Donnerstag, 19. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1364

Also diejenigen DDR-Bürger, die am 20. April Geburtstag hatten, waren nicht zu beneiden: So richtig auffällig laut konnten sie nicht feiern, ohne einen diese Feier auflösenden Besuch erwarten zu müssen. Es war eben eine Diktatur mit verordnetem Antifaschismus, in der man nicht einmal an jedem Tag ordentlich feiern durfte ...


Soll ein literarisches Blog etwas zum 20.4. bringen? Besser nicht, oder?
Eigentlich macht die Kategorie "DDR" das aus einem Logik-Test erwachsene Gedicht kleiner als es ist. Aber der Vorzug einzelne Gedichte ist es nun einmal, nicht alle Zusammenhänge in ihrer objektiven Bedeutung aufzeigen zu müssen: "Vom Bauen"
Verreisen wir lieber noch einmal mit Jürgen Polinske nach Portugal: "In Porto".



Bleibt noch die nächste Folge des utopischen Romans:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (27)


... Wenn auf meiner alten Erde Menschen gute Laune gehabt hätten, hätten sie beispielsweise gesungen, und andere hätten ihnen zugehört – hier lauschten die Hüttenbewohner richtig andachtsvoll dem urtümlichen Gesang der Nischenbenutzer. Du braucht deine Geschlechtsgenossinnen übrigens nicht zu beneiden. Die Männer gingen eigentlich sehr brutal mit ihnen um. Waren sie fertig, kamen sie wieder aus der Nische hervor – meist ohne ihre Kleider wieder überzustreifen. Ein paar Spritzer aus dem Familienwaschkessel und gut.
Abends folgte dann ein Ritus, dem ich anfangs mit Schaudern zusah. Ich weiß ja nicht, wie sich das inzwischen auf der Erde weiterentwickelt hat, aber bis zu meiner Abflugzeit waren intime Berührungen von Kindern durch Erwachsene ein strenges Tabu. Und was musste ich schon am ersten Abend sehen, also noch bevor ich einen Blick auf eine der Nischenbegegnungen geworfen hatte? Männer und Frauen gingen von Liegeplatz zu Liegeplatz, um die Kinder zu streicheln. Sie streichelten sie sehr sanft und ausgiebig und besonders intensiv an ihren Geschlechtern. Die Kinder wiederum schienen darauf gewartet zu haben. Einige schienen es kaum erwarten zu können, und diese Streicheleinheiten endeten erst, wenn die Kinder sich so selig wanden, als hätten sie einen Orgasmus.
Nein, ich hatte das Gefühl, wegsehen zu müssen, und konnte es nicht. Ich wollte losrennen und diesen Kinderschändern zurufen, das macht man nicht. Aber dann ... Einmal davon abgesehen, dass sie mich sprachlich nicht verstanden hätten, hätten sie es auch vom Sinn her nicht. Was hieß denn Schänder? Das hätte ja bedeutet, es wären Kinder in Schande zurückgeblieben. Schande aber kannten sie nicht. Sie schliefen offensichtlich schnell zufrieden ein.
An diesem Abend kam ich schweißgebadet wieder zu mir. Was trieb mich nur an? Einen Teil meiner Empfindungen kannst du dir leicht vorstellen. Das letzte Mal, als ich eine Frau als Frau berührt hatte, lag länger als zwei Jahre zurück. Aber so vermisst wie in diesem Augenblick hatte ich das bisher nicht ein einziges Mal.

Wie geht man mit etwas um, das einen … Ja, was eigentlich? ... anwiderte? Hätte ich das jetzt sagen müssen? Für die Welt, aus der ich kam, galt das wohl so. Aber vom folgenden Tag an verfolgte ich das Treiben, wenn ich es denn verfolgte, mit anderen Augen. Wie ging es diesen Kindern?
Ich begann zu wichten. Bei aller Vorsicht, die hier geboten war, diese offenbar nicht als Erotik verstandene Intimität genossen alle Kinder, bis sie erwachsen waren. Entschuldige. Ich korrigiere: Sie betrafen die Saks nicht, die ein eigenes Intimleben hatten. .
Dieses Blog ist der Linkgemeinschaft literarischer, kultureller und politischer Blogs im Netz beigetreten. Copy & paste dieses Bekenntnisses ausdrücklich erwünscht. Die Wiedergabe von Texten der Partnerblogs nur nach vorherigerNachfrage.

