Samstag, 30. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1926

.Ein Blick auf den "Kalender" schreckt mich: Wie ichs auch drehe, also ob ich nun sage, "1. September" oder "1. Advent" oder "draußen ist kalt, zünd dir eine Kerze an", es kommt doch aus selbe heraus: Schon wieder läuft der Countdown eines Jahres. Um nicht in melacholischer Traurigkeit auszugleiten also ein Blick auf das, was da hier in vergangenen Jahren so aktuell war: 

Sprüche für frölüche Wühnachtstage

 zum Beispiel ...

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Bei der Lyrik ist es ja einfacher, sich auf den Kalender einzustellen. Ob aber die folgende Geschichte nun gerade am 1. Dezember richtig ist? (Vielleicht als Vorgefühl auf den Sack vom Weihnachtsmann?)



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Zum letzten Mal FKK


Er lächelte. Alles war doch noch wie in den Jahren zuvor – was hatte er denn erwartet? „Wasserschutzgebiet“. Dasselbe rechteckige Hinweisschild wie eh und je und daneben das dreieckige mit der Eule „Landschaftsschutzgebiet“. Nichts deutete darauf hin, dass hier inzwischen die Außenstation eines biologischen Forschungsinstituts eröffnet haben sollte. Im lokalen Werbeblättchen war dazu ein kleiner Artikel erschienen. Es wurde vor dem wilden Baden im Testsee gewarnt. Man erprobe neuartige Methoden der Sauberhaltung des Wasserbiotops. Biologische. Solche, bei denen alle Stoffe, die komplizierter als H2O waren, radikal und schnell abgebaut würden. Klar. Zu Beginn jeder Saison wurden Storys verbreitet, die den Einsatz von Ordnungskräften gegen die Wildbader von vornherein unnötig machen sollten. Natürlich vergeblich.

Hinter Reinhard ruhte die Reihe der parkenden Autos am Straßenrand. Eindeutig zu viele, als dass sie alle den Anwohnern gehören konnten. Schnell rüber über die Marienstraße. Nun ging es nur noch den schmalen Pfad weiter. Wenn Reinhard jetzt eine Familie im Gänsemarsch oder Radfahrer entgegengekommen wären, hätte er auf den Wiesenrand ausweichen müssen. Es kam aber niemand. Dafür stieß er auf den Hauptweg und der tauchte in ein strauch- und baumkronenüberschattetes Wegstück ein. Man musste schon wissen, wohin man wollte. Er wusste es. Nun kam die nächste Gabelung. Rechts die Strandecke für die Ghetto-Nackten, links der freie Strandabschnitt, an dem sich Nackte und Textilierte relativ harmonisch mischten. Vielleicht die Bekleideten eher weiter hinten, zur Insel hin.
Reinhard wählte den linken Pfad. Das hatte einen Nachteil: Er ging direkt auf den Müllpunkt zu.
Der Müllpunkt war ein typisches Produkt deutscher Bürokratie. Natürlich durfte es an einem See im Naturschutzgebiet keine Badestelle geben. Wo keine war, konnte es aber auch keine sanitären Einrichtungen, Müllsammelplätze und ähnliche dazu gehörende Dinge geben. Andererseits gab es diese Badestelle seit Jahrzehnten. Richtiger: Es wurde rund um den gesamten See ge-lagert, um zu baden, nur an dieser Stelle eben geballt. Also hatte irgendwann einmal jemand am Beginn dieses Strandes, der kein Badestrand sein durfte, eine Stange eingepflanzt und an dieser Stange einen großen blauen Plastiksack befestigt. So hätte „man“ dort seinen Müll hineinstopfen können.

Der Sack wurde jeweils Anfang des Jahres ausgetauscht. Reinhard kannte den Platz um den Müllsack nur in immer gleichem Zustand: Etwa im Umkreis von zwei Metern lagen Joghurtbecher und Reste vergangener Zeiten so sorgsam verstreut, als hätten Wildschweine die Hoffnung auf Fressbares zu spät aufgegeben. ...
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Freitag, 29. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1925

Noch ein weiteres Stück "Nicht-Fidel-Prosa" gefällig? Bitte:

Thomas Staufenbiel


Reflexion (2)

... Jeder kennt jeden, Gerüchte oder andere Neuigkeiten verbreiten sich mit einer Geschwindigkeit, die jedes Lauffeuer vor Neid erblassen ließe. Je kleiner die Stadt - und ich rede ja erst gar nicht vom Dorf - desto deutlicher der persönliche Status. Entweder man gehört dazu oder eben nicht.
Meine Mutter, die bereits ihr ganzes Leben in diesem idyllischen Städtchen verbracht hatte, gehörte wohl dazu. Davon zeugten Bekannt- wie Verwandtschaften und ähnliche Verzwickungen, aus denen es sich nur schwer lösen lässt, wenn die Zeit gekommen scheint. Man sprach gemeinsam über die ewige Jugend und versuchte dabei zu vergessen, dass auch hier der graue Alltag längst bittere Realität geworden war. So wurde die Nachkriegsjugendzeit zur blühenden Idylle, Erkundungstouren in zerbombte Ruinen zum Freizeitwahn und Blindgänger ignoriert. Bis letztlich allen klar wurde, sie lebten in einem geordneten Alltag und der forderte seine Pflicht und Schuldigkeit. Mein Vater gehörte wohl nicht zu dieser Kleinstadt. Als Zugewanderter aus dem schönen Harzvorland blieb ihm als Heimat nur die Kaserne der Armee oder die Flucht in diverse Fernstudien und andere Arbeitskreise. Wenn er doch einmal zu Hause war, hörte er seine geliebten Schallplatten und ließ der Illusion den Vortritt. Doch dann gab es Alarm und die Truppe rückte für Tage oder Wochen zu unheimlich heimlichen Übungen aus. Wieder verbrachte er die Nächte in regendichten Mannschaftszelten und lauschte den Tropfen, die durch die Nähte in die darunter aufgestellten Blechschüsseln fielen. Die Tage gehörten ganz dem Schlamm und Dreck einheimischer Wälder, denn wozu hat der Mensch zwei Beine, wenn er auf dem Bauch kriechen kann. Als Vorbild diente hier sicherlich die Schlange. Wollte die Armee auch nichts mit dem Sündenfall zu tun haben, so stand sie ihm doch listig gegenüber.
In unserem Kleinstadtmilieu lief also alles in geordneten Bahnen. Und doch, zwischen dem Grau der Neubauten blitzte der Schutt der letzten Kriegstage allgegenwärtig hervor. Die Alten ergingen sich in endlosen Monologen über ihr Leben, so als ob sie noch immer Steine klopfen würden. Die Jungen lebten unbeschwert in den Tag, den manch einer ihrer Eltern bereits verfluchte. Die Wochenendidylle fand im (Wer hat den schönsten)-‚Strebergarten‘ statt und endete nicht selten im Delirium. Die kleine Kneipe in unserer Straße fand ausgesprochen guten Zulauf, und so kam es oft vor, dass der Wirt erst in den frühen Morgenstunden das Licht löschte. Dann wurde es dunkel. Hatte sich damit etwas verändert? ...


