Freitag, 31. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1500

Eine glatte Zahl an Journalen geschafft - aber nichts besonderes im Angebot ... außer natürlich dem Hinweis, dass wir unsere literarischen Beiträge zum Weltfriedenstag nicht vergessen:


Im letzten Jahr stand die große internationale Friedenslesung auf dem Tagesprogramm - ein "Event", das in Hellersdorf zweijährig stattfindet. Die technischen Probleme haften dieser Reihe noch immer an. Immerhin: Jetzt gibt es die Anthologie der besten Beiträge in den Kategorien Lyrik und Prosa. Wie aber sah an diesem Tag vor einem Jahr die Ankündigung der Gedichte des Tages aus?
"Ich möchte meinen Beitrag ... leisten ... mein Gedicht zum Weltfriedenstag" schrieb mir Brunhild Hauschild. Wenn doch die Hauschilds schnell mehr würden! Wir brauchten Jeden für den "Frieden" ...
An Stelle von "ausdauer" hätte auch "unbelehrbar" stehen können, klar ... aber wäre damit nicht schon alles gesagt?
Ganz vergessen habe ich natürlich nicht, dass heute der Weltfriedenstag ist. Aus diesem Anlass stellte ich 2008 Gebet  vor.

Inzwischen gibt es ein neues Friedensblog und hier eineFriedenskategorie und und und ... deutsche Panzer, mit denen Saudis demokratische Bewegungen in ihren Nachbarstaaten niederschlagen wollen, und deutsche Panzer, die Indonesien für seinen wenig beachteten Krieg im eigenen Land einsetzen will und ... so viel, wo Engagement gefordert ist ...


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (160)



... Mutter und Vater sind wir erst ein paar Stunden später geworden. Da gab das neue Wesen ungefragt ein „Akh!“ von sich und ich schoss hoch wie bei einer Burgsprengung. Ich packte das Bündel. Ich glaube, so richtig habe ich nichts gesehen außer … also ich war überzeugt, das waren die unerlaubt großen Augen der Mutter. Wie ging es Schamoui? Schlief sie etwa noch? Sie regte sich. Kam irgendwie nur schwer zu sich. Vielleicht war die Narkosemaschine zu sehr auf Menschenverhältnisse eingestellt gewesen. Aber da lächelte sie. Also nicht die Narkosemaschine. Schamoui. Sah mich mit dem Bündel. Ich packte es halb aus, legte den bloßen Babykörper auf den bloßen Körper meiner Frau. „Wie soll sie denn heißen?“ „Sie?“ „Sie.“ „Duan.“ „Duan.“
Eigentlich müsste ich an der Stelle wohl wegblenden. Es war alles so kitschig. Wir hatten gerade die Grenze zwischen zwei Welten durchbrochen. Zeit für eine Träne. Mindestens. Hatt´ ich ja wirklich im Auge. Aber dann das Klopfen. Xonoti guckte durch die halb geöffnete Tür, winkte uns oder mir, was weiß ich. Jedenfalls versuchte Schamoui aufzustehen, mit den Füßen den Boden zu erreichen …. Ich hüllt die junge Mutter ein, hielt sie fest so wie sie unser Baby. Ein paar Schritte zur Tür. Dann draußen ein Schülermeer. Ich sagte „Duan!“ Und es ging von einem zum anderen, wie Wellen um einen ins Wasser geworfenen Stein wachsen. Duan!

Mit der Geburt meines ersten Kindes begann die Zeit anderer Heldentaten. Meinen Stolz befriedigte ich nun zum Beispiel durch die kleinen Kniffe, die verhinderten, dass Schamoui und alle anderen Saks erfuhren, warum die Brüste meiner Frau so leicht Milch gaben. Nicht zu Unrecht ging ich davon aus, dass eine künstliche Geburt auch weiter künstliche Anregungen der Natur erforderlich machte. So aber ermöglichte ich Schamoui ein hohes Ansehen als Frau … Man muss ja nicht mit allen Traditionen auf einmal brechen.
Ich beschenkte meine anderen Mädchen weiter mit körperlichen Zärtlichkeiten. Ich billigte ihnen auch zu, nicht von den nun allgemein praktizierten Verhütungsmethoden Gebrauch zu machen. Die Mädchen spürten sehr deutlich, dass Schamoui eine eigene, nur ihr zustehende Zärtlichkeit empfing. Aber noch blieb den anderen die Chance, Mutter des ersten Sohnes zu werden. Der Eifer, mit dem mich die Mädchen mit diesem Ziel empfingen, raubte unseren Begegnungen viel von der bisherigen Unbeschwertheit. ...




