Montag, 30. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1867

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Fillip, der Erdling (16)


Was wollten DIE wirklich? Einen Beteiligungskommunismus? Oder eher Macht und Kontrolle, während die dummen Erdlinge sich einbildeten, sie hätten selbst etwas zu bestimmen? Mit ihrem neuen Geld wären die Außerirdischen der heimlichen Weltherrschaft schon extrem nahe …
So viele Fragen und niemand, der sie beantworten konnte. Im Gegenteil: Bald würde die eigene Familie zu Hause eintrudeln und von ihm Antworten erwarten. Und er war sich nicht einmal über die grundsätzliche Fragen im Klaren: Sollten sie nun diese Invbasoren bekämpfen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Das hing natürlich eng mit der Frage zusammen, ob man den Fremden trauen sollte. Leider auch damit, ob er selbst wollte, was die da beschrieben. Das wiederum aber hing davon ab, ob er es überhaupt richtig verstanden hatte. Im extremsten Fall konnte seine Interpretation ein Übersetzungsfehler sein. Was verstand denn er von den Möglichkeiten dieser Außerweltler? Eigentlich war nur eines klar: Die Art, wie sie mit den Menschen umgingen, war entwürdigend. Wenn gerade eine Armee im Anmarsch war, die ersten Knoten der Weltmacht zurückzuerobern, dann hatten DIE DA es sicher verdient. Ob er, Fillip aber wollte, was danach käme? Die, die diese Armee befehligten, waren sicher schlimmer als die Fremden. Sie wollten garantiert nichts Anderes als die Macht. Andere unterdrücken. Aber es wären eben Menschen. Das würde die meisten anderen Erdenmenschen ausreichend überzeugen, dass sie besser wären als die Fremdlinge.
Jetzt, wo er eigentlich gar keine vernünftigen Informationen hatte, wurde ihm die gewaltige Macht erst bewusst, die der besaß, der Informationen formulieren und verbreiten konnte. Wahrscheinlich war die Lage in Berlin noch anders. Da machten vermutlich Gerüchte schneller die Runde. Hier draußen wusste eigentlich jeder, dass die anderen auch nichts wussten.


Unruhig scrollte und zappte Fillip durch das Gewirr von Fragen und Antworten, mit denen diese fremdartigen Erdweltverbesserer ihre Vorstellungen der künftigen Beziehungen auf der Erde verständlich zu machen versuchten. Träumer, schimpfte er, so etwas geht mit Menschen nicht …
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Und Lyrik folgt auch:

Zwischendurch ein "Sebastian-Deya-Tag":

Sebastian Deya: Ohne Worte


Sebastian Deya: Nur die Nacht weiß





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Sonntag, 29. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1866

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Fillip, der Erdling (15)


Was dachten sich diese Verrückten da? Also zumindest ansehen sollte er sich diese Demokratie-Glücks-net-Seite. Und diesmal funktionierte auch der Link.
Mehrere Abschnitte las er mehrmals, immer voll Zweifel, ob er sie richtig verstanden hatte. Er hatte den Ton abgestellt, schloss die Augen. Was schrieben die da? Jeder entscheidungsfähige Weltbürger bekäme eine nachprüfbare Identität im Weltnetz. Na gut, das war logischerweise etwas Anderes als die Gegenwart, in der er sich hinter mehreren gefaketen Aliassen verbarg. Mit eben dieser einen Identität bekäme er Zugang zu einer Art virtuellem Konferenzraum, in dem alle aktuellen Weltentscheidungsfragen beraten und entschieden würden. Er könnte also am heimischen Computer sitzen wie ein Abgeordneter im Parlament, mit dem Unterschied, dass er drei Tage pro Lesung Zeit hatte, um von einer Entscheidungsvorlage Kenntnis zu nehmen und seine Kommentare und seine Entscheidungsstimme abzugeben. Offenbar sollte das prinzipiell unbeschränkt zutreffen. Wenn er also mit darüber befinden wollte, ob ein französischer Fusionsreaktor abgerissen werden sollte, dann stände ihm das zu. Also mit zu stimmen und solche Forderungen selbst zur Abstimmung einzureichen. Im verrücktesten Fall hätte er also 24 Stunden am Tag vorm Computer sitzen und Weltregierung spielen können. Aber wer machte das schon? Zeitfonds, Bereitschaft und Interessengebiete begrenzten die Mitarbeit der Bürger auf natürlichem Weg. Und es waren mehrere Lesungen vorgesehen sowie ein Vetorechtsverfahren, damit beispielsweise nicht Auswärtige gegen die unmittelbar betroffenen Anwohner entschieden.


Fillip sah die anfängliche Bedrohung nun wieder mit ganz anderen Augen. Ja. Es stimmte. Er hatte mehr Zeit, als für ihn gut war. Gebildet genug, um zu verstehen, um was es bei vielen „Angelegenheiten“ gehen konnte, glaubte er auch zu sein. Und er versuchte, kritisch mitzudenken. Ja. Eigentlich qualifizierte ihn gerade sein Versuch, Widerstand gegen die Besatzer mitzuorganisieren, besonders dafür, sich in einer solchen „Weltregierung“ zu engagieren. Wenn er nichts übersehen hatte, wollten die Fremden aber letztlich alle Menschen der Erde in dieses System einbeziehen. Ob die das wirklich so gemeint hatten?


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Samstag, 28. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1865

.Beginnen wir wieder "normal" mit der utopischen Fortsetzungsgeschichte:

Fillip, der Erdling (14)



... Fillip hatte sich schon entschieden, die ominöse Adresse nicht anzuklicken, da merkte er, dass der Computer auf andere Befehle gar nicht reagierte. Eigentlich war ja es egal, wenn die Erde gerade eine Invasion Außerirdischer über sich ergehen lassen musste, unter welchen Umständen so ein Dorfcomputer seinen Gesit aufgab. Mit einer theatralischen Geste – hätte die jemand gesehen, hätte er den Kopf geschüttelt – öffnete er die angekündigte Mail:
„Wir wissen, wo Sie gestern überall waren und was Sie da gemacht haben. Geben Sie sich keinen Illusionen hin. Mit Versuchen, der neuen Ordnung gegenüber Widerstand zu leisten, bereiten Sie nur sich und denen, die Ihnen am nächsten stehen, unnötiges Leid. Studieren Sie lieber die Ihnen bekannte Adresse zur Demokratieerläuterung. Wir erwarten gerade von Ihnen als einem Menschen, dem die Geschicke der Menschheit so sehr am Herzen liegen, dass Sie bereit sind, dafür auch Risiken einzugehen, dass sie sich an der künftigen Weltregierung beteiligen. Wir werden versuchen, Ihnen die Fragen, wie diese funktionieren soll, zu erklären. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie noch in der nächsten Woche Ihre Teilhabeidentität erwerben und sich danach an ihrer Nutzung ausprobieren.
Ihre Gruppe Erdsicherheit“
Fillip erbleichte. Also doch! Ob sie ihn schon seit der Friedrichstraße verfolgt hatten? Und er hatte ganz unbedarft die Leute von deren „Sicherheit“ zu seinen alten Freunden geführt. Und jetzt konnte er sie nicht einmal warnen. Auch Flucht kam nicht infrage. Sicher verfügten DIE noch über andere Beobachtungstechnik als das Mitlesen von Kommunikation, die im Moment gar nicht möglich war, oder das Herausfiltern auffälligen Verhaltens auf einem Bahnhof. Was sollte er nur tun?

