und Wurst herauszuschmecken. Mahay war einfach peinlich. Sie kommentierte laut und immer wieder blieben Leute stehen, die sich unterschiedlich äußerten. Manche lachten. Die dachten vielleicht, wir spielten einen Film und sie wären in einem Programm zu sehen, wenn sie nur lange genug stehen blieben. Unangenehmer waren die Leute, die deutlich ihr Missfallen ausdrückten, wenn wir eine Verpackung öffneten. Immerhin ergab sich eine Teillösung dadurch, dass ich jeweils die Scheiben unmittelbar an der Verpackung verkostete, während Mahay die darunter genoss.
Dann bekam sie die Randgestaltung der Hall mit. Ich hatte vergessen, wie der Markt organisiert war. Also, um ehrlich zu sein, ich war so selten in der Halle und wenn, dann möglichst zielgerichtet um etwas ganz Spezielles zu holen, dass ich kein Auge für das Marktgeschehen gehabt hatte. Mahay aber hatte sowas wie einen siebten Sinn dafür, dass es denen, die dort frische Waren ihrer Eigenproduktion anboten, hier so eine Art Kontaktvergnügen suchten. Jedenfalls hatte Mahay nicht nur diverse Früchte in unseren Sammelwagen gelegt sondern eine Sammlung von Kärtchen von Leuten, mit denen sie abgesprochen hatte, sie zu besuchen und ihre Bäume, Sträucher und Beete abzuernten. Zu mir hatte noch niemand gesagt, ich könne mal rauskommen. Ich hatte nur davon gehört, dass auf solche Weise individuelle Erntefeste zustandekamen. Oft auch Freundschaften von Leuten, die sich häufiger persönlich besuchten.
Für mich wäre so etwas nichts. Wozu gab es das Netz? Wobei ich natürlich auch nicht auf die Idee gekommen wäre, zum Skolchi-Buddeln irgendwo hinzufahren. Ich hatte aber immerhin als Überraschung für meine Eltern mit den Kindern einer Skolchi-Bauern-Familie ausgemacht, dass die uns besuchen kamen und morgenfrische Früchte mitbrachten. Gemeinsam sind wir dann in eine Klanmal-Ausstellung gegangen. Wenn ich allerdings Mahays Ausbeute von Adressen von so einem Hallenbesuch damit vergleiche, hätte Mahay klar gewonnen.
Sie zog mich sogar in mehrere Kleidungsbereiche. Ich atmete jedes Mal auf, wenn sie erkannt hatte, dass da nur die gängigen Stoffe angeboten wurden, von denen sie ja wusste, dass sie schlecht für ihre Haut waren. „Nein, du musst nicht die Sachen mitnehmen, die du hier anprobiert hast. Die meisten machen es aber, wenn ihre Größe da ist. Ansonsten wird ihre Größe berechnet und bestellt. … Nein, das Wichtigste hier sind die Berater, die fachkundig Empfehlungen geben, was die individuelle Note des Trägers betont … Sonst könnte man ja alles übers Netz machen. So aber kommen manche Leute weither in eine Halle, weil ihnen der Berater empfohlen wurde. … Natürlich, ja, du kannst dir auch empfehlen lassen, was zu deinem Typ am besten passt … Nein, probier nur. Du kannst dir die entsprechenden Schnitte besorgen ...“
Also ich habe nicht auf die Uhr gesehen, wie lange ich danach abgemeldet war … also eben auch wieder nicht abgemeldet, denn bei jedem neuen Stück sollte ich auch meine Meinung sagen. Irgendwann konnte ich dann nicht mehr. Da rutschte mir raus, sie sähe am besten aus, wenn sie gar nicht an habe und draußen solle sie eben anziehen, was die anderen so an hatten.
Schwierig, so ein Mädchen. Ich glaube, wenn ich nur gesagt hätte, am besten gefiele sie mir nackt, hätte ich echt ein´n Stein bei ihr im Brett gehabt. Das war echt wie ein Kompliment rausgekommen. Aber das mit den anderen war so doof, wo doch alle Mädchen mit ihrem eigenen Stil herumliefen und Mahay ja einen Stoff brauchte, der im Augenblick total unmodisch war. Jedenfalls strafte sie mich für den Rest des Tages mit einem mürrischen Gesicht, was ich eigentlich von ihr noch nicht kannte. ...



Mittwoch, 27. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1665


Zwischendurch zwei weitere einfache Kandidaten für das Projekt "Voran zur Natur" ...
"oktober"
"Eine Brillenfrage"




Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (21)

Mahay war einfach eingeschlafen. Irgendwann würde sie mir erzählen, wie das auf ihrer Insel funktioniert hatte. Aber so konnte sie doch nicht bleiben! Vorsichtig wickelte ich sie in ihre Decke ein. Sie knurrte unwillig. Mahay, das musst du dir schon gefallen lassen! Ich bin jetzt für dich verantwortlich ...

In einem hatte ich mich getäuscht: Die Hoffnung, Mahay mit meinem umfangreichen Vortrag befriedigt zu haben, musste ich schon am nächsten Nachmittag aufgeben. Es war ihr sofort aufgefallen: Die Sache mit den Alltagshallen ließ sich leicht überprüfen. Die gab es ja in der Nähe. Mahay mochte zwar aus eine Gegend stammen, wo so wenige Mari lebten, dass jeder jeden kannte (warum unterstellte ich das eigentlich? Sie hatte noch nichts darüber erzählt und der Schulunterricht schloss das Kapital über die Maniani mit ihrem Auszug aus dem, was wir Zivilisation nannten, und der Aussage, dass es danach, also extrem viele Generationen, keine Kommunikation mit der Insel gegeben habe, weil diese von den Maniani nicht gewünscht werde), also mochte Mahay von der Dorfinsel stammen, sie hatte praktisch weniger Angst vor Gewühl als ich. Aber was blieb mir übrig … sie wollte sich durch die am nächsten gelegene Alltagshalle führen lassen. Wer anders sollte das tun als ich?
Schließlich fand ich einen guten Trick, um die eigene Unruhe zu überspielen: Ich erzählte einfach drauflos, immer unterstellend, Mahay würde meinen Ausführungen lauschen. Das ging schon im Aufzug los.
„Seit die Maniani fortgezogen sind, hat sich unter anderem das Bild der Städte verändert. Also genauer: Inzwischen kann keiner mehr sagen, so wie hier oder dort sieht eine Stadt aus. Viele Städte sind zu bewohnten Museen geworden. Dort hat man einfach die Gebäude erhalten, die aus den Vorzeiten schon da waren. Manche wurden in ihren verrückten Mischungen gepflegt, bei anderen entschieden die Bewohner, dass sie Häuser, die irgendwie den einmal bestehenden Ureindruck störten, durch Nachbauten passender Bauwerke ersetzten und man also, wenn man diese Städte besucht, zugleich in bestimmte Zeiten reist. Hauptsache, das meiste wird benutzt. Es soll sogar Städte geben, in denen haben sich die Bewohner dafür entschieden, sich entsprechend ihrer Stadt-Zeit zu kleiden. Also die Empfehlung kommt von interessierten Bewohnergruppen. Das fördere die Zusammengehörigkeit. Ich finds zwar doof, aber bei uns ist fast alles möglich, was niemandem schadet. Und man muss dann schon in bestimmten Städten wirklich gewesen sein, um deren Zeugs zu bekommen. Die vertreiben ihrs nicht im Netz. Aber eine Wohnbombe wie unsre ist eher meine Sache. In den neueren ist alles drin. Unsere ist eine ältere. Da musst du kurz raus, um zur Schule zu kommen oder eben zur Alltagshalle. Das lag an den Möglichkeiten zur Belieferung. Die Halle wurde so gebaut, dass sie Produkte aus allen Richtungen aufnehmen konnte. Von Straßen und Schienen auf dem Untergrund genauso wie aus der Luft. Deshalb sagen viele Mari auch Bahnhof zu der Halle, weil daneben gleich die Anschlüsse sind, von denen aus wir bis an die entferntesten Inseln reisen können.“
Wir waren unten angekommen. Zusammen wagten wir einen Blick nach oben.
„Vielleicht wird dies auch einmal eine Museumsstadt, wenn dann noch jemand hier wohnen will. Es ist nämlich ein so gewaltiger Klotz, dass du seine Wucht gar nicht von Nahem ermessen kannst. Er stammt noch aus der Zeit der Strahlenangst. Da waren die Bauleute begeistert, diesen unheimlich leichten Bauschaum entwickelt zu haben, der angeblich absolut keine Strahlungen durchlässt. Und weil das Glas nach außen nicht gleich sicher war, wollten viele Mani mittendrin wohnen. Verstehst du: Es gibt in dem Bau Wohnungen, die haben rundum nur andere Wohnungen, kein einziges Fenster nach draußen! Heute hat das aber auch ein Gutes: Kaum sonstwo gibt es so viele unterschiedliche Gemeinschaftsräume für Freizeitbeschäftigungen. Du musst eigentlich schon einen Hausplan haben, um alles zu finden. Also, wenn ich hier nicht geboren wäre, würde mir das bestimmt nicht gefallen. Ich glaube, ich bin eigentlich als Landstädter geboren. Das sind ganz verrückte Einfügungen von Wohnmöglichkeiten in die Landschaft. Ich könnte mir vorstellen, mal in einer Grubenhöhle zu wohnen. Da ist das Gebäude sozusagen unterirdisch, aber nicht tief, sondern wie ein Hügel, auf dem Pflanzen wachsen, also sozusagen auf dem Dach. Die Fenster sind auf der Höhe der weiten Landschaft, du kannst aus deinem Zimmer heraus Früchte von jungen Bäumen pflücken. Du musst nur Ideen haben. Du setzt sie ins Netz, damit sich Mari zusammenfinden, die Ähnliches gut finden, und andere, die es praktisch umsetzen können. Es muss ja jemand die Arbeit für sowas machen – selbst, wenn die unmittelbare Bauarbeit von Robotern ausgeführt wird. Die müssen ja gefüttert werden.“
Mit meinem Gequatsche hatte ich Mahay vom Weg abgelenkt. Beinahe plötzlich, also zumindest für sie plötzlich, standen wir in einem riesigen mehrteiligen Eingangsbereich. Wegen des vielen Glases konnte man weit ins Objekt hinein sehen … oder soll ich besser tief sagen? Die Vorräume aus meiner Beschreibung waren leicht wiederzuerkennen. Das Einzige, was ich nicht erwähnt hatte, waren die emsigen Roboter, die das Dazugekommene ständig so ein- und umsortierten, dass es nicht im Weg stand oder lag, aber trotzdem gesehen wurde und griffbereit lag.  

