Samstag, 31. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1840

Bisher begannen wir meistens mit der Prosa - so halten wir es diesmal wieder:

Slov ant Gali: Planet der Pondos (44)

Na klar. Was sonst! Sicher war sicher.
Sie schubsten sich, Sarah stolperte, wurde von Jenny aufgefangen, zur Seite gezerrt. Einige Mädchen kreischten. Trotzdem erreichten alle unverletzt ihre Liegen. Uljana war mit einem Mal ganz ruhig. Egal, ob sich das jetzt als ein blinder Alarm herausstellen sollte, ... bei der Landung musste auf jeden Fall alles reibungslos klappen. Jenny und Frank halfen ihr. Liefen schnell von Bett zu Bett. Alle anschnallen. … Wahrscheinlich diese ausziehbaren Ledergurte. … Rollgurte. Warum bewegte sich dieses Ding plötzlich nicht mehr? … Ach so, eine Sperre gegen ruckartige Bewegungen. Also immer ganz ruhig.
„Ich pack das nicht!“
Uljana rannte zu Cora, sah die Kleine scheinbar ruhig an, richtete den Gurt. Drehte sich um. Lagen alle? Dieser Dauerton nervte. Und das Licht flackerte jetzt rot. Ja, alle lagen. Waren angeschnallt. Uljana legte sich auf ihre Liege. Wartete.
Furchtbar. Oder gut? Gerade in dem Moment, in dem Uljanas ihren Gurt festgezurrt hatte, war der Ton weg. Stille. Kein Licht.
Was jetzt? Wenn das eine ?bung war, wann kam die Entwarnung? Kein lautes Geräusch verriet eine Veränderung ­ den Landeanflug.
Vor Uljanas Augen begann sich plötzlich alles zu drehen. Der Schmerz an den Schläfen! Das ist doch nicht auszuha…
„Automatische Landung abgeschlossen. Sperrung Ausgang aufgehoben. Landeprogramm beendet.“
Uljana kam wieder zu sich. Lauschte. Im Schlafsaal war es gespenstisch still. Weder Jaulen noch Brummen war zu hören, keines der bisher allgegenwärtigen Geräusche. Für einige Sekunden gab keiner einen Mucks von sich. Alle warteten. Da musste noch irgendetwas kommen. Das konnte es einfach nicht gewesen sein.
Oder? Das war die Landung? Vorbei? Angekommen?
Uljana lauschte. Nein, es lief kein Aggregat mehr. Wäre das jetzt ein Computerfehler, dann trieben sie ewig antriebslos durch den Raum.
Egal. Erstmal abschnallen. Auch Jenny und Frank hatten sich aufgerichtet. Zusammen halfen sie den anderen. Blieben still dabei. Diesmal irritierte die ungewohnte Stille. Plötzlich brüllte Sarah: „Ouuuuuuaaaaaaaaah!“
Das war es. Die Erlösung. Als hätten alle nur darauf gewartet, begannen sie zu hüpfen und sich zu umarmen. Jenny war die erste, die rief: „Und jetzt sehen wir uns unsere Erde an!“
Uljana wollte sie noch zurückhalten. „Wenn nun da drau?en überhaupt keine Luft zum Atmen für uns ist?“
„Miesmacher! Dann wären wir nicht automatisch gelandet.“
„Der verrückte Computer …“ Vergeblich. Uljana stand allein. Selbst Frank strebte zum Ausgang, um möglichst schnell nach drau?en zu kommen.
Doch dann hörte Uljana Schreie, Krach. Etwas stimmte nicht. Sie brauchte nicht lange zu warten, da kamen die Anderen zurück. Sie waren aufgebracht.
„Wir kommen nicht raus! Nicht mal die Schleuse eins lässt sich öffnen!“
Das klang, als wäre Uljana schuld daran.

„Computer, was versperrt den Ausgang?“ ...


***


Weiter mit den "Gedichten des Tages":


Lieber Sebastian Deya, dein "Dezemberlied" passt gut in eine Zeit, in der Friedensnobelpreisträger an Zündern für die endgültige Menschenvernichtung spielen und "wir" Gartenzwergen gleich nichts tuend in Vorgärten herumstehen. Trotzdem gebe ich eines zu bedenken: Wahrscheinlich sind DANACH die Ampeln nicht tot, sondern sie weisen weiter nicht mehr vorhandenen Menschen die Pflicht zu, an den Kreuzungen stehen zu bleiben oder loszugehen ... (Eine gespenstisch kalte Vorstellung)
Auf Kurs Richtung Normalität bewegt sich dagegen

Slov ant Gali: Senryū Nr. 86


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Freitag, 30. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1839

Lyrisch geht es dem Weltfriedenstag entgegen.

Am Morgen eines ersten September fielen Truppen der polnischen Unmenschen mit Giftgas über ihre unschuldigen deutschen Mitbürger her. In einer Koalition der Willigen versuchten Deutsche, Italiener, Japaner und einige andere, der Welt Ruhe, Sicherheit und Ordnung zu bringen ...
Oder wie ist das? Liegt Gleiwitz in Syrien?
in der englischen Version von "Sag mir, wo die Blumen sind" von Pete Seeger heißt es am Schluss "when will we ever learn? ..."
Ja. haben wir es wirklich noch nicht gelernt? Glauben wir noch immer jede neue Lüge, um uns den nächsten Krieg schmackhaft machen zu lassen, obwohl wir inzwischen um die meisten vorigen wissen?
Machen wir uns nicht mitschuldig, wenn wir die Massenmörder der Gegenwart in deutscher Uniform oder die anderen Willigen nicht ins Gruselkabinett einer endlich endgültig vergangenen Vergangenheit packen?
Bringen wir entgegen jeder Vernunft heute Perverslinge an die Macht, die die Lehre, dass nie wieder ein Krieg von Deutschland ausgehen darf in ...nie wieder ohne Doitschland ::: abgeändert haben und jeden eigenwilligen fremden Staatschef in einen Hitler umtheatern, um ihn zum moralischen Kriegsziel zu machen? ich habe meine Probleme mit dem lyrsichen Bild des Kriegspfades,in Auf Kriegspfad wieder und wieder das Brunhild Hauschild gebraucht. Es erinnert an die Indianer, deren Tote die zu ihrer Zeit mit ihren Fingern zählen konnten. heute wird beständig an der "menschheit" gespielt. ... 
Ich möchte hier nur an ein paar meiner letzten Friedensgedichte erinnern

Slov ant Gali: Vision

Slov ant Gali: nicht KLEIN genug

Slov ant Gali: Schreckensvision

Slov ant Gali: Im Friedensgrab

Slov ant Gali: hätte Deutschland gesiegt

Slov ant Gali:Anne (2)


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.wenn ich allerdings behaupten sollte, dass der utopische roman unpolitisch wäre und gerade mit der Frage, warum es krieg gibt und was dagegen zu tun wäre, nicht beschäftigt wäre, müsste ich lügen. das kommt noch ...