Auf die Idee, die Virusmail auf Konkretes im Text hin abzuklopfen, kam Fillip in seiner Aufregung nicht. Unter anderen Umständen, normaleren sozusagen, hätte er erwogen, dass es sich um eine Massenmail handeln könnte, die an jeden geschickt wurde, der Kontakt zu einer bestimmten Internetadresse gehabt hatte, ja, dass sie nicht einmal von geheimnisvollen Außerirdischen, sondern von Hackern mit schwarzem Humor hätte stammen können. Er kam auf solche Ideen nicht. Er las den Text noch einmal und blieb an dem Ausdruck „Weltregierung“ hängen. Er?! Das musste ein Irrtum sein. Immerhin aber ein interessanter. ...


.Als "Gedichte des Tages" steigen morgen in den Ring von "lyrik.over-blog.com":

Während Sebastian Deya "Vom alten Riesen" spricht, habe ich mir noch einmal die Wahlnachlese vorgenommen:

Slov ant Gali: Senryū Nr. 108


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Freitag, 27. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1864


Erst einmal ein Beitrag unter dem Motto "Wenn Freunde lesen":



Liebe Literaturfreunde,
ich möchte euch herzlich einladen:
Lesung und Gespräch, mit musikalischer Begleitung
im Salon KunstStücke Grunewald  Freitag18Okt. 20:00 Uhr
Einlass ab 19.30 Uhr - Eintritt frei
Trabener Str. 14b, 14193 Berlin, nahe S-Bhf. Grunewald
Voranmeldung erwünscht: Herr Kutt 8915124 / konrad@kutt.de

Oder – falls der Termin nicht passt -

Lesung und Gespräch
in der Ingeborg-Bachmann-Bibliothek - Mittwoch, 27. Nov. 19:00 Uhr
Nehringstr. 10, 14059 Berlin-Charlottenburg
Einlass ab 18:30. Eintritt frei
In Kooperation mit Freundeskreis der Stadtbibliothek und Kiezbündnis Klausenerplatz.
Moderation Dr. Wilfried Fest. Info 9029-24313 und 8211141.

Für die Lesung am 18. Okt. füge ich eine Einladung bei. Gebt sie gern an Freunde und Bekannte weiter! Danke.
Mit herzlichen Grüßen
Heinrich von der Haar
Zikadenweg 24, 14055 Berlin - 030.30612060 - Lesetermine: www.heinrichvonderhaar.de/Lesungen-TERMINE.htm
Das neue Interview: Der Idealist. In 8 Minuten ums Kottbusser Toryoutube


Weiter im utopischen Text:

Fillip, der Erdling (13)


... Fillip brauchte nicht lange zu grübeln, bis es ihm einfiel. Ungeduldig zappte er hin und her. Tatsächlich: Auf keinem der Programme war Werbung zu sehen. Das konnte allerdings auch der kurzen Zeit geschuldet sein, die Fillip beim Zappen auf jedem Sender verweilte. Allerding war er bisher spätestens nach vier Sendern auf eine Werbeeinblendung gestoßen.
Niemand hatte mehr Lust auf Fernsehprogramme. Jule und Max fiel entgegen jeder Erfahrung ein – und wie auf Stichwort beiden gleichzeitig – dass sie noch Hausaufgaben bis morgen hätten. Eine halbe Stunde später ging Fillip lauschen. Es war nichts zu hören. Er rief die Kinder leise, als wäre er gerade die Treppe hochgekommen. Als keine Antwort kam, öffnete er beunruhigt die Tür zu Jules Zimmer. Beide Kinder lümmelten angezogen auf Jules Bett und schliefen. Gabi und Fillip verzichteten auf das übliche Abendritual. Sie zogen die Kinder aus, was sie schon Jahre lang nicht mehr gemacht hatten. Zweimal testeten sie noch. Jule und Max schliefen so beunruhigend fest, dass Fillip nachts um drei aufwachte und besorgt noch einmal ihren Schlaf kontrollierte. Es hätte ja sein können, sie hatten zuvor nur so getan als ob ...
Fast wäre es Fillip lieb gewesen, hätte er gewusst, die Kinder waren krank und mussten behütet zu Hause bleiben. Aber der Freitag war sowieso ein besonderer Tag. An ihm brauchte Gabi nur vormittags im Büro anwesend zu sein.. Es sprach also nichts dagegen, die großen Kleinen die meiste Zeit rundum im Auge zu behalten, und Fillip blieb wie an den meisten Freitagen zu Hause.

Freitag, 25. Oktober, 9.10 Uhr.
Der Computer fuhr hoch. Fillip überlegte. Sollte er als Erstes versuchen, eine aktuelle Nachrichtensendung anzusehen oder testen, ob diese Glücksdemokratieseite nun funktionierte?
„Sie haben eine wichtige neue Mail! Bitte umgehend lesen!“

Diese Schrift flackerte über dem Startbild. Da das nicht den Einstellungen des Computers entsprach, war es ein Grund zum Erschrecken. Das war so etwas wie ein Virus, den er wohl am Vortag heruntergeladen hatte. Sein Schutzprogramm hatte versagt. Normalerweise wurde derart primitive Spampost sofort ausgefiltert. Die Frage war nur, ob er sich nicht erst genau dadurch, dass er den Anweisungen des Fremdprogramms folgte, seinen Schaden organisierte. Aber eigentlich hatte er doch nichts Anderes angesteuert als … die nicht funktionierende Glücksadresse! ...
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Auch heute wieder die "Gedichte des Tages" von morgen:

Gedichte dürfen alle Gefühle abgrasen, ob vernüftig oder nicht. In ihnen darf man auch einmal "glückliche Jugendzeit" mit bitterem Unterton sagen oder - wie es Sebastian Deya es ausdrückte - "Haltlos (2)" sein ...


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Donnerstag, 26. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1863

Weiter im utopischen Text:

Fillip, der Erdling (12)


... Fillip winkte ab. „Lass man. Ich seh´s ja ein.Aber ich habe eine Bitte: Gönnt mir etwas Zeit, zu beobachten, was sich durch diese Aliens verändert und wie! Ihr mögt ja eure Meinung schon gebildet haben. Aber ich nicht. Ich finde, es ist überhaupt nicht so einfach zu sagen, das ist so oder so. Ich finde es nur schlimm, dass sie uns überfallen haben, uns so gar keine Chance gegeben haben, selber zu entscheiden. Sollen wir unser Leben in die Richtung ändern, die die uns vorgeben? Das ist doch dermaßen fremd. Da muss man doch wenigstens drüber nachdenken dürfen! Nein, ich kann mir das Meiste nicht vorstellen, wie das funktionieren soll – und ich wüsste nicht, warum das bei euch anders sein sollte. Aber wollen wir es nicht wenigstens probieren? Lasst uns zumindest die angegebene Internetadresse mal angucken. ...“
Jule und Max sahen ihn abwartend an, als müsse noch mehr Erklärung folgen. Doch Fillip startete lieber wieder den Computer. Dann hätte er etwas vor sich gehabt, an das er sich halten konnte, zu dem er hätte sagen können, find ich gut … oder eben nicht. Doch der Computer gönnte ihm diese Möglichkeit nicht. An Stelle einer Seite mit Fragen und Antworten erschien auf dem Bildschirm die Meldung „Ups! Wir können http:demokratie.glücks.net nicht finden.“
„Kein gutes Zeichen, Fill. DIE finden keine Demokratie und Glück für uns erst recht nicht.“ Gabi sagte es eher traurig, so als hätte sie lieber Unrecht gehabt.