Dienstag, 26. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1664


Jeder hat sicher schon den Ausdruck Armageddon gehört. Sozusagen die letzten Tage der Menschheit brechen an. Was aber bedeutet dann "Animaggeddon"? Es muss etwas mit Tieren zu tun haben ... und im Sinne von "Voran zur Natur" geht es einem Abgrund entgegen.
Regelrecht niedlich geht im Vergleich dazu beim "Kulturkampf" zu ...



Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (20)


So schön es schien, dass jeder mitnehmen konnte, was er wollte, … es musste wieder Überblick geschaffen werden, was da war und was wirklich gebraucht wurde. Die Lesecodes auf den Produkten, die vorher zum Bezahlen genutzt worden waren, wurden wieder eingeführt … nur ohne Preise. Bald waren alle Alltagsprodukte, also Lebensmittel und was man so zum Lebensablauf brauchte, in vernünftigen Mengen in den Hallen. Wer etwas Besonderes wollte, konnte das von zuhause aus bestellen. Das gaben dann die Disponenten in den Hallen persönlich frei. Ganz allmählich wurden immer weniger Erzeugnisse mitgenommen. Was man haben wollte, war es ja da und brauchte man mehr, für eine Feier oder so, dann bestellte man das an einem der Vortage. Mitunter wird das dann auch nach Hause geliefert, wenn es sich lohnt. Das funktioniert so ähnlich wie bei deinem Wali-Paket. Und allmählich entwickelten sich die freien Vorräume. Also stell dir vor, du hast für deine Party 100 Päckchen Krackies besorgt, die Party geht vorüber und gerade mal 20 wurden verbraucht. Beim nächsten Weg zur Halle nimmst du die 80 oder vielleicht 70 mit zurück und stellst sie im Vorraum ab. Wer will, kann sie gleich wieder mitnehmen, sonst werden sie wieder in den Bestand aufgenommen.
Das ist doch alles eine Frage, wie man es technisch betreuen kann. So etwas funktioniert, wenn es leicht genug ist, die mitgenommenen Artikel zu erfassen. Die Lesecodes mussten nur so gestaltet sein, dass sie die Kunden selbst benutzen können, dachten unsere Vorfahren. Schließlich stellte sich heraus, dass doch Helfer nötig waren, die Ähnliches taten, was lange Zeit vorher Kassierer getan hätten.
Klar. Es wird weggeworfen. Je natürlicher etwas ist, was jemand essen soll, umso schneller verdirbt es. Vieles davon wird, bevor es ganz verdirbt, anderweitig aufbereitet, zu Futter zum Beispiel. Aber … Also wir haben es geschafft, dass weit weniger weggeworfen wird als zu den Zeiten, als alles noch einen Preis hatte.“
„Was du alles weißt … Das hast du doch nur so in der Schule gelernt, und Schule heißt doch immer, etwas zu beschreiben, wie es funktionierte, wenn es funktioniert, und nicht so, wie es ist ...“
Oh … Ich wusste beim besten Willen nicht, wie Mahay das meinte. So ein klein wenig klang es, als wollte sie sich über mich lustig machen. „Na ja klar … So wurde uns das in der Schule erklärt. In den mittleren Klassen hatten wir viel Ethik und Geschichte. Aber du kannst ruhig bei uns die Vorräte kontrollieren. Wir haben bestimmt nur Zeugs auf Lager, was wir auch bald gebrauchen wollen … Warum sollten wir etwas lernen, was nicht stimmt? Das passiert doch nur, wenn jemand einen Nutzen davon hat, dass wir was falsch verstehen ...“
„... und da bin ich nun dazu gekommen. Nun braucht ihr plötzlich andere Sachen, die es normal nicht gibt ...“
Eines wurde mir allmählich klar: Mahay schien sich schnell einzuleben. Sie scherzte jetzt immer öfter mit mir. Sie war nicht einfach ein Ersatz für Tino, der meist nur ausführte, was ich ausgeheckt hatte. Mir wurde richtig Angst vor der Zeit, wenn sich Mahay richtig eingelebt haben würde. Irgendwie war es eben schön, lange Vorträge zu halten, worüber man Bescheid wusste und jemand, der nicht Bescheid wusste, hörte begierig zu. Das hatte ich mir manchmal vorgestellt, wenn ich mir ein Geschwisterkind gewünscht hatte. Dann aber malte ich mir aus, ich wäre das Geschwisterkind und wenn man nicht seeeeehr viel jünger wäre, gäbe man doch nicht zu, wie viel weniger Ahnung man von wichtigen Dingen hatte.
Mahay war einfach eingeschlafen. Irgendwann würde sie mir erzählen, wie das auf ihrer Insel funktioniert hatte. Aber so konnte sie doch nicht bleiben! Vorsichtig wickelte ich sie in ihre Decke ein. Sie knurrte unwillig. Mahay, das musst du dir schon gefallen lassen! Ich bin jetzt für dich verantwortlich …


Montag, 25. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1663

Zuerst die "Gedichte des Tages ...

Wie ist das mit der Hoffnung. Was passiert, wenn es eigentlich zu kalt für sie wäre? Gunda Jaron meint, dass sie (gut gepflegt) dann trotzdem "überwintert" ... Wenn es nach Gedichten wie "es begann am 26. september" ginge, wäre das bald ein Ausdruck, dessen Bedeutung vergessen wäre ...

... und dann die Prosa über zukünftige Welten ...

Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (19)

„So“, erklärte ich, „jetzt kann ich den Spin killen.“
„Sag mal, aber wegschmeißen tut ihr doch viel … oder?“
„Du meinst überhaupt so? Klar! Und aus verschiedenen Gründen. Als was mein Vater betrifft, da gab es mal eine Mode, sich Knöpfe wieder anzunähen. Weil das einfach so langweilig gewesen wäre, wurden dann Knöpfe verwendet, die nicht passten. Also so was würde ich nicht mitmachen. Wenn niemand mein Zeug haben will, was soll ich da andres machen als wegwerfen?“
„Na, ich dachte da nicht allein an Anziehsachen, sondern auch Nahrungsmittel ...“
Plötzlich musste ich losprusten. Irgendwie sah mich Mahay verunsichert an.
„Was gibt es da zu lachen?“
„Na, mir fiel nur ein, dass jetzt wohl aus dir die geborene Maniane spricht. Anbetung der Naturprodukte, Würde für Ati, Komos und alle anderen Tiere der Natur und die Früchte, die uns der Boden schenkt ...“
„Und??? Was ist daran so lächerlich???????“
Ruckartig stockte ich. Was sollte ich jetzt sagen? Eigentlich wusste ich mehr als wenig über die Maniani. Klar. Wir hatten Einiges über sie im Unterricht behandelt. Aber das hatte immer ein wenig nach Spinnerei geklungen. Technik produziere Überfluss, Überfluss führe zu Verschwendung und Missachtung der Arbeit des unbekannten Mitmari. Wir, also wir, die wir normal lebten, nähmen die Gleichwertigkeit aller Mari nicht ernst. Wie sollten wir auch? Wir wussten ja so wenig von den anderen, dass wir sie nicht würdigen könnten. Aus solchen Vorstellungen ergab sich für uns Schüler das Bild von nachthemdigen Maniani, die abwechselnd hinter einem Tokoi her jagten, damit nachher jeder wusste, wie schwer es ist, einen zu fangen und bratfertig gerupft zu bekommen und ihm vorher noch in Frühstücksei unter den Federn weg zu rauben. Alberne Leute eben. Aber klar: Wer so schmerzlich erfuhr, wie viel Mühe jeder Happs Frühstück bedeutete, der achtete jede Scheibe Brot höher. Nur wie stände ich bei Mahay da, wenn ich zugab, dass ich mir sie gerade bei der Tokoi-Hatz vorgestellt hatte? Oder waren wir beide erfüllt von Vorurteilen, die wir ahnungslos aufgenommen hatten und nun nachplapperten?
„Nein. Is wohl nicht lächerlich. Oder eben doch … wie alles, was man übertreibt. Und ich glaube, du schätzt die modernen Mari hier falsch ein. Wir haben gute Wege gefunden, alle Verschwendung gering zu halten. Die Alltagshallen kennst du ja noch gar nicht, oder?“
„Alltagshallen?! Sagt mir nichts, nein.“
„Na, das, was die ersten Maniani so aufgeregt hatte, waren die Fehler, als die alten Märkte aus der Zeit der Preise abgelöst werden sollten. Viel zu plötzlich konnten so viele Waren mitgenommen werden wie unsere Vorfahren wollten. Die waren gewöhnt, dass sie ihre Preise von einer Ware in Preise einer anderen umsetzen mussten und es dabei oft sinnvoll war, viel von einem Produkt mitzunehmen, weil dann der Preis für die Einzelmenge niedriger war. Und nun? Sie versuchten sich einzudecken und in den Hallen musste laufend Nachschub herangeschafft werden. Wenn die Leute zu viel mitgenommen hatten, dann schämten sie sich, das zuzugeben. Sie warfen es lieber weg. Sie waren ja daran gewöhnt, dass sie das etwas gekostet hätte, aber nun kostete es sie nichts mehr.
Auch hier waren Ideen gefragt. Die Wichtigste: So schön es schien, dass jeder mitnehmen konnte, was er wollte, … es musste wieder Überblick geschaffen werden, was da war und was wirklich gebraucht wurde. Die Lesecodes auf den Produkten, die vorher zum Bezahlen genutzt worden waren, wurden wieder eingeführt … nur ohne Preise.  ...