Slov ant Gali: Planet der Pondos (43)

Uljana hatte die Arme halb gehoben. Das entspannte Lächeln auf ihrem Gesicht erstarb, bevor es sich richtig ausbreiten konnte. Uljana erstarrte. Langsam sackten ihre Arme herunter. „Warum nicht?“ presste sie hervor.
„Systemsperre. … Weckprogramm defekt. Keine Autorisation… für Aufhebung Sperre … .“
Frank brüllte: „So ein Schei?! Wir haben doch auch keine Autorisation zum Sperren gehabt. Warum können wir das jetzt nicht rückgängig machen?“
„Keine verwertbaren Daten.“
Jenny stie? einen leisen Fluch aus. Uljana rief: „Zielplanet auf Hauptschirm. Optimierte Auflösung.“
Alle Augenpaare staunten plötzlich ein fremdartiges Gebilde an. Es war eigentlich nicht als eine fleckige, milchige Kugel zu erkennen. Für einen kurzen Moment sah Uljana zu den anderen. Deren Gesichter spiegelten dieselben Gefühle wider, die sie selbst erfasst hatten. Endlich ein Zuhause! Dabei war überhaupt keine ?hnlichkeit zu erkennen. Dieser Planet sollte ihre Erde werden? Ihr künftiges Eden? Besser als in diesem Raumschiff war es bestimmt. Dort würden sie leben. Dort waren Wasser und Wald, saubere Luft und … die Geschichten aus ihren Büchern von früher … Sie waren am Ziel.
Während der folgenden Stunden verlie?en die meisten die Brücke nur für kurze Momente. Obwohl, wer ununterbrochen auf dieses Etwas starrte, bemerkte nicht, wie der Planet langsam näher kam. Aber als sie wieder normal im Kasino aßen, überboten sie sich danach darin, Veränderungen zu erkennen.
Sie übertrieben. Stritten sich darüber, ob ihnen vielleicht wieder einmal der Computer einen Streich spielte. Es vergingen noch zwei ganze Tage, dann füllte der Planet die Bildwand aus.
Uljana sa? gerade mit den anderen beim Frühstück im Kasino. Fast war die Aufregung um die Replikatoren wieder vergessen. Als ob nie etwas vorgefallen wäre, replizierten alle genau das, was die Kinder ihnen vorgaben. Uljana konnte allerdings nicht leugnen, dass sie bei jeder Bestellung immer noch unruhig das quälende Brummen erwartete. Aber auch das aktuelle Frühstück war in Ordnung. Alle sa?en friedlich und kauten.
Plötzlich flackerte die Beleuchtung.
Das gleichmä?ig kühle wei?e Licht wechselte mit Gelbphasen ab. Dann ertönte die Computerstimme: „Alarm gelb, Alarm gelb. Automatischer Landeanflug. Alarm gelb, Alarm rot! Unterbrechen aller Nebenfunktionen.“
Einen kleinen Augenblick sahen sich die Kinder ungläubig an. Aber dann sprangen sie auf. Das war kein Fehler. Das war kein Probealarm. Das war … Warum standen denn alle an der Tür? Wusste denn keiner, wer wann wie was zu machen hatte? Nein, die anderen sahen sich auch suchend um, während sie sich durch die Türen zu drängten…

Frank brüllte: „In den Saal! Hinlegen und anschnallen!“ ...


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Donnerstag, 29. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1838

.Es geht dem fremden Planeten entgegen.

Slov ant Gali: Planet der Pondos (42)

... Sie bemerkten zuerst gar nicht, dass Jenny wieder zurück war. Jenny mit ihren Freunden. Mit in die Hüften gestemmten Händen füllte sie fast die Türöffnung und sah aus, als wäre sie eben erneut schockgefroren worden. Ihr Trupp stand da und regte sich nicht. Endlich merkte es Uljana. Die starrten gar nicht sie an. Ihre Blicke gingen an ihr vorbei zum Hauptschirm.
Es musste etwas Hypnotisierendes sein. Oder etwas Grauenvolles. Uljana drehte sich um.
Normalerweise zeigte der Hauptschirm den unendlichen Sternenhimmel. Jetzt rasten dort Zeichen von links nach rechts. Mit den Augen gerade noch erkennbar, doch zu schnell, um sie zu erfassen. Vorbei rasende Datenmassen. Endlich kam ein Detail ruhiger ins Bild. Am Rande der Zeichenfülle erschien eine Pyramide. Sie wuchs nach oben. Ameisen? Uljana traute ihren Augen nicht. Wirklich: Die Pyramide bestand aus unheimlich vielen Ameisen! Und noch immer scrollten Zeichenreihen über den Schirm. Plötzlich wurde er dunkel.
Stille.
„Was war denn das?“
An wen Jenny die Frage gerichtet hatte, blieb unklar. Uljana und Frank zuckten hilflos die Achseln. Da meldete sich die Computerstimme wieder. „überlastetes Modul … ausgetauscht. Anzeige war … Wiedergabe … fremden Datentransfers, … übersetzt.“
„Was für ein Datentransfer?“
„Transferweg … unbekannt. … Direktzugang. … Datensender identifiziert … intelligente Wesen … von LAZ 349, … nennen sich … Kari … Ameisen … ähnlich.“
Zweifelnd wiederholte Uljana: „Also waren diese Ameisen die intelligenten Wesen, die uns angelockt haben?“
„Bestätigt.“
„Und unser Zielplanet?“
„Negativ.“
„Was dann?“
„LEZ 222. … LAZ 349 … passiert. …Entfernung … ansteigend.“
„Es gibt noch einen anderen bewohnbaren Planeten in der Nähe?“ fragte Uljana, nun aufgeregter.
„Korrekt.“
„Wie weit?“
„Null Komma null sieben drei Lichtjahre. Auf Kurs.“
„Wow! Wir sind da!“
Uljana wollte es ganz genau wissen: „Bewohnt?“
„Wahrscheinlichkeit … 98,4 Prozent.“
„Dann läuft jetzt die normale Weckroutine an?“

„Negativ.“ ...

***

Bei den Gedichten geht es noch einmal japanisch zu.

Aus einem inneren Frieden heraus versuche ich es mit drei japanisierten Kurzgedichten, die mit Buddha-Lächeln ans Thema Liebe rühren:

Slov ant Gali: Senryū Nr. 85


Slov ant Gali: Senryū Nr. 84


Slov ant Gali: Senryū Nr. 83




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Mittwoch, 28. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1837

zuerst Prosa ...