.

Mittwoch, 18. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1363

Was die Jahreszeit angeht, so ist der richtige Frühling wohl nur eine Frage von Tagen, was die Gesellschaft angeht, steht der Durchbruch noch aus ... Also widmen wir uns lieber den unmittelbar bevorstehenden "Gedichten des Tages":


Nein, es gibt noch richtig aus dem Rahmen fallende Lyriker.
Bei Thomas Reich ist "Murmeltiertag". Wer da an den Film "Und ewig grüßt das Murmeltier" denkt, ist schoneinmal auf der richtigen Fährte ... wenn auch etwas sehr Eigenes zum Gedicht wurde ...
... Letztlich klang mir dann das Lied "Alle Vögel sind schon da" zu niedlich. Die Assoziation aber ist erlaubt - auch wenn das Bild größer gedacht ist: "Falscher Frühling". Der Titel ist geblieben ...


Kurze Fortsetzungsstücke ergeben erst zusammengesetzt ein "richtiges Bild". Die meisten klassischen Fortsetzungsromane waren kurze Sumpfblüten. Aber hier machen wir ja Science Fiktion:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (26)


... Aber alle taten von Angst gebannt so, als schliefen sie fest, damit dieser Nachtgeist nicht gerade sie bemerkte und mitnähme. Und das, was ich für irgendein Familien- oder Fruchtbarkeitsfest gehalten hatte, erwies sich als eine Art Voodoo-Zauber, der die reglosen Hausgeister, die ich zurückgelassen hatte, bannen sollte. Der Bann schien ja erfolgreich zu sein, denn es regte sich nichts und es kam niemand mehr. Man näherte sich den Zauberwerken nicht so weit, sie zu wecken, aber man vergaß sie allmählich wieder, weil nichts geschah – vorerst einmal.

Die Beobachtung des Hütteninnenlebens, besonders morgens und abends, gab mir schnell Grund zu vielfältigen Hoffnungen. Zum einen erkannte ich auch ohne Übersetzer eine Vielzahl unterschiedlicher Laute und Gesten. Aus dem Vergleich der vielen Hüttengespräche würde der Übersetzer nun sicher eine richtige Sprache erkennen. Zum anderen bemerkte ich etwas, was jedem echten Voyeur ein rauschendes Vergnügen durch die Glieder gejagt hätte. Das war das Liebesleben meiner Menschen. Für mich waren die Hütten ja erbärmlich klein. Sie enthielten fast gar keine Möbel, gerade einmal Truhen, die aussahen, als könnten sich die Saks die auf den Rücken binden. Es gab keine Räume für einzelne Zwecke außer eben jenem einen für sexuelle Begegnungen. Weißt du, ich kannte das ja nicht. Wenn wir auf der Erde miteinander intim werden wollten, dann machten wir das entweder dort, wo wir uns gerade aufhielten und uns ungestört glaubten, oder im Schlafzimmer vor oder nach dem Schlafen, weshalb wir auch Miteinanderschlafen zu der Sache sagten. Geschlafen wurde in den Hütten aber in dem Raum, in dem sich vorher alles Andere abgespielt hatte. Aber jede Hütte hatte eine nur nach einer Seite offene Nische. Acht Hütten hatte ich mit Beobachtungstechnik versehen, aber nur in zweien konnte ich dort hineinschauen. Mir kam das Verhalten deiner Vorfahren in der Beziehung richtig komisch vor. Die, die sich dahinterbegeben wollten, verneigten sich erst voreinander. Solche Verneigungen waren auf der Erde schon früh aus der Mode. Nur wenige Völker, vor allem die Japaner, bewahrten diese Geste länger – und bei einigen Kampfsportarten, die von ihnen erfunden worden waren, gehören sie zum Ritus. Ich kam nicht sofort auf den Sinn dieser Geste, weil sich mitunter auch mehr als zwei Menschen voreinander verbeugten und dann in diese Nische verschwanden. Die restlichen Bewohner deuteten den Entschwindenden gegenüber ebenfalls eine Verbeugung an. Dann sah man, wie die für die Liebe Bereiten aus den Kleidern, die sie ablegten, eine Schwelle bauten, und ich habe nie beobachtet, dass irgendein anderer Bewohner über diese Schwelle getreten wäre, ja, dass überhaupt einer versucht hätte, einen Blick dorthin zu werfen. Die Geräusche verrieten allerdings zweifelsfrei, was sich da abspielte. ...