Weiter HIER:



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"Galaktische Gedichte" wäre doch ein guter Titel, oder? "
(Dabeisein ist alles)"  passte jedenfalls gut unter diese Überschrift. Egal. Ich bin dann mal weg zur Steuerschulung. Denn "Vor dem Finanzamt ist (fast) jeder gleich"
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Donnerstag, 28. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1924






Versprochen: Mit jenen "Reflexionen", mit denen Fidel Castro jene Welt, die sie hören will, beglückt, hat die folgende Prosa nichts außer der Überschrift gemeinsam:

Thomas Staufenbiel

Reflexion

Schwarz-Weiß. Richtig, so waren die damals. Ein Lächeln umspielt meine Mundwinkel. Und so klein, sieben mal zehn, maximum. Staunen, Erinnern. Da hilft kein Drehen und kein Wenden, hinten steht nur eine Jahreszahl.

Das dämmrige Licht des alten Dachbodens fällt auf eine staubige Kiste, die ich aus dem fast vergessenen Kleiderschrank herausgekramt habe. Allein der Weg dorthin, über enge Treppen, knarrende Dielen, vorbei an Spinnen-geweben und Vogelnestern, war beschwerlich. Doch früher oder später musste ich mich überwinden, auch diese letzten Winkel einer Inspektion zu unterziehen, ganz nach dem Motto: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.
Der unscheinbare Karton beherbergt wahre Schätze, Fotografien aus einer anderen Zeit. Mit jedem Bild rückt eine Minute, eine Stunde wieder ins Gedächtnis und sei es auch nur eine Erinnerung aus Hörensagen. Ich krame in meinen Geschichtskenntnissen:

Die roten Brüder hatten ihren Sputnik, die Amerikaner ihren Glauben an die erste Mondlandung - nun wurde es eng für die Außerirdischen. Der moderne Mensch kümmerte sich um moderne Dinge und pflegte überholte Ideale. Hinter den schicken Fassaden bröckelte der Putz und ließ prähistorischen Trieben freien Lauf. Der kleine Mann war jemand geworden, doch was nun? Die Augen der Welt schauten auf Berlin, doch der einzig wahre Berliner wurde im fernen Dallas seines Gehirns beraubt. Dieses klaffende Loch schien sich schleichend auf die neue Generation zu übertragen. Die Beatles trennten sich und gingen eigene Wege. Noch war nicht abzusehen, dass eine Wiedervereinigung in der Einfahrt zum Dakota House in New York vereitelt, weil auf deren Stufen John Lennon ermordet werden würde, und niemand wollte glauben, wie teuer Scheidungen werden können. Am Ende der Beatlemania setzte sich die Flower-Power-Bewegung mit Woodstock ein grandioses Denkmal. Gleichzeitig versank sie im Schlamm des unerwarteten Regens und spülte sich letztlich selbst mit einem Schuss Kommerz in den Abfluss der Geschichte.

So war die Zeit, über die der alte Karton wacht und die Fotografien berichten. Doch sie erzählen keine Geschichten aus der großen, weiten Welt, ihre Geschichten spielen in unserem Kleinstadtmilieu. ...

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Vor die Vorfreude auf die nächste Ausgabe dieses Journals hat die innere Logik und die Tadition einen Blick auf die nächsten "Gedichte des Tages" gestellt:

Das "Codewort" der heutigen Gedichte des Tages lautet "Naivität". Ich möchte so gern den kleinen Jungen spielen, der dem Soldaten in Kampfstellung auf den Stahlhelm pinkelt ... oder dem Datensammelüberwachungsoberassistenten, dem jeder seinen virtuellen "Fingerabdruck" hinterlassen hat, der dies hier gerade gelesen hat. Egal. Gönnen wir uns die nicht zu anspruchsvollen Gedichte

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Mittwoch, 27. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1923

Weiter mit den Geschichten aus der Sammlung wissenschaftlich-phantastischer Erzählungen (engl.: SF).

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Darin folgt ein weiterer Text, der ein wenig ins Groteske geht und den man sich also dann verkneifen sollte, wenn man nicht gelegentlich Grinsen möchte beim Lesen:

Mit dem Toaster fing es an

oder

Die Kraft der linken Hand (2)