Slov ant Gali: Planet der Pondos (42)

... Plötzlich brüllte Frank auf: „Der Computer! Stimmt! Ist etwa der Hauptcomputer in Betrieb?“
„Der Computer ist in Betrieb.“ Da war sie wieder, die Stimme aus dem Hintergrund.
Uljana murmelte fassungslos: „Aber noch vor kurzem … Für Kinder gibt es doch keinen Zugang.“
„Programm Zugangsberechtigung au?er Betrieb.“
„Die Störungen … Der Replikator … Es muss sich doch feststellen lassen, warum der plötzlich so einen Quatsch produziert hat.“
„Störungen im Replikator nicht definiert. Fehlerbehebung inaktiv. Alle nicht lebensnotwendigen Programme werden nacheinander abgeschaltet.“
„Aber die Replikatoren sind lebensnotwendig“, rief Frank.
Die Kinder sahen sich entsetzt an. Dann legte Uljana ihre Hand auf Franks Schulter, schüttelte mit dem Kopf und sagte laut: „Später! Frage: Können die Eingefrorenen aufgeweckt werden?“
„Weckprogramm defekt. Lebenswahrscheinlichkeit bei Aktivierung eins Komma neun drei Prozent.“
„Hat Jenny diese Frage auch schon gestellt?“
„Ja.“
„Frank, das heißt, im Schlafsaal werden gerade welche getötet! Jenny macht das bei so großem Risiko.“
Frank richtete sich auf. „Kommando für Hauptcomputer: Zugang zum Aktivierungsprogramm sperren.“
„Bestätigt.“
„Klasse!“
Xu-Li klopfte Frank anerkennend auf die Schultern. Uljana grübelte. Dann kam ihre Stimme: „Frage: Wodurch wurde mein Weckvorgang ausgelöst?“
Die Antwort lie? einen Moment auf sich warten. Die Kinder sahen sich unruhig an. Rauschen. Dann eine rhythmisch zerhackt wirkende Stimme: „Kombination mehrerer, … zu 21 Prozent fehl interpretierter Daten. … Erstens: Passierter Kleinplanet LAZ 349 … mit Lebensformen versehen. Lebensformen … wahrscheinlich intelligent. Weckvorgang wurde … wegen möglicher Kontaktaufnahme … eingeleitet. … Vorgang abgebrochen… Planet … als auch Lebensform … für Ansiedlungsabsicht … nicht kompatibel. … Zweitens: ?u?ere Anforderung von Dechiffrierungskapazitäten für fremdartige Empfangsdaten. Aktivierung durch Fremdimpuls. Dauerstörung. Drittens: Geweckt werden sollte Silberbaum, Deborah, erfasst als Funktionsmustertest, … nicht Silberbaum, Uljana … als A-Besatzung definiert. … Das auslösende Speicherelement … wurde korri… korrigiert.“
„Ein stotternder Computer, wie komisch!“ Frank schüttelte den Kopf. „Fremdartige Empfangsdaten, Fremdimpuls, also ich versteh hier nur Bahnhof ?ppel klauen.“
Uljana überlegte weiter. „Wir sind also nur irrtümlich geweckt worden? Oder gibt es intelligentes Leben in der Nähe, einen Planeten, auf dem wir siedeln können?“
„Weckfehler … bestätigt. … Intelligentes Leben … bestätigt. … Bewohnbarer Planet … bestätigt. Dechiffrierung soeben abgeschlossen. Schnelldurchlauf über Hauptschirm bei Bedarf stoppen.“
„Was? Habt ihr das gehört? Wir sind da! Wir müssen nicht im All herumirren! Wir können …“

Uljana konnte sich nicht mehr halten. Ihre vier Freunde hatten sich angesprungen. Langsam, ganz langsam lösten sie sich wieder voneinander. ... 


***

... dann die "Gedichte des Tages"::

langsam schmilzt der vorsprung an kurzgedichten, der sich einst angesammelt hatte.

Slov ant Gali: Senryū Nr. 80


Slov ant Gali: Senryū Nr. 81


Slov ant Gali: Senryū Nr. 82


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Dienstag, 27. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1836

Beginnen wir mit der nächsten Prosafortsetzung:

Slov ant Gali: Planet der Pondos (41)

... Hinter Jenny standen sportliche und für ihr Alter groß gewachsene Mädchen und Andi. Die würden eine eindrucksvolle Straßengang abgeben, dachte Uljana. Wenn sie doch nur eine Lösung hätte! Wüsste sie einen Computerspezialisten unter den Eingefrorenen, würde sie ihn jetzt selbst wecken. Aber sie wusste ja keinen!
„Sollten wir nicht den Analysecomputer befragen?“ Uljana sagte es ruhig und laut.
„Das hab ich schon!“, fauchte Jenny sie an. „Der wird uns nicht helfen.“
Die anderen rückten noch enger an Jenny. Langsam näherten sie sich Uljana. Als ob sie an der Situation schuld wäre. Oder wenigstens sagen müsste, macht, was ihr wollt, damit sie nachher Schuld hatte, wenn alles schief gegangen wäre. Am besten gleich verprügeln. Uljana blieb ruhig stehen.
„Ich bin für Abstimmen:“, fuhr Jenny herausfordernd fort. „Wecken wir ein paar Erwachsene? Welche, die wir brauchen? Oder schleichen wir weiter um diese Kältesärge rum?“
„Erzähl kein Stuss, Jenny! Haben wir nicht schon genug Tote auf Eis? Wir können das nicht, wir …“ Uljanas kläglicher Widerspruch brach ab.
„Aber das Raumschiff fliegen können wir? Mit Appel und Brotfaust, ja?“ höhnte Jenny dazwischen.
„Das ist doch Quatsch! Du wei?t ganz genau, das geht automatisch. Jenny, ich versteh nicht… Bis jetzt sind wir doch klargekommen“
„Bis jetzt“ – die beiden Worte zog Jenny höhnisch in die Länge – „funktionierte auch alles. Ich möchte selbst lieber ungestört sein. Ist besser als herumkommandiert zu werden.“ Jenny hatte sich auf eine Tischkante aufgestützt. „Aber die meisten hier sehnen sich nach ihren Eltern. Willst du zugucken, wie die bei Wasser und Mehl langsam eingehen? Und einem einzelnen Elektroniker sollten wir wohl gewachsen sein. Nur so zum Beispiel. Bei dem wollen wir nämlich anfangen mit Wecken. Weil das vernünftig ist. Ich habe schon einen ausgesucht. Wenn wir Mädchen zusammenhalten …“
„Überlegs dir, Jenny!“
„Wer ist dafür?“
Neun Hände reckten sich nach oben. Jenny sah sich triumphierend um.
„Und wer dagegen?“
Fünf Hände gingen zögernd hoch.
„Na, dann!“
Unschlüssig starrte Uljana hinter Jennys Gruppe her. Sie hörte noch die Stimmen auf dem Gang. Plötzlich packte sie Frank und schleifte ihn in Richtung Kommandobrücke. „Sieh dir das an: Sind wir wirklich so doof? Schaffen wir nicht ein Problem allein? Sind wir denn Kinder? Sieh den Computer an! Komm, wir fragen, nur so zum Test: Wie alt sind wir?“
„Im Verhältnis zum Geburtsjahr auf der Erde durchschnittlich 796 Komma vier irdische Jahre, biologisch 13 Komma sieben.“ Die Stimme klang trocken und kalt. Die Kinder sahen sich unsicher an.
„Da schrumpft man ja richtig zusammen“, sagte Frank.