Dieses Blog ist der Linkgemeinschaft literarischer, kultureller und politischer Blogs im Netz beigetreten. Copy & paste dieses Bekenntnisses ausdrücklich erwünscht. Die Wiedergabe von Texten der Partnerblogs nur nach vorherigerNachfrage.

Dienstag, 17. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1362

Das eine der hier vorgestellten "Gedichte des Tages" hat schon einen öffentlichen Auftritt hinter sich. Es bot sich an für eine Kulturmahnwache der "Mütter gegen den Krieg" am Thälmann-Geburtstag. Keine Frage, welches. Schmunzeln musste ich gestern auch: Am gleichen Tag geboren wurden also Ernst Thälmann, der Papst und Eberhard Panitz, der mit "Meines Vaters Straßenbahn" ein wunderbares Buch zum Geburtstag präsentiert bekam ...


Wem wurde noch nie erklärt, das macht man nicht? Oder das darfst du nicht? Die größte Gefahr, die ich bei dem Slov-ant-Gali-Gedicht sehe, ist ein formales Kopfschütteln: So dichtet man heute nicht mehr. Aber da heißt es, allen Mut zusammennehmen, zu grinsen: Grass hat einfach gesagt, was er da geschrieben, sei ein Gedicht ... Warum soll ich nicht sagen, dies ist modern: "Mit Pathos zu lesen (U 50)" ?!

Wer weiß, welche "Erbschaft" einmal unsere Nachkommen von uns antreten. Aber vielleicht wäre es dann besser, sie könnten sie ausschlagen ...


Nun noch zum Fortsetzungsroman:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (25)


... Langweile ich dich?
Schließlich erzähle ich von der Gemeinschaft, in der du geboren wurdest. Die Saks sind dir ja von Anfang an vertraut. Du hast schon ihre Laute gehört, als du noch nichts davon verstanden hast. Was für mich wie ein wirres Aatschiatschascha klang, war deiner Mutter Sprache. Was für mich ein unheimlicher Forschungsgegenstand war, war dir normales Leben. Ich versuche mich also kurz zu fassen. Aber du musst auch einsehen, dass es lehrreich sein kann, das, was einem ganz normal und natürlich vorkommt, einmal mit den Augen eines Außenstehenden zu betrachten. Vielleicht gibt dir erst das die Möglichkeit, alles in Frage zu stellen – so wie du so Verständnis bekommst für mögliche Missverständnisse, wenn jener Außenstehende etwas Natürliches nicht kennt und dieses Natürliche für etwas Unnatürliches hält, weil es bei ihm eben anders ist.
Ich begann also meine Zeit als Voyeur. Ich wiederholte meinen Ausflug noch einmal, nachdem ich mir sicher war, dass das Dorf so etwas wie Wachen nicht kannte. Zehn Tage lang hatte ich dem Dorfleben zugesehen, ohne einen Menschen – so nannte ich die Wesen ja noch - mit einer Waffe in der Hand gesehen zu haben. War meine Perspektive so ungünstig oder waren sie so leichtsinnig oder gab es für sie einfach keine Gefahren? Letzteres konnte ich nach jener Begegnung mit den Fleischbergen auf Beinen absolut nicht glauben. Eine Lebenswelt, die keine Raubtiere kannte, widersprach aller Evolutionslogik. Überall, wo sich etwas entwickelt, entwickelt sich auch etwas, was verhindert, dass diese Entwicklung ausufert.
Der erste Versuch, den Übersetzer zu starten, war zum Fiasko geworden: Er vermochte gerade einmal etwa zehn Prozent der Zurufe eine wahrscheinliche Bedeutung zuordnen. Und er war der Meinung, insgesamt nur gut 200 wahrscheinliche Begriffe isoliert zu haben. So unscheinbar primitiv die geflochtenen Hütten auch sein mochten – sie setzten eine umfangreichere Kommunikation auf abstrakter Ebene genauso voraus wie ein abstraktes Vorausdenken erfordernder Ackerbau. Den glaubte ich ja auch schon entdeckt zu haben. Ob sie sich innerhalb ihrer Hütten mehr unterhielten? Letztlich war das nur herauszufinden, wenn ich sie innerhalb dieser Hütten beobachtete und belauschte.
Nein. Das war kein Abenteuer. Ich installierte umfangreiche Beobachtungstechnik in mehreren Hütten und verbarg sie, so gut das möglich war. Ich bildete mir sonst was darauf ein, so geschickt und lautlos vorgegangen zu sein, dass ich niemanden geweckt hätte. Wie naiv! Ein paar Wochen später fand sich die Erklärung meines „Erfolges“. In Wirklichkeit war wohl mehr als das halbe Dorf erwacht. ...