Auch das noch! Sie hätte ihm wirklich einmal beistehen können. Sie sah doch, wie schwer er sich tat, etwas zu erklären, was er nicht durchschaute, nur um zu verhindern, dass die Kinder Unvorsichtigkeiten begingen. Und das musste sie doch auch wollen! Schließlich gab Fillip auf. Er klickte zum Fernsehprogramm. Vielleicht klärten die Nachrichten die Frage auf, warum diese Außerirdischen eine Internetadresse verbreiteten, die es nicht gab. Doch diesmal sendeten alle Sender wieder ein Programm, als gäbe es die Invasion nicht. Vor allem: Nirgendwo lief eine Nachrichtensendung, dafür Filme, Sport, eine Natur-Doku. Irgendwie wie bis Dienstag, so auf unpolitisch getrimmt, und irgendwie auch wieder nicht. Etwas fehlte … Fillip brauchte nicht lange zu grübeln, ...
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Vergessen wir die Lyrik nicht:

So ist das Leben: Aus der Ferne schickt uns Sebastian Deya"kampferische Grüße nach berlin-hellersdorf", während Brunhild Hauschild aus ihrem Kamelhöcker zumindest in ihrer "Vorstellung" Optimismus tankt. Vielleicht aber heißt das nur, dass wir welchen brauchen ...

Mittwoch, 25. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1862

.Weiter im utopischen Text:

Fillip, der Erdling (11)


... Das Ergebnis zählt. Am liebsten hätte er seine Freunde zurückpfeiffen wollen. Lassen wir den Fremden ihre 100 Tage.
Aber nun? Das erste Ergebnis für ihn wäre unter Umständen, dass er mit einem unbezahlbaren Darlehen arbeitslos auf den Rauswurf aus seiner Naturidylle warten müsste. Denn wenn er auch nicht alles verstanden hatte, dass es weiter Geld geben würde, hatten SIE unmissverständlich verkündet. Und wenn sie die Guthaben wegschmelzen würden, so würden sie doch bestimmt die Schulden lassen – und ihre Schulden lagen sowieso unter 200000 Dollar, umgerechnet … Oder noch nicht? Die neuen Diktatoren zerstörten also auch seine Existenz, und wer wusste, was sie als Alternative zu bieten hatten. Es war also richtig, dass er sich spontan entschieden hatte, etwas gegen DIE zu tun.
„Na, erstmal brauchen sie zuverlässige Menschen, die das alles händeln können. Wer sich da bewährt, bleibt auch. Und du wolltest doch nicht bis zur Rente immer dasselbe machen.“
Das war nicht das, was Fillip hatte sagen wollen. Aber war nicht das Wichtigste für den Moment, Gabi zu trösten, es ist alles nicht so schlimm zu sagen?
„Bloß weil du zu Hause rumhängst, muss Mutti nicht auch nutzlos werden.“
Im letzten Moment hielt Fillip sich zurück. Beinahe hätte er Max eine Backpfeife gegeben.
„Na, ist gut, dass ich auf diese Weise endlich erfahre, was du von mir hältst ...“

„Papa .. 


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Weiter mit den nächsten Gedichten:



Wie hieß nochmal der Werbeslogan eines als Partei verkleideten Mandatsbeschaffungsprogramms ("Hartz 666")?
"Das Wir entscheidet!"
Dies möchte ich hiermit zum ernsten Gegenstand von "Dichtung machen ... und sei es in Vorbereitung auf "Republiksfeiertage" ...

Slov ant Gali: Senryū Nr. 113


und "History?"

Dienstag, 24. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1861

Vergessen wir die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl, schauen wir darauf, was uns die "höhren Wesen" aus dem All bringen:

Fillip, der Erdling (10)


... Eine Menschheit gäbe es gar nicht. Es gebe nur verschiedene Völker. In Deutschland würde sicher nichts entschieden. Die Deutschen seien gehorsam und fleißig, egal ob gegenüber irgendwelchen Geldsäcken, einem Zentralkomitee oder einem Kaiser. Aber andere Völker brauchten nur einen, der ihnen „Generalstreik!“ zuriefe, schon ständen die im Demozug gern vor ihrer Fabrik. Und wenn man DIE ins All zurückstreikte, würde ihnen der Appetit schon bald vergehen. Es sei sowieso egal, was wer politisch verkünde – in der Praxis seien alle gleich. Immerhin hatte er die Idee einer konspirativen Infokette durchgesetzt.
Gabi saß da, noch blasser als sonst, und starrteden Bildschirm an, als habe gerade jemand verkündet, ihr ganzes Leben sei mit sofortiger Wirkung enteignet. Sie wirkte auch nicht so, als wäre sie Argumenten aufgeschlossen. Ihre Gedanken schienen weit weg zu sein.
Fillip betrachtete seine Frau unauffällig. Entsetzt merkte er, dass er sich nicht vorstellen konnte, was jetzt in ihrem Kopf vorging. Waren sie einander denn so fremd geworden? Wenn er seine Probleme mit den Kindern dazuzählte, war die Familie wohl schon auseinandergerückt. Dazu passte, wie Max „Dann suchst du dir eben was Anderes“ sagte. Er hatte sicher trösten wollen, aber der Tonfall kam Fillip so unbeteiligt vor, als wollte er sagen, du kannst Probleme haben ,,, komm mal zu uns in die Schule!
Wahrscheinlich liefen Fillips ersten drei Freunde zu deren Freunden, um sich darüber zu verständigen, wer wie wem Bescheid sagen sollte, wenn was passierte. Und es würde so eine Art illegalen Parteitag geben. Das war ihm aufgefallen: Die da was machen wollten, waren alles politisch Linke gewesen. Na gut, das musste nicht unbedingt daran liegen, dass die besonders widerständig waren, sondern auch daran, dass er von früher noch mehr Freunde aus linken Kreisen hatte. Schon wieder nahmen Dinge ihren Lauf, von denen Fillip hauptsächlich eines merkte: Er überblickte sie nicht.

Als es heute losgegangen war mit den verkündeten Maßnahmen, hatte Fillip noch gedacht, ja, eigentlich eine gute Sache. Die bringen uns eine Gesellschaftsform, die wir selbst so wohl nicht auf die Reihe bekommen hätten. Die Methode war Scheiße, aber wenn etwas geklappt hat, wer fragt dann nachher nach den Methoden? ...
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Und was bringen uns die "Gedichte des Tages"?


Hiermit beantrage ich bei der zuständigen UNO-Unterorganisation (UNESCO?!), den heutigen Tag als "Tag der in seiner Eitelkeit angekratzten und in seinem Selstbewusstsein aufzuwertenden Dichter anzuerkennen ("Tag des eingebildeten Dichters"). Dazu folgende Anlagen:

Slov ant Gali: Senryū Nr. 114





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Montag, 23. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1860

.Nun setzen uns die Außerirdischen aber richtig zu:

Fillip, der Erdling (9)


„... haben das Eigentum an Geldinstituten aufgehoben. Dies gilt für Banken ohne Ausnahme und Versicherungen, soweit sie Bankgeschäften vergleichbare Geschäfte betreiben. Vorübergehend bestehen auch keine privaten Eigentumsrechte an Betrieben aller Art. Für diese ist aber auf Antrag unter bestimmten Bedingungen eine private Weiterführung möglich. Hierfür werden in den nächsten Tagen detaillierte Prüfregelungen bekannt gegeben. So wird nachzuweisen sein, dass die Eigentümer im und für ihren Betrieb eine notwendige Aufgabe erfüllt haben und erfüllen werden, dass der Besitz insgesamt eine bestimmte Größe nicht überschreitet und so weiter. Finanzielle Transaktionen jeder Art über Einzelbeträge von mehr als 200000 Dollar sind nichtig. Der Versuch ist strafbar. Dem gleichgestellt sind Transaktionen, die innerhalb eines Kalenderjahres den Gesamtbetrag von 200000 Dollar übersteigen. Die Gelder werden zugunsten der Erdgemeinschaft entschädigungslos eingezogen.
Allen Erdenbürgern wird empfohlen, die Beantragung ihrer Teilhabeidentität mit der Klärung ihrer Vermögensverhältnisse zu verbinden. Mit Wirkung zum 1. Januar wird ausschließlich die nunmehr in Umlauf kommende Weltwährung Erd zulässiges Zahlungsmittel sein ...“
Im Hintergrund sah man zwei überdimensionale Geldscheine und die Schrift „1 Erd = 100 Lands = 2 US-Dollar.
„... Zwischenzeitlich besteht die Möglichkeit, ein Erdbankkonto mit Beträgen von bis zu 100000 Erds zu füllen und das entsprechende Guthaben zu nutzen. Mit Wirkung vom 1.1. nächsten Jahres sind alle anderen Konten gesperrt. Über ihre Umwandlung in ein reguläres Erdbankkonto werden gesonderte Regelungen erlassen. ...“
Es folgte der Wetterbericht.
Gabi griff nach der Fernbedienung. Schon unter normalen Umständen war es ein irritierendes Gefühl, nach dem Ende der Bilderdusche vor dem grauen Bildschirm zu sitzen. Die Stille kam Fillip immer bedrückend laut vor, und er brauchte einen Moment, um sich innerlich und äußerlich aufzurichten und die üblicherweise letzten Handgriffe des Tages zu beginnen. Diesmal jedoch schallte Gabis Stimme ins Zurückfinden in das kleine Zimmer hinein: „Dann werde ich ja auch noch arbeitslos.“

Fillip trafen die Worte wie ein unerwarteter Peitschenhieb. Bis vor wenigen Sekunden hatte er sich hin und her gerissen gefühlt. War es vielleicht doch nicht so eindeutig klar, dass man alles unternehmen musste, um die fremde Besatzungsmacht zu vertreiben? Diesen Standpunkt hatte er für sich selbst überraschend leidenschaftlich in allen Gesprächen des Tages vertreten. Wie war er von Mirkos Antwort entsetzt gewesen. Die würden an dem Riesenbrocken, den sie da verschlingen wollten, von ganz allein ersticken. Aber lief Wilfrieds Meinung nicht fast auf dasselbe hinaus? ...

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Alltäglicher klingen da die "bevorstehenden" "Gedichte des Tages":
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Wann sind wir eigentlich " erwachsen"? Vielleicht, wenn wir über Bäume philosophieren und dichten?

Slov ant Gali: Senryū Nr. 112


Gut ... manche werden nie erwachsen ...

Sonntag, 22. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1859

.Im Augenblick nerven die Wahlprognosen: Wie rechtslastig wird unsere Regierung? "Nur" klassisch mit den Unchristlichen oder schlimmer?
Da könnte man sich ja wirklich eine Invasion Außerirdischer wünschen, die einmal richtig aufräumen:

Fillip, der Erdling (8)


Schon waren Bild und Ton da. Noch bevor Fillip die gesprochenen Worte wahrnahm, registrierte er unterbewusst, dass er bewegte Bilder sah. Er kam allerdings nicht mehr dazu, zu erfassen, worum es in dem Clip gegangen war, denn es wurde in ein Nachrichtenstudio umgeschaltet. Die Sprecherin darin hatte keine Ähnlichkeit mit der vom Mittwoch. Sie war aber, zumindest nach ihrer äußeren Erscheinung, ein Mensch.
„ … erklärte, dass es in den früheren Erdstaaten häufig eine ungeschriebene Regel gäbe, neu im Amt befindlichen Regierungen eine Art Schonfrist von 100 Tagen einzuräumen, innerhalb derer sie sich praktisch einarbeiten könnten. Während dieser Zeit sollte von einer verallgemeinernden Beurteilung der praktischen Politik noch abgesehen werden. Wir erlauben uns, diesen Zeitraum auch für unsere Maßnahmen zu beanspruchen. Er ist als Übergang unumgänglich.
Wichtigste Maßnahme, die jeden entscheidungsfähigen Erdmenschen in gleichem Umfang betrifft, ist die Einführung identifizierbarer Entscheidungsteilhabe. Verkürzt ausgedrückt heißt dies, dass jeder Erdenbürger ein Personaldokument beantragen kann, mit dessen Hilfe er die Weltkommunikationsfreigabe einer ihm zuzuordnenden internetfähigen Anlage erwirken kann. Mittels dieser Anlage wird jeder identifizierbare Erdenbürger an der unmittelbaren Entscheidungsfindung über alle ihn berührenden Gemeinschaftsfragen mitwirken und entscheiden können. Wir haben zur Kommunikation über alle Details und die praktische Umsetzung dieser Maßnahme die Internetadresse demokratie.glücks.net freigeschaltet. Natürlich erhalten Sie die grundlegenden Informationen in den nächsten Tagen auch als sogenannte Postwurfsendung, jeweils verbunden mit den für Sie zutreffenden Adressen, an denen Sie Ihr Personaldokument erhalten, sowie Servicenummern für eventuelle individuelle Vorberatung ...“

Was immer davon zu halten war, es klang sehr gestelzt formuliert. Da würden die unbekannten Besatzer noch viel lernen müssen. Fillip grinste böse. Gerade noch rechtzeitig riss er sich zusammen. Er musste sich konzentrieren. Ihm stand eine Familiendebatte bevor und da sollte er zumindest das wissen, was die anderen wissen konnten. Und er musste auf jeden Fall verhindern, dass sich in den kommenden Tagen jemand auffällig benahm. Er hatte ja eben erst die ersten Kontakte für einen Untergrundwiderstand gegen die Eroberer geknüpft. Er hatte sich solche Mühe gegeben, alle leicht zu überwachenden Medien zu meiden. Sollte er sich durch die Dummheit seiner Kinder die Außerirdischen oder, was wahrscheinlich noch schlimmer wäre, übereifrige schnell angepasste Menschen ins Haus holen?! Wurden die Kinder erst einmal bei einer Sabotage oder so etwas aufgegriffen, würden natürlich die Eltern genauer „unter die Lupe genommen. Dann konnte er Kontakte zu einem ernsthaften Widerstand vergessen. Es fand sich doch immer so ein Unterwürfiger, der sich durch besonders viel Eifer einem neuen Herrn anzudienern versuchte …


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Oder sollen wir lyrisch so tun, als wäre alles in Ordnung? "Gedichte des Tages" nach dem Wahltag:.