„Wenn man sich auf den Computer verlassen könnte, …“ Uljana überlegte angestrengt. ...

***

auch an die Vorankündigung zu erwartender "Gedichte des Tages" sollte sich jeder gewöhnt haben:

wie bange ich darum, ganz behäbige japanisierte weise kurzgedichte hier zur diskussion stellen zu dürfen und keine gegen eine invasion gegen die bürger syriens. diese gedichte lassen den gedanken freinen lauf:

Slov ant Gali: Senryū Nr. 77


Slov ant Gali: Senryū Nr. 78


Slov ant Gali: Senryū Nr. 79


Montag, 26. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1835

Zuerst die vertraute Prosafortsetzung.

Slov ant Gali: Planet der Pondos (40)

... „Nicht schon wieder!“ Jenny verdrehte demonstrativ die Augen und verlie? den Platz, ohne ihr Tablett überhaupt angerührt zu haben. Am Tisch neben der Tür blieb sie stehen. Sie setzte sich so auf einen der Stühle, dass sie das Geschehen am Replikator beobachten konnte.
Dort hatte sich nicht viel verändert. Eines der Mädchen hatte das erste Tablett weggeschoben, seine Bestellung aufgegeben und es war offenbar ein weiteres gleichartiges Tablett in der Luke aufgetaucht. Jenny sah ruhig zu, wie sich das wiederholte und die anderen Mädchen sich zu beschimpfen begannen, als könnte eine von ihnen etwas für den Defekt.
Plötzlich stand Jenny auf und rief den anderen zu: „Was ihr nur habt? Es gibt doch noch mehr Replis im Schiff. Die sollten wir ausprobieren. Was sollen wir denn ohne die Dinger anfangen? Als ahnungslose Buschmänner ohne Werkzeug im Weltall rumirren? Ohne mich! Ich hab Hunger.“
Nach diesen Worten ging sie zur Tür. Wie sie erwartet hatte, rannte der grö?ere Teil der Gruppe hinter ihr her.
Katja, eine sonst stille, grüblerische Brünette war stehen geblieben. Leise sagte sie: „Das ist das Ende. Ich wei? es. Die kriegen überall dasselbe. Wir haben doch keine Ahnung von der Technik hier. Wir werden verhungern, vergammeln, ersticken. Nur eins werden wir nicht: irgendwo ankommen.“
Uljana stand auf und ging zu Katja um den Tisch herum. „Bitte, sei still! Jetzt nur keine Panik! Du gehörst doch zu den Grö?eren. Wir …“ Sie brach ab. Xu-Li hatte ihre Hand genommen. „Wir werden ja sehen. Gehen wir zu mir rüber?“ Keiner rührte sich. Uljana ging zum linken Replikator und sagte ruhig: „Ein Schachspiel. 60 Quadratzentimeter. Holzfiguren.“
Das Ergebnis war ihr schon klar, als das markante Brummen ertönte. Da hatte sie das Tablett mit Apfel, Wasserglas und trockenen Brötchen vor sich. Verlegen drehte sie sich zu den anderen um, die resignierend ihren Versuch verfolgt hatten. Wortlos setzte sie sich zu ihnen an den Tisch. Sah niemanden an.
Aber dann… Alle lauschten. Es klang, als kämen die anderen wieder zurück. Frank stand von seinem Stuhl auf. Sarah drängte sich an Uljana, als stände eine unmittelbare Gefahr im Raum. Hani, eine lockige Blonde, schob jetzt erst ihr Tablett weg. Alle hatten sich zur Vordertür umgedreht. Lärm. Schimpfen. Streit. Die Geräusche kamen näher.
Die Tür ging auf. Jenny stampfte herein. Blieb stehen. Die Mädchen, mit denen sie gerade diskutiert hatte, umringten sie.

„… Mir ist egal, wie oder wer das macht – ich will, dass die Replikatoren repariert werden. Und ihr wollt endlich eure Eltern wieder haben. Ihr habt doch richtige Löcher in die Särge gebohrt mit euren Stielaugen. So dicht dran – wer soll das aushalten?“ Sie machte eine kleine Pause. Einige nickten zustimmend. „Also ohne Technik krepieren alle. Wenn wir jetzt die Alten wecken, haben wir wenigstens eine kleine Chance.“ ...

***

...aber auch die "Gedichte des Tages" werden geplant.

Bei Thomas Reichs Gedicht "Gott haut dir seine Zähne in den Arsch, Pilger" kommt einem in gewisser Weise jeder Vers vertraut vor ... und doch wird ihm ein neuer (Hinter)Sinn untergeschoben. Man muss die Aussage nicht teilen - aber das Gedicht ist eben eines ...
Das kann man von folgendem Statement auch behaupten:

Slov ant Gali: Senryū Nr. 76



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Sonntag, 25. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1834

ein weiteres prosastückchen aus dem utopischen Roman.

Slov ant Gali: Planet der Pondos (39)
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... Sie ahnten nichts Böses. Standen auf, machten sich zurecht wie immer, alberten herum, gingen zum Frühstücken ins Kasino, Uljana schob Lida vor an die Futterluke, den etwa einen Kubikmeter gro?en, nur zum Kasino hin offenen Replikatorplatz 2. Die Kleine brauchte immer die wenigste Zeit bei ihrer Frühstücksbestellung und am längsten, um ihren Teller auszulöffeln. Uljana hörte Lida sagen: „Schokoflocken, Milch ­ Schale, klein, wie immer“. Da passierte es.
Der Replikator brummte verdächtig kurz auf. Ein Tablett wurde sichtbar. Darauf ein Kännchen Wasser, drei Stücken von etwas, was wie Schrippe aussah, und ein Apfel. Lida murmelte. „Aber …“, griff nach dem Tablett und zog sich verwirrt an ihren Ecktisch zurück.
Nun war Uljana an der Reihe. Sie holte tief Luft, beugte sich etwas in die Luke, begann ihr ausgiebiges Frühstück mit Ei und vielen Früchten zu beschreiben… Sie kam nicht einmal bis zur Hälfte ihrer Bestellung, da brummte der Replikator genauso mürrisch wie zuvor und vor Uljana stand das Tablett mit Wasserkännchen, den Schrippen und dem Apfel. Uljana nahm das Tablett vom Ausgabefeld und sagte etwas lauter: „Ich wiederhole: …“ Stille. Nichts passierte.
Irritiert blieb Uljana stehen. Wartete. Sarah sagte ihren Spruch auf. Es war fast zu ahnen. Erst das Brummen, dann ein Wasserkännchen, drei Brötchen und ein Apfel. Inzwischen ging es auch an den anderen beiden Replikatoren chaotisch laut zu. „Wer soll den Mist denn fressen. Ne Mehl-Faust mit Wasser?“ Jenny schob ihr Tablett an den Rand.
Uljana hatte sich etwas gefasst. „Los, vertreiben wir uns mit dem Zeug erstmal den grö?ten Hunger. Dann sollten wir nachdenken, was wir machen können.“
Jenny knurrte nur, „So groß wird mein Hunger hoffentlich nie!“, warf eines ihrer Brötchen nach einer Blumenvase und knallte die Tür hinter sich zu.
Andy war fluchend vor dem Replikator stehen geblieben. „So ein Schei?!“
Eines der Mädchen lachte. „Pass auf, der hält das für eine Bestellung!“ Aber sonst war die Stimmung gedrückt. Nur wenige blieben bei Uljana im Kasino. Missmutig kauten sie auf ihren Wasserbrötchen herum.
In den folgenden Stunden beschäftigten sich die Mädchen und Jungen wie an den Tagen zuvor. Es war nur überall etwas stiller. Aber einige hatten schnell Hunger, und selbst bei denen, die das Frühstück gegessen hatten, meldete sich frühzeitig der Appetit auf etwas Herzhaftes. Deshalb trafen sich alle bald wieder im Kasino.
„Andy, versteck dich bloß! Die Replis mögen bestimmt keine Jungen.“ Franzi hatte das gerufen, und alle hatten gelacht. Dann kam Jenny und die anderen lie?en sie vor. Sie rief lässig in die Luke hinein: „Einmal Nudelauflauf mit Pilzen!“