Dieses Blog ist der Linkgemeinschaft literarischer, kultureller und politischer Blogs im Netz beigetreten. Copy & paste dieses Bekenntnisses ausdrücklich erwünscht. Die Wiedergabe von Texten der Partnerblogs nur nach vorherigerNachfrage.

Montag, 16. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1361

Bei einem täglichen Literaturjournal ist es gar nicht so leicht, den "Turbo" einzuschalten. Da geht vieles seinen alltäglichen Gang, an den man sich allmählich gewöhnt hat. So ist das hier auch. Im Prinzip ist klar, womit diese Ausgabe beginnt: Mit den nächsten planmäßigen "Gedichten des Tages":


Ob ich einmal die Frage beantworten kann und will, was denn dieses Gedicht zu bedeuten hat? Im Moment ist es mir noch gleich. Es verarbeitet Traumbilder und ... mir hat das Aufschreiben Spaß gemacht ... "Guten Morgen".

.Bisher kannte ich die Metapher nur als Warnung: "Du bewegst dich auf verdammt dünnem Eis, min Freund." Bei   gehört es zu eine Liebeserklärung:
Sebastian Deya "Bei jedem Blick"


Wenn wir die vorgestellt haben, schauen wir nach Extras, finden keine und machen mit den utopischen Fortsetzungsroman weiter. Was sonst?!


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (24)




... Sie trug etwas Sandalenartiges, keine Strümpfe, ein Kleid, dem ein Strick um die Hüften und zwei mir unbekannte Knoten über den Schultern Halt und Form gaben. Schmuck erkannte ich keinen. Als ich ihr noch einmal ins Gesicht zoomte, erschienen mir die Brauen unverhältnismäßig hoch und breit. Bemalt war das Gesicht mit schwarzer Kreide. Circa 40 Kilogramm sei die Frau schwer und 150 Zentimeter hoch, erklärte der Analysator. Humanoid, natürlich. Schlank also und zierlich. Für die Gravitationsverhältnisse dieses Planeten eigentlich zu klein gewachsen.
Weißt du, während ich dieses erste fremde Wesen musterte, erklärte ich es zum Menschen, zu Meinesgleichen. Und das trotz der Zeichen von Greisenhaftigkeit und trotz der wulstigen Lippen und der nur vereinzelt verbliebenen Zähne. Also schön hätte ich diese Frau nicht genannt.
Im Innersten spürte ich Widerspruch: Gerade bei so offensichtlich erscheinender Ähnlichkeit sollte ich mich vor vorschnellen Urteilen hüten. Nur weil dieses Wesen mit seinen Formen an eine Erdfrau erinnerte, musste es keine sein, was wie Greisenhaftigkeit aussah, konnte die normale Hautbeschaffenheit sein und so. Ich wusste doch nichts!
Ich weiß nicht, wie lange ich mich mit der Betrachtung dieser „Oma Eva“ hingab ... bei uns gibt es ein Märchen, demzufolge die allererste Frau auf Erden Eva geheißen hatte ... Irgendwann riss ich mich los und ließ den Film normal weiterlaufen. Selbstvergessen bestaunte ich die Geschöpfe, die da nach und nach an meinem heimlichen Drehort auftauchten. Die Bilder bestätigten doch meine anfängliche Vermutung. Offenbar gehörte die zuerst aufgetauchte Frau zur ältesten, der dritten Generation. Es gab noch eine Elterngeneration. Etwa zwei Drittel der Wesen, die ich an diesem Tag zu Gesicht bekam, waren Kinder unterschiedlicher Reife.Von denen liefen einige unbekleidet herum. Die meisten dieser Menschen trugen aber ähnliche Kleider wie die Frau, die ich als Erstes gesehen hatte. Allerdings hatten die Männer einen breiten Gürtel um und irgendwelche Teile auf den Schultern, die die Knoten verdeckten, und ihre Kleider waren kürzer. Ich erinnerte mich, ähnliche auf Abbildungen in einem Buch über unsere Geschichte bei ägyptischen Fellachen gesehen zu haben.
Aus den insgesamt 25 Hütten waren etwa 150 bis 200 Menschen geströmt. 152 behauptete der Analysator.
Was immer geschah, vorerst würde ich nur beobachten und abwarten. Ich schaltete auch einmal die von den Richtmikrofonen eingefangenen Geräuschäußerungen zu. Da erkannte ich aber nur lauter Zischlaute und Aas dazwischen. Nun ... in der Hinsicht war mir die Technik überlegen – mit einer Einschränkung: Auch sie brauchte Zeit, um Begriffe zu erkennen. ...


Dieses Blog ist der Linkgemeinschaft literarischer, kultureller und politischer Blogs im Netz beigetreten. Copy & paste dieses Bekenntnisses ausdrücklich erwünscht. Die Wiedergabe von Texten der Partnerblogs nur nach vorherigerNachfrage.

Sonntag, 15. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1360

Im Nachgefühl eines typischen Apriltages, der nicht die Richtung entscheiden mag, folgt nun der Ausblick auf künftige "Gedichte des Tages" - immerhin mit einem Portugalgruß:


Wie angekündigt lassen wir uns noch einmal von Jürgen Polinske nach Portugal entführen: "Kap San Vicente
Aber für meine Version des Affen-Bildes muss man nicht so weit reisen. Dafür reicht auch die Berliner S-Bahn (heute ist der Geburtstag von Ernst Thälmann. Vielleicht wäre manches anders gekommen): "noch ein tag im paradies".


Es folgt unweigerlich die Prosafortsetzung. Hoffentlich ist es für mindestens einen einzigen Leser ein Vergnügen, sollte der utopische Roman einmal fertig sein, nachzustöbern, wie sich die Geschichte im Laufe der Zeit verändert hat...

Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (23)


... Mein Gedächtnis spielte mir keine großen Streiche. Bis auf etwa 300 bis 500 Meter konnte ich mich in einem lichten Dschungel der Siedlung nähern. Dann folgte ein breiter Uferstreifen, der wahrscheinlich mit irgendeiner Frucht bepflanzt war. Landwirtschaftlich genutzte Felder also. So gut getarnt wie möglich installierte ich meine Beobachtungstechnik. Kameras, Richtmikrofone. Noch am Waldrand, aber so, dass die Siedlung möglichst umfassend erfasst wurde.
Endlich war ich zufrieden. Noch einmal alle Fernsteuerungen getestet und weg. Eine Wache hatte ich nicht gesehen, und es gab keinen Grund zur Befürchtung, dass mich irgendwer bemerkt hatte. Ohne abzuwarten machte ich mich auf den Rückweg zum Gleiter. Es kam mir wie eine Willensprobe vor, erst dort auf einem Monitor das Aussehen der fremden Wesen zu bestaunen. Irgendein Gefühl sagte mir, ich bekäme kleine Tyrannosaurusse zu sehen. Und aus eine Mischung aus Neugierde und Angst, die intelligenten Echsen könnten doch noch meine Fährte aufgenommen haben und ich wäre erst im Gleiter meines Lebens sicher, legte ich die ganze Strecke im Laufschritt zurück.
Lach nicht: Ich kam im Gleiter an, begann logischerweise sofort, die Wiedergabe vorzubereiten, aber bevor ich damit fertig wurde, war ich eingeschlafen …

Als ich wieder wach wurde, war es draußen hell. Ich hatte lauter wirres Zeug geträumt von Echsen, die mich zerfleischten, und fühlte mich entsprechend. Ich zog mir einen Schnelldurchlauf auf Monitor 2. Gebannt starrte ich auf das schlafende Dorf vom vorangegangenen Morgen. Wann tat sich endlich einmal etwas? Da! Eine Bewegung! So schnell, wie ich diesmal auf normale Wiedergabe umgeschaltet hatte, reagierte ich sonst nur sehr selten. Zoom, schnell den Zoom einrichten und ...
Das konnte doch nicht möglich sein! Ins Bild kam ... ein Mensch!? Genauer wohl eine Frau. Oder?
Aufzeichnung stopp!
Die Verblüffung war eigentlich kaum zu überbieten. Ich fuhr den Zoom näher heran, um mehr Einzelheiten zu erkennen, wieder zurück, um ein Gesamtbild der Erscheinung zu bekommen. Es blieb dabei. Das erste wahrscheinlich intelligente Wesen, das mir auf diesem fernen Planeten ins Blickfeld geriet, zeigte eigentlich alle Merkmale, wie in den ersten Jahrhunderten der vorigen Zeitrechnung eine mongolische Frau im für damalige Verhältnisse fortgeschrittenen Alter von etwa fünfzig Jahren. Ledrig gegerbte Gesichtshaut, eine fast kugelförmige Kopfform, blauschwarze Haare, dunkelbraune Augen, eine Nase, als hätte eine archaische Gewalt sie ihr irgendwann früher in den Kopf zurückdrücken wollen ... 

Dieses Blog ist der Linkgemeinschaft literarischer, kultureller und politischer Blogs im Netz beigetreten. Copy & paste dieses Bekenntnisses ausdrücklich erwünscht. Die Wiedergabe von Texten der Partnerblogs nur nach vorheriger Nachfrage.

Samstag, 14. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1359

Der Server mag das Journal offenbar nicht. Jedenfalls wird etwas veröffentlicht, was noch nicht dran war, und was dran war, wird nicht veröffentlicht. Einigen wir uns auf "Folge des Freitags, des 13.". Denn dran ist gerade ein Blick auf bevorstehende "Gedichte des Tages" - und um die wäre es schade:


Ob wohl jedes Land seine eigene Romeo-und Julia-Geschichte hat? Jürgen Polinske hat sie jedenfalls in Portugal gefunden: "Alcobaca". Und es ist natürlich kein Geheimnis, wer Marina ist ... (Tipp: kein Königskind ...)
Es sind noch ein paar weitere Portugal-Gedichte geplant. Zu erwarten war auch, dass nach einem "archimedisch 1" ein "archimedisch 2" folgen musste. Hier ist es.



Es soll damit nicht gesagt werden, dass es um die Veröffentlichung des Arbeitsstands des SF-Romanprojekts nicht schade wäre ...

Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (22)



... An den folgenden Tagen passierte nichts Erzählenswertes. Ich bereitete meinen Ausflug zu der fremden Siedlung gründlich vor. Er war einfach zu wichtig, als dass ich mir vermeidbare Fehler hätte leisten dürfen. Manchmal ging mir zwar durch den Kopf, es darauf ankommen zu lassen und mit dem Gleiter einfach zwischen den Hütten zu landen. Aber das war natürlich Quatsch. Im wahrscheinlichsten Fall stoben alle auseinander und näherten sich erst wieder, wenn meine Spuren verwischt waren. Vielleicht hätten sie mir ein Opfergeschenk hinterlassen.
Aber was wichtiger war und jeden möglichen Erfolg minimierte: Ich besaß keine Kommunikationsmöglichkeit. Was nutzte mir der Hochleistungsübersetzer TL 300, wenn er nicht über die Sprache der Anderen verfügte? Eine Intelligenz hatte auch eine Sprache, aber die konnte total anders sein als meine.
Als ich endlich loszog, wirkte ich wie ein überladener Reporter. Kameras und Aufzeichnungsgeräte, ein TL, drei Phots ... Ich wollte mich zu Fuß der Siedlung nähern und zwar so, dass ich nicht bemerkt würde. Die Erfolgsaussicht hielt sich in Grenzen. Ich hatte ja nicht nur keine Ahnung, wie die fremden Wesen aussahen, sondern auch nicht, über welche Sinnesleistungen sie verfügten. Ich musste davon ausgehen, dass sie besser sehen oder hören konnten als ich von der Technik verwöhnter Mensch, aber es konnte auch sein, dass sie die Annäherung von etwas Fremdem rochen, bevor wir uns überhaupt sehen oder hören konnten, und gegen diese Möglichkeit hatte ich kein technisches Hilfsmittel, denn mir fehlten einfach die Kenntnisse, was diese Wesen als natürlichen Geruch ansahen.
Eine Überlegenheit gedachte ich voll auszureizen: Die Nachtsichttechnik. Alle uns bekannten höheren Lebensformen hatten irgendwie einen Tag-Nacht-Rhythmus entwickelt. Das war sinnvoll und ermöglichte unser biologisches Neuaufladen. Als ich mich der vermuteten Siedlung bis auf etwa einen Kilometer genähert hatte, machte ich also Halt. Ich wartete die Dunkelheit ab, schulterte meine Technik und zog langsam los. Ich wagte nicht, eingetretene Pfade zu benutzen. Es konnte ja Wachen und Fallen geben. Aber mein Schutzanzug ermöglichte mir, wie eine Walze durch Gestrüpp zu trampeln. Wenn ich oft genug anhielt, würden selbst Wachen kaum etwas gegen mich machen können, wenn sie keine Nachtaugen besaßen. Der Wärmesensor hätte mir dagegen ein sich näherndes Lebewesen rechtzeitig gemeldet. ...

Freitag, 13. April 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1358

Erst einmal - wie immer ... gerade, weil ja Freitag, der 13., ist, beginnen wir mit den geplanten nächsten "Gedichten des Tages". Die folgenden sind für morgen vorgesehen:


Manchmal lohnte es sich, Passagen des Friedrichshainer Autorenkreises aufzuzeichnen. Logischweweise sind die Beiträge zur Diskussion unterschiedlich kreativ und voran bringend. Bei "Arbeitsleben" gab es eigentlich kaum etwas, worüber nicht diskutiert wurde, wenn auch wenig als grundsätzliche Ablehnung. Die Mitglieder wurden letztlich vom Leitertrotzdem noch dafür gerügt, weil sie ein Bild "geschluckt" hatten: "Zum Hasen geschlagen" ginge nun gar nicht, denn es assiziiert ja "zum Ritter geschlagen", was unbedingt eine positive Beförderung sein. (abgelehnt: "vom Schicksal geschlagen", da nicht "zum ...") Letztlich vorgeschlagen wurde "erklärt". Was dann rauskam, deckt sich kaum mit einem der Vorschläge, ist aber eine echt radikale Lösung ...
Gibt es eine Alternative? Auf jeden Fall gibt es ein berühmtes Gemälde. Bei Jürgen Polinske sind es farbige Worte, die "Die blaue Stunde" herbeizaubern ...