Na, wer hat daran gedacht: Uschi Gressmann ist wieder ein Jahr jünger geworden ... oder wie man hinter vorgehaltenem "Engelsflügel" so flüstert. Jaja, woran man alles denken sollte ...Dabei sollte "man" vielmehr aneinander denken - also so richtig! Na da habe ich doch frech und dilletantisch einen "Rat ... Gefunden" ... und es ist wohl leicht zu erraten, was der erste Gedanke war beim Schreiben und was der zweite ,,, 

Samstag, 21. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1858

Immer noch läuft die Alien-Invasion auf der Erde:
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Fillip, der Erdling (7)



... Sie schrak überrascht zusammen von dem Redeschwall, der aus den Worten „Na, die werden sich freuen, wenn wir da auftauchen“ bestand. Noch hatten sie eine knappe halbe Stunde Zeit, bis die Kinder aus dem Schulhaus Richtung Bus kommen würden. Fillip wollte sich gerade bequem zurücklehnen, als Gabi rief: „Hey, guck mal! Sind sie das nicht?“

Tatsächlich verließen gerade vier Schüler das Schulgelände und die beiden Wegerichkinder waren unter ihnen. Dass plötzlich ein Auto hinter ihnen hielt und die Namen Jule und Max gerufen wurden, hatte zwei Wirkungen. Die beiden anderen, die Fillip nicht erkannten, rannten los, als ginge es ihnen an den Kragen, seine eigenen Kinder aber standen wie schockgefroren still. Doch Fillip sprang aus dem Wagen, lief die paar Schritte und legte die Arme um sie.
„Na, die Überraschung ist uns gelungen, was? Schön, dass es geklappt hat ...“
Jule zeigte den Schreck nur kurz, in Maxens Gesicht stand noch lange das Gefühl geschrieben, erwischt worden zu sein. Doch Fillip plauderte drauflos über den glücklichen Zufall und das sie sich spontan überlegt hatten, dann müssten doch Jule und Max nicht auf den Bus zu warten. Allmählich gelang es ihm, den Gedanken vollständig abzuschütteln, das frühzeitige Verlassen der Schule durch die vier Schüler könne etwas mit den Außerirdischen zu tun haben und sie als Eltern hätten etwas bemerkt oder gar vorhergesehen. Er tat auf der Fahrt auch so, als fiele ihm nicht auf, dass die Kinder weiter ungewöhnlich wortkarg blieben

Und zu Hause erwartete die Kinder schon die nächste Überrumpelung. Das Hoftor war kaum geschlossen, da erklärte Fillip in einem – wie er hoffte – wie beiläufig klingenden Plauderton, als wäre ihm das gerade eingefallen: „Wisst ihr was? Bevor sich jeder an seine Pflichten macht, wollen wir doch mal zusammen horchen, was es draußen Neues gibt. So ein Tag und ohne Nachrichten … Also es ist richtig komisch, zwischen all den Leuten zu sein und nichts zu erfahren.“
Er wartete nicht ab, bis sich Jule und Max eventuell mit Blicken verständigt haben konnten und einer von ihnen eine Entschuldigung gefunden hatte. Während der Computer hochfuhr, rief er den anderen zu: „Nu, setzt euch doch! Wir hätten schon früher zusammen Nachrichten sehen sollen und nachher darüber quatschen. Aber jetzt lohnt es sich besonders ...“
Jule sah auf den Teppich herunter, als erwartete sie ein nachgeschobener Beitrag zur sexuellen Aufklärung. Es war aber keine Ausrede in Sicht, sich dem Angedrohten zu entziehen. ...
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Die nächsten "Gedichte des Tages" werden folgende sein:

Pünktlich zur Bundestagswahl verkündet Roger Suffo, er sei "nicht verstummt". Da kann man ihm sicher nicht mit einem kleinmütigen "Gärtner-Ich" kommen ...



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Freitag, 20. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1857

Und ewig ruft das Prosatier ... oder wie hieß das?

Fillip, der Erdling (6)


... Am Donnerstag um 15.30 Uhr saß Fillip neben Gabi im Wagen. Sie hatten wenig gesprochen, das heißt, eigentlich hatte nur Gabi erzählt von ihren Eindrücken im Büro und ein gelegentliches „Hm ...“, „Ach ja?!“ oder „Sooo?!“ genügte ihr als Fillips Konversationsbeitrag.
An Fillip rasten noch die vielen Kurzgespräche vorüber, mehrere Mittagspausen und die Gespräche, die nicht stattgefunden hatten. Die Behauptung mit dem T-Virus wurde wie die entscheidende Frage, ob man etwas gegen die Invasoren tun sollte und wenn ja, was, ganz unterschiedlich bewertet. Mehrheitlich hatten es seine alten Freunde für einen Bluff gehalten – entweder, weil ein solches Virus so wahrscheinlich nicht möglich sei oder weil in einem Krieg immer gelogen würde und das sei die ideale Lüge, um Widerstand abzuwürden, der ja hoffnungslos wäre bis hin, dass Intelligenzen mit so hohem Stand der technischen Möglichkeiten auch ein vergleichbares moralisches Niveau haben würden. So war die Mehrheit auch der Meinung, die Besatzer müssten und könnten verjagt werden, eben weil sie eine außerirdische Besatzungsmacht, Diktatur und Fremdherrschaft wären – aber auch, weil eine einheitliche Menschheit, die diese Fremdherrschaft verjagte, vielleicht der Beweis sein konnte, dass die Menschen ihre Probleme gemeinsam lösen konnten. Irgendwie überzeugte keine Argumentation in ihrer Logik. Das war Fillip besonders dadurch aufgefallen, dass er Argumente, zu denen er beim vorigen Mal gesagt hatte, so könne man das nicht sehen, gegenüber dem Nächsten als die seinen ins Feld geführt hatte. Ein Glück, dass keiner seiner alten Freunde von seiner Schlitterei erfahren würde. Die Unlogik, dass jemand diejenigen verjagen wollten, die das durchsetzen wollten, was er selbst einmal vergeblich angesteuert hatte, war schlimm genug, war aber wenigstens entschuldbar: Bisher ist nie vorher verraten worden, mit welchen wirklichen Zielen eine Macht angetreten war. Übrig bleib allein die Eroberung.

Fillip merkte, dass er weder Gabi richtig zugehört hatte noch in seiner Grübelei zu einem vernünftigen Schluss gekommen war. Wenigstens war genug Verkehr, dass Gabi sich auf den konzentrieren musste, während sie sich den Tagesstress herausplauderte. ...



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Die Gedichte des Tages in der Vorschau:

Gunda Jaron schrieb "Angelo mio" - und es kein Beitrag zu Liebe mbH, weil die Vorbereitungen abgeschlossen sind.
Aber freuen wir uns: Sie weilt "unter Lebenden" ... und Schreibenden ...

Donnerstag, 19. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1856

Nach kurzem Atemholen also weiter mit der brandneuen Prosa im Entwurfsstadium:

Fillip, der Erdling (5)


... Letztlich blieb ihm nichts übrig, als Gabi sein spitzbübische Grinsen zu erklären – also seine Befürchtungen und dass er hoffte, mit seinem Trick die Gefahr abgewendet zu haben, ohne mit Verboten oder Ähnlichem gekommen zu sein, die zumindest er an Maxens Stelle mit aller Rafinesse zu umgehen versucht hätte ...

Donnerstag, der 24. Oktober, 10.24 Uhr. Fillip stand auf dem S-Bahnsteig Friedrichstraße Richtung Alexanderplatz. Er lächelte, atmete tief durch. Bisher war alles reibungslos gelaufen. Die Familie war erst einmal an Orten abgegeben, an denen keinem etwas passieren konnte ... in den nächsten Stunden zumindest.
Vielleicht waren schon Panzer oder Eliteeinheiten oder was auch immer unterwegs, der Ring um die Hauptstadt schloss sich gerade und der Sturm stand unmittelbar bevor. Verdammte Nachrichten. Alle waren auf bestimmte technische Übertragungswege angewiesen. Waren die gekappt, gab es einfach keine. Meldeten diese Außerirdischen Freudenfeste in allen Hauptstädten der Welt, dann gab es eben überall welche, wenn auch in diesen Städten selbst niemand dabei gewesen war.
Eine S-Bahn kam in Sicht. Fillip musterte die Passanten auf dem Bahnsteig. Jetzt fiel das nicht auf, weil er ja in Richtung des sich nähernden Zuges sah.
Also wer nicht wusste, dass die meisten der Leute sich auf jeden Fall innerlich mit dieser Sensation beschäftigten, viele gerade darüber gesprochen hatten, vielleicht immer noch darüber sprachen, man hätte glatt denken können, es wäre ein normaler Vormittag und man strömte zwischen Kauf- und Schaulustigen, Dienstreisenden und Touristen und Menschen mit den vielen unterschiedlichen Zielen und denen ohne Ziel weiter.  

So. Einsteigen.
Hatten die drei Jugendlichen da nicht gerade konspirativ die Köpfe zusammengesteckt? Oder die beiden Pärchen ... Hatten die nicht einen Blick zu viel in ihre Umgebung geschickt, ob jemand dicht genug stand, um ihrem Gespräch zu lauschen? Wem wurde gerade bewusst, dass er ja immer beobachtet worden war? Nun saßen wahrscheinlich DIE an den Monitoren und stellten ihre Überlegungen an, ob da zwei Menschen die noch nicht ganz erloschene Freude an der vergangenen Liebesnacht austauschten oder einen Bombenanschlag vorbereiteten. Aber wer sagte einem denn, dass DIE nicht gerade neben oder hinter einem standen? Vielleicht konnten DIE auch menschliche Gestalt annehmen. Wusste man ´s? Man hatte ja schon so einiges gelesen …
Und wieder aussteigen. Alexanderplatz.
Ein Ort, an dem man zwischen 1000 Menschen auf einem Hektar Fläche das Alleinsein feiern konnte. Fillip sah sich um. Also sollte man ihn beobachten, so bemerkte er es jedenfalls nicht. Er zückte seinen Zettel, auf dem genau festgehalten war, wen er in welcher Reihenfolge besuchen wollte und wo. Sollte einer von denen gerade nicht da sein oder in ein längeres dienstliches Gespräch verwickelt oder aus anderen Gründen an einem kurzen Gedankenaustausch gehindert, müsste er ihn überspringen, damit er bis zum Treffen mit Gabi die meisten Kandidaten für diese private Meinungsumfrage erreicht hätte. Anrufen wäre natürlich effektiver gewesen. Sich nach einer Mail anrufen lassen, wenn die anderen zum Telefonieren frei waren, noch besser. Aber so etwas war eben nicht drin. Irgendwie zum Kribbeln. Als seinerzeit die Weltkriege waren, hatte es kein Internet gegeben, um Massentreffs zu organisieren, und die paar Telefone, die es gab, wurden damals wohl auch schon abgehört, wenn auch anders. Trotzdem hatten sich die vielen Aktiven zu Revolutionen zusammengefunden. Ob das neu erlernbar war? Oder waren die Leute nur noch in der Lage, bei Facebook unter „Veranstaltungen“ einzusetzen „Sonnabend, 14.00 Uhr, Alexanderplatz“, Name der Veranstaltung: „Revolution“. Besondere Merkmale: „Individuelle Bewaffnung mitbringen“. Einladung an Freunde und Freunde von Freunden. Und dann würde man eben sehen, wer am Samstag, 13.55 Uhr auf dem Alexanderplatz mit individueller Bewaffnung stand?! ...


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Und wir können schon sehen, was morgen unbewaffnet in den "Gedichten des Tages" steht:

Sebastian Deya hat noch mehr kurz gefasste Gedichtgedanken zu bieten. In "haltlos" kehrt er den negativen Unterton dieses Wortes einfach um.
Das 

Slov ant Gali: Senryū Nr. 111


  ist natürlich nur dann verständlich, wenn man das Verhältnis zwischen Goethe und Eckermann kennt. Hier müsste reichen, dass das Genie den Anderen  ... ausgenutzt hat ...

Montag, 16. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1855

.Mitunter kommt es eher auf die Idee an:

Fillip, der Erdling (4)


... Es kam ganz anders. Fillip hatte erwartet, dass ihm verstörte Kinder entgegengelaufen kämen und er würde sie in die Arme schließen und ihnen im Angesicht der offensichtlichen Weltkatastrophe seinen Trost und seine Erklärungen schenken. Er hatte sogar die ersten Sätze wie vor einem großen Auftritt erwogen, verworfen, neu formuliert. Er hatte bemerkt, dass er gar nicht so genau wusste, was er am besten zu der Sache sagen sollte, doch dass Max ihn mit einem vorpubertären „Komm lass!“ zurückweisen, Hand in Hand mit seiner Schwester nach oben gehen und zehn Minuten später wiederkommen und brüllen würde, „Wir sind mal kurz bei Timmi!“, war schon eine unerwartete Enttäuschung. Hatte er etwa den Zugang zu seinen Kindern verloren? Sie waren ja sonst immer mit allen Problemen zu ihm gekommen … zumindest dachte er das.
Also Kuchen wieder eingepackt. Abendbrot in der Küche vorbereitet.
Dass gerade solche Routinehandgriffe den Gedanken Raum zum freien Treiben ließen, war diesmal kein Grund zur Beruhigung. Ganz unbeabsichtigt verfingen sich diese Gedanken nämlich an einer Frage: Was hätte er an Maxens Stelle getan. Zwar schummelte ihn die Fantasie dabei zwei Jahre älter, also mit Jule gleich, aber seine Antwort war recht klar: Er hätte seine Bande zusammengetrommelt und erste Angriffe auf Stützpunkte des Gegners ausgeheckt. Und ihm wären einige Ideen gekommen, die zumindest als Idee wenig kindlich geklungen hätten. Also zuerst hätte er wohl Verkehrswege unterbrechen wollen, irgendwas, um Züge zum Entgleisen zu bringen oder Steine von der Brücke über der Autobahn werfen oder … nein, doch vielleicht eher dorthin, wo er die bösen Fremden sehen konnte. Ja! Nach Berlin!
Natürlich wäre er dann auch jedem Gespräch mit den Eltern aus dem Weg gegangen …
Nein, er würde keine Moralpredigt halten …
Aber vielleicht gab es schon Neuigkeiten? Mal sehen, was das Fernsehen bot.
Nein. Nachdem Fillip den Fernseher wieder abgeschaltet hatte, verlief der Rest des Tages fast gar nicht dem Weltereignis angemessen. Na gut … mit kleinen Abweichungen. Max fragte, ob er „diesmal“ bei Jule im Zimmer schlafen dürfe, und die Antwort, wenn sie denn einverstanden sei, wurde etwas sehr schnell mit einem lauten „Ja!“ quittiert. Aber eigentlich war Fillip das sehr recht. Jule war schon seit vielen Jahren die Vernünftige, die alles ruhig Bedenkende, im Zweifelsfall eher Zögerliche. Wenn jemand Max praktisch von Unbedachtem abhalten konnte, dann war das Jule. Dass die beiden inzwischen eigene Zimmer hatten, lag weniger an den beiden als an den Cliquen, die sie mitbrachten und die wohl sehr gestichelt hatten.
Aber jetzt … Es hatte nichts geholfen. Fillip war eine Stunde nach dem „Gute Nacht!“ lauschen gegangen, er hatte sie intensiv flüstern gehört, aber eben so leise, dass er nichts verstand.
Gabi hatte nichts Neues mitgebracht. Sie kannte die Dauermitteilung. Gesehen habe sie keine Außerirdischen, aber auch keine Menschenansammlungen oder Bewegungen von Militär oder Ähnliches. Sie habe aber auch nicht gewagt, „irgendwo reinzugeraten“.
„... Und morgen wirst du dich benehmen wie sonst auch immer! Du machst deine Arbeit, deine Pausen und alles, als wär nichts!“
„Aber ...“
Nein, du lässt mich sonst auch nicht ausreden. Ich weiß ja, was du sagen willst. Ich muss dir aber einen Vorschlag machen: Wir, verstehst du: wir bringen die Kinder morgen zur Schule. Ich weiß, das ist ein Umweg, aber es ist das Sicherste, ich gebe sie persönlich bei ihren Lehrern ab und gebe denen gleich noch einen Tipp, dass sie nachmittags ein Extra-Auge auf die Kinder werfen. Du fährst dann über die Autobahn weiter und nimmst mich nach Berlin rein. Ich seh´ zu, was ich da alles schaffe. Und dann versuche ich dich von Arbeit abzuholen. Sieh zu, dass du vielleicht etwas früher los kannst. Überstunden zum Abbummeln hast du doch genug. Dann können wir vielleicht die Kinder überraschen und sie müssen nicht auf den Bus warten. Dann freuen sie sich … hoffentlich. Deshalb hab ich auch nichts gesagt. Nicht dass sie auf die Idee kommen, wir wollten sie nur von Dummheiten abhalten ...“ ...



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Es fehlen also noch die "Gedichte des Tages", die noch einmal der Bundestagswahl gewidmet sind:

Als Hanna Fleiss dieses Blog noch mit Gedichtbonbons versorgte, war auch "Wutbürger" dabei. Damals sagte ich mir, das sollte man zur Wahleinstimmung aufheben. Zu jenem ereignis ist mir gerade etwas eingefallen, was weniger Kundige wohl für ein Haiku halten könnten:

Slov ant Gali: Senryū Nr. 109


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Sonntag, 15. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1854

.Sicher wird es an dieser Geschichte noch viele Änderungen geben, bevor sie vielleicht wirklich in die Sammlung "Der lebende See" aufgenommen wird:

Fillip, der Erdling (3)


... „ … liegt das Schicksal aller Erdenbewohner am Herzen. Glauben Sie mir, dass es auch unter unseresgleichen einige Wesen gab, die mit evolutionärem Wohlwollen weiter die Selbstvernichtung der Menschheit verfolgen wollten. Unsere durchschnittliche Lebenserwartung liegt zur Zeit bei 450 Ihrer Jahre. Unsere Prognoserechnungen hatten alle gemeinsam, dass die Masse der wandernden Literer nicht nur das Aussterben der Menschheit miterleben würden, sondern sie im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Fähigkeiten am darauf folgenden Terraforming beteiligt sein würden. Hier aber liegt unser Problem: Über den Grad der Irreversibilität der Zerstörung der Lebensbedingungen auf der Erde konnten keine ausreichend gesichert erscheinenden Aussagen gemacht werden. Die Szenarien, die eine ausreichende Wahrscheinlichkeit aufweisen, auf welche Weise das vorhandene Gesamtleben auf der Erde dauerhaft minimiert worden sein würde, überlagerten sich teilweise, ergänzten einander, hoben einander auf. Leben kann nur einmal sterben. Wenn eine Hafenstadt durch Atomwaffen ausgelöscht wurde, ist es müßig darüber zu diskutieren, ob sie in Folge der selbst verschuldeten Klimaveränderungen 20 oder 40 Jahre danach sowieso unter Wasser verschwunden wäre. Wenn leicht radioaktiver Staub genetische Mutationen hervorbringt, durch die eine Mutantenmenschheit nach 90 Jahren ausstirbt, soll man sich dann freuen, dass das in die Atmosphäre geschossene Silberiodid-Aerosol, das dem Klimawandel entgegenwirken soll, schon nach 37 Jahren keinen vermehrungsfähigen Menschen zum Aussterben übrig gelassen hat? Es gibt so viele logische Ketten, die sich in dieses Bild einfügen – kann man einer fühlenden Form von Intelligenz da zumuten, dass sie dabei tatenlos zusieht? Wir Literer haben abgestimmt und uns entschlossen, Ihre Verhältnisse an Ihre Möglichkeiten so anzupassen, dass es Ihre Lebensform zusammen mit der größeren Zahl anderer Arten von Leben auf dieser Erde wenigstens über mehr als die kommenden 1000 Jahre weiter geben wird. Sie werden sich verändern, wie sich alles Leben in der Zeit verändert, aber Sie werden sein. Und wir halten es sogar für wahrscheinlich, dass Ihre und unsere Spezies Intelligenz in nicht zu ferner Zukunft in Freundschaft miteinander zusammen und nebeneinander leben werden.“
Fillip sah auf die Uhr an der Wand. Bald war es 14 Uhr. Ob Jule das auch hörte und sah? Sie hatte ihm so vieles von dem, was die außerirdische Sprecherin gerade verkündet hatte, an den Kopf geworfen. So als aufbegehrende 14-jährige gegenüber dem alten Herrn, den die Zeit gelehrt hatte, dass man ja doch nichts ändern konnte. Wozu wohl lebten sie hier draußen in der Schorfheide? Hier war die Wahrscheinlichkeit eines friedlichen Überlebens ohne verschiedenartigen Smog und so am größten. Und die Leute schlugen einander nicht die Köpfe ein. Was konnte man denn noch verlangen?
„ … uns nicht als Freunde empfinden werden. Deshalb haben wir uns eine Art Lebensversicherung erlaubt. Während Sie das gerade hören, verbreitet sich in im wahrsten Sinne Windeseile auf der Erde ein Virus, der sich in den nächsten Stunden auch in Ihren Körper eingenistet haben wird. Keine Sorge, Ihnen persönlich wird er keinen Schaden bereiten. Einige Spezialisten Ihrer Forschung mussten wir unschädlich machen. Es handelt sich um all jene, die unmittelbar an der Terminator-Technologie geforscht haben. Sie wissen ja: Diese genetischen Veränderungen am Saatgut, die verhindern, dass aus Pflanzen, die Ihre Bauern zum Verfüttern anbauen dürfen, neues Saatgut gezogen werden kann, sodass sie ihr Saatgut immer neu kaufen müssen. Vergleichbar funktioniert unser T-Virus. Sie können noch Nachwuchs haben, übrigens widerstandsfähigen, aber dieser Nachwuchs wird keinen Nachwuchs mehr zeugen können. Ergo: Mit der Ihnen folgenden Generation stirbt Ihre Spezies aus, wenn Sie bis dahin nicht gelernt haben, die Probleme Ihrer Welt auf vernünftige Weise zu lösen. Wir werden Ihnen helfen, Ihnen den Weg weisen, aber umsetzen müssen Sie unsere Vorschläge schon selbst. Ihr Countdown läuft ab jetzt. ...“
Für einen Moment schien Fillips Verstand auszusetzen, zumindest seine Konzentration. Er verstand die Stimme nicht mehr. „Monster ... Was für Monster!“ Das war wohl der einzig für ihn fassbare Gedanke. Seltsamerweise kam er überhaupt nicht auf die Idee, am Wahrheitsgehalt der Mitteilung zu zweifeln. Es war noch keine Stunde her, da hatte er sich in einem Medienmachwerk, irgend so einem modernen Hörspiel zu befinden geglaubt, nun gab es für ihn keinen Zweifel: Die Erde erlebte gerade die ultimative Invasion aggressiver Außerirdischer. Wie sie wohl aussehen mochten? Würde man sie erkennen? Dass sie einem anderen Schönheitsideal entsprachen, war fast sicher. Sonst hätten sie sich ja zeigen können, anstatt sich hinter dem Bild einer Menschenschönheit zu verbergen.
Wie würde die Menschheit reagieren, wenn es denn so etwas gab? Diese Literer hatten vermieden, über ihre Stärke zu sprechen. Es mussten aber eine Menge sein, wenn sie in einem solchen Handstreich alle Kommunikationswege kapern konnten. Fillip gruselte es immer mehr. Wie sollte man sich dagegen wehren? Es erführe die eine Hand nicht, was die andere will und tut. Fillip erinnerte sich an einen Film über einen Meteoriteneinschlag, durch den angebliche Elf-Wellen die elektronischen Systeme lahmgelegt hatten. Waren sie jetzt nicht fast noch schlimmer dran? Wenn jetzt jemand eine Widerstandsoperation organisieren wollte, teilte er das sozusagen zuerst seinen Gegnern mit. Die Technik zur Überwachung von Internet und Mobiltelefonen hatten ja die menschlichen Geheimdienste entwickelt und verbessert. Im Moment war diese Kommunikation erst einmal ganz lahmgelegt. Aber wenn man wieder mailen konnte und so, dann waren DIE DA immer mit dabei …