Donnerstag, 30. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1499

Wer weiß, wie viel Zeit zum Journal-Schreiben während der CITA bleibt. Also hier die Versatzstücke literarischer Normalität im voraus:


Zwischendurch ignoriere ich einfach, dass die CITA de la Poesia läuft und präsentiere, als wenn nichts wäre, Angebote aus der Kategorie "beinahe Liebe:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (159)


... Schamoui wurde zum dauernden Studienobjekt. Ganz hatte ich meine Angst nicht vor ihr geheim halten können. So verschaffte es ihr wohl erst wieder etwas Gelassenheit, dass sie von so vielen Interessierten beständig begafft und in ihrem Zustand erklärt wurde.
Den absoluten Heldenstatus erlangte sie allerdings, als sie während einer jener vielen Studien behauptete, sie habe eine Bewegung gespürt. Auch die Kinder, die nicht Mediziner werden wollten – wir hatten von denen inzwischen drei Gruppen gebildet – wollten wenigstens einmal auf diesen Wunderbauch fassen dürfen.
Anfangs waren die Veränderungen an Schamouis Körper ein Wunder vollendeter Formen. Weibliche Formen, von denen kein Mann nicht träumen würde, solange er noch Mann war. Aber dann begann sich das Leben in ihrem Becken auszubreiten. Schamoui war doch nur 145 Zentimeter groß, noch dazu ein ganz zierliches Wesen, ich dagegen war ein ausgewachsener Menschenmann. Das kann man sogar jetzt noch erkennen. Zu welcher Übergröße im Verhältnis zur Mutter sollte sich das Embryo entwickeln?!
Das war vielleicht keine Frage für einen Weltraumhelden, aber in dieser Zeit die alles entscheidende. Meine Unterhaltungen mit Xonoti festigten schließlich meine Überzeugung, dass die zu erwartende Entbindung der menschlichen im Wesentlichen entspräche – was aber hieß, dass diese hier auch unter den erreichten Fortschritten der Menschheit selbst auf der Erde als Risikoschwangerschaft gegolten hätte. Als der wahrscheinlich 180. Schwangerschaftstag erreicht war, erklärte ich Schamoui, ich würde ihr dieses Baby im Schlaf aus ihrem Bauch holen. Wie war ich meiner Schamoui da dankbar, dass sie eben diese Schamoui war. Ihren Blick konnte ich einfach als Vertrauensbeweis nehmen und anfangen.
Ich war gut vorbereitet. Eine Narkosemaschine wurde direkt ans Nervensystem des Mädchens angeschlossen. Einzig das Herausschneiden hatte den Touch einer Fleischerarbeit wie vor Tausenden von Jahren. Das Vernähen der offenen Wunde war dagegen etwas fortschrittlicher als zu alter Zeit. Trotzdem. Jene Maschine, die auf der Erde eingesetzt worden wäre, um die Operierte erst mit fast verheilter Wunde aufwachen zu lassen, ließ sich nicht replizieren. Schamoui würde als eine akut Verletzte aufwachen.
Weißt du, das Gebären wird wohl ewig etwas Mystisches behalten. Dieser berühmte erste Schrei und so. Für mich war das alles anders. Ich musste Vater und Arzt in einem sein, die Mutter war dabei betäubt, das Baby, es war ein Mädchen, an dem keine Fehlbildungen erkennbar waren, schien nichts Anderes im Kopf zu haben, als zu schlafen. Nur ein kurzes Ächzen gab es von sich. Wenigstens zeugten die Apparate von der Gesundheit von Kind und Mutter. Kaum war das Baby eingehüllt, musste ich die Mutter noch zunähen, müde und erschöpft wie ich war.
Still umarmte ich mein kleines Team, legte mich neben meine intergalaktische Familie und schlief selbst ein. ...




Mittwoch, 29. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1498

Wann die ersten Meldungen von der diesjährigen CITA de la Poesia hier eine Rolle spielen und ob überhaupt? Jedenfalls gehören zur CITA diesmal drei "Teile": 1. wie immer die Textarbeit und das Gefühl für die andere Sprache, 2. die öffentlichen Lesungen und 3. die öffentlichen "Stellungnahmen - was diesmal ein Besuch im KZ Sachsenhausen und ein Besuch auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof bedeutet.
Zumindest weisen die "Gedichte des Tages" darauf hin:


Die spanischen Gäste sind inzwschen in Berlin angekommen und "akklimatisieren" sich. Für die Außenversanstaltungen ist Regen angedroht. Das meiste ist aber drinnen: Im "cum laude" der Humboldt-Universität unter den Linden und in der Begegnungsstätte für ausländische Mitbürger in Hohenschönhausen. Diesmal wage ich mir, "Nach der Geldzeit" zu Diskussion zu stellen, und ich hoffe, dass Jose Pablo Quevedo eine ansprechende spanische Version auf die Reihe bekommt ...
Mein zweiter Beitrag steht noch nicht fest. Vielleicht ist es "An Johannes R." ... sozusagen als Anknüpfung an den gemeinsamen Besuch des Becher-Grabes auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof ... 


