Sonntag, 29. Mai 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1038

Gunda Jaron: Randfigur

Spuren, die die Randfiguren
unsres Lebens hinterlassen, 
haben schärfere Konturen 
als die Spuren steter Massen
mainstreamtreuer Wegbegleiter. 
Deren Spuren im Gedränge 
sind zwar tiefer und auch breiter, 
aber ein Produkt der Menge,
ohne individuelle
Attribute und Gepräge.
Ihnen fehlt das ganz Spezielle,
das Verrückte, manchmal Schräge .


Randfigurgeprägte Spuren
bleiben dank der Eigenschaften 
und der klareren Strukturen, 
besser im Gedächtnis haften.


Drum sag niemals, du seist "nur"
irgendwo die Randfigur ...

Dieses alltägliche literarische Journal ist z. B. "nur" eine Randfigur. Aber immerhin ein Verweis auf Ideen wie z. B. die "Gedichte des Tages" von morgen, also Montag. Und da wird außer obigem Gedicht noch Abschaum vorgestellt und an  der bär erinnert.
Womit ich schon bei der Prosa wäre. Und Anna Roth mit ihrem Buch Dreizehn und eine Liebesgeschichte und ihrer Fortsetzungsgeschichte 42 oder der Hauch von Kokos:

Ja. Bei dir etwa auch?
Durch meine Stadt liefen Engel. Sie schmückten mich mit einem unwirklichen Lächeln.  Die schönsten Frauen wurden immer hässlicher. Denn sie mussten sich den Vergleich mit meiner mich überallhin begleitenden Nadine gefallen lassen. Mir war das ewige Leben versprochen. Oder wenigstens würden wir in den nächsten 30 Jahren auf der Wiese um den einzigen Baum herum tanzen, dessen Früchte wir nich essen durften.
An einem Sonntagnachmittag sollte unser gemeinsames Leben beginnen. Am Freitag hatte ihr Vater Geburtstag.  Nadine nahm Urlaub. Am Donnerstagabend fuhr sie die 600 Kilometer heim, am Samstag bliebe sie bei der Familienfeier und am Sonntag käme sie direkt zu mir. Am Montag wäre ich ihr Start- und Landeplatz zur Arbeit.
Um vierzehn Uhr dreißig presste meine Stirn den x-ten Scheibenputzfleck ans Fenster. Daniel verwickelte mich in ein Gespräch über das Stauunwesen zwischen Nürnberg und Berlin.
Um fünfzehn Uhr dreißig - Nadine hatte gemeint, vielleicht komme sie später los und überhaupt sei es eine schwierige Strecke, um pünktlich zu sein - wählte ich ihre Nummer. "... temporary not available ..."
Wir Männer aßen zusammen am Fenster zur straße Abendbrot. Um acht grinste mich Daniel an: "Zum Poppen kommt sie bestimmt noch rechtzeitig ... Okay, ich geh schon ..."
Er behielt nicht Recht. Beim Einschlafen dachte ich daran, dass mir Nadine einen Traum erzählt hatte: Ihr würde eine Tür geöffnet. Tag, Daniel, sagte sie zu dem Jungen, von dem sie nicht einmal ein Foto gesehen hatte, aber wer hätte das sonst sein sollen, und er antwortete auch völlig entspannt "Tag, Nadine" als würden sie sich schon lange kennen, und führte sie in einen Raum mit einem Bett, Dort lag ich, schlief zusammengekauert wie ein Embryo im Mutterleib und Daniel erklärte, ich hätte die ganze Zeit gewartet, jetzt sei ich erschöpft. Wir haben ja Zeit, habe Nadine im Traum geantwortet.

( Fortsetzung folgt)

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