Ein kurzes Brummen antwortete, und dann erschien ein Tablett mit einem Teller, darauf ein Apfel, drei Brötchen, und ein Glas Wasser. ...

***

dazu kommen die klassisch langweiligen japanischen gedichte - diesmal allerdings mit eine besonderheit.

ein Senryū kann im Gegensatz zum haiku wohl auch offen politisch sein. also versuche ich das einmal an folgenden beispielen.

Slov ant Gali: Senryū Nr. 75


Slov ant Gali: Senryū Nr. 74


Slov ant Gali: Senryū Nr. 73



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Samstag, 24. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1833

Wegen einer technischen Panne erinnern wir im Prosabereich vorübergehend weiter an das bereits veröffentlichte Buch "Planet der Pondos":

Slov ant Gali: Planet der Pondos (38)

Es blieb nicht das einzige Mal, dass Onja mit Okana in das Sperrgebiet eindrang. Nie passierte dabei etwas. Kein Grund zur Sorge. Im Gegenteil. Onja beeindruckte gerade diese totale Ruhe. Nicht nur, dass sie mit Okana allein war, es war irgendwie ein herrlicher Gedanke, dass niemand in der Nähe sein konnte.
Okana wusste immer einen Weg, die schlingenden Arme der Krallwurze abzuwehren. Mit einer kleinen Sichel schuf sie mitunter ganz kleine Lichtungen, in denen sie bestrahlt von der Nachmittagsxume auf ihrer gemeinsamen Filzmatte lagen. Bald nach der ersten Überraschung hatte sich Onjas Begeisterung für Okanas Höhlensystem wieder gelegt. So blieb sie lieber drau?en auf der Lichtung und lie? mit offenen Augen träumend die Strahlen der Xume über ihre Sonnenblätter streichen.
Sie war schon fast eingeschlafen, da irritierte sie etwas Ungewöhnliches. Sie sah sich suchend um. ?ber den rechten Rand der Matte krabbelte eine kleine Karawane von fingergliedgroßen Sechsfü?ern. Erst wollte Onja aufspringen, denn die ihr unbekannten Tiere kamen direkt auf sie zu, aber dann fühlte sie sich plötzlich unerklärlich entspannt. Sie streckte sich aus und ihr war, als flüsterte ihr jemand zu, Es ist alles in Ordnung! Aber es war niemand da, und wirklich gehört hatte sie auch nichts. Die ersten Krabbler kletterten bereits über ihr Blätterfell. Onja fürchtete noch, dass es jucken könnte, wenn diese Wesen sie berührten. Fast im selben Moment war die Idee da, die könnten sich ja um ihre Hautpflege kümmern. Oft saugten sich Maritzen an den Stellen fest, an denen bei ihr die Blättchen aus der Haut sprossen. Von denen könnten die Krabbler sie befreien.
Seltsam: Nun hatte Onja sogar einen Namen für die Krabbler. Kari. Und dann wünschte sie sich, eines dieser Wesen genauer ansehen zu können. Kaum war ihr das durch den Kopf gegangen, entdeckte sie eines auf ihrer glatten Handfläche. Eigentlich richtig niedlich. Dreigeteilt in einen tropfenförmigen Unterleib, von dem zwei Beinpaare ausgingen, nach einer sehr schmalen Taille ein Oberkörper, an dem noch ein Beinpaar … nein, das Wesen hatte sich halb aufgerichtet: das waren wohl winzige Arme … und der Kopf, von dem aus dunkelbraune Punkte auf Onja gerichtet waren … Augen, die zu sagen schienen du kannst uns doch leiden, oder? Vergeblich versuchte Onja die Einbildung abzuschütteln. Im Gegenteil: Sie hörte sich sogar selbst halblaut antworten „Natürlich kann ich euch leiden.“ Inzwischen war ein Teil ihres Körpers mit diesen Wesen bedeckt.
In dem Moment tauchte Okana wieder auf. Natürlich an einer Stelle, wo es Onja nicht erwartet hätte und so, dass sie einen Schreck bekam. Onja sprang auf, ohne auf die kleinen Wesen zu achten.
Was ist denn los mit dir?“ fragte Okana scheinheilig, nachdem es ihr wieder einmal gelungen war, die Freundin zu erschrecken.
Ich…“ Onja besann sich gerade auf die kleinen Krabbler. Doch weder auf der Decke noch auf ihrem eigenen Körper war ein einziger übrig geblieben. Der Spuk war wie weggewischt. Eine Einbildung unter den Strahlen der Xume.
Na, was denn nun?“
Ach, nichts.“
Zum Glück fragte Okana nicht weiter.
Abends im Bad machte das Wasser auf Haut und Blättchen besonders viel Spa?. Verwundert untersuchte sich Onja. Tatsächlich: Nicht eine einzige Maritze. Was der Welaspalt doch alles an Geheimnissen bot…


***

Und die "Gedichte des Tages" vom Sonntag?


Auf den ersten Blick drehen sich alle meine heutigen drei Japaner um das Thema Suizid. Aber vielleicht merkt der, der mit Pause liest, die Nuancen ...

Slov ant Gali: Senryū Nr. 68


Slov ant Gali: Senryū Nr. 69


Slov ant Gali: Senryū Nr. 70


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Freitag, 23. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1832

.Dies ist das letzte Stück der Erzählung vor einer Pause zwischendurch. Es muss erst wieder "geschöpft" werden.

Slov ant GaliJeder gegen jeden (10)

... Serada entschied ohne Diskussion. Sie kannte Iwan gut genug. Er hätte seine moralischen Bedenken ausdiskutieren wollen, hätte ihr als Frau den Vortritt lassen wollen und vielen Quatsch mehr. Dabei war die Situation schon peinlich genug so nackt und dabei heimlich beobachtet und dazu dieser Mann, der wohl am liebsten den Kapf abgebrochen hätte, um mit ihr zusammen zu sein.
Es wurde ein Reinfall. Nein, sie begegneten noch immer keinem Kontrahenten mit oder ohne Strahler, obwohl die Wahrscheinlichkeit einer Kampfbegegnung eigentlich von Minute zu Minute stieg. Das gebot die Logik. Die Ziele 1 waren sicher alle weit vom Eingang verborgen, damit sich die Kandidaten alle etwas in Wehrlosigkeit erschöpften. Ein Versteck draußen war zu ungleich einem im Innenlabyrinth … Aber alle Diskussion war müßig.
„Wir irren uns nicht. Genau hier ist die Stelle, an der die Zielmarkierung auf der Karte ist. Und hier ist nichts.“
„Wollen wir nicht nochmal ..“
„Nein, Iwan, wir wollen nicht. Wir wollen mein Paket finden. Danach können wir es immer noch wieder hier probieren. Dann kann aber der eine den anderen sichern. Ich mach hier nicht den Hasen.“
Serada strich ihre Karten am Boden glatt. Daneben lagen Iwans.
„Sowas hatte ich befürchtet. Es ist gar nicht weit. Dann gibt es hier noch mehr Ziele, die vielleicht längst gefunden sind. Deins hat wohl jemand gefunden.“
Es war eine Übung aus dem Standardprogramm Häuserkampf. Zu ihrer normalen Ausbildung hatte es gehört, einander zu sichern, während sie ein fremdes Objekt untersuchten, ein „Haus“ eben. Sie kämpften sich Raum für Raum vor, riefen sich leise „Sicher!“ zu, lösten sich ab dabei. Na gut. Einen Unterschied zum Training gab es schon: Sie waren beide unbewaffnet, konnten sich also nicht wirklich sichern.
Es wurde immer gespenstischer. Noch immer waren sie keinem der anderen Kämpfer begegnet. Auch keiner Spur von einem. Dann hatten sie das Zimmer mit Seradas Ziel 1 erreicht. Iwan postierte sich am Gang. Allerdings hätte wohl das Geräusch des Auspackens des „Seesacks“ das Geräusch der Annäherung eines vorsichtigen Gegners übertönt. Da rief Serada Iwan an.
„Wie witzig! Aber wie für mich gemacht.“
Tatsächlich enthielt das Paket Bekleidung für eine zierliche Frau. Ein kurzes khakifarbenes Kleid aus einem robust wirkenden Stoff. Dazu lederne Knieschützer und passende Kampfstiefel.
„Na toll! Und ich soll dich nackt begleiten?“
Die folgenden Bewegungen waren nur als Zeitlupenaufnahme genau zu verfolgen. Serada warf sich plötzlich zur Seite, ihre erste Handbewegung hatte bei Iwan ein kurzes Zucken bewirkt. Er warf sich auf den Boden. Seradas Strahler schien die Hand der Frau zu führen. Der Schuss verursachte genauso wenig ein Geräusch wie der Strahl. Ein paar Krümel bröckelten an der Wand ab. Ein unterdrückter Aufschrei. Stille.
Serada und Iwan rührten sich nicht. Mit kaum merklichen Bewegungen von Kopf und Augen versuchten sie sich zu verständigen. Es war klar. Iwan hätte sich gern überzeugt, ob der Schuss ein Treffer gewesen war. Hinter der Deckung des nächsten Durchgangs lockten nun Bekleidung und eine eigene Waffe. Serada traute dem allzu glücklichen Zufall nicht. Bleib hier, riefen ihre Augen. Iwan aber hatte sich daran gewöhnt, auf Seradas Augen zu hören. Unsicher verfolgte er ihre Aktivität. Aber dann hatte er begriffen. Tatsächlich: Kaum hatte sich die Stoffansammlung, die man für Seradas bekleideten Rücken halten konnte, genug Angriffsfläche geboten, färbte sich ein Punkt darauf. Vielleicht reagierte Serada einen Moment zu langsam. Ihr Schmerzensschrei kam zu spät, um geglaubt zu werden. Serada und Iwan hörten sich rasch entfernende Schritte.
„Schade!“ murmelte Serada. Schon begann sie ihren „Seesack“ ins „Badezimmer“ zu ziehen, den kleinsten Raum, aber den einzigen der jeweiligen Wohnung, der nur einen Ein- und Ausgang hatte. In der trügerischen Sicherheit des freien Rückens zerlegte sie ihr Ziel 1. Nach knapp einer halben Stunde waren beide satt und Iwan trug einen Lendenschurz, Ellenbogen- und Knieschützer sowie etwas, was bei großzügiger Bewertung als Mokkassins durchgehen konnte. „So. Und jetzt versuchen wir, ob wir an die Austauschziele herankommen.“
Iwan verzog sein Gesicht zu einem bemühten Lächeln. Seradas Bemerkung konnte Aufmunterung und Drohung in einem sein ...

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Bei den "Gedichten des Tages" ist diesmal ein äußerer Anlass das verbindende Element. Ein Offenleger von Geheimnissen, die dich geheim bleiben durften, wurde extrem unmenschlich abgeurteilt und hat daraufhin verkündet, nunmehr als Frau weiterleben zu wollen.

Beim morgendlichen Abarbeiten meines Postfachs stolperte ich über Petra Namyslos Gedicht "Für Chelsea Manning". Erst einmal reagierte ich nur mit einem unwissend verwunderten "Hä?!" Ich hatte die Nachricht, dass der Offenleger Bradley Manning nach dem über ihn gesprochenen Schandurteil (Mörder der gemeinen Art rechnen in Deutschland mit der halben Strafzeit ... höchstens) sich dafür entschieden hatte, nun als Frau zu leben, als die er sich fühlt, noch gar nicht mitbekommen. Petra jedoch hatte schon ein Gedicht draus gemacht. Es blieb mir nur übrig, ein ergänzendes Gedicht "Chelsea werden dürfen" zu fabrizieren und ein Senryu, das ich allerdings für gelungen halte ...