Sonntag, 24. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1662

Die Gedichte des Tages haben inzwischen einige Stammautoren:

In Texten, die zusammenkamen
im Lauf der Zeit,
lohnt manchmal, so herumzukramen,
das macht gescheit
und bringt, wie ich mitunter seh
neu ne Idee ...

So ungefähr hätte wohl ein beliebter Altmeister geäußert, hätte er gewusst, dass Gunda Jaron in ihrem Gedichteschatz gekramt hatte ... mit dem Ergebnis, einmal wieder einen neuen Hinz aus der Tauf zu heben. Hier also folgt ihr "Doppeltreffer".
Ob "Fliesenboden" von Thomas Reich ein Treffer ist? Jedenfalls vervollständigt es sein lyrisches Bild ...


Die Romanidee hat einen Autoren und ist unverkennbar der Versuch, aud de "Gemeinschaft der Glückssüchtigen" einen SF-Roman zu machen:


Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (18)


Diese Wanderanzugmode hatte den allgemeinen Effekt, dass kaum noch weggeworfen wurde. Alles Mögliche wurde wieder im Netz angeboten wie in der Vorzeit des Planeten, als man eben diese Preise erzielte, gegen die man für den nächsten Gegenstand eintauschen konnte.
Geblieben ist aber, dass jeder seine Besonderheiten im Netz ausstellt. Irgendwie müssen sich ja die Mari finden, die nicht so alltägliche Hobbys haben. Und ich wette, auf irgendeiner Insel findet sich unter uns auch jemand, der sich mit Wali-Pflanzen auskennt, vielleicht sogar selbst Kleider fertigt. Ich habe bisher nur noch nicht danach gesucht.“
„Ich mach mir meine Kleider gern selbst.“
„Ich mein ja nur. Mein Spin soll bloß die Angebote finden, die noch aktuell sind. Inzwischen haben sich verkürzte Meldungen eingebürgert. So finde ich unter Hunderten die wahrscheinlich besten heraus. Du wirst schon sehen! Bald könntest du hier eine eigene Schneiderei aufmachen.“
„Und dein Spin? Läuft der dann ewig?“
„Na, da dürfte ich mich nicht erwischen lassen. Die Gemeinde der Netznutzer kann bei so was sehr böse werden. Nein. Jeder Spin ist einmalig und genau der eine wird durch einen ebenso einmaligen Mörderspin überall wieder gelöscht. So viel Zeit muss sein.“
Wir saßen noch eine Weile am Computer. Fast gewaltsam musste ich Mahay weglocken. Schließlich gab es viel Lernstoff für den nächsten Schultag zu bearbeiten und wir hatten uns vorgenommen, dass sie die laufenden Hausaufgaben probierte, die normal zu lösen waren. Eine sehr anstrengende Sache! Immer wieder musste ich ihr etwas an Vorkenntnissen erklären … und aufschreiben, dass wir uns damit noch genauer beschäftigen mussten, denn wahrscheinlich wäre das meiste, von dem sie sagte, sie habe es begriffen, bis zum nächsten Tag wieder vergessen.
Mahay wollte einfach nicht einsehen, dass es nicht lohnte, sich auf die ersten Rückmeldungen zu konzentrieren. Minutenlang hatte sie auf eine sich automatisch verlängernde und verändernde Liste gestarrt, auf der automatische Nachrichten angebliche Wali-Angebote fixierten. Hätte ich mit ihr in die Börse gehen sollen? Da gab es bestimmt ein Angebotswort „Wali“. Vom besonderen Ehrenkodex der Netz-Meister konnte sie ja nichts ahnen. Wer Netz-Meister werden oder bleiben wollte, der musste das Funktionieren eigener Suchfilter nachweisen. Und ich stand vor der ersten Bestätigung des Netz-Meister-Titels. Aber wenn ich das Mahay so erklärt hätte, hätte sie dann nicht denken müssen, ich wollte vor ihr angeben?
Am nächsten Tag nach der Schule hätte mein Spin eine Relevanzliste fertig erstellt. Bis dann das Wali-Zeug bei uns angekommen wäre, würden dann noch ein paar Tage vergehen …

Es wunderte mich nicht. Allerdings war die Fundstelle dann ein Freak auf Umar, einer der unseren sehr fernen Insel. Dort gab es eine Dorfgemeinschaft, die Wali als Grundstoff benutzte. Sie bauten die faserige Riesenpflanze an und beschäftigten sich offenbar mit allem, was daraus gemacht werden konnte, einschließlich“hautbekuschelnder“ Unterwäsche, und das alles ohne moderne chemische Beimischungen. Schon allein, um herauszubekommen, was „hautbekuschelnd“ bedeutete, bestellte ich auch für mich drei Unterwäsche-Sets.
Es würde eine umfangreiche Lieferung werden. Wir gaben direkte Anlieferung an, weil der Aufwand über die Distributionsstation höher gewesen wäre. Wir mussten nur Geduld haben – und Vater ließ sich diesmal als sicherer Kontakter einspannen.
„So“, erklärte ich, „jetzt kann ich den Spin killen.“ ...




Samstag, 23. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1661

Fast könnten die sonntäglichen mit den samstäglichen tauschen:


Noch ein Gedicht von Gunda Jaron bereicherte: "Ja, ja, die Tugend". Garantiert nicht staubtrocken. Wenn man etwas daran bemäkeln wollte, dann wohl höchstens, dass die Aussage nicht so sensationell die Welt bewegend sei ... Aber "typisch", typisch ist sie schon ... es sei nur an F.W. Bernsteins Elche erinnert ...
Und ich antworte mit einem Gedicht wie dem gestrigen:  "Schneeflöckchen, ..."


Die Romanidee hat dagegen eine nicht austauschbare Abfolge:

Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (17)