Nur die Fortsetzung der Veröffentlichung des Romanprojekts schreitet unberührt vom "Alltag" voran:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (158)



... Ich habe es dir ja schon gesagt: Die biologischen Abläufe in den Körpern der Saks waren mir zumindest soweit nicht klar, soweit sie nicht den menschlichen entsprachen. Das Problem war, dass ich keine Ahnung hatte, in welchen Fällen das so war. So konnte ich nur aus sozusagen hypothetischen Gründen unterstellen, sie würden den menschlichen ausreichend ähneln.
Immerhin erinnerte ich mich sofort an ein Mädchen namens Xonoti. Das hatte einer einheimischen Hebamme assistieren dürfen. So hieß es. Die konnte mir sicher helfen. Welches Wissen, das ich in der Zwischenzeit über die Geburt einheimischer Tiere angeeignet hatte, mir von Nutzen sein konnte, war aber genauso Glückssache. Ich wusste nun nur eines sicher: Die Befruchtung einer Saks-Eizelle durch menschliche Spermien war nicht möglich. Das war nur möglich, wenn es auch sonst sehr viele Ähnlichkeiten gab. Sehr, sehr viele. Hoffentlich ...
Ich hätte Schamoui bei ihrer Entwicklung heimlich beobachten können. Ich wollte aber nicht noch einmal eine Katastrophe erleben. Ich zog alles in die Öffentlichkeit. Nachdem ich sozusagen als Ziel eins aus den ersten großen Schülerinnen und Schüler Lehrkräfte in künftigen Schulen ausgebildet hatte, zumindest im Grundfach Landwirtschaft, eröffnete ich kurzerhand eine medizinische Fachschule mit Schwerpunkt Geburtsbegleitung.
Ausnahmslos alle Kinder absolvierten vorher ein paar Stunden Grundkurs Körperfunktionen. Ich klammerte alle den Menschen bekannten biochemischen Verhütungsmethoden aus. Gerade da wusste ich ja nicht, ob sie bei den Saks wirklich genauso funktionierten. Aber das männliche Geschlechtsteil bei einem Liebesleben, das nicht zu Kindern führen sollte, zu bekleiden, war auf jeden Fall auf das Leben der Saks übertragbar. Und je früher die Kinder das miterlebt hatten, umso selbstverständlicher würden sie es als natürlich empfinden. Selbst, wenn sie es persönlich noch nicht anwendeten.
Bei diesem Unterricht suchte ich schon nach besonderen Talenten. Wen verunsicherte kein Blut oder undefinierbare Flüssigkeiten, wer ging wie mit fremden Verletzungen und Schmerzen um und noch vieles mehr – all das musste klar sein. Ich brauchte da nicht zimperlich zu sein. Soweit die Kinder in ihren Dörfern aufgewachsen waren, kannten sie auch Wunden und wie sie von den Erwachsenen behandelt wurden.
Xonoti war ein Glückstreffer. Wie ich nun erfuhr, war ihr Erlebnis ganz anders gewesen. Offenbar hatte sich die Hebamme selbst vergiftet, also zufällig. Das Gift, über das logischerweise niemand etwas sagen konnte, hatte seine Wirkung entfaltet, kaum dass sie bei der Kreißenden angekommen war. Sie hatte noch einige Hinweise deliriert, aber im Wesentlichen hatte Xonoti nach Gefühl zugegriffen. Sie war gerade die nächste greifbare Frau gewesen. ...



Dienstag, 28. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1497

Am Donnerstag beginnt die Cita de la Poesia in Berlin. Da geht es rund. Auf das Programm der Gedichte des Tages hat sich das noch (?) nicht ausgewirkt. Auch die nächste Fortsetzung des utopischen Romanprojekts erscheint unbeeindruckt von irgendwelchen Tagesereignissen:


Ist es möglich, dass Sebastian Deya "Apokalyptika (worst case 2017)"  schrieb, ohne vom Tod von Neil Armstrong gehört zu haben? Sicher ist das möglich, denn auf den ersten Blick hat das eine mit dem anderen wenig zu tun. Aber im entscheidenden Augenblick war das Wort da - auch wenn dem Text insgesamt etwas Straffung gut getan hätte ...
Ob er mir verzeihen kann, wenn ich sein Gedicht mit meinem Sokrates-Text in einen Tag sperre: "fast geschafft"?

Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (157)


... Aber es war eben kein Märchen. Es mischte sich schnell etwas nicht auf meinem Lehrplan Stehendes in die Ereignisse ein.
Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie bedeutsam ich mich fühlte. Der größte Hahn aller Zeiten auf einem riesigen Hühnerhof. Und so, wie die Regeln aller Welten für mich außer Kraft gesetzt schienen, so wollte ich auch das Gefühl gewaltiger Männlichkeit auskosten. Die Mädchen vergötterten mich und es war mir ein Leichtes, fünfzehn von ihnen zu bemeistern und zu meinen Frauen zu machen. Ich sage das ganz klar: Jede von ihnen hatte irgendetwas Besonderes, etwas so Einzigartiges, dass ich auf keine von ihnen hätte verzichten wollen, dass ich keine von ihnen angelogen habe, wenn ich ihr erzählte, wie sehr ich sie liebte.