Dann aber besuchte mich mein Sohn. Er beklagte sich wie immer über seine Probleme beim Studium und ich wies ihn darauf hin, dass das alles viel leichter zu ertragen wäre, wenn er denn endlich eine zu ihm passende Freundin fände (es stellte sich heraus, dass sein „Studienproblem“ in einer bestand, die ihn gerade hatte abblitzen lassen) und er würde das schon packen. Ein Gespräch unter Männern also, und es war nur ganz natürlich, dass ich ihm väterlich ermunternd auf die Schultern klopfte. Erst viel später wurde mir bewusst, dass ich mit der linken Hand zugeschlagen hatte.
Man stelle sich meine Verblüffung vor, als mir mein Sohn vielleicht eine halbe Stunde später ohne Vorwarnung erklärte, er habe sich das genau überlegt und er habe beschlossen, er würde Kommunist. Wörtlich genau dies!
Bis zu diesem Augenblick war die einzige politische Rolle, für die er sich je interessiert hatte, die des Magiers in „World of Warcraft“. Selbst ich hatte ihn im Unterschied zu den meisten anderen Menschen, mit denen ich zu tun gehabt hatte, nicht mit Politischem belästigt. Wissen quält und über die Leser der BLÖD-Zeitung hätte Jesus sicher gesagt, dass glücklich sei, wer da arm ist am Geiste. Warum also sollte ich meinem Sohn nicht ein Stück Glück gönnen – noch dazu, wo er mir an fast allen Tagen des Jahres fern war und ich ihn deshalb nie hätte beschützen können? Irgendwann hatte ich es aufgegeben, ihn zu belehren – er war eben anders als ich.
Und nun begann er mir einen Vortrag zu halten! Ich neigte ja schon immer dazu, andere penetrant bekehren zu wollen. Dass das jemand mit fast exakt meinen eigenen Worten bei mir versuchte, war mir bisher aber noch nicht passiert. Dass dieser Jemand mein erwachsener Sohn war, machte die Vorstellung nicht weniger verwirrend. Mir fiel vor Schreck nichts Besseres ein, als ihn zu loben für seinen Entschluss und dass mich das freue, aber er solle gut aufpassen: Dieser Entschluss mache ihm sein Leben nicht leichter. Das war bestimmt nicht das Klügste, aber viel wichtiger war, dass in diesem Augenblick das Telefon klingelte, meine Ex uns einen schönen Tag wünschte und … der Höhenflug damit vorüber war. Erst beim Einschlafen fiel er mir wieder ein.
Wochen vergingen. Ich lebte das Leben eines Heimarbeiters, fern von lästiger Nähe ungeliebter Menschen. Aber auch der einsamste Mensch muss gelegentlich etwas für seinen Selbsterhalt tun. Einkaufen gehen zum Beispiel. Ich hatte gerade einige Briefe geschrieben, und weil der Briefkasten mehrere hundert Meter weit entfernt war, nahm ich noch ein paar Beutel mit, um einzukaufen. Ich rechnete nicht damit, ein bekanntes Gesicht zu sehen, und schlenderte selbstvergessen zwischen den Regalen hindurch. So wurde ich regelrecht aus dem Halbschlaf gerissen, als jemand kurz vor der leeren Kasse meinen Einkaufswagen rammte. Der Mann wollte sicher auch gerade „Könn´se nich aufpassen“ brüllen, da erkannten wir uns. Krause aus der vierten Etage! Und schon hatte ich „Geh´n Sie schon!“ gesagt und ihn ans Band geschoben. Sonst bin ich ja nicht freundlich, wenn ich unaufmerksam bin. Diesmal aber … Aber die Krönung folgte erst. Herr Krause wartete nach dem Einpacken auf mich, lud meinen Einkauf in sein Auto und mich auf den Beifahrersitz und begann mir zu erklären, dass wir doch in einer verdammt unmenschlichen Gesellschaft lebten, wo jeder nur an sich selbst denke, und das könne nur dadurch verändert werden, dass keinem etwas gehört, womit er Profit erzielen könnte und dann auch würde. Es müsse eine neue Revolution her. Die sei reif und wenn wir endlich Kommunismus hätten …

An der Stelle musste er sich um die Schranke zur Parkfläche vor unserem Wohnblock kümmern. Wir trennten uns, und Herr Krause ließ mich mit Einkauf, Revolution und Kommunismus im Treppenhaus zurück. ...

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"Gedichte des Tages" vergessen? Aber nicht doch! Die folgen jetzt:

Man sorgt sich um mich. Das freut mich. Noch dazu in poetischer Form. Umso eindrucksvoller. Allerdings als Hinweis für alle eventuell auch noch Besorgten: Ich bin noch nicht 70, ein lyrisches Ich ist nicht das Dichter-Ich, und kommen darin "Ich-Teile" vor, so darf man als "Dichter" 33 Suizig-Gedichte schreiben und sich nicht schämen, dass man immer noch lebt:
Amtspost von Bruni

Sinnierst Du über siebzig Jahre Weg,
machst Inventur und schreibst Bilanzen?
Suchst immer noch den Weltraumlasersteg,
um Dich in and‘ren Sphären zu verschanzen?

Willst Dich so gern aus Raum und Zeit befrei’n,
und träumst Dich dann in and’re Zonen?!
Auch, Slov, bleib hier und lass das Reisen sein,
es kommen Stunden, die zu leben lohnen!

Insofern ein freundlicher Blick auf die "künstlerische Ausbeute" aus der vergangenen Woche:
"vernissage" und
"glatt erzogen" in einer dem Teststadium entwachsenen Fassung.

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Dienstag, 26. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1922

Weiter mit den Geschichten aus der Sammlung wissenschaftlich-phantastischer Erzählungen (engl.: SF).

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Darin folgt ein weiterer Text, der ein wenig ins Groteske geht und den man sich also dann verkneifen sollte, wenn man nicht gelegentlich Grinsen möchte beim Lesen:

Mit dem Toaster fing es an

oder

Die Kraft der linken Hand

Die Geschichte der Menschheit gliedert sich für mich in zwei Phasen: die Zeit bevor und die Zeit, nachdem mein Toaster klemmte.
Wenn ich aufstand, also in der Zeit davor, tat ich immer so, als hätte ich es verdammt eilig, zur Arbeit zu kommen. Ich kämpfte die Müdigkeit mit vielen Tricks nieder und überlegte, an welchen Stellen ich Zeit sparen konnte. Besonders wichtig erschien es mir, die morgendlichen Aufgaben straff durchzuorganisieren. Im Kopf hatte ich den genauen Ablaufplan der Kleinigkeiten, welche bis zum Arbeitsbeginn zu erledigen waren. Da war das Frühstück zu bereiten, Bad und Toilette zu bewältigen, der Computer hoch-zufahren und so weiter. Möglichst mussten die Arbeitsgänge so angeordnet werden, dass ich nirgendwo warten musste, dass also – nur so als Beispiel – der Computer hochfuhr, während ich frühstückte, oder der Toaster seine Aufgabe erfüllte, während ich mich wusch, aber der Toast noch heiß genug war, wenn ich ihn schmieren und essen konnte.
Entscheidend war, dass ich an jenem Morgen zum Frühstück wieder einmal Toastbrot beschmieren wollte. Dazu musste ich die Scheiben natürlich zuerst toasten. Wie gesagt: Das Warten auf den Toaster war einer jener Zeiträume, in denen ich anderes Nützliches erledigte. Ich schob also zwei Scheiben in den Apparat und eine legte ich quer darüber, um die Restwärme auszunutzen. Wie immer war eine kurze Toastzeit eingestellt. In dem Moment, in dem ich den Schalter nach unten drückte, war ich gedanklich bereits im Büro beim Computer, der in aller Ruhe hochfahren sollte. Ich lief ins Wohnzimmer, drückte ON und ging ins Bad. Es war immer ein wunderbares Gefühl, wenn ich beim Frischmachen wusste, dass zur selben Zeit mehrere Geräte etwas für mich schafften. Dieses Gefühl wurde an jenem Morgen aber durch ein anderes gestört: Ohne dass dies zu erwarten gewesen wäre, vertrieb ein kräftiges Aroma von frisch Verbranntem alle anderen Gerüche.

Bereits in der Tür zum Korridor begrüßte mich Rauch. Als ich jedoch – nun schon stärker beunruhigt – die Küchentür geöffnet hatte, stand ich plötzlich in undurchdringlichem Qualm. Hätte ich ausgerechnet da an die Weltgeschichte denken sollen, nur weil ich das sonst fast immer tat? Ich tat es jedenfalls nicht. Fast gleichzeitig riss ich den Stecker aus der Dose, packte mit einem Tuch den Toaster, schleuderte ihn in die Spüle (ein braunes Muster ist immer noch zu sehen), befeuchtete das Tuch und mit dem Tuch die schwelende Tapete, schob den Blumentopf vom Fensterbrett, riss das Fenster auf, rannte ins Wohnzimmer, riss auch dort das Fenster auf, begann tief einzuatmen … und als ich darüber nachdachte, was ich frühstücken könnte und dass ich glücklicherweise noch einen halben Eimer Restfarbe vom letzten Küchenanstrich im Keller hatte, interessierten mich Datum oder Weltgeschichte immer noch nicht. Eher, ob ich eine Rauchvergiftung haben könnte, und wie lange der Gestank in der Wohnung bleiben würde. Ob mir im Ablauf der sich überschlagenden Ereignisse ein Stück Film fehlen könnte, ich vielleicht einen elektrischen Schlag bekommen und es geblitzt hatte oder Ähnliches, weiß ich nicht mehr. Heute bilde mir das ein, aber wahrscheinlich habe ich mir das nachher dazugedacht. Eben, weil es so wahrscheinlich ist … Aber um ganz ehrlich zu bleiben: An den alles entscheidenden Punkt – und den muss es gegeben haben – kann ich mich nicht erinnern. Ich setzte den Tag fast normal fort … also soweit eine Wohnung voller Restrauch normal ist. ... 

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Die "Gedichte des Tages" passen ein wenig vielleicht zu SF-Prosa, eines zumindest:

Irgendwie habe ich die Hoffnung, das Gedicht "Nach der Amtspost" einmal soweit reifen lassen zu können, dass es als Einstieg in ein SF-Buch dienen kann.
Klaus Störtebeckers Geist möge mir verzeihen, dass ich ihn für dieses umdichtete Sprachspiel benutzt habe, das wahrscheinlich nur im Deutschen funktioniert ... "eingeholt"




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Montag, 25. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1921

.Ehefrauen als Autofahrerinnen - ein Thema für eine Prosa-Geschichte? Ja, hier:

Gunda Jaron

Was grundsätzlich zu klären wäre (2)

Zwangsweise durfte ich ans Steuer, weil mein Liebster nach acht Stunden Daueraufenthalt hinter demselben („Nein, Schatz, ist schon okay, ich bin ÜBERHAUPT nicht müde“) doch irgendwann die Leitplanken kreuzweise auf sich zukommen sah. Die Plätze wurden getauscht.
Aber verstell nicht wieder den Außenspiegel!“, mahnte er mich.
Ach, woher denn, ist ja auch gar nicht notwendig bei fünfzehn Zentimetern Größenunterschied ...
Und fahr anständig, damit ich ein bisschen schlafen kann!“
Er stopfte sich ein Kissen zwischen Schädel und Seitenfenster und schloss mit einem befriedigten Seufzen die Augen, selbstverständlich erst, nachdem ich mich „anständig“ wieder in den fließenden Verkehr eingefädelt hatte.

Alles lief super. Die Kinder spielten auf dem Rücksitz einträchtig Magnet-Memory, das Radio dudelte leise Phil Collins und ich summte ferienselig mit. Der Tacho stand konstant auf 130 km/h, ebenso wie bei meinem Vordermann, einem älteren Herrn mit grauem Filzhut auf dem Kopf und Duftbäumchen am Rückspiegel des Diesels. Man sollte eigentlich glauben, solche Figuren gäbe es mittlerweile nur noch in der Bäckerzeitung als Comic der Woche. Vor uns kroch ein Tanklastzug mit siebzig Sachen die Anhöhe hinauf. Ich setzte elegant zum Überholen an. Dem Filzbehüteten fiel dasselbe ein, allerdings exakt zwei Sekunden später als mir. Lässig zog er das Lenkrad nach links. Überflüssig zu erwähnen, dass sich das Klischee um Hütchen tragende Dieselfahrer auf den Punkt erfüllte, oder? Vorheriges Blinken? Reiner Luxus ... Was also tat ich als verantwortungsbewusste Fahrerin? Statt auf die Hupe zu drücken, voll draufzuhalten und der Schlafmütze mal zu zeigen, wozu die Autokon-strukteure die Stoßstange und der liebe Gott die Schimpf-wörter erfunden hat, stieg ich auf die Bremse, weiß ich doch, dass Dellen im Kotflügel nicht unbedingt zu einer positiven Grundstimmung beitragen. Schon gar nicht im Urlaub.

Es ruckte.
Mein bis zu diesem Moment friedlich vor sich hin schlum-mernder Beifahrer zuckte zusammen, fasste sich – dem Herzinfarkt nahe – theatralisch an die Brust und verdrehte die Augen:

Was ist denn jetzt schon wieder los. Kannst du nicht EINMAL aufpassen?“ ...

Weiter HIER:





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Fahrfehler bei den "Gedichten des Tages"? Aber nicht bei uns:

Zuerst das zweite Gedicht, zu dem mich Sebastian Deyas letztes Gefecht inspirierte. Dazu sollte man wissen, dass im Zuge der sogenannten Wiedervereinigung als Kompromiss zwischen Bundesadler (Pleitegeier), Hammer/Sichel/Ährenkranz und Schwerter zu Pflugscharen zwei gekreuzte Bananen auf dem Schwarz-rot-Doldenem im Gespräch waren: "Nicht wieder Chiquita!"
Dürfen Gedichte Anmaßungen äußern? Ich meine, ja, sie sollten die "ohne kreuzigung" tun dürfen ...

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Sonntag, 24. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1920

.Wurde schon erwähnt, dass in der neu erschienenen Sammlung



nicht nur originell Kriminelles, sondern auch sehr Grundsätzlich Alltägliches "verhandelt" wird? Dass es dort auch Einiges über Erlebnisse zu lesen gibt, die sehr viele so ähnlich schon erlebt, aber nicht erzählt haben? Dann wird es Zeit ...

Gunda Jaron

Was grundsätzlich zu klären wäre

Er sitzt am Steuer und fährt (warum eigentlich?!) und sie soll ...“
Ich lege meine Urlaubslektüre aus der Hand, ohne den Satz ganz zu Ende gelesen zu haben, lasse mich auf meiner Liege nach hinten sinken und schließe die Augen. Diese Worte, gefunden in Ranga Yogeshwars Buch „Sonst noch Fragen?“, gehen mir nicht aus dem Kopf. Tja, warum eigentlich? Diese Frage zu klären, interessiert mich jetzt brennend.
Hase?“
Ja?“ Schläfrig dreht sich mein Mann auf seinem Strandhandtuch zu mir um.
Warum fährst eigentlich immer du, wenn wir gemeinsam unterwegs sind?“
Stimmt ja gar nicht“, antwortet mein Göttergatte, räkelt sich und lässt eine Handvoll feinen Kies über meinen Fuß rieseln. „Neulich, als wir von Müggefelds heimfuhren, habe ich auf dem Beifahrersitz gesessen.“
Ach richtig. Neulich. Im Winter. Ich erinnere mich. Wir waren zu einer abendlichen Feier eingeladen. Wer fuhr? Er natürlich. Nein, nicht etwa aus Sorge, ich könne mir die Absätze meiner sündhaft teuren Highheels ruinieren. Der wahre Grund war die von ihm angestrebte klassische Arbeitsteilung: Er hin – ich zurück. Begründung: „Ist 'n bisschen glatt heute. Besser, ich nehme das Steuer. Kannst ja nachher zurückfahren.“ Ah ja! Auf dem nächtlichen Heimweg würden die Straßen trotz der noch immer herrschenden zehn Minusgrade weniger vereist sein. Irgendwie logisch. Wie auch immer, seufzend stimmte ich zu und kutschierte uns nachts um drei unfallfrei nach Hause, nicht ohne den warnenden Hinweis von rechts, es glitzere so seltsam auf der Straße, es könne – eventuell – rutschig sein …
In diesem Zusammenhang habe ich inzwischen allerdings den Verdacht, dass sich die Höhe der Rutschgefahr auf winter-lichen Straßen – rein subjektiv empfunden, versteht sich – umgekehrt proportional zum Alkoholkonsum des männlichen Verkehrsteilnehmers verhält. Je höher der Promillegehalt, desto geringer die Wahrscheinlichkeit glatter Fahrbahnen. Andererseits durfte ich auch schon erleben, dass sich die Frage der Arbeitsteilung von selbst erledigt, weil mein Mann davon überzeugt ist, auch nach sechs Bier den Wagen immer noch sicherer zu navigieren als ich nach einem Martini.

Oder auf der Fahrt hierher. Da bist du doch auch gefahren!“, reißt er mich aus meinen Gedanken. Das Thema scheint ihn zu beschäftigen. Oh ja, die Anreise ..
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Grundsätzlich zu klären wäre sicher nicht, dass nun der Ausblick auf die nächsten "Gedichte des Tages" folgt:

Alte singen mit der "Internationale" noch "... auf zum letzten Gefecht ...". Sebastian Deya scheint bei seinem Gedicht "vom letzten gefecht" aber wohl eher eine Apokalypse vorzuschweben ... 
Mit solchem Denkanstoß passierten mir dann mindestens zwei Gedichte. Das eine möge sich mit der Überschrift "Völker hört ..." zufrieden geben.


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Samstag, 23. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1919

.Wie gewohnt folgt noch ein zweites Stück jener eher gesellschaftssatirischen als "utopischen" Story - oder sagt man heute "dystopischen" - aus


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Sicher im Zoo (2)


... Wochen vor Eröffnung waren die Tageskarten für Gelegenheits-besucher bereits ausverkauft gewesen. Jetzt regulierte ein Dutzend Ordner den Fußgängerverkehr auf den verglasten Zuschauerwegen, die bekleidet benutzt werden durften.
Das 007-Wettbüro nahm Wetten auf die ersten Schwangerschaften, Entbindungen und natürlich das Siegerpaar entgegen. Anfangs war alles sehr übersichtlich, denn als Startbesatzung waren nur Männer zugelassen, sämtliche Paare fanden also unter Beobachtung des Vor-Ort- und Fernsehpublikums zusammen, und die Namen der hinzugewählten Mädchen wurden schnell bekannt. Die Fans versuchten, bei der „Wette der Woche“ zu erraten, auf welchen Körper-teil welchen Teilnehmers der Name welcher Firma aufgedruckt würde. Das wurde öffentlich ausgelost. An Werbung interessierte Firmen bezahlten die Lose, die täglich in die Firmentrommel kamen. Das Konzept von „tele 007“ ging auf. Der Sender war die Schlagzeile schlechthin.
Das Bleiberecht von Männern ohne erreichte Vaterschaft war auf sieben Monate begrenzt. Der Zuzug der Zoomädchen begann damit, dass sie von zehn der Vaterschaftsanwärter angeklickt wurden. Jeder Zoomann besaß ein Eingabegerät, in das er die Nummer seiner Entblößungskandidatin eingeben konnte. Eine Riesen-leuchttafel verkündete die jeweils meistgewählten Mädchen. Das sollte spannende Filmszenen sichern. Sahen die Besucherinnen ihre Nummer auf der Wahlanzeigentafel, durften sie sich aus- und für unbegrenzte Zeit in den Zoobereich einziehen. Deshalb bekamen alle Interessentinnen am Eingang große Nummern-T-Shirts über-reicht.
Wäre es nicht schon ein unbeschreiblicher Erfolg, wenn mehrere Männer Sie gleichzeitig und öffentlich zur Partnerschaft aufforderten? Wo ist da ein Risiko? Wollen Sie die Männer nicht, kommen Sie wieder zu mir. Dann suchen wir nach einer anderen Therapie. Gefilmt werden ja nur die Nackten.“
Dieses Argument trieb sowohl Sally als auch Luise auf die Besuchergänge. Nicht einmal das Eintrittsgeld wäre verloren. Sie bezahlten damit das Kribbeln, lauter splitternackte Männer in der Rolle von schaukelnden Orangs auf einem künstlich angelegten Hügelgelände zu erleben. Wer sollte denn ausgerechnet sie im Film-bereich haben wollen?
Aber wäre es nicht geil, wenn dich einer von denen anmacht? Stell dir vor, er sieht gut aus. Vielleicht wird er der Mann deines Lebens?“
Sally lachte. Luise lachte auch und deutete ein Scheibenwischen an. Es war einfach zu grotesk. Umso verwirrter standen die beiden da, als aus dem „Affenhaus“ eine Horde von Männern drang und die 326 beziehungsweise 327 auf der Anzeigentafel an die Spitze stürmten. Die Mädchen betrachteten ungläubig die Anzeige mit den beiden Nummern. Kein Zweifel. Das waren die Ziffern, die sie auf Brust und Rücken trugen. Sally hüpfte, als wäre sie nicht bald 19, sondern neun. „Bloß schnell ausziehen, bevor wir es uns anders überlegen. Was unsre Alten dazu sagen werden? Egal, können sie erst ausblasen, wenn alles vorbei ist. Und stecken lassen. Ich weiß es auch so.“
Aber kaum, dass sie alle Kleidung abgelegt hatten, wurden sie nicht mehr beachtet. Ob es die Männer abschreckte, dass sie aneinander hingen wie Kletten? Welche Männer mochten sie eingeladen haben?

Bald gewöhnten sich die Mädchen an ihr Leben. Dass ihnen jemand selbst auf den Klos zusehen könnte, erregte kaum Abwehr oder Prickeln. Sie merkten es ja nicht. Und das pure Wissen um das Beobachtetwerden wurde zur Gewohnheit. ...

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Vernachlässigen wir auch den Blick auf die "Gedichte des Tages":

Manchmal sehe ich mich als Pechmarie "Im Reimregen stehen" und sage mir, na, an Stelle einzurosten okay, aber nicht rumzeigen das Ergebnis, manchmal kommt eine Reaktion auf ein Erlebnis, eine Beobachtung, die verlangt, schreibe "Zu einem Kunstwerk Blaue Blume der Romantik aus Müllsäcken" - Vorsorglich angemerkt: Das Kunstwerk gibt es wirklich ...


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Freitag, 22. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1918

.Weiter geht es mit einem Stück Prosa aus



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Sicher im Zoo (1)


Zu ihrem 18. Geburtstag wünschten sie sich eine Schönheitsoperation. Wochenlang bearbeiteten sie ihre Eltern: Moderne Mädchen müssten einen perfekten Körper haben, vor allem einen eindrucksvollen Busen. In einer Zeitschrift hatten sie sogar einen Artikel gefunden, der ihre Behauptung wissenschaftlich-statistisch untermauerte. Zwischen Busengröße und -form von jungen Frauen und ihren Arbeitsmarktaussichten bestünde eine Korrelation … oder wie das hieß. Dies erkläre ihre bisher erfolglos gebliebenen Bewerbungsgespräche!
Das Argument, so leichter Männer zu finden, hatten Sally und Luise schon vorher aufgeben müssen. „Wenn er dich wirklich liebt, dann nimmt er dich auch so.“ Das hatten beide Mütter unisono geantwortet. Der Tochter, deren Brüste übermächtig schwer waren, und der, die ihre BHs mit Kissen und Einlagen ausstopfte.
Ja, wäre es um den fünfzehnten Geburtstag gegangen! Da hätte sich die Story von der parallelen Brustvergrößerung beziehungsweise –verkleinerung an die Medien verkaufen lassen. Vielleicht wäre nach den Operationen vom Erlös sogar noch etwas übrig geblieben. So aber lag die veranschlagte Kostensumme weit außerhalb der elterlichen wie die gewünschte Körperform außerhalb der jugendlichen Möglichkeiten. Sally und Luise mit ihren achtzehn Jahren waren einfach zu alt. Ihnen blieb nur der Weg zum Psychotherapeuten.
Sie müssen lernen sich anzunehmen. Und das können Sie, wenn Sie von anderen angenommen werden. Unternehmen Sie etwas, um mit Ihrem Körper klar zu kommen – in der Form, die er nun einmal hat …“
Dr. Schilly gelang es, die beiden umzustimmen. Nicht vor einem heimlichen Vertrauten, nein, unheimlich öffentlich würden sie die Makel ihrer Körperlichkeit preisgeben. Das würde ihr Selbstvertrauen festigen und damit ihr Selbstwertgefühl enorm steigern.
Schilly besaß ein bedeutendes Aktienpaket an „tele 007“. So war er frühzeitig über das „Zoo“-Projekt informiert, gehörte zur Jury, die die Kandidaten auswählte. Ruhig erläuterte er den Mädchen die Regeln des Dauerspiels: „Haben Sie schon einmal bekleidete Zootiere gesehen? … Sehen Sie! Absolute Nacktheit und Offenheit ist da die Norm.

Unsere „Zoo“-Kandidaten überschreiben den Veranstaltern die Ansprüche aus der Verwertung des Filmmaterials. Sie verzichten auf Freiraum innerhalb des Zoogeländes, dürfen dort aus beliebiger Position und zu jedem Zeitpunkt gefilmt werden. Sie verpflichten sich, keine zeugungsbeeinflussenden Mittel zu verwenden. Dafür nehmen sie aktiv am Wettbewerb um das Paar mit dem ersten im Zoo gezeugten Baby teil. Den Eltern dieses Babys sind nach Verlassen des Zoos Arbeitsplätze nach freier Wahl zum doppelten Durchschnittsgehalt garantiert. Jede Schwangerschaft wird mit einer lebenslangen Rente belohnt. Aber Sie brauchen natürlich nicht schwanger zu werden, wenn Sie keinen geeigneten Partner finden. Ich hielte das nur für eine besondere Chance für Sie.“ ...
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Endlich wieder etwas von Brunhild Hauschild. Auch wenn WIR nur Holzköpfe und "Marionetten" sind, so müssen wir doch immer dafür sorgen, dass wir geistig gelenkig bleiben ...
Mal wieder was zum Thema Liebe "... bis dass der Tod euch scheidet" ... aber so richtig "In vino veritas" ...

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Donnerstag, 21. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1917

Das Prosastück, das gerade begonnen, verlangt nach einer Fortsetzung:






Thomas Staufenbiel

Welt(en)weiser (2)..

... Nun will ich es jetzt nicht falsch verstanden wissen, ich habe nichts gegen die Besuche von Klaus. Ganz im Gegenteil, sie lenken mich von den Alltäglichkeiten eines geregelten Lebens zwischen Büroarbeitsplatz und Supermarktbesuchen ab. Wir sitzen dann zumeist jeder auf seinem Sofa, sinnieren vor uns hin oder philosophieren das Universum in die richtigen Bahnen.
Ein guter Tropfen darf dabei nicht fehlen, denn wie sagt mein lieber Klaus so gern: „In vino veritas.“ Wohl wahr, und sei es auch nur unsere Wahrheit, denn bevor Klaus zu später Stunde den Heimweg antritt, sind wir uns immer einig – sei es nun dem Wein geschuldet oder unserer ausgezeichneten Laune – wie man sich nur einig sein kann unter guten Hobby-philosophen.
Klaus hat es, wie auch ich selbst, im Leben zu etwas gebracht. Er ist nicht ungebildet, hat einen ausgezeichneten Ge-schmack, doch als Beamter leider einen für ihn ebenso unpassenden wie genialen Job. Wen wundert es da, dass er nach Stunden der Erbsenzählerei gern auf ein gutes Wort und den Sinn im Wein zu mir kommt.

Da ich hier sitze und Klaus ansehe, drängt es mich nun, etwas zu sagen. Ich rücke mich auf meinem Sofa zurecht, den Zeigefinger im Anschlag. Doch meine Weltanschauung gerät ins Wanken, denn ich habe mir den Gin großzügig und pur nachgeschenkt. Klaus scheint sich recht wohl zu fühlen, jetzt wo er mir zweimal gegenüber auf dem Sofa zu sitzen scheint und sich selbst den Rücken stärken kann. Und doch scheue ich mich nicht, den Mund zu öffnen.
Ich will Großes sagen, etwa ein „I have a dream“ oder „Ich bin ain Beerliner“. Ich erschrecke zutiefst bei der Erkenntnis - und werde auch wieder etwas klarer – dass die beiden Urheber dieser treffenden Aussagen längst in Heimaterde vermodert sind. Erschossen, ihrer Ideale wegen. Philosophie ist eine nicht ungefährliche Sache. Der Schock sitzt tief und lässt den zweiten Klaus verblassen.
Ich schaue zum verbliebenen hinüber. Er sitzt in üblicher Pose, in reiner Spock-Manier, die Fingerspitzen der linken Hand an denen der rechten, geradeaus blickend, ins Leere. Spock, vielleicht lag es an seiner außerirdischen, vulkanischen Herkunft, hatte nach solchen Momenten des Nachdenkens die faszinierendsten Einfälle.

Große Ideen brauchen Zeit zum Reifen“, sagt Klaus plötzlich. Resigniert schließe ich den Mund und lasse den Zeigefinger sinken. Ja, denke ich, der Spock. ...
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Etwas weniger weise folgen die Links zu den "Gedichten des Tages" (aber die riechen sehr nach "Weltuntergang" ...):

Die ersten vier Strophen wären vielleicht noch wohlmeinend geduldet worden, wären die beiden "Resümee-Verse" nicht danach gekommen. So lässt "Es Schillert noch kein Frieden" nur eine unerlaubte Deutung zu ...
Aber es muss ja nicht unbedingt Krieg sein, was das Ende der Menschheit bewirkt. Es gibt auch manch andere "Lösung". (Muss man erklären, was "schweres Wasser" ist?)

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Mittwoch, 20. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1916

.Versprochen ist versprochen und abwechselnd heißt dann eben abwechselnd. Also folgt nun ein Blick auf den nächsten Prosatext aus





Thomas Staufenbiel

Welt(en)weiser

Nüchtern betrachtet, denke ich und gestatte mir einen weiteren Schluck Martini, jenen köstlichen Aperitif aus Gin und einem Schuss Wermut, garniert mit einer Olive oder, wie ich ihn bevorzuge, mit einer halben Scheibe Zitrone - nüchtern betrachtet, denke ich also – und nun habe ich den Faden verloren. So etwas passiert mir in letzter Zeit häufig. Worüber wollte ich sprechen?

Ich schaue mich um. Ein Zimmer, nicht gerade groß, zweckmäßig eingerichtet. Vis-à-vis der Tür, die ich aus meinem Blickwinkel jedoch nicht sehen kann, da mein Nacken in letzter Zeit häufiger nach einer Massage schreit als früher, eröffnet ein großes Fenster den Blick auf gegenüberliegende Dächer. Jürgen, denke ich – seltsam genug, dass ich mich selbst in meinen Gedanken mit dem Vornamen anspreche – alles ist relativ. Wir befinden uns im Dachausbau eines alten Hauses, Baujahr 1911. Auf dem Fensterbrett zwei hölzerne Giraffen, darunter eine Truhe im afrikanischen Look. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, das ganze Zimmer in diesem Stil einzurichten, doch ich fand noch kein passendes Möbelstück. Mein Blick schweift zu den beiden Regalen, Herberge für unzählige Bücher über die wundersamen Dinge dieser Welt, Geheimnisse und Verschwörungstheorien, und mittendrin mein Fernsehapparat. Flatscreen. Mein Gott, denke ich schon wieder – langsam mache ich mir mit diesem vielen Denken selbst Angst – wie lange habe ich mich mit den alten Röhrenfernsehern herumgequält? Immer größer mussten sie sein, die Augen werden mit den Jahren nicht besser. Aus Gründen, die sich mir selbst nicht erschließen, kann ich es nicht ausstehen, permanent diese Nasenfahrräder vor den Augen zu tragen.
Weiter schweift mein Blick und findet, fast schon unerwartet, so sehr war ich in Gedanken, auf dem Zweisitzer schräg gegenüber meinen alten Freund und Weggefährten Klaus sitzend.
Richtig, schießt es mir durch den Kopf, der ist ja auch noch da. Sitzt dort auf dem Sofa und schlürft genüsslich eben jenen Martini, den ich ihm vorhin zubereitet habe. Warum ist Klaus hier? Ich kann mich an keinen Grund erinnern, es scheint für ihn offensichtlich zur Gewohnheit geworden zu sein, unan-gemeldet bei mir hereinzuschneien und sich genüsslich meinen Alkohol schmecken zu lassen. Fürwahr, er kann sich über einen Mangel an Gastfreundlichkeit nicht beschweren, auch wenn ich ihn oft kurzhalte. Viel zu selten steht er selbst mit einer guten Flasche Wein oder anderen anregenden Getränken vor der Tür. Viel öfter erbittet er mit den Worten „Da bin ich, altes Haus, alles dobsche?“ Einlass und lässt sich von mir aushalten. ... 


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Den Ausblick auf die nächsten "Gedichte des Tages" haben wir uns weltenweise verdient:

Nein, es ist keine Assoziation zu Dante beabsichtigt. In dem Testgedicht vonSlov ant Gali geht es allein um "Dichters Inferno" ...
Spötter mögen sagen, "drei weisheiten für moderne kapitalisten" mögen drei aphoristische Sprüche sein aber noch kein Gedicht, aber wann ist ein Gedicht ein Gedicht? 


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Dienstag, 19. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1915

..Eine eher stiefmütterliche Behandlung erfahren meist utopische Satiren. Mitunter scheint es, als wollten SF-Fans nicht schmunzeln sondern nur harte Action. Denen wird der "Weltuntergang" mittels "Liebesflöhen" wohl nicht so zusagen:

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Pulices libidinosi (2)



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... Vögmanns Team irrte. Maria hatte etwas dagegen. Maria hasste inzwischen das ganze Forschungsprojekt. Ihr heimlicher Geliebter Angelo war einer testgebissenen weiblichen Probandinnengruppe in die entfesselten Kräfte geraten – ein Anfall-Unfall. Man hatte die Damen zwar mühsam von Angelos Männlichkeit lösen können, doch die war nun durch nichts und niemanden wieder aufzurichten. Der ehemals tolle Liebhaber wollte das nicht eingestehen, sich nicht und der kaum lustosbedürftigen Maria gegenüber schon gar nicht. Immer „gerade jetzt“ wollte er angeblich gerade nicht, dabei war doch der Zusammenhang ganz offensichtlich.
In einem ersten Anflug von Hass hatte Maria die „Höllenflöhe“ umbringen wollen. Aber ein richtiger Skandal wäre sicher besser. Er würde das Projekt bestimmt platzen lassen. Oder aber, auch das lohnte den Einsatz, er beflügelte den Absatz, und dann konnte sie ja verkünden, dass es ihre Idee gewesen war.
Erst die Lustos der letzten Entwicklungsstufe mussten sich in ihrer Fortpflanzung steuern lassen. Das war Bedingung für ihre Marktreife. Terminatorflöhe, damit zu jedem Einsatz neue gekauft werden mussten. Die aktuelle Lustflohreihe vermehrte sich aber noch ungebremst hemmungslos. Maria brauchte deshalb nur wenige Exemplare aus dem Forschungsbereich zu schmuggeln, um sie in einem Brutkasten mit Speziallösung zu einer gewaltigen Lustoskugel aufquellen zu lassen.
Zur selben Zeit, da Maria am Strand den Deckel der mit den beißwütigen Tieren überfüllten Kühlbox hob, öffnete Vögmann in der Chefetage des Konzerns seine Berichtsmappe zur Vorstands-beratung. Und während er mit einer blumigen Rede die Revolution der sexuellen Stimulation verkündete – unter Hervorhebung der Rolle des eigenen Konzerns und seiner Forschungsabteilung – hatte Maria in ihrem Bikinislip am FKK-Strand ganz andere Sorgen. Würde ihre Dämpfungscreme wirken? Würde das Video über den ersten nicht im Forschungsplan vorgesehenen Großversuch unter Freiland-bedingungen gelingen?

Marias erstes Beobachtungsobjekt war eine etwa 20-Jährige. Die las auf dem Bauch liegend ein Buch. Kaum war das Lustosvolk seinem Gefängnis entsprungen, ,,, 


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Thomas Reich reist heute einmal in die Weltgeschichte und erlebt die Schlusssekunden von "JFK" mit. Dorthin - also in die Weltgeschichte, nicht in die letzten Sekunden von JFK - folgt ihm "Der grüne Sessel und die Göttlichkeit" von Slov ant Gali. Allerdings bezieht sich dieser verdichtete Text auf die aktuellen Karrierewerbung der Menschenschänder-Skandalfirma.


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Montag, 18. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1914

.Eine eher stiefmütterliche Behandlung erfahren meist utopische Satiren. Mitunter scheint es, als wollten SF-Fans nicht schmunzeln sondern nur harte Action. Denen wird der "Weltuntergang" mittels "Liebesflöhen" wohl nicht so zusagen:

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Pulices libidinosi (1)


Auch die Frauen müssen wollen, ob sie wollen oder nicht …
Was hatte sich Vögmann alles anhören müssen! Im Vorstand saßen fast nur Männer und Männer waren stets darauf aus, beim Sex ihre Männlichkeit vorzuführen. Lieber halfen sie heimlich mit Chemie nach, als sich niederhängend zu blamieren. Doch was es da an Mitteln gab, hatten andere patentiert. Da konnte man nur hinterherhinken. Aber so dachten die Typen eben.
Dabei … die Pille zur Maximierung weiblicher Lust wäre doch eine wissenschaftliche Spitzenleistung gewesen. Doch war sie für den Konzern zum Reinfall geworden und er, der alte Forscherhase, zum Blitzableiter für Yuppiefrust. Er hätte es doch wissen müssen, zogen sie ihn auf: Entweder waren die Frauen wirklich bereit – dann brauchten sie keine Pillen – oder sie wollten nicht, dann wollten sie eben auch so eine Pille nicht. Ihre Gedanken müsse man(n) vorher auf den Intimbereich richten, möglichst unauffällig, ja, am besten ohne weibliches Wissen und Mitwirkung. Und dann feixten sie, als wäre er der Einzige, den man im Vorstand nicht ernst zu nehmen brauchte.
Was hatte Vögmann nicht alles unternommen. Er hatte seine Konten schon im Speicher des Locus, also des Local cultural Systems, was früher mal das Arbeitsamt gewesen war, abschmelzen sehen, bis er seine Frührente hätte beziehen dürfen. Aber da hatten sich diese Berufsjugendlichen verrechnet. Vögmann hatte lange nach passenden Partnern gesucht, und er hatte welche gefunden. Menschenflöhe (pulices irritans)! Diesen Tieren hatte die Natur einen Sinn mitgegeben für die zum Einstich geeigneten Körperstellen und einen Injektionsstoff gegen Blutgerinnung. Nur verursachte ihr Stich ein zum Kratzen schlimmes Jucken. Das schrie nach Forschung: Dieses Jucken, also, dieses Jucken musste sich doch wohl in ein lüsternes, wohliges Kribbeln verwandeln lassen, oder?
Ein paar genetische Veränderungen an den Flöhen blieben noch zu finden. Wie regte das männliche Forscherhirn die Vorstellung an, den Flöhen könnte der Vaginalbereich als bester Einstichort erscheinen! War das kein wichtiges Ziel? Vor allem eines, das dem Konzern einen kaum erschlossenen Markt eröffnete? Ob sich das nun die Frauen selbst antäten, um sich auf den Männerempfang vorzubereiten, oder ob die Männer die süßen Beißer auf die Frauen ansetzten, war doch für den Umsatz egal. Hauptsache, die Flöhe vermehrten sich nirgendwo anders als in den eigenen Produktions-hallen. Die dafür nötige Technologie gab es längst.
Welch Erfolg: Erste Testflöhe spritzten ihren Wirtsfrauen einen Botenstoff, unter dessen Einwirkung den Probandinnen Liebessäfte sprudelten, dass es ein reines Badevergnügen war.

Das eröffnete einen Wettbewerb um den passenden Namen für die neuen Geschöpfe. Allein das Wort „Floh“ löste ja schon ein unangenehmes Jucken aus! So konnte man die versoffenen kleinen G-Punkt-Kenner wirklich nicht nennen, wenn sie jemand kaufen sollte. Aber „Lustos®“, ja, das klang gut. Dagegen konnte niemand etwas haben. ...
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Auch die Gedichte des Tages" sind morgen nicht für extreme Traurigkeit zu gewinnen:

Liebesgedichte? Was ist das? So hieß es gestern und so könnte es abgewandelt heute auch heißen.
Müssen das nur die Anschmachtereien sein?
Klar, in "Liebe m.b.H." gibt es solche UND solche. Hier kann ich allerdings ein Testgedicht aus der fortgeschrittenen Phase einer Beziehung vorstellen: "Vernunftehe", weshalb ich ein Gedicht aus dem Buch mit einem ähnlichen Traurigkeitsfaktor ausgewählt habe: Slov ant Gali: "Nach der Balzzeit" ...

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