... „Du weißt also, wie das geht?“
„Klar. Wir lernen schon früh alle Abläufe vom Anbau der Pflanzen über alle Bearbeitungsmöglichkeiten bis zum Schneidern und Schmücken. Mir hat aber nur das Schneidern und Sticken gefallen.“
„Komm, wir rennen ein Stück!“
Als wir dann vor meinem Computer saßen, begann ich zu erklären: „Wir schreiben als erstes einen kleinen Brief. Was du brauchst und warum. Nein, am besten zwei. Einen, mit dem wir fertige Kleider in deiner Größe und einer größer suchen und Stoff zum Zuschneiden, einen anderen, wo wir nach Wali-Pflanzen fragen, die wir notfalls selbst bearbeiten könnten.“
„Kennst du denn jemanden, dem du einen solchen Brief schreiben kannst?“
„Natürlich nicht! Bis jetzt weiß ich nicht einmal, wo es so etwas geben könnte. Macht aber nichts. Ich brauche die Briefe ja nur für zwei Spins.“
Mahay Gesicht strotzte nur so vor Neugierde. Ich verstehe nicht, warum sie mich nicht mit der Frage unterbrach, aber sie war sich wohl absolut sicher, dass meine Erklärung gleich folgen würde.
„Also das ist schwer zu erklären für einen, der nicht mit Computern gearbeitet hat und im Netz schon gar nicht. Aber du weißt ja inzwischen schon, was ein Programm ist. Ein Spin ist sozusagen ein Programm, dass durch das Netz weltweit geschickt wird und sich dort frei bewegt. Es sucht überall nach den Wörtern Wali und Wali-Pflanze. Dort hängt es deinen Brief an.“
„... An das Wort?“
„Richtig: Wer von da an seine Beiträge um die Wali-Pflanze abruft, entdeckt dort meinen Marker. Den kann er natürlich wieder löschen, aber eben auch aufrufen. Das funktioniert bei allem. Wir haben ein umfassendes Handelsnetz. Also wenn du dein Kleid loswerden möchtest, musst du nur die richtigen Schlüsselwörter angeben und nicht lange, dann melden sich zig Leute, die es haben möchten – wofür auch immer. Dann packst du es mit der Zielanschrift ein und steckst es in einen Logistik-Kasten.“
„Muss der andere was dafür tun?“
„Hat er ja schon. Er muss sich melden, wenn er was haben will. Du wirst ja dein Kleid nur anbieten, wenn du es nicht mehr anziehen möchtest.“
„Uns haben sie erzählt, dann schmeißt ihr alles weg.“
„Wenig. Das wäre eine große Missachtung fremder Arbeit und von allem, was unser Planet uns an Reichtümern bietet. Aber du hast Recht. Solche Zeiten hat es früher gegeben. Eigentlich änderte sich das erst, als es schick wurde, in Sachen rumzulaufen, die nicht ganz neu waren. Weißt du, die Wanderanzüge. … Entschuldige. Das kannst du ja nicht wissen. Die Wanderanzüge kamen mit dem Kultivatorverfahren auf. Mit dieser Technologie war die normale Bekleidung extrem lange haltbar. Da kam irgendwer auf die Idee, dass jeder, der einen Anzug getragen hatte und ihn nicht mehr mochte, ihn weitergeben könnte. Dazu hinterließ er darin ein Zeichen, eine Unterschrift, etwas Reingesticktes, irgendwas Eigenes eben. Die Anzüge wanderten und es wurden immer neue Rekorde aufgestellt, wer in welchem Ding schon wo gewesen war. Also wenn einer eine richtig angesagte Party feiern wollte, dann musste er etwas haben, womit er die Teilnahme auf einem Kleidungsstück hinterließ. Wer etwas auf sich hielt, musste schon einige Kleidungsstücke auf Wanderschaft geschickt haben. Weißt du, irgendwann war fast jedes Kleidungsstück individuell, hatte etwas Besonderes. Wer sich nicht an der Wanderei beteiligen wollte, musste es nicht … Jeder Mari ist doch anders. Also ist seine Art, sich zu zeigen, eine ganz individuelle. Ja, selbst wer unbedingt aussehen möchte, wie ein anderer, zeigt damit seine Individualität. Früher oder später würden wieder Kleider modern, weil ein paar sich damit unbedingt von der Masse abgrenzen möchten – und wenn es dann Jungen sind, dann sind das eben besondere Jungen. Es bleiben genug Mari übrig, die ihrer Individualität wegen die in letzter Zeit produzierten Gleitanzüge behalten wollen. Jedes Kleidungsstück wird allein dadurch wertvoll, dass genau du als Trägerin dadurch betont wirst. Das ist doch viel interessanter als zum Beispiel ein Preis, also eine Zahl, mit der du dein Stück eintauschen müsstest.
Diese Wanderanzugmode hatte den allgemeinen Effekt, dass kaum noch weggeworfen wurde. Alles Mögliche wurde wieder im Netz angeboten wie in der Vorzeit des Planeten, als man eben diese Preise erzielte, die man für den nächsten Gegenstand eintauschen konnte. ...



Freitag, 22. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1660

Einen Gruß ins Wochenende mit den samstäglichen Gedichten des Tages:


Wer erinnert sich noch an den klassischen deutschen Bürger Hinz? Er war einmal ein Anlauf, bestimmte Verhaltensweise auf eine "Person" zu fixieren. Ich habe ihn nicht genügend gemeistert, aber zumindest Gunda Jaron zu der Erkenntnis gedrängt, dass um uns herum die Hinze wie Pilze aus dem Boden geschossen scheinen. Ich ahne, dass das folgende Gedicht mir seinerzeit inhaltlich nicht so sehr zugesagt hat, weil es eine verengende Erklärung für wirtschaftliche Prozesse anbietet. Aber wir wollen ja zum kritischen Mit- und Gegen-Denken anregen, sodass "Schnäppchenjäger" uns gerade recht kommen ... 
Damit der Verwirrte noch verwirrter wird, koppeln wir es mit einem "Schneehasen-Volkslied" zu Ostern zu singen ... Das Wetter erlaubt es noch - und Ostern ist auch bald ...


Es folgt die Fortsetzung zu der Romanidee:

Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (16)


„Du, Brad, ich glaube, an deiner Stelle hätte ich auch versucht, aus dieser Klasse wegzukommen. Wenn ich dir im Weg bin, … Also ich finde auch noch einen anderen Coach.“
„Quatsch! Schlaf lieber!“ knurrte ich. Aber an Einschlafen war nicht mehr zu denken. Hatte mich Mahay wirklich durchschaut? War es mir in erster Linie darum gegangen, aus der jetzigen Schul-Truppe wegzukommen, in der mich niemand so richtig annahm? Tino war ja weg … Von wegen Held … Hoffnung, nach einem Jahr als Älterer, der schon richtig in der Ferne was erlebt hat, wieder einsteigen können. War es das, was mich angetrieben hatte? Schule war so etwas Schreckliches. Ich wusste ja, man lernte nicht in erster Linie den Stoff der einzelnen Fächer. Selbst, um das Lernen selbst zu lernen, hätte es dieses Ortes Schule nicht bedurft. Aber die Schule war der einzige Übungsort, an dem man das gemeinsame Lösen von Aufgaben trainieren konnte, bei dem man seine Partner nicht einfach selbst auswechseln konnte. Man musste sich einfügen. Verdammt! Genau das war das, was mir nicht gegeben war. Da hatte ich nun einen Weg gefunden, diesem Gefängnis zu entfliehen, und da kam diese Mahay. Ich brauchte mich nicht um sie zu kümmern? Ich möchte aber. Also in Bezug auf meine Beweggründe durchschaute sie mich schneller, als ich das in Jahren geschafft hatte. Ob sie auch durchschaute, dass ich schon längst nicht mehr hätte aufgeben wollen, sie zu coachen und es nur nicht aussprach, um mich nicht verlegen zu machen? Was waren Mädchen doch für eine seltsame Erfindung der Natur ...

Meinen Vater brauchte ich mit so etwas nicht zu behelligen. Seine Antworten kannte ich schon auswendig. Die wichtigste Floskel: „Wer das eine will, muss das andere mögen.“ Das machte es aber nicht leichter, im Warteraum einer Hautärztin zu sitzen und irgendwie auf großer Aufmunterer hochgetuned zu sein. „Mach dir nichts draus, wir kriegen das schon hin ...“ Ne, bloß nicht! Das war ja auch nicht wahr. Letztlich musste Mahay mit ihrem Hautfehler allein zurechtkommen. Vielleicht „Unsere Medizin hat bisher alle Krankheiten in den Griff bekommen. Die wird doch wohl bald was gegen deine komische Allergie gefunden haben ...“?
Ich weiß nicht, wo ich gerade mit meinen Gedanken war, als die Tür aufging und nicht Mahay rauskam, sondern die Ärztin höchstpersönlich meinen Namen rief.
„Ihre Partnerin möchte, dass Sie dabei sind, wenn ich die Befunde erkläre.“
Also danach fehlen mir einige Sekunden Film. Ich Mahays Partner? Das hatte sie gesagt? Ich brauchte eine Weile, bis es mir dämmerte. Wie hätte sie denn sonst unsere Beziehung bezeichnen sollen? Für die gab es wahrscheinlich keinen treffenden Ausdruck. Andererseits erwartete Mahay, dass sie zu wenig von dem verstehen würde, was ihr die Ärztin erklärte. Na gut. Da war sie an den Falschen geraten. Von allergetischen Reaktionen verstand ich so wenig wie irgendein normaler Mari. Meines Wissens gehörten die der Geschichte an, waren längst beseitigt. Aber …
Also über uns ergoss sich ein Schwall von Erklärungen. Ich glaube, ich machte das einzig Richtige: Ich nahm Mahays Hand und hielt sie fest. Sie schien das sehr zu beruhigen … und dass ich es eigentlich eher getan hatte, um mich selbst zu beruhigen, brauchte sie ja nicht zu wissen. Das Einzige, was uns wirklich klar war, als wir wieder draußen waren, war, dass Mahay in absehbarer Zeit keine normale Kleidung würde benutzen können, wollte sie sich nicht einer Desensibilisierung unterziehen. Das wäre aber einem Mädchen in ihrem Alter nicht zu empfehlen …
„Du, ich habe eine Idee. Ich glaube, die ist die Lösung ...“
Mahay fiel mir nicht gerade um den Hals vor Begeisterung. Sie schien es für eine Trostformel zu halten oder mich für ungeeignet, ein Problem zu lösen, von dem gerade eine Spezialistin bestritten hatte, dass es lösbar sei, weil in den letzten hundert Jahren so etwas nicht aufgetreten sei.
„Wie heißt das Zeug, aus dem dein Kleid ist?“
„Wali ...“
„Und das, was du drunter hast?“
„Eigentlich auch ein Produkt der Wali-Pflanze, aber schwemmgeweicht.“
Na, da fragte ich liebe nicht näher, was das war.
„Du weißt also, wie das geht?“
„Klar. Wir lernen schon früh alle Abläufe vom Anbau der Pflanzen über alle Bearbeitungsmöglichkeiten bis zum Schneidern und Schmücken. Mir hat aber nur das Schneidern und Sticken gefallen.“
„Komm, wir rennen ein Stück!“
Als wir dann vor meinem Computer saßen, begann ich zu erklären: ...



Donnerstag, 21. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1659


Also ich habe eine klare Interpretation, was Thomas Reich mit seinem Gedicht "Kriegsbeil" meinen könnte. Sollte ich Recht haben, wäre es ein sehr politisches Gedicht mit sehr harter Aussage, wenn auch einer eigentlich traurigen. Das Besondere an Lyrik ist ja aber gerade, dass man den Autor nicht fragen kann, sondern der Künstler einen gefühlsgesteuerten Denkprozess anstößt ... was nur äußerlich wie ein Widerspruch erscheint ...
Was ist das "passende" Gedicht dazu? Also ein wenig dürfte "geschwistergerede" einen Bezug zum Kriegsbeil haben ...

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Die Prosa spielt dagegen in einer Zeit und in einem Raum, in dem das Bild vom Kriegsbeil den intelligenten Wesen wenig sagt:

Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (15)


... Normalerweise werden solche Programme gefahren, wenn man eine Arbeit sucht. Ich wollte möglichst bald ein Quali-Jahr machen.“
Während ich sprach, klickte ich durch das Programm. Trotzdem spürte ich Mahays fragenden Blick und wollte ihrem Einwurf zuvorkommen. „Also weißt du, wir haben auf den meisten Inseln so hoch entwickelte Technik, dass die Mani nur wenig mit eigenen Händen tun müssen. Aber es gibt natürlich Vieles, worauf wir stolz wären, wenn wir das Vertrauen erlangten, als dafür geeignet anerkannt zu sein.“ Ich stockte. Also wenn mich jemand so reden hörte … Im achten Schuljahr sprach man doch nicht so. Ein Glück, dass Co Philos einmal gesagt hat, dass jeder er selbst ist, weil er eben anders ist als alle andern. Wenn besonders viele die Eigenarten toll finden, die du als einzelner hast, dann hast du eben Glück gehabt. Irgendwer auf dem Planeten findet dich immer genau so gut wie du eben bist. Du musst ihn nur finden. Wenn du kein Glück hast, musst du eben länger suchen. Sich aber darum bemühen, so zu sein, wie es gerade besonders viele toll finden, macht aus dir eine Spielfigur, die besonders leicht zu ersetzen ist. Außerdem …
Ich versuchte mich schnell wieder zu konzentrieren. Mahay sah mich auch an, als störte sie überhaupt nicht, wie kompliziert ich sprach. So war ich eben. „Es kann eben nicht jeder Raumschiffe steuern oder Mani operieren oder Metaprogramme weiterentwickeln … Entschuldige, also Steuerungsprogramme, die Fehler in Arbeitsprogrammen finden und korrigieren. Nur so als Beispiel. Da gibt es immer viel mehr Bewerber als Ausbildungsplätze. Da muss man eine Vielzahl an Eignungstests bestehen. Bevor du aber überhaupt für die zugelassen wirst, musst du Argumente haben. Gute Zeugnisse natürlich, aber eben auch Beweise, dass du dich schon für die Gemeinschaft engagiert hast. Nicht, dass du nur kommandieren willst, sondern dass du auch bereit bist, selbst etwas Unangenehmes anzupacken. Das ist ja die andere Seite: Immer gibt es Aufgaben, die aus irgendwelchen Gründen unbeliebt sind. So in der Art von früher, dass keiner das Essgeschirr abwaschen wollte. Da wird dann dran gearbeitet, bis man eine technische Lösung gefunden hat, damit niemand mehr abwaschen muss … Danach aber wollte niemand das dreckige Geschirr ordentlich in die Spülmaschine einräumen. Also haben unsere Vorfahren Roboter entwickelt, die das tun, aber das nächste Unbeliebte lauert schon wieder irgendwo. Irgendwer muss das aber machen, auch dann, wenn es noch keine technische Lösung gibt. Dafür werden die kleinen Helden gebraucht, die sich überwinden und so was machen. Und dann gibt es spannende große Bewährungen, wo man arbeiten muss, weil es an manchen Orten noch gar keine Technik gibt oder es für die, die es gibt, dort zu kalt oder zu heiß ist. Das sind die großen Helden. Wer also Offizier auf einem Raumschiff werden will, muss vor der Ausbildung mehr als ein Jahr Heldenarbeiten übernommen haben. Also er muss nicht, aber warum sollte man ihm einen der wenigen Plätze geben, wenn er keine vollbracht hätte?“
Mahay betrachtete mich so voll Spannung, dass ich immer mehr in Fahrt kam. „Für Heldentaten steht doch der ganze Planet zur Verfügung. Man muss nur etwas finden, was man schafft. Also natürlich werden die Aufgaben zur Pflicht. Aber wer sich das für ihn am besten Geeignete selbst herausgesucht hat, der hat mit seinem Quali-Jahr die Punkte für später und trotzdem etwas gemacht, was ihn nicht anwidert. Man muss es nur finden. Dafür ist mein Programm da. Das filtert alle Heldenangebote auf dem Planeten durch, setzt dort Marker, ich möchte noch mehr Details, und listet mir auf, was ich mir zur Untersuchung aufrufen sollte.“
„Sag mal, bist du nicht für solche Heldentaten zu jung?“
„Nun verpetz mich noch bei meinen Eltern … Du hast ja Recht: Bei vielem habe ich keine Chance. Also Körperkraft, da komm ich nicht durch. Obwohl manchmal auch Sachen dabei sind, da solltest du nicht zu groß und schwer sein. Viele Objekte sind aber sowieso Kombis. Also die Aufgaben, für die große Reife und Erfahrung nötig ist, machen Profis, Supercoaches und die Schweinereien lösen die gefangenen Helden. Wenn in einer Ausschreibung drin steht, dass Schulunterbrecher unerwünscht sind, dann filtert das Programm das sowieso raus. Jetzt aber ist ja alles ganz anders. Jetzt bist du da und da muss ich hier sein. Ist ja noch Zeit zum Held sein. Wenn du alles, was hier wichtig ist, gelernt hast, können wir vielleicht versuchen, ob wir gemeinsam losziehen.“
Plötzlich fehlte mir die Kraft. Also, nachdem ich das Programm deaktiviert hatte, kam es mir vor, als wäre ich eine technische Anlage, der man die Stromzufuhr gekappt hatte. Es lief nur noch ein Notstromaggregat. Mühsam schaffte ich damit, dass wir die Unterrichtsvorbereitung für den nächsten Tag gedeckelt bekamen. Mahay gab sich große Mühe. Bei den meisten Sachen kam es mir aber so vor, als versuchte sie lauter unverstandenes Zeug nachplappern, auswendig, so wie es die Abfrager, also erst einmal ich, hören wollten.
Erst im Einschlafen versetzte mir Mahay noch einen ihrer Schocks. Ich war schon fast weg, da drang ihre Stimme ins Unterbewusstsein.
„Du, Brad, ich glaube, an deiner Stelle hätte ich auch versucht, aus dieser Klasse wegzukommen. Wenn ich dir im Weg bin, … Also ich finde auch noch einen anderen Coach.“ ...




Mittwoch, 20. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1658


"Als Shakespeare seinen Richard III. »Ein Pferd! Ein Pferd! Mein Königreich für ein Pferd!« ausrufen ließ, verlangte es den König da nach einem Fertiggericht?" So beginnt ein sprachgewandter Kolumnist seinen auch sonst zum Schmunzeln in schmunzelfeindlicher Zeit einladenden Zeitungsartikel. Weniger heiter, aber mehr lyrisch verdichtet nimmt sich Brunhild Hauschild des Themas an ("Pferdefuss"). Im Normalfall hätte ich den Titel für ein Ausrutscher im Umgang mit der neuen deutschen Rechtschreibung gehalten - im konkreten Fall passt diese Schreibweise sehr zum Gegenstand ... Ob die Autorin auf Stute Lasagne geritten ist und sie nun nichts ahnend mit verspeiste?
Wie gestern und "Morgen" steht natürlich wieder die Frage nach dem geeigneten "Partnergedicht" ... und wie so oft ist der Ausweg, zusammenzustellen, was nur sehr bedingt zusammengehört ..


.Dafür erklärt sich die nächste Fortsetzung der Romanidee aus einer vorangegangenen, sprich es geht mit dem Jungen weiter, der sich notgedrungen um die Eingewöhnung des fremden Mädchens kümmert:

Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (14)

  Am liebsten wäre ich aufgesprungen, hätte dem Mädchen über die Wange gestrichen und mich für meine Gedanken entschuldigt. Damit hätte ich sie aber geweckt. Das kam natürlich nicht in Frage. Also warf ich mich auf die Matratze und wartete auf den Schlaf.

Manchmal halte ich mich selbst für unbegreiflich. Da denke ich lange über eine Sache nach, entscheide mich nach (ich glaube, man sagt) „reiflicher Erwägung“, etwas nicht zu tun … und das nächste, was ich wirklich anpacke ist genau das, wovon ich gerade entschieden hatte, es nicht zu tun. Ein Glück, das davon eigentlich niemand weiß. Ich hätte doch sonst nie eine Chance, an der Raumfahrtakademie angenommen zu werden.
Immerhin ist das Ganze im konkreten Fall zu entschuldigen. Nachdem nun einmal die Entscheidung getroffen war, dass Mahay meine Zimmerbewohnerin war, hatte ich plötzlich keine Chance mehr, vor ihr etwas als intimes Geheimnis zu verbergen. Sie war ja so ein Sonderfall, nämlich der einzige Mani, den ich nicht mit dem Argument zurückweisen konnte, „du hast ja auch deine Geheimnisse vor mir...“. Zumindest wusste ich von keinem.
Mahay war ein besonderes Mädchen. Sie schien zu spüren, dass ich nicht über meine Rolle in der Klasse sprechen wollte. Also tat sie es nicht. Dabei las ich aus ihren Blicken die Frage, warum ich mir das gefallen ließ. Ob sie Angst hatte, es wäre ihretwegen, ich wäre ihretwegen zum Ziel kleiner Gehässigkeiten geworden, ich würde ihretwegen gemobbt … und würde das nicht zugeben wollen?
Egal. Kaum waren wir nach der Schule zurück in meinem Zimmer, fiel sie mir um den Hals. „Ich freu mich, dass ich die alle los bin. Du, ich muss mich erst an so viele Mani auf einem Haufen gewöhnen.“
Nein, ich antwortete nicht, dass es Mani gab, die sich nie an manche Gesellschaft gewöhnten, solche wie mich eben, und dass wir über die Technik verfügten, dass wir fast überall selbst entscheiden konnten, welche Kontakte wir haben wollten. Ich ließ ihren Gefühlsausbruch über mich ergehen. Nicht, dass er mir unangenehm gewesen wäre, aber ich fürchtete, dass egal, was ich getan hätte, jede Reaktion falsch gewesen wäre. So wartete ich ihren Druck ab. Dann, als es so schien, als wäre sie wieder für Anderes offen, nahm ich erstmals in ihrer Gegenwart auf meiner Brücke Platz.
Dieser Platz gab mir Kraft. Hier war ich der Kapitän. Ich hatte den Überblick über alle Funktionen und der Computer führte das aus, was ich von ihm verlangte. Und da war noch etwas Anderes. Ich spürte Mahays Blicke. Diesmal aber wirkte ich garantiert in jeder Fingerbewegung sicher. Sie musste einfach staunen.
„Na, einen Computer brauche ich dir ja nicht mehr zu erklären.“
„Machen wir jetzt beide an deinem Computer unsere Hausaufgaben?“
„Nachher gleich. Ich wollte erstmal kurz ins Netz.“
„Ins Netz?“ Mahay hatte sich den Reservestuhl herangezogen.
„Ihr verwendet wohl so gut wie gar keine Technik, egal, ob die gut ist oder nicht. Das Kontaktnetz bietet mehrere Möglichkeiten. Zum einen kann ich hier Filmprogramme abrufen, die auf einer der vielen Inseln eingestellt worden sind. Das ist ja nicht viel anders wie in der Schule, nur dass dort die Trainer die Programme vorgeben. Wichtiger sind im Moment die Kontaktprogramme. Ich bin jetzt ein paar Tage nicht mehr in den Systemen gewesen. Da hat sich vieles gestaut. Im Moment sollte ich ein Suchprogramm deaktivieren. Ich habe nämlich einen elektronischen Jäger installiert. Der hat wichtige Daten von mir und Wünsche, was ich gern machen würde. Normalerweise werden solche Programme gefahren, wenn man eine Arbeit sucht. Ich wollte möglichst bald ein Quali-Jahr machen.“ ...



Dienstag, 19. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1657


Es kann nicht jedem alles gefallen. Es mögen einige das folgende Gedicht schön finden ... ich nicht. Pietätlos stellte ich mir da einen schwarz angemalten Männeken Pis vor ... vielleicht liegt mir auch das Schluchzige nicht?! Technisch gut - meiner Meinung nach mit überzogenen Bildern. Gunda Jaron"Wenn die Engel Trauer tragen".
Was passt zu einem solchen Trauergedicht  "Metamorphose"? Ich weiß es nicht ...





...Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (13)


Warum es nun, erschöpft wie es offensichtlich war, nichts über dieses weite weiße Ding zog, war nicht zu erkennen. Unmittelbar neben ihr lag ein großer Seesack.
Gerade in dem Augenblick, als Parhatmo sie erreichte, sackte sie in sich zusammen.

Das Folgende lief ab wie in einer gut vorbereiteten Übung. Der Sanitäter, der Transport, der Weitertransport in die Hauptstadt zur Integrationsstation des Rates. Parhatmo blieb die ganze Zeit an der Seite der Fremden, von der er inzwischen wusste, dass sie Mahay hieß und ein merkwürdig veraltetes Mari sprach.
Parhatmo stellte sofort den Antrag, sich integrativ als Vaterersatz um das 14 Jahre alte Mädchen zu kümmern. Er hatte Pech. Eine Bearbeiterin des Rates nahm seinen schriftlichen Antrag persönlich entgegen. Sie musterte ihn lange abschätzig. Er möge am übernächsten Tag wiederkommen, beschied sie ihn. Man werde seinen Antrag in Betracht ziehen. Zwischenzeitlich liefen diverse medizinische und psychologische und soziopathologische Untersuchungen (soziopathologisch sagte sie in einem Ton, als sei das etwas, was sich das Kind bei ihm angesteckt haben könnte, während er überlegte, ob es den Ausdruck überhaupt gab). Danach würde das Mädchen vorübergehend in einer Jugendwohngemeinschaft untergebracht. Da sei sie unter ihresgleichen. Das klang wie, „sicher vor solchen Greis-Böcken wie ihm“ und irgendwie verlegen senkte der alte Parhatmo den Kopf und verließ das Vorzimmer. Zwei Tage später kam er wieder.
„ … Das ist doch eine wertvolle Aufgabe für mich. Da kann ich nützlich sein mit meinen Lebenserfahrungen.“
„Die Ratsgemeinschaft hat ausgiebig die Aspekte dieses speziellen Falles erwogen. Wir bevorzugen einen anderen Weg der Integration. Ihrer Sorge darum, das Mädchen dürfe nicht zu einem Ausstellungs- oder Forschungsobjekt verkommen, wurde bei unserem Lösungsweg Rechnung getragen. Wir danken ihnen für Ihre fürsorgliche Anteilnahme.“
Leise schimpfte Parhatmo vor sich hin. Früher, dieses Wort kam in seinem Selbstgespräch wiederholt vor, früher hätte er für diesen neuen Sinn seines Lebens gekämpft. Er hätte den Fall beschrieben, ins Netz gestellt und eine öffentliche Abstimmung gefordert. Da hätten sie mal sehen sollen. Tausende Mari hätten sich für ihn ausgesprochen. Er hätte das Mädchen bekommen und für sie gesorgt auf seine Weise, auf eine Weise nämlich, wie es Andere eben nicht können werden.
Einzelheiten seiner Rückreise zum Leuchtturm blieben nicht in Parhatmos Gedächtnis haften. Dreimal besetzte er noch eine Wächterschicht. Die Ablösungen hatten bei den ersten beiden Malen den Eindruck, ihn aus dem Schlaf gerissen zu haben. Nach der dritten Schicht weckte ihn niemand mehr. Auf seinem Platz lag ein von Hand geschriebener Zettel: „Ich gehe jetzt im Wind spazieren. Wie gut er riecht!“ ...

Montag, 18. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1656

Wer Gunda Jaron kennt, weiß, dass sie sich mit Liebe und Freundschaft lyrisch auseinandersetzt - im Guten wie im grimmig Bösen. "Wärst du mir ..." ist Titel und Anfang des Gedichts zugleich ... Ob sich das mit dem Endzeit-Biologie-Gedicht "der Elefant" verbinden lässt?

Auf jeden Fall verbinden wir den Ausblick auf die nächsten Gedichte des Tages mit einer Prosafolge:



Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (12)


... Arme Flüchtlinge. Da dachten die vielleicht, sie wären ihrer Kunst-Vorzeit entkommen und würden dafür zu lebenden Museumsstücken.
Als die Verstärkung auf dem „Leuchtturm“ eintraf, verriet Parhatmo seine Gedanken nicht. Das Boot musste inzwischen schon fast den Strand erreicht haben. Ohne sich weiter mit den anderen aufzuhalten, rannte er nach draußen, den Fremden entgegen, dem Wind, diesem wunderbaren salzgeruchgetränkten Wind entgegen.
Zwischen der Wächterstation, die alle „Leuchtturm“ nannten, obwohl dort nie mehr leuchtete als das Licht in einer x-beliebigen Unterkunft, und der Stelle, an der das Boot aller Voraussicht nach landen würde, lag eine Landzunge. Parhatmo war schnell außer Atem. Die Krallengräser machten ihm zu schaffen, weil er nicht den Umweg bis zu einem der offiziellen Pfade hatte laufen wollen. Krallengräser aber schlossen sich zu dichten Teppichen zusammen – mit ihrem Wurzelwerk genauso wie mit den Krallentrieben. Die beschuhten Füße des alten Mannes verwechselten sie sozusagen mit einem der wenigen Halt gebenden Windflüchter-Bäume. So brauchte Parhatmo länger als gedacht, bis er mit dem Fernglas die Wasseroberfläche absuchen konnte.
Und dann … Welch Schreck! Die Position des Bootes entsprach fast der aus den Bildschirmdaten errechneten. Aber die Spitze zeigte in Richtung offene See und es waren nur zwei Mari darin zu erkennen, die offenbar ruderten, als würden sie von einem Riesencondus verfolgt. Die wollten gar nicht gerettet werden. Parhatmo setzte schon zur Zwischenmeldung per Handfon an, da sah er die Gestalt am Strand.
Ein Mädchen! Aus der Ferne war das vor allem an ihrer sonderbaren Kleidung zu erkennen. Also zu Parhatmos Jugendzeit waren die Mädchen zeitweise in Kleidern herumgelaufen. Inzwischen waren die Windgleiteranzüge die bevorzugte Kleidung für beide Geschlechter. Sie lagen hauteng an und wärmten durch eine eingearbeitete Kunststoffmodifikation. Nein, Parhatmo machte diesen Modekram nicht mehr mit. Seine Wetterjacke hielt nicht nur ähnlich warm wie dieses Zeug, sie simulierte auch einen Respekt einflößenden breiten Oberkörper. Dieses Mädchen aber … Je näher Parhatmo kam, umso deutlicher erkannte er, dass es erbärmlich fror. Offenbar hatte es zuvor mitgerundert und sich dadurch warm gehalten. Warum es nun, erschöpft wie es offensichtlich war, nichts über dieses weite weiße Ding zog, war nicht zu erkennen. Unmittelbar neben ihr lag ein großer Seesack.
Gerade in dem Augenblick, als Parhatmo sie erreichte, sackte sie in sich zusammen.
...



Sonntag, 17. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1655


Hallo, Slov,
habe da auch schon drüber nachgedacht, anbei mein "Freundschaften im Wechsel". Ist nicht ganz so schön wie Gundas "Wie dein Atem".
Hast Du schon über Pferdefleisch gedichtet? Als wenn Du letzte Woche den Skandal gerochen hast, mein "Gifte" ist doch noch hochaktuell!.
So stelle ich mir ein Lyrikblog vor. Brunhild Hauschild lässt sich von anderen anregen, regt an, gräbt aus - wir sind eben eine kleine Gemeinschaft ...
Um aber auf Brunhilds Frage einzugehen: Nein, ein Pferd habe ich noch nicht in einem Gedicht verwurstet, aber vielleicht passt dieses Tier auch zum Thema:
Rhino


. Damit sind wir ja fast vorbereitet auf exotischere Welten, die unsere Betrugsgesellschaft hinter sich gelassen haben:

Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (11)


Die Schwimmer?! Die hatten in ihren Anzügen einen Safer. Schon vor Schulbeginn trainierten die Kinder einen Schwimmstil, bei dem die Position dieses Safers am Körper – er klemmte in Höhe des mittleren Rückenwirbels – nie 80 Zentimeter oder mehr unter die Wasseroberfläche geriet. Stellte der Safer länger als 30 Sekunden einen entsprechenden Druck fest, so aktivierte er ein Notfallprogramm. Alle Küstenlinien hatten angepasste Sicherheitsbereiche, aus denen normalerweise nicht herausgeschwommen wurde.
Deshalb …
Deshalb konnte eigentlich diese punktförmige rote Markierung auf dem Hauptschirm nicht sein. Alle Systeme zur Kontaktaufnahme bestritten, dass dort etwas war. Alle Systeme zur Objektüberwachung bestätigten, dass sich dort ein künstliches Objekt bewegte. Parhatmo hatte längst seine Grundhaltung verändert. Von der sicheren Halbschläfrigkeit eines ereignislosen selbst gewählten Wachdienstes auf innere Alarmbereitschaft. Parhatmo fixierte den Punkt auf Bildschirm A. Analyseprogramm.
Die Daten erschütterten ihn. Demnach handelte es sich bei dem Objekt um ein Boot ohne Motor. Auf ihm befanden sich drei Mari mit intakten Körperfunktionen. Die Systeme erkannten keine Identität aus Suma. Es lag aber auch keine Meldung der Inseln im System vor. Parhatmo war stolz auf sein logische Folgerungsvermögen. Die vorliegenden Daten ließen dann noch fünf Schlüsse zu. Die unwahrscheinlichste war die Wasserung eines Raumflugkörpers und dass Überlebende auf Hilfe hofften. Nur wenig wahrscheinlicher war ein Systemfehler. Der wäre sicher vorstellbar gewesen auf Bildschirm A oder einem anderen einzelnen Teilsystem, nicht aber im Zusammenspiel der Überwachungssysteme, sprich, ein Fehler hätte es sein können, wenn ein System ein Boot, ein anderes nichts angezeigt hätte. Blieb ein Scherz der Programmierer. Der hätte allerdings eines sehr großen Aufwandes bedurft, um drei Systeme so überzeugend zu koordinieren. Dafür war sein Strandabschnitt nicht wichtig genug. Aber immerhin war Toyo bei der Übergabe der Schicht besonders fröhlich gewesen. Das Ganze konnte auch eine Übung sein. Allerdings wurden die Einzelwärter normalerweise nur für Punkte getestet. Er, Parhatmo, war viel zu alt, um noch in ein Auszeichnungsprogramm aufgenommen zu werden. Aber wenn die meinten, sie könnten ihm beweisen, er löste keine Probleme mehr, dann hatten sie sich getäuscht. Er wusste um das korrekte Reagieren. Er würde Aktivität gelb in der Notfallzentrale des Rates auslösen. Er war dann zu regelmäßigen Änderungsmeldungen verpflichtet, hatte aber bereits einen festen Partner in der Zentrale und die schickte ihm ein Verstärkungsteam mit Sanitäter. Sollte da wirklich ein Schabernack dahinter stecken, dann erginge es dem Witzbold schlecht. Nach ihm würde nicht nur offiziell durch Ratsbeschluss gefahndet, er musste mit interner Verfolgung durch die Wärtergilde rechnen und geriete er in deren Hände, würde er sich wünschen, zuerst von den Ratsfahndern gefunden worden zu sein. Die Sicherheit der Mari war heilig. Wächter wurden einfach nicht bei ihrer Pflichterfüllung behindert.
Es gab aber eben noch Variante fünf. Nachdem Parhatmo seine Meldung gemacht, also die Verantwortung nicht mehr allein zu tragen hatte, aktivierte er den Großflächenplan mit Bewegungsprognosen. Tatsächlich. Möglich wäre es gewesen. Abgetrieben vom leichten Sturm letzte Nacht, dazu die normale Drift … Die drei Mari konnten tatsächlich von der Insel Ma gekommen sein. Der Insel jener Emigranten, die sich lange vor seiner Zeit eine Insel ausbedungen hatten, um ein Leben nach so eigenartigen Normen zu führen, dass es bei Kontakt mit Nachbarn nicht möglich gewesen wäre. Bewusster Verzicht auf alle Technik und Geräte, die nicht die natürliche Umgebung lieferte, überhaupt alles Unnatürliche. Parhatmo konnte sich nichts darunter vorstellen. Wahrscheinlich waren diese Mari zu bedauern. Er wäre dort sicher schon vor vielen Generationen gestorben. Aber nun … also vielleicht waren welche von dort geflüchtet? Oder …? Wahrscheinlich waren deren Gehirne längst verkümmert. Die wussten doch bestimmt nicht mehr, dass es außer ihrer noch andere Inseln gab. Was von dort entkäme, würde zum Objekt einer Forschung, die aufzeigen möchte, wie bestimmte Formen der Kommunikation das Wesen der Mari veränderte. Arme Flüchtlinge. Da dachten die vielleicht, sie wären ihrer Kunst-Vorzeit entkommen und würden dafür zu lebenden Museumsstücken. ...



Samstag, 16. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1654

Es ist sehr schwierig, bei der Verbildlichung von Gefühlen auf dem Grat zu bleiben, der mitunter zu dick aufgetragen wirkt. Das gilt vor allem, wenn die Gefühle etwas komplizierter, aber trotzdem gerade tiefe sind. Diesem Problem stellt sich Gunda Jaron mit "Wie dein Atem". Mir klingt da zu viel Filmmusik im Hintergrund - aber vielleicht bin ich da der einzige ... In Anbetracht meines "Was tun?"  sollte ich auf keinen Fall andere Gedichte MADIG machen ...
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Weiter mit der Romanidee (diese Passage wird der vorher vorgestellten NICHT folgen ...):


Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (10)