Die Gedanken rasten, bis sie glücklicherweise auf einen viel unmittelbarer wichtigen Fakt stießen: In wenigen Minuten käme der Bus mit den Kindern aus der Schule. Was wussten die inzwischen? Was sollte er ihnen wie sagen? Zum ersten Mal seit vielen Jahren bereute Fillip, dass er so weit ab vom Schuss war. Hier draußen würde er schwerlich jemanden finden, mit dem er sich ernsthaft über echte Informationen unterhalten konnte. Hier passierte nur Stammtisch. Also war klar: Wenn Gabi morgen nach Berlin reinfahren würde, also wenn, dann sollte sie ihn mitnehmen. Er hatte noch ein paar alte Bekannte. Die wüssten bestimmt mehr. Vorerst hieß es, sich nicht verrückt machen zu lassen. Fillip horchte noch einmal auf die Ansage. Es war offenbar eine Endlosschleife vom Band, denn der Text kam ihm bekannt vor. Fillip schaltete den Computer aus und ging in die Küche. Zum Abendbrot war es noch zu früh, aber ein Stück alten Kuchens war auch nicht zu verachten  ...


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Und die nächsten "Gedichte des Tages"?

Freuen Sie sich auch schon auf die bevorstehende Wahl? Singen Sie "Vorfreude, schönste Freude ..."? Bleiben Sie ruhig: Bald haben Sie Ihre Stimme abgegeben und sollten in den nächsten Jahren nicht mehr nach ihr fragen. Nehmen Sie es also poetisch und halten Sie sich an den Ratschlag "Wählt GrüSPD!", wenn Sie sich an diesen folgenlosen Fehler gewöhnt haben, Sie wissen ja   ... 

Slov ant Gali: Senryū Nr. 108


 damit sind Sie auf der sicheren Seite, dass nicht Vernünftiges dabei herauskommt ...




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Samstag, 14. September 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1853


Fillip, der Erdling (2)

... So gegen halb eins hielt es normalerweise an der Kreuzung. Es war einfach praktischer, sich frisch einzudecken als sich auf den weiten Weg zum nächsten Bäcker zu machen. Gabi sah es nicht gern, wenn er außer der Reihe ihr Auto haben wollte. Wenn er bei Günther anrief? Der wusste bestimmt, wenn der Bäcker noch nicht durch war.
Es knackte merkwürdig in der Leitung, dann kam deutlich Günthers Stimme, noch bevor Fillip etwas sagen konnte: „Dassn Ding, was? Die Aliens haben die Macht übernommen. Jetzt passiert mal was in der Welt ...“ Fillip erkannte zwar, dass Günther noch mehr zusammenerzählte, doch er verstand nicht, was der dicke Alte sagte. Er hielt den Hörer weit vom Ohr weg, unsicher ob er zuhören oder auflegen wollte. Komischer Kauz. Schien gerade durchzudrehen. Tja, der Suff … Dann aber kam Fillip eine Art Erleuchtung. Hatte es sowas Verrücktes nicht schon mal gegeben? Das musste irgendwann in den 50er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gewesen sein. Da hatten sie in Amerika ein Hörspiel über die Invasion von Marsmännchen gesendet und viele Leute bekamen Panik. Ob gerade so eine Sendung lief? Es war sowieso ein missratener Mittwoch. Da konnte er sich auch noch einen zweiten Film genehmigen. Vor um drei war sowieso niemand zurück. Ach, der Fernseher …
Schon viel weniger euphorisch wollte Fillip das Internet aktivieren. Doch nun gab es tatsächlich eine Überraschung. Kein bekanntes Startbild sondern eine statische Aufnahme einer attraktiven jungen Frau. Dazu ein Ton, der angenehm einschmeichelnd, aber nur schwach moduliert klang wie von einem Computer generiert:
„ … nur vorübergehend. Bitte entschuldigen Sie die damit verbundenen Störungen Ihrer Kommunikation. Wir haben über die extraterrestrischen Satelliten die Kontrolle übernommen, ebenso über Rundfunk- und Fernsehstationen und – soweit sie uns bekannt waren – alle militärischen Einrichtungen zur Kommunikationskontrolle. Wir haben uns bemüht, diese Maßnahme synchronisiert an allen Orten Ihrer Erde gleichzeitig durchzuführen. Wenn uns das in Ihrer Wohnumgebung gelungen ist, merken Sie dies an der Verwendung Ihrer jeweiligen Muttersprache beim Abhören dieses Intros. Bitte bringen Sie sich und die Vertreter bisheriger Machtorgane nicht durch unbedachte Handlungen in Gefahr. Alle Regierungen der bisherigen Staaten der Erde sind abgesetzt. Alle Regelungen über Kommandogewalten sind aufgehoben. Die Verwendung bisheriger militärischer und anderer Dienstränge ist vorübergehend unter Strafe gestellt. In Kürze werden Ihnen die Anlaufstellen genannt, an denen Ihre bisherige Eingliederung in den Weltarbeitsprozess überprüft und gegebenenfalls bestätigt oder aufgehoben werden wird. Wenn Sie einer Arbeit nachgehen, so tun Sie dies vorerst weiter in gewohnter Weise. Wenn Sie einem militärischen Beruf nachgegangen sind, so vernichten Sie umgehend Ihre Uniformen und suchen Sie sich eine sinnvolle Arbeit. Wenn Ihnen ein ehemals dazu Befugter Befehle zu erteilen versucht, machen Sie sich nicht mitschuldig und setzen Sie den Straftäter zu seinem Schutz fest. Unter 11111 können Sie Abholer anfordern, die sich um die weitere sinnvolle Nutzung der Arbeitskraft des Fehlgeleiteten kümmern werden. ...“
Fillip bedauerte, dass die Ansage nicht durch Filmbilder untermalt wurde. Die Idee fand er eigentlich gut, aber was war das für ein Film? Mochte die Stimme noch so angenehm klingen, man konnte doch dokumentarisch gemachtes Bildmaterial dazu erwarten. Wie hieß die Sendung eigentlich? Er hatte doch am Montag sein Fernsehzeitung überflogen und alles vorgemerkt, was ihm interessant erschienen war …


Fillip versuchte zu zappen. Allmählich wurde er unruhig. Die Anzeige auf der Fernbedienung behauptete, er hätte inzwischen den achten Sender aufgerufen, das Bild aber war noch immer dasselbe und die Stimme auch. Unmerklich schien sich ihr Klang zu verändern. Fillip kam sie inzwischen bedrohlich vor. Schweißtropfen sammelten sich auf Stirn und Rücken. Es war zum Zittern heiß im Raum...

***

Sebastian Deya macht uns mit "tödlicher frieden (5)" auf eine Region aufmerksam, die durch die akute Kriegssituation in und um Syrien aus dem Fokus der Aufmerksamkeit auch unter Linken geraten ist.
Und damit aus dem Gedicht nicht falsche Schlüsse gezogen werden, habe ich 

Slov ant Gali: Senryū Nr. 107


 dazu angemerkt ...

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