Eigentlich hätte ich die nächste Arbeitswoche nach meinem intensiven Lernprogramm müde beginnen müssen. Aber es baute mich unheimlich auf, dass ich seit dem Geburtshilfetag keinen Albtraum mehr gehabt hatte. Und irgendwie durchströmte mich die Überzeugung, dass ich schon in den nächsten Tagen hinter alle bisher ungeklärten Geheimnisse kommen würde. Allerdings brachte mich ein Zufall am Abend jenes Montags auf ganz unvorhergesehene Weise vorwärts.
Es gab im Institut eine Reihe geschriebener und ungeschriebener Gesetze. Zu den ungeschriebenen gehörte das Meiden von Politik und Tagesnachrichten. So eine Art ethischer Kodex besagt, dass wir uns von ablenkenden Alltagsproblemen fernhalten sollten, wenn sich das irgendwie machen ließ. Unter anderem deshalb hatten Bewerber mit großem familiärem Umfeld „draußen“ von vornherein schlechte Karten. Wir bleiben unter uns. Wir sind zu Höherem berufen. Wissenschaft als Dienst an der Menschheit als Ganzem. So in der Art sollten wir an unsere Arbeit herangehen.
So war es normal, dass wir in unseren Unterkünften keine Fernsehapparate hatten. Ich natürlich auch nicht. Wozu auch? Die Arbeitstage waren lang und die freie Zeit danach nutzten wir am besten, indem wir unseren Körper fit hielten. Jeder trieb mindestens einen Sport aktiv – und mit dem Vorbehalt, dass es innerhalb der Institutsgemeinschaft bleiben sollte, gehörte ein erfülltes Sexualleben zu diesen Motivationssportarten.
Nun hatte sich bei einem kurzen Wortwechsel am Rande herausgestellt, dass die Frau eines der Securitymänner, die für die Sicherheit unseres Freigeländes zuständig war, in den nächsten Wochen ihr erstes Baby bekommen würde. Lissy war voll weg. Sie konnte sich offenbar schon kein besseres Gesprächsthema mehr vorstellen als Atemtechniken, Geburt und was für niedliche Ärmchen die Kleine haben würde. Sie war wie verwandelt, und ich erwartete einen langweiligen Abend im Kreis von Leuten, die mir gerade einmal vom Sehen bekannt waren. Nur der Bauch der Frau würde weiter vorgestreckt und Gesprächsthema sein.
Doch es kam anders. Wir saßen noch nicht lange zusammen; das Gespräch hatte allerdings wirklich schon das befürchtete Thema erreicht und Mrs. Cunningham sich als begeisterte Anhängerin von Wannengeburten geoutet, da winkte mir Jeff verschwörerisch zu. Er hatte sich eine Kammer eingerichtet, in der eine Videowand installiert war. Nur waren die angeblichen Videos Fernsehsender, die er gelegentlich konsumierte. Jeff hatte seine technischen Fähigkeiten dafür genutzt, Pay-TV-Sendungen zu empfangen, natürlich ohne zu zahlen und deshalb ohne Werbeunterbrechungen. Nach dem ersten Film, Jeff hatte sich in einen Science-Fiction-Kanal eingeloggt, wollte er schon nach etwas Anderem – er zwinkerte verschwörerisch – suchen, da kamen Weltnachrichten.
Irgendeine innere Warnlampe leuchtete rot. Ich durfte auf keinen Fall zu großes Interesse zeigen. Ich tat also in den folgenden zwei Stunden so, als faszinierten mich die nymphomanischen Blondinen auf ihrem Jagdzug.
Die älteren beiden Beiträge zu den Gedichten des Tages vom 8.9. sind beide der irdischen Pflanzen- und Tierwelt entwachsen:
"Chamäleon" und von 2008 "kakteen"
Dazu kommt ein "Testgedicht":
Fürchte nicht die großen Gesten
Fürcht´ nicht, dass man Bullshit schreit.
Es ist leider nicht zu ändern,
Jedes Wort ist längst entweiht.
Mag man über Pathos lachen,
Weil du hoffst, auch über dich.
Doch du lebst auf keiner Insel.
Und als Freund hast du schon mich.
Einer spinnt in Weltenkammern
zarte Fädchen Poesie
Einer schwingt den Schmiedehammer
Wortgewalt voll Fantasie
Beide Kunst kann letztlich nützen
unsre Lebenswelt zu schützen.
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