Schamoui war unter ihnen wieder eine Ausnahme. Alle Anderen wollten etwas von mir. Mitunter malte ich mir aus, sie könnten mich als ihre Beute betrachten, um die sie mit dem Rest kämpfen mussten. Nur aus Schamoui wurde ich nicht klug. Das Einzige, was ich verstand, war die Sorge um ihre Geschwister. Aber selbst, nachdem ich die geeignete Medizin für Schohschoh gefunden hatte, und diese wieder gesund wurde, dankte mir Schamoui nur mit einem ihrer Blicke.
Dann aber …
Zu den Selbstverständlichkeiten in den Beziehung zu den Mädchen meiner Nächte gehörte, dass ich sie oft und gründlich untersuchte. Und ausgerechnet bei Schamoui stellte ich dabei eine Schwangerschaft fest.
Was weiß ich, wie ich unter normalen Umständen damit umgegangen wäre. Aber abgesehen davon, dass an meinen Beziehungen überhaupt nichts normal war, erwachten sofort die dunkelsten Erinnerungen meiner Zeit auf diesem Planeten. Sahen mir in die verborgenste Ecke meines Hirns, sahen mir in die flackernden Augen, auf die zitternden Hände. Ich hatte solch eine Angst!
Verdammt, hätte mich Schamoui nicht mit diesen allwissenden Augen angesehen! Nachher habe ich heimlich immer wieder den Kopf geschüttelt. Es wäre so leicht gewesen, zu schwindeln: Schamoui hatte nicht die geringsten Kenntnisse über biologische Zusammenhänge. Ich hätte ihr nur sagen müssen, sie sei krank und ich müsse die Krankheit wegmachen. Das könnte ich. Dann wäre es geschehen und niemand hätte sich etwas dabei gedacht. Mir Trottel rutschte aber geradewegs als Antwort auf ihren fragenden Blick der Schicksalssatz heraus „Du bist schwanger.“ Er ließ sich nicht wieder in die Mundhöhle zurückholen.
Ich hatte Schamoui verurteilt.
Das einzige Gute war, dass die Erkenntnis in eine Zeit fiel, wo die Neuigkeiten für die Welt der neuen Schüler nicht mehr so sehr überquollen. Ich konnte also ein weniger landwirtschaftliches Fach auf den Unterrichtsplan setzten. Die Geschlechtsbeziehungen der Saks und die Vorgänge der Vermehrung. ...





Montag, 27. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1496

Oh, die "Gedichte des Tages" stehen diesmal unter dem Motto "Liebe?! Jaaaaa ..., aber ..."


Es gibt verschiedene Methoden, ein wirksames Gedicht zu bauen. Eine ist, ein Klischee zu nutzen, es am Grat entlangbalancieren zu lassen ... und dann das nach Klischee zu Erwartende umzukehren, die scheinbar aufgebaute (z. B. süßliche) Stimmung zu brechen. Eine Meisterin dieser Methode ist sicherGunda Jaron. Mit "Wir im Meer" liefert sie ein weiteres Beispiel. Die Gefahr der Methode: Der Kenner erwartet nach einer Weile stets die unerwartete Wendung am Schluss ...
Mit welchem Alt-Bonbon könnte das eine hier runde Sache werden? Ich schlage "liebe ist quatsch" vor ... das Motto ist natürlich von bitterem Ernst ...


Dann folgt die nächste Fortsetzung des Romanprojekts ... ohne Motto:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (156)


... Beklemmungen … Mit dem Abzug der meisten Erwachsenen blieb eine Republik der Kinder übrig. Die Zeit der Mutproben begann. War es nicht schon eine Mutprobe für sich, sich jenem überdimensionalen Gebilde aus kaltem Metall überhaupt zu nähern? Es gar zu berühren? Hätte es nicht schon einige große Mädchen und junge Frauen gegeben, die da einfach hochstiegen, irgendwohin griffen und dann brummte und vibrierte solch ein Wesen und bewegte sich wie ein Tier ... Aber die Mädchen da oben brachten es mit ähnlichen Griffen auch wieder zum Stehen und Schweigen, leichter als jedes störrische Reittier!
Es dauerte lange, bis wenigstens ein paar Kinder erste technische Zusammenhänge zu verstehen begannen, sie sich mit dem Gedanken anfreundeten, dass hier nichts mit Zauberei oder so zu tun hatte. Aber da war es längst eine große Auszeichnung, selbst auf so etwas zu sitzen. Trotzdem gab es inzwischen Jungen, die versteckten ihre Angst hinter der Formel, das sei etwas für Mädchen.
Immerhin gab es schon nach zwei Wochen ein riesiges Feld, das durch die Arbeit der Kinder maschinell umgegraben worden war. Lange Furchen durchzogen es. Eine Woche danach war Getreide ausgesät. Es wurde aber noch viel mehr ausgesät, Pflanzen, die die Kinder noch nicht kannten. Andere wurden als Pflänzchen in die Erde eingebracht. Bei der Masse an Wundern, die den Kindern fast stündlich begegnete, übersahen sie glücklicherweise das eine große: Woher die vielen Pflänzchen und Körner kamen.

Ich könnte dir bestimmt tagelang Anekdoten erzählen, was allein in diesen ersten drei Wochen alles passierte. Ich hatte einen Anbauplan vorbereitet, der ganze fünf Wochen Bodenbearbeitung vorsah. Und so nebenbei bekamen die einzelnen Gruppen Verantwortung für ein Stück Feld, einzelne Beete, bestimmte Pflanzen. Und weil alles so groß war und so dicht beieinander, musste alles beschriftet werden … und plötzlich erschloss sich der Sinn von etwas Unheimlichem, geheimen Zeichen, die Buchstaben hießen und die halfen, an eine Sache erinnert zu werden, ohne dass man direkt davon erzählte oder sie sah. Andere lasen beim selben Zeichen denselben Buchstaben, verbanden damit dieselben Wörter, dieselbe Bedeutung.
Wie im Märchen. Ich strich durch die vielen Unterrichtsräume und draußen von Gruppe zu Gruppe, und es war viel spannender als eine Schlacht zu leiten, bei der nachher die meisten der Beteiligten nicht mehr lebten. Was würden das für Wesen werden, die das hier alles überstanden? Es war faszinierend. Ende ungewiss. Nur eines war sicher: Solche Saks wie die seit unzähligen Generationen bisher wären es wohl nicht. ...