Bei den "Gedichten des Tages" droht Einseitigkeit:



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Donnerstag, 22. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1831

Noch lernten wir nur einige Starter kennen. so richtig geht der Kampf in der Prosaerzählung erst los:

Slov ant GaliJeder gegen jeden (9)

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Serada hatte die Hauptkarte betrachtet. Sie hatte gelächelt. So also sollte sich ein künftiger Rauschiffkommandant auch zurechtfinden können? Was sie da sah, ließ sich im Kopf in eine 3D-Grafik umwandeln, in der man sich selbst sehen und bewegen konnte. Die Gedächtnisleistung war vielleicht etwas groß, wenn eine Störung eintreten sollte. Serada rollte sich von Deckung zu Deckung. Also sie lief schon aufrecht, aber sie bemühte sich, immer mit dem Rücken an einer Wand zu bleiben. Ihre schlanke Gestalt war da sehr hilfreich. An all den Durchgängen des langen Korridors, die aussahen, als stände der Einbau von Zwischentüren unmittelbar bevor, konnte sie sich wunderbar in einen der rechten Winkel davor drücken, ohne, dass sie ein lauernder Schütze hätte treffen können. So war dieses Spiel wohl auch gedacht. Und dass sie die eigene Aufregung beherrschen lernten. Die seltsame Anordnung des unübersichtlichen Gebäudes hatte eine wesentliche Eigenschaft. Schallwellen breiteten sich weit aus, kamen aber überall nur verzerrt an. Serada hatte trotzdem nur Augenblicke gebraucht, um sich an das eigene Schrittgeräusch zu gewöhnen und es zu dämpfen. Schwerer war schon die Überwindung der Ohrgeräusche. Die Anspannung ließ sie sofort den eigenen Herzschlag hören.
Wie weit kam man in zehn Minuten in einem solchen Labyrinth voran? Also wenn man schnell und wenn man nicht schnell sein wollte? Igor wollte nicht schnell sein, er wollte ja eigentlich auf sie warten. Aber er hatte die neun, sie die elf. Also war noch jemand zwischen ihnen. Da lag das Problem. Er hatte versprochen, ihr Pfeifsignale zu geben. Sie würden das Labyrinth gemeinsam bestehen. Mal sehen, ob sie dafür disqualifiziert würden. Das war ihnen beiden nicht als das Entscheidende vorgekommen. Viel wichtiger war, es zu überstehen. Einzelkämpfer war ja toll, aber doch nicht das Größte. Sie konnten darüber aber nur diskutieren, wenn sie praktisch gesiegt hatten. Und erst einmal ergab sich aus ihrer Absicht ein zusätzliches Problem. Zwischen ihnen jagte noch jemand seinem Ziel 1 entgegen.
„Kalinka“. Das war der Pfiff! Kein Gegner da. Stille.
Serada wunderte sich über sich selbst. Sie war fest überzeugt, die Herkunft des Pfiffes geortet zu haben. Er war aus dem Durchgang der viertnächsten Wohnung gekommen. Dazwischen lag noch viel Unübersichtliches. Längst konnte dort schon ein bewaffneter Kämpfer lauern.
Noch immer Stille. Wollte Ivan sie foppen oder nur ihr gemeinsames Risiko mindern … oder hatte sie sich getäuscht?
Serada entschied sich für die erste Variante. Wenn alle anderen Annahmen richtig waren, …
Wunderbar. Es war zwar nicht der Weg, de ihr zu ihrem Ziel 1 vorgeschrieben war, aber ein Versuch war es wert. Serada tauchte in die nächste Wohnung ein. Tatsächlich. Es war gar kein künstliches Licht, das da indirekt auch dem Gang seine gedämpfte Helligkeit schuf. Es gab ein Fenster nach draußen. Ehe Serada weiter übelegt hatte, war sie schon aus dem Fensterloch gesprungen und ihre Fußsohlen drückten hoch wucherndes Gras zur Seite. Ein besonnter Hof. Kein Hall. Summen, Zirpen.
In den nächsten vielleicht 200 Sekunden verfluchte Serada innerlich ihre Entscheidung mehrmals. Die Erfinder dieses Labyrinthkampfes hatten sich um den fußfreundlichen Boden in der simulieten Bauruine gekümmer; draußen aber lachten irgendwelche verborgenen Wurzeln auf kleine ahnungslose Raumschiffkapitänsanwärterinnenfüße, Steine usw. Schmerzhafte Härten schienen sich auf dem relativ kurzen Stück vorbei an den unbelegten Wohnungen. Endlich sah Serada Iwans nackten Rücken und das in Körperhaltung gegossene Gefühl des Mannes, zu wissen, wo und wie er auf sie zu warten hatte. Immerhin hatte er geduldig gewartet. Immerhin verkniff er sich jeden Laut, als ihn ein ausgerupfter Wurzelballen von hinten traf. Immerhin war er ganz offensichtliche Freude, so eine, wie wenn die ersten Überlebenden eines Grubenunglücks an die Oberfläche geholt würden.Er hatte sich einen Kuss verdient. Mochten sich doch die unsichtbaren Beobachter doch sonstwas denken.
„Deins zuerst.“.


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Diese "Gedichte des Tages" sind jedenfalls morgen zu erwarten:

Wirkt es zu einseitig, wenn zur Zeit die japanische Kurzform dieses Blog beherrscht? Als Ausgleich kann man sich dann eben an drei Senryus erfreuen:

Slov ant Gali: Senryū Nr. 65



Slov ant Gali: Senryū Nr. 66

Slov ant Gali: Senryū Nr. 67




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Mittwoch, 21. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1830

.Weiter mit der Mischung aus Bekanntem und Japanischem. Zuerst die Prosafortsetzung.

Slov ant GaliJeder gegen jeden (8)

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Das Gebäude, das der Schleuse folgte, unterschied sich von ihr durch die Wände. Sie waren aus teilweise bemaltem Beton. Immerhin war der Boden mit Kunstrasen bedeckt. Das war angenehm für die Fußsohlen, dämpfte Laufgeräusche und erleichterte das Hinlegen und Lauern an einem Punkt.
Bona hatte in der Hungerzeit vor der Schleuse lange überlegt, ob sie sich über ihre relativ ungünstige Startposition ärgern sollte. Sie war erst einmal links abgebogen durch eine Öffnung, die sehr wahrscheinlich nicht direkt zu ihrem Ziel 1 führte. Nun stand sie in einem leeren Raum, ging durch die nächste Öffnung. Wieder ein leerer Raum. Weiter …
Als ob sie eine Wohnung im Rohbauzustand besichtigte mit Zimmern, die Durchgangszimmer waren, vier Stück nacheinander. Das letzte führte wieder zurück in den Korridor, aus dem sie gekommen war. Die Räume waren unterschiedlich klein. Der größte, den Bona das Wohnzimmer taufte, maß höchstens 12 Quadratmeter. Wenn hier alle Wohnungen so gestaltet waren, konnte man sich hier wirklich tagelang unbemerkt verbergen. Die Zeit arbeitete dann gegen die, die sich gegenseitig abschossen.
Bona suchte mit den Augen Wände und Decken ab. Die heimlichen Augen der Wachenden entdeckte sie nicht. Es war aber logisch, dass sie da waren und Bewegungsmelder oder etwas in der Art waren eigentlich auch logisch, damit die Kameras nur in den Räumen aktiv waren, die nicht leer waren. Der Korridor war gemein gestaltet. Es war eigentlich ein langer gerader Flur, aber man lief immer wieder von Türöffnung zu Türöffnung, und hinter jeder konnte ein Gegner lauern. Der Gesamtplan enthielt Zeichen, durch die zu vermuten war, dass der erste Eindruck mathematischer Regelmäßigkeit trog, stattdessen Räume unterschiedlicher Art einander ablösten. Im Prinzip hätte Bona auch durch eines der Fensterlöcher steigen können. Sie hatte gesehen, dass die nicht nach draußen führten, sondern auf einen beleuchteten Hof. Ob sich das auf der rechten Seite wiederholte?
Dieses Lauern, wo wer sein könnte, zerrte an Bonas angespannten Nerven. In einem Gruselfilm hätte die Musik im Hintergrund dem Zuschauer verraten, dass es jetzt spannend wurde, aber hier knackte nichts, knarrte nichts und doch … Bona spürte es genau. Da war jemand …