Fortschritt ist meist wie ein Lauf auf einem Laufband. Man bildet sich ein, ein Problem gelöst zu haben, und hat es doch nur durch ein anderes ersetzt, zugegeben eines auf höherer Stufe.
Parhatmo Jarman hatte gerade seine philosophische Phase. Die hatte er immer, wenn er sich alt fühlte und überflüssig. In letzter Zeit kam das immer häufiger vor. Angefangen hatte es mit Miragas Tod. Seitdem fragte er sich immer öfter, ob er denn noch leben wollte. Genauer gesagt, er dachte inzwischen daran, sein Leben abzuschließen.
Ein Mari zu sein war etwas Würdiges in diesen Zeiten. So viele Probleme hatten seinesgleichen in den zurückliegenden Zyklen der Zeit bewältigt. Dabei war eben auch die Verlängerung der Lebenszeit herausgekommen. Die rechnete inzwischen in Generationen. Er, Parhatmo Jarman, lebte nun seit neun Generationen. Also theoretisch, weil die Meta-Urenkel sich noch keine Kinder angeschafft hatten, obwohl sie in gutem Alter dafür waren.
Ob man ihn verstehen würde? Eigentlich war es ja nur ein vorgeschobenes Argument, dass er jetzt häufiger zum Arzt musste und sich manche Organe nicht mehr so richtig in das System seines Körpers einpassen ließen. Als ob er in jener Zeit lebte, in der das Älterwerden fast dasselbe war wie ein gebrechlicher-Werden. Das war Vergangenheit. Wozu hätte er denn als Pflegefall existieren sollen? Parhatmo kannte inzwischen einige Mari, die das bewusst taten, die also meinten, sie seien eine Aufgabe für die neu Heranwachsenden. Der Mari muss ja praktisch erlernen, wie er Seinesgleichen umsorgt, damit sein Charakter reift. Eine Gemeinschaft ist so wertvoll, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Wie aber sollte sie in Würde reifen, wenn es gar keine Schwachen mehr gab? Näherte sich dann der Zustand diese Gesellschaft nicht wieder dem der Tiere an, bei denen der Untergang der Schwachen der einen Art Lebensvoraussetzung der Starken einer anderen war?
Vielleicht war er auch nur des immer wieder neu Lernens müde? Hatte das aktuelle Ozean-Kontrollsystem wirklich einen höheren Nutzen als die vorigen? Oder hatte man es nur entwickelt, damit so einer wie er das Gefühl bekam, Nützliches zu tun? Was verstanden die jungen Entwickler denn von einem wie ihm? Wollte er denn wirklich nicht ab und zu einen Gang in frischer Brise am Strand entlang unternehmen, das Gefühl haben, die Natur versuche ihn umzuwerfen, aber er schreitet weiter voran, und nachher glüht die Haut und der Spezialtee geht durch und durch?
Nun saß er seine Schichten eingepfercht in diesen Raum voll Skalen, Monitore, künstliche Geräusche und künstliches Licht ab. So senil war er nun auch wieder nicht, dass er nicht innerhalb weniger Wochen verinnerlicht hätte, welche Geschichten die einzelnen Anzeigen zu erzählen hatten. Aber eigentlich waren sie langweilig. Klar konnte er die Position jedes Schiffes und Bootes innerhalb der 300 Quadratmeilen erkennen, die er hier zu überwachen hatte. Aber wozu? Alle Wasserfahrzeuge hatten Ortungssysteme, die ihre Positionen automatisch abglichen. Kollisionen waren also auszuschließen. Und es war mehr als unwahrscheinlich, dass Untiefen in der Vargasee zu wandern anfingen. Selbst dann hätten die Schiffe rechtzeitig ihre neue Position erkannt. Sobald sie vom vorprogrammierten Kurs abwichen, mussten sie ständig Kontrollmeldungen bestätigen, inwieweit das beabsichtigt war, damit andere Schiffe reagieren konnten. Alles automatisch und alles aufeinander abgestimmt. Selbst Alarm würde automatisch veranlasst.
Die Schwimmer?! Die hatten in ihren Anzügen einen Safer. ...


  

Freitag, 15. Februar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1653


Ein zweites Trauergedicht von Gunda Jaron - "Weg ohne Wiederkehr". Bei diesem erlaube ich mir eine Meinung: Es ist eines der beeindruckendsten Gedichte, die mir begegnet sind. Der Vater ist zu bemeiden, der mit einem solchen Gedicht verabschiedet wird ... wenn er es denn hören könnte ...
Ich kann da nur vergleichsweise leichtere Kost dagegenhalten, ein Gedicht, dass sich auf eigene Weise mit dem Begriff "Nachhaltigkeit" beschäftigt und seine Erstveröffentlichung im unglücklichen Lyrikband "worträume" erlebt hat: "Die Hu und die Fu"



Weiter mit der Romanidee:



Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (9)




„Du hast so viele Haare.“
„Aber die anderen haben doch auch so viele Haare. Die sind nur ein klein bisschen heller.“
„Aber nicht überall ...“
Immerhin konnte ich auf diese Weise gut die Tiergesten erklären, die Mahay ja sicher bemerkt, aber offenbar noch nicht verstanden hatte.
Ein verrückter Nachmittag. Wäre mein Vater auf die Idee gekommen, bei uns reinzuschauen, er hätte leise die Tür wieder geschlossen und sich in der Vermutung meine überraschenden Frühreife bestätigt gefühlt. Er hätte mich über die auf meiner Matratze ausgestreckt auf dem Bauch liegende nackte Mahay gebeugt gesehen und vielleicht meine Hände an ihr. Er hätte sich sicher nicht die Zeit genommen, um zu erfassen, was ich da tat. Mahays Haut war von dichtem Kräuselhaar großflächig überzogen. So, wie ich versuchte, meine Männlichkeit zu pflegen, indem ich mich – seit langem schon, also schon seit Zeiten, als dies nur Angabe war – rasierte, half ich Mahay nun, ihre Haut freizulegen, damit sie aussah wie die der Mani hier. Das sei ein offensichtlicher Unterschied zu den Mani ihrer Insel, wo es Mahays Aussage nach normal sei, ein solches „Fell“ zu haben. „Vielleicht verträgt deine Haut deshalb auch unsere Chemikalien nicht ...“
Das Mädchen verwirrte und beeindruckte mich immer wieder neu. Aber was sollte ich mit ihr machen? Sie zeigte überhaupt keine Verlegenheit, wenn ich ihren intimsten Stellen nahekam. Ich war irgendwie … Wie soll ich das sagen … Mochte das bei denen auf ihrer Insel noch so normal sein, bei uns war es eben das Zeichen höchsten Vertrauens, etwas, was nur für eng verbundene Frauen oder Männer denkbar war. Dazu kam meine Scham wegen der Szene vor der Schule. Ich war eben nur ein Junge, kein Mann. Mahay ging mit keinem Wort darauf ein. Mich aber beschäftigte eine idiotische Frage: Musste ich in meiner besonderen Rolle nicht derjenige sein, der ihr erklärte, dass sie sich zu verhüllen hatte, also wenigstens Intimes? Wie sollte ich ihr erklären, für wen das galt? Hätte ich ihr dann erklären müssen, dass das nicht nur für meine Eltern, sondern auch für mich galt? Oder hätte ich erklären müssen, dass das Einverständnis meiner Eltern für ihren Einzug bei mir auf einem Missverständnis beruhte und wäre es kein Missverständnis mehr, dann durfte zwischen uns alles bleiben, wie es war, klärte es sich aber als Missverständnis auf, dann musste sie sich ein anderes Zimmer suchen und jemanden anderes, der sie rasierte … zum Beispiel? Dann aber hätte ich mich völlig umsonst lächerlich gemacht.
Nach diesen verwirrenden Gedanken vermied ich, alles Intime anzusprechen. Anstatt dessen stellte ich lieber einen Plan auf, wann und wie wir feststellen wollten, was sie alles von unseren Unterrichtsfächern nicht kannte und überhaupt von unserem Leben. Dabei wurde mir zumindest eines klar: Ich brauchte mir keine Arbeitsgruppenleitung mehr durch den Kopf gehen lassen. Unser Plan würde das ganze Schuljahr ausfüllen, wenn wir den umsetzen wollten. Und meine Bewerbung um ein Quali-Jahr würde ich wohl zurückziehen müssen. Gut, ich konnte mir wahrscheinlich Zeit lassen, ich war noch zu jung, und dann war ja immer noch eine Frage, ob ich etwas zugewiesen bekäme, bei denen meine Eltern ihr Veto einlegen konnten, aber Mahay war wahrscheinlich eine viel wichtigere Aufgabe als alle großen Abenteuer dieser Welt. So dachte ich und zögerte, ob es nicht besser wäre, wenn sie nichts von meiner Meldung und der Abmeldung ihretwegen erführe. Ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Vielleicht erklärte ich es ihr später. Sie verstand ja bestimmt nicht, was es mit dem Quali-Jahr auf sich hatte. Ich war nie sonderlich beliebt in der Klasse. Wenn ich mal von Tino absehe, hatte es keinen Mani gegeben, für den es einen Unterschied gemacht hätte, ob ich nun da war oder nicht. Erst Mahay brauchte mich. Wirklich mich. Ich war wichtig für sie. Doch beim Einschlafen packte mich eine böse Angst: Wie lange wäre ausgerechnet ich es noch, den sie brauchte? Die Blamage in der Turnhalle hatte meine Zeit nur verlängert. Im Moment würde ihr niemand anderes näher kommen wollen. Und es war doch wirklich ein nicht vorhersehbarer Zufall gewesen. Irgendeines der Mädchen trödelte sonst doch immer und die hätte dann auch Mahay gezeigt, wie sie zu ihrer Sportkleidung kam. Ach, Mahay! Sie war doch ein so liebes Mädchen. Früher oder später mussten das auch andere bemerken. Und mit meinem Tun musste ich dazu beitragen, dass es andere bemerkten. Danach wäre ich viel schlimmer allein als je zuvor. Ich richtete mich auf meiner Matratze auf. Im Dämmerlicht meiner Sternenzimmerdecke konnte ich Mahay erkennen. Sie schlief. Atmete ganz ruhig. Was war ich nur für ein egoistischer Mani. Am liebsten wäre ich aufgesprungen, hätte dem Mädchen über die Wange gestrichen und mich für meine Gedanken entschuldigt. Damit hätte ich sie aber geweckt. Das kam natürlich nicht in Frage. Also warf ich mich auf die Matratze und wartete auf den Schlaf.

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