Dann macht uns hoffentlich die Fortsetzung des utopischen Romanmanuskripts etwas Freude. Oder hat sich ein Fehlerteufel eingeschlichen?


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (21)



... Ich zoomte mich etwas dem Horizont entgegen. Wahrscheinlich bedeutete das etwas dichter stehende Grün ein Flussufer. Ich war also auf dem richtigen Weg. Ich wollte schon maximal beschleunigen, da stutzte ich. Etwas an den Pflanzen kam mir seltsam vor. Sie wuchsen anders als die, denen ich bisher begegnet war. Sie ... Sie wuchsen nicht natürlich! Das waren gar keine wachsenden Pflanzen, das waren Hütten aus Pflanzen. Hütten? Hütten! Was ich da heranzoomte, war eine Siedlung! Wie immer die aussehen mochten, das mussten intelligente Wesen sein, die da am Werk gewesen waren. Nicht gerade auf dem Niveau wissenschaftlichen Fortschritts, aber die anfängliche Prognose meiner Analysatoren war hinfällig. Es gab doch Intelligenzen, nur eben nicht so hoch entwickelte, dass sie von weitem feststellbare Industrien aufgebaut hatten.
Was sollte ich tun? Die Fremden durften mich nicht sehen. Zwar war unwahrscheinlich, dass die über einen Zoom verfügten, aber ich flog frei in der Luft, leise zwar, aber nicht geräuschlos, hatte bisher kein Exemplar von denen entdeckt, aber ich wusste ja nichts über deren Sehfähigkeiten und ob die gesehen werden wollten. Spontan entschied ich abzudrehen. Kein Risiko eingehen. Nun also würde ich mein Versteck wirklich wegen einer fremden Intelligenz brauchen.
Ich steuerte direkt das Gebirge an. Ich hatte Zeit, mein ganzes Leben lang. Nur keinen Fehler machen. Wie schnell ist man von einem mit unbekanntem Gift getränkten Pfeil getroffen. Oder ... Nein, nicht darüber nachdenken. Hätte ich doch einen Kurs, ein Ziel einprogrammieren können, um mich ganz auf die Bioscans zu konzentrieren! Auf meinem jetzigen Fluchtkurs wurde der Bewuchs wieder etwas dichter und wilder. Ich war überhaupt nicht sicher, ob das gut für mich war, aber je enger die Pflanzen standen, umso näher konnten solche Wesen und ich existieren, ohne dass wir einander bemerken mussten. Und ich hatte einen Vorteil: Ich konnte mir Trinkwasser replizieren, brauchte nicht die Nähe eines Gewässers. Ich brauchte nur einen Landeplatz.
Das Vergnügen am Fliegen war mir erst einmal vergangen. Mich interessierte nur noch eine Lichtung oder etwas Ähnliches.
Ich fand eine. Und das Glück meinte es gut mit mir. So intensiv ich auch suchte – es gab keine Anzeichen für Wege, die dorthin führten. Keine Ahnung, wodurch die Lichtung entstanden war, sie reichte für mich. Vielleicht 80 Meter lang und 30 Meter breit. Also viel ungünstiger als mein erster Landeplatz, aber nun war Anderes wichtiger.
Ich musste herausbekommen, welche Wesen ich da entdeckt hatte. Ihre Siedlung war etwa 20 Kilometer entfernt, eine Strecke, die normalerweise ausreichen musste, dass wir uns ohne Absicht nie begegneten. Aber es war natürlich unwahrscheinlich, dass diese Siedlung, wenn es denn eine war, die einzige auf diesem Planeten sein sollte, und zum anderen wollte ich wieder die Initiative übernehmen.

Mit einem Blick auf die Energieanzeige lächelte ich: Selbst wenn ich schlief, arbeitete die Zeit für mich Da wurde mein Energiespeicher aufgeladen. Was wollte ich mehr? ...
 

Follower