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... und dann die Ankündigung der nächsten "Gedichte des Tages".

es war nicht so beabsichtigt, aber nun habe ich dn Beweis angetreten, dass das wagnis, aus einer kleinen gedichtfort eine wie heimisch wirkende drei-Strophen-Version zu formen, nicht unbedingt funktionieren muss ...

Slov ant Gali: Senryū Nr. 61


Slov ant Gali: Senryū Nr. 62 - 64






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Dienstag, 20. August 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1829

Wer auf einen weniger utopischen Text von einem anderen Autoren wartet, findet in Bälde "seine" Prosa. Heute auf jeden Fall noch einmal Bekanntes:

Slov ant GaliJeder gegen jeden (7)

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Tom hatte seine spezielle Vorbereitung auf das Labyrinth abgeschlossen. Er wusste, erst einmal drin, gewann man nur schwer einen Überblick über das Ganze. Tom wollte möglichst viele Fakten zur Entscheidungsfindung. Für das Gelände galten allerdings bis in die Gegenwart Regeln, die eigentlich vor Jahrhunderten abgeschafft worden waren. Dazu gehörte, dass es keine offiziellen Angaben über die Größe des Labyrinths gab. Auf Karten, die man sich besorgen konnte, war es Bestandteil der Umgebung. Da es mitten im Sperrwald lag, erschien es auf den Karten als Teil dieses Waldes. Der Sperrwald war zwar eigentlich längst nicht mehr gesperrt und für die angehenden Kadetten sowieso nicht. In ihm gab es mehrere Waldlaufstrecken, die intensiv genutzt wurden. Trotzdem kam man nicht bis an den Zaun heran. Tom hatte versucht, von den ausgetretenen Wegen abzuweichen und sich dem Rand des Labyrinthgeländes zu nähern. An einer mindestens vier Meter hohen Mauer war der Versuch dann zu Ende. Nun konnte es natürlich sein, dass nicht sofort dahinter das Labyrinth begann, aber Tom war zumindest sicher, dass ein Areal von fünf mal fünf Kilometern gegen die Außenwelt abgeschottet wurde. Wer immer darin gewesen war, machte aus seinen Erlebnissen ein großes Geheimnis. Nun hielt Tom wahrscheinlich eine Antwort in Händen. Auf dem Plan, richtiger: den beiden Plänen, die er der Kugel entnommen hatte, ergab sich, dass die gesamten 25 Quadratkilometer zu ihrem Kampffeld gehörten. Das Häuserlabyrinth lag an einer Seitenfläche und maß zwei mal zwei Kilometer. Hier war ein Kreuz eingezeichnet. Das war also sein Ziel 1. Der Zettel war quadratisch mit etwa 15 Zentimeter Seitenlänge. Also entsprachen drei Zentimeter einem Kilometer in der Wirklichkeit. Wobei es schwer sein würde, sich diese Strecke vorzustellen. Immerhin stellte der zweite Zettel den Ausschnitt um Ziel 1 dar. Hier fehlte aber jeder Anhaltspunkt, wie groß und wie genau diese Abbildung war. Es gehörte zur Leistung der Kandidaten, dies herauszufinden, und als Schwierigkeitsgrad war wohl angesetzt worden, dass die ersten es normalerweise nicht schaffen konnten, sich tatsächlich mit ihren Waffen am Eingang auf Lauer zu legen. Bei durchschnittlich 25 Teilnehmern im 10-Minuten-Takt schon viel. Die Unsicherheit waren natürlich die Wildcards, die ja mehrere Tage auf dem Gelände gekämpft hatten und sich schneller orientieren konnten. Von denen konnte der erste im Extremfall schon nach 30 Minuten als Heckenschütze lauern. Aber nur im Extremfall. Und der Umgang mit diesen Zetteln war ein Problem für sich: Das normale menschliche Denken war doch darauf getrimmt, Computerdaten zu deuten. Er hätte ein Programm gestartet mit der größten Deckungsgleichheit der Markierungsdaten. In Bruchteilen von Sekunden verglich so ein Computer jeden erdenklichen Maßstab und errechnete darauf aufbauend den optimalen Weg. Ein gutes Programm enthielt auch eine Fehlerwahrscheinlichkeitsrechnung, also wo am ehesten auf dem Plan eine Wand falsch eingezeichnet sein könnte.
Optimal für eine Gruppe, die das Labyrinth gemeinsam meisten wollte, wäre natürlich gewesen, sich gleich am Anfang noch nackt hinter der ersten Abzweigung oder Tür rechts zu verbergen. Alle Kandidaten, die dies nicht wussten, liefen vorbei. Die eigene Truppe aber würde alle Aufgaben gemeinsam lösen.
Oder eigentlich war das doch nicht optimal. Die Beobachter hatten die Sicherheit, dass eine wettbewerbsverzerrende Vorabsprache getroffen worden war. Wichtiger aber war, dass Bona die Startposition 18, Misty gar erst die 21 erwischt hatte. Das hätte geheißen, dass alle noch wehrlos nackt in Startnähe gehockt hätten, während die ersten Gegner mit Sicherheit bewaffnet ihre Taktik umzusetzen konnten. Die hätten sie wie Karnickel jagen können – gleich fünf Wehrlose auf einmal …
Moment …

Tom stand einen Augenblick starr da. Dass sie darauf nicht gekommen waren? Der eigene Plan war modifizierbar. Er, Tom, musste nur schnell an seine Waffe. Dann konnte er vielleicht noch die beiden Frauen abfangen und ein paar Kontrahenten gleich am Eingang aus dem Rennen werfen. Ta und Martin liefen ihm nicht weg. Die würden in ihrer Ecke lauern, bis er mit seiner Übermacht von drei Strahlern auftauchte. ...

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Bekannt ist auch, dass nun die "Gedichte des Tages" folgen:

Bei Jürgen Polinskes Gedicht  ohne Titel ist die toternste Frage: Ist es nun ein Sonett oder nicht. Tierisch ist es bestimmt ... und blutrünstig ... oder wie das heißt. Da kommte ich nur etwas besonders Trockenes dagegen halten:

Slov ant Gali: Senryū Nr. 60







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