Sonntag, 26. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1495

Warum soll man Gewohntes ändern? Weil "man" sich auch ans Ändern gewöhnte?
Diesmal jedenfalls ist alles "klassisch": Start mit den morgigen "Gedichten des Tages" und dann eine weitere SF-Projekt-Fortsetzung:


Für Liebesgedichte bin ich sicher nicht Spezialist. Gunda Jaron hat da auch ihre Eigenart: Es guckt meist ein alles wieder kippendes Aber um die letzte Ecke. Ob das auch in der "Luftpost" steckt?
Vorsorglich biete ich ihr also ein "duett am morgen" als Antwort ... oder lieber nicht?

Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (155)


Immer wieder beschäftigte mich der Gedanke dieses 300 zu 3000. Zumindest für die Saks, die sich direkt unter den Schutz meiner Stadtmauern gestellt hatten, traf das Verhältnis zu. Dunkel erinnerte ich mich an eines meiner Geschichtsbücher zur älteren Menschheitsgeschichte. Waren nicht die Zeiten nach Kriegen jene mit einem besonderen Schub in der Gleichberechtigung gewesen? Weil aus reiner Not heraus die Frauen auch Männerarbeiten erledigen mussten? Praktisch war das bei meinem Volk mit einer interessanten Zusatzaufgabe verbunden: Die Männeraufgabe bei den Bauern hier hieß überwiegend Feldarbeit. Wenn die von Frauen erledigt würde, wer kümmerte sich dann um die bisherige Frauenarbeit, besonders also um die Kinder? Ohne mein Eingreifen wären die wahrscheinlich überwiegend sich selbst überlassen gewesen. Nach dem Motto „So geht es ja auch“. Aber so hatte ich ein gutes Argument, an die winterliche Stadtschulpflicht ein Sommerschulprogramm anzuhängen. Das wäre zwar nicht Schule im engen Unterrichtssinn, aber im Sinn des in meiner Jugendzeit praktizierten Learning by Playing. Einige besonders abstrakte Fächer waren noch verzichtbar. Aber die Großen würden es trotzdem schwer haben. Sie alle mussten sich darauf einstellen, als Lehrer oder meinetwegen „lehrende Aufsichtspersonen“ eingesetzt zu werden. Ganz nebenbei mussten sie das notwendige Wissen erwerben und die Fähigkeiten, es angemessen weiterzugeben. Insgesamt ging es um mindestens viertausend Kinder. Dass sie in diesem Prozess alle Hauptrollen haben würden, musste ich zuerst meinen schon etwas vorgebildeten vierzig Mädchen klarmachen. Und sie sollten sich rechtzeitig Helfer und den Helfern wieder Helfer suchen. Schließlich verloren Gruppen mit mehr als 12 Kinder ihren Lernfreudewert – ganz davon abgesehen, dass sie die jungen Erzieher nicht überblickten.
Mit einem gut gestreuten Gerücht weckte ich, lange bevor es losging, das Interesse der Kinder: Die Gruppen, so sprach sich herum, würden alle eigene Felder haben und anbauen und ernten und sie würden viel ernten und es würde ein Spiel sein, weil ihnen die Monster helfen würden.
Und dann war endlich Frühlingsfest. Höchststimmung. Ich hielt eine stürmische Rede. Ich fürchte, zwei Drittel dessen, was ich da gesagt habe, kam inhaltlich nicht richtig rüber, von wegen Frauen, die jetzt ihren Mann stehen würden, aber die Begeisterung in meiner Stimme steckte an und die Lautsprecher waren so eingestellt, dass einfach alle zuhören mussten. Eigentlich konnten mir die wenigen Männer fast leid tun – an diesem Abend waren sie bis zur Erschöpfung gefordert.
Am nächsten Morgen brach die Sonne sehr früh durch den Morgennebel – wie bestellt. Ein langer Festzug verließ die Stadt. Oder sollte ich Treck sagen? Die meisten künftigen Siedlungen würden sich erst in einiger Entfernung vom Stadttor trennen. Im Moment genossen sie die Ausstattung, die ihnen unbekannterweise meine Replikatoren ermöglicht hatten. Die Hoffnung, satt über den Sommer zu kommen, überbrückte die Wehmut, die eigenen Kinder nur als gelegentliche Besucher zu sehen zu bekommen. ...




Samstag, 25. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1494

Ist Slov ant Gali eitel? Sagen wir so: Würden jetzt Rezensionen zu "Planet der Pondos aus der lovelybooks-Leserunde folgen, wäre ich es wohl (man gönnt sich ja sonst nichts). So aber folgt in aller Bescheidenheit der Ausblick auf die "Gedichte des Tages" von morgen und die nächste Fortsetzung der SF-Projekts:


Ich wage es. Ich schlage innerhalb der "beinahe liebe"-Gedichte zwei vor, die ich besonders mag. Zwei optimistische Slovs ... was ja fast ein Widerspruch in sich ist ... wo heute Sonntag ist ...



Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (154)


... Irgendwann wurde ich von einer leichten Berührung wach. Es waren Schamouis Locken, als sie sich von mir hatte lösen wollen.
Wo willst du hin?“ Ich flüsterte es.
Meine Geschwister brauchen mich, wenn sie aufwachen.“ Ihre Stimme war leise und hatte den Unterton absoluter Selbstverständlichkeit.
Sie können in der Burg aufwachsen.“ Ich gab mir Mühe, auch so beiläufig selbstverständlich zu wirken. Gelungen ist mir das wohl nicht. Aber das war auch nicht wichtig. Auf dem Weg zu ihrem Haus bekam ich die Bestätigung. Schamoui lebte tatsächlich mit vier jüngeren Geschwistern zusammen. Es gab keine Siedlungsgemeinschaft, nur viele Nachbarn, die ihr halfen, wann immer sie darum bat. Aber sie hatte selten gebeten. Auf meinen Vorschlag sagte sie nur: „Du bist der Herr.“
Vielleicht lag das daran, dass sie meine Sprache noch nicht sicher genug beherrschte.

Das Leben begann danach tatsächlich mit neuer alter Routine. Ich hatte dabei allerdings noch mehr Aufgaben zu lösen als vorher. Die eine war die Ankurbelung der Wirtschaft meines kleinen Landes. Ich konnte die Saks, die die Belagerung der Chrustani überlebt hatten, ja nicht zu einem vom Replikator abgesicherten Rentnerdasein verurteilen. Aber wie sollten die Verhältnisse neu organisiert werden? Die Schlacht hatte eine, sagen wir mal, abnorme Schräglage geschaffen: Von der ganzen früheren Bevölkerung waren an Erwachsenen etwas mehr als dreihundert Männer und dreitausend Frauen übrig geblieben. Wie sollten die eine Gesellschaft für kommende Jahrhunderte entstehen lassen? Na, zumindest gab es ja noch die Kinder …
Halt! So schlimm war es nicht. Nur war die Zahl der Saks, die sich noch in den Höhlen aufhielten, schwer zu schätzen. Also die, die als Frauen und Kinder nicht Winterunterschlupf in der Stadt gesucht hatten, und die Männer dazu, die zum Ausheben der Gräben gezwungen worden und in den Wirren des Zusammenbruchs der Belagerung geflohen waren … wahrscheinlich zu ihren Familien zurück, waren sicher mehrere Tausend.
Und damit hatte ich mein erstes Problem. Als die Belagerer im Herbst angerückt waren, hatten sie, wie auch immer, offenbar die meisten Höhlen entdeckt. Unwahrscheinlich, dass sie dort große Vorräte hinterlassen hatten, vor allem an Saatgut. Aber genauso gut konnten umgekehrt die Bauern, als ihnen dann die Flucht gelungen war, Vorräte mitgenommen haben – nur ungleich verteilt auf die Gruppen. Ich stellte also Karawanen zusammen, die alle bekannten Bergverstecke mit Vorräten beladen ansteuern und die Situation ihrer Bewohner erkunden und sie überlebensfähig machen sollten. Es kamen erste Frühjahrsstürme auf, aber es war noch alles gefroren. In dieser Phase warteten die normalen Saks ab. Aber ich überrumpelte mit einem unerschöpflichen Tatendrang jeden skeptischen Vorbehalt. Hier wollte ich der Landesvater sein und hier traute ich mir das auch zu. Nicht zuletzt deshalb, weil mir die Wetterverhältnisse vertraut europäisch vorkamen – nur eben mitunter etwas verzerrt....





Freitag, 24. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1493

Was gibt es Neues? Na, es geht voran. Die nächsten "Gedichte des Tages" können vorgestellt werden und die weitere Fortsetzung des utopischen Romanprojekts. Mehr nicht für heute:

Das Stichwort gibt diesmal Sebastian Deya vor: "Großes Kino". Während er aber die Bühne Welt vor Augen hat, stürzt mein "angebot" dann auf die profan-schmalzige Liebesebene ab ...



Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (153)


... Das Mädchen gehörte zu den wenigen größeren, die ich nur wenig selbst unterrichtet hatte. Sie war im letzten Herbst mit ihren Eltern aus einer der entfernten Siedlungen gekommen. Sie hatte pflichtgemäß am Unterricht in der Schule teilgenommen, war mir sogar aufgefallen dabei, aber eher durch ihre Zurückhaltung. Ihre Haut war noch einen Hauch dunkler als die der anderen, ihre Nase war im Verhältnis zum etwas länglicheren, zarten Gesicht und dem schmächtigen Körper massiv dominant. Eigentlich waren nur ihre Augen noch auffälliger – fast riesig unter den buschigen Brauen. Und Locken hatte sie, Locken … also … Aber lassen wir das. Ich bestaunte sie, wie sie zusammen mit einer jüngeren Schwester über den Hof schritt, wie sie Essensberge schleppte, unter denen sie eigentlich im Boden hätte einsinken müssen. Den ganzen Tag beobachtete ich sie. Ich bedauerte, dass ich nicht in allen Wohnhäusern Kameras installiert hatte. Aber sie kam mehrmals heraus und aus dem, was ich dabei beobachtete, reimte ich mir ihre Geschichte zusammen. Zumindest ihr Vater war wohl während der Belagerung umgekommen. Entweder war ihre Mutter krank oder auch nicht da oder ein Geschwisterteil war krank. Jedenfalls lief sie mehrmals durch die Straßen, um etwas zu besorgen.
Endlich, im abendlichen Dämmerlicht, stand sie allein draußen. Ich sah sie Luft holen, malte mir aus, dass sie sich einen kleinen Moment von den Verpflichtungen als Ersatzmutter und -vater erholen wollte, wahrscheinlich hatte sie gerade Streicheleinheiten verteilt, und gleich würde sie wieder reingehen, denn es war ein noch sehr kühler Frühlingsabend. Da rannte ich zu ihrem Haus, um sie noch draußen abzupassen. Wahrscheinlich haben mich mehrere Saks gesehen, aber ihren Augen nicht getraut. Ich musste ihnen ja schon wegen meines für Saksverhältnisse erschreckenden Riesenwuchses auffallen, aber ich war doch weit weg.
Die kommenden Minuten … Nein, sie sind nichts für deine Fantasie. Es muss dir reichen, dass Schamoui mich hat alles machen lassen. Kein Widerstand. Keine Geste. Nichts. Als ich mich nach dem Moment von ihr löste, war da jener Blick, der so tief war, wie ich es nie erzählen könnte. Neben mir lag ein Mädchen, das ich, nein, das vorher schon ein Schicksal, zu dem leider auch ich gehörte, zur Frau gemacht hatte. Ich schob meinen linken Arm unter ihren Kopf, zog ihn an meine Brust. Weißt du, in dem Moment dachte ich daran, dass es eine starke Brust war und ein starker Arm, und ihre Locken kitzelten meine Haut und ich fühlte mich so wohl, dass ich augenblicklich einschlief.
Später habe ich Schamoui einmal gefragt, ob ich da nicht in Gefahr gewesen wäre. Sie hätte aufstehen können, ein Messer holen und es mir zwischen die ach so starken Rippen stechen. Mit Worten hat sie mir nie geantwortet, nur mit einem Blick, mit dem sie mir sagte, wie wenig ich doch von ihr verstand.
...



Donnerstag, 23. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1492

Okay. Irgendwann wird einem Liebesgedichterei auch zu viel. Aber noch ist es nicht so weit - und für mich ist interessant, wie unterschiedlich Gedichte auf mich wirken, mit denen ich einst zufrieden war. Mit einem der beiden überarbeiteten folgenden bin ich allerdings wieder nicht zufrieden:

Heute dreht sich die Liebeslyrik ausnahmsweise um das Motiv des Wassers. Zuerst geht es um ein " Bad in der Regentonne" und dann scheitert der Versuch der vollkommenen Liebesvereinigung bei "vom oktopussieren" ...

Zumindest mehr zufrieden als mit den vorigen Fassungen bin ich bei den SF-Fortsetzungen:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (152)


... Ein Bildschirm im Monitorraum zeigte von nun an an, was mein zweites Ich sah, ein Kristall speicherte meine beziehungsweise seine Erfahrungen in Chrust. Ich aber schief mich, diesmal völlig entspannt, aus. Nun, so war ich überzeugt, würde mein Leben ungestört an der Stelle weitergehen, an der es durch die Belagerung unterbrochen worden war … Vielleicht mit dem Unterschied, dass ich nun nur noch über einen wirklich funktionierenden Replikator verfügte. Ich konnte meine Kopie in der Reichshauptstadt ja nicht ohne Machtmittel lassen.

Am nächsten Morgen erfasste mich eine vage Unruhe. Irgendwelche Albträume vor dem Aufwachen. Dann allmählich reifte der Gedanke. Angst. Es waren nicht nur die knapp fünf Monate, die ich überhaupt nicht mit meinen Saks hier zusammen gewesen war. Davor lag noch die Zeit, die durch die Belagerung und dann durch die fremden Saks-Soldaten nach der Belagerung bestimmt gewesen war. Eine unwirklich scheinende lange Zeit, in der meine Mädchen eben nicht mehr meine Mädchen gewesen waren. Die Ruhe, die man braucht für Zärtlichkeiten, die eigentlich so viel Harmonie bedeuten sollten wie für ein geliebtes Kind und den geliebten Lebenspartner in einem, fernab der Normen aus früheren Zeiten, ich hatte sie in der ganzen Zeit nicht mehr aufbringen können. Stattdessen hatte ich die jungen Frauen zu Soldaten gemacht, hatte sie eingesetzt, um ihresgleichen zu töten. Ich hatte das für unumgänglich gehalten, aber nun kam mir urplötzlich der Gedanke, dass sie das verändert haben könnte, nein musste. Ist ein Mensch, ein so junger noch dazu … entschuldige, ein Saks … aber das ist hierfür wohl egal … ist also ein Saks danach noch in der Lage, empfindsam neue Beziehungen zu entwickeln? Welche Rolle hatte das Schicksal – hatte ich – diesen jungen weiblichen Geschöpfen auf den Leib geschrieben? Unter meiner alles überragenden Führung hätte ich sie zu einem neuen Rollenbild geleiten wollen. Und nun hatten sie, die in ihrer Gemeinschaft an hinterster und trotzdem verhätschelter Stelle gestanden hatten, bereits Dinge getan, die die meisten Männer ihres Volkes nicht nur noch nicht getan hatten, sondern vor denen sie sich gefürchtet hätten. Wie würden sie mir danach gegenübertreten? Die einzige Chance, sie als mich anerkennende Personen zu erhalten, hatte ich verschenkt. Ich kam nicht an der Spitze eines mächtigen siegreichen Heeres zurück. Ich hätte mir an ihrer Stelle nicht geglaubt, hätte in mir nicht den Herrscher aller Lande sondern einen gescheiterten Flüchtling gesehen. Selbst äußerlich konnten sich meine Mädchen verändert haben.
An dieser Stelle meiner Überlegungen hatte ich bereits aufgegeben, mich normal sehen zu lassen, als wäre die Zeit dazwischen überhaupt nicht gewesen. Wie ein gejagter Dieb hockte ich im Monitorraum. Wenigstens diese Macht war mir geblieben, viel zu sehen, ohne gesehen zu werden. Für einen Augenblick dachte ich daran, einen Neuanfang von jener Stelle aus zu versuchen, an der ich auf diesem Planeten gelandet war und so, als hätte es die Zeit dazwischen nicht gegeben. Zugleich wusste ich, das war einfach nicht möglich. Und dann sah ich sie …

Mittwoch, 22. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1491

Bei der Ankündigung der Teile dieses Journals auf Kontinuität zu verweisen, wird sicher langweilig. Doch zumindest das Zusammentragen der "beinahe-Liebe"-Stücke erweist sich als Anti-Langweile. Dann wäre nämlich die Präsentation der aktuellen Fortsetzung der Romanprojekts eine Art "gestreckte Spannung" ...:


Ein Gedicht aus jener ersten Buchveröffentlichung "Mit Blindenhund durchs Liebesland", bei dem ich besonders wenig zu ändern wusste, ist "Reptil". Da steckt noch immer viel "Ich" drin ...
Die Frage nach dem Selbstbetrug, nach der merkwürdigen Geographie der Liebe ist in "Islands" erhalten - auch etwas Altbekanntes ...

Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (151)


... Den Rest des Tages schlief ich aus. Als es wieder dunkel geworden war, schlich ich hinter die Küche zu den beiden Replikatoren. Ja, ich habe dir nicht alles erzählt. Ich hatte natürlich versucht, mit einem meiner beiden ursprünglichen Replikatoren neue zu replizieren. Logischerweise ging das nicht im Ganzen. Leider kam ich mit dem Verbinden der Module nicht zurecht. Im Wesentlichen besaß ich also einen echten Replikator und ein Gerät, das so aussah. Ich fand einfach den Fehler nicht.
Es folgte eine mühsame Puzzlearbeit. Es war immer schon etwas Besonderes, Robbis zu fertigen und ihnen dann Merkmale zu geben, anhand derer man sie unterscheiden konnte. Diesmal aber kam es darauf an, dass niemand den neuen Robbi unterscheiden konnte – und zwar von mir. Eine dafür erforderliche Oberflächenmatrix war weder vorhanden noch vorgesehen. Ich musste also erst eine Matrix meines Kopfes anfertigen, sie dann im Programm aushöhlen wie einen Kürbis – ach, entschuldige, das ist eine riesige gelbe Frucht mit dicker Schale, aus der man Gesichter schneiden kann – und diese Restmatrix einem Robbigerüst überstülpen. Dieser Robbi hatte da schon seinen Fernimpulsempfänger eingebaut bekommen und sein Datenspeicher war mit Informationen gefüllt, die ich ihm aus meinem Gehirn überspielt hatte. Er würde sich also zum Beispiel an das Meiste erinnern, an das ich mich auch hätte erinnern konnte. Die Eroberung Chrusts zum Beispiel, alle Saks, denen ich dort begegnet war … Eigentlich noch an mehr, vor allem dauerhafter als ich. Er vermochte nur die Daten nicht zu aktivieren, die das Gehirn aus dem Kurzzeitgedächtnis gelöscht hatte. Da er also mehr Daten aktiv nutzen konnte als ich, war er sozusagen ein Super-Ich.
Auf der Erde hatte es eine ganze Reihe von Abenteuerromanen gegeben, in denen solche Super-Ichs ihre Fernimpulsempfänger außer Betrieb gesetzt hatten oder diese durch technischen Verschleiß ausgefallen waren. Damit wären diese unbeeinflussbaren Super-Ichs überlegene Androiden, die dann dank der auch mit überschriebenen tierhaften menschlichen Eigenheiten zu überlegenen Feinden wurden. Praktisch war solch ein Fall zwar nie aufgetreten, die Produktion eines solchen Subjekts gehörte aber zu den Tabu-Bereichen. Wer es gewollt hätte, konnte es trotzdem schaffen, selbst, wenn er dazu erst einen Minimatrizenpräger replizieren musste. Das also war meine Lösung. Im nächsten Morgengrauen stand ich mir gegenüber. Wieder so ein ungewöhnliches Gefühl: Ich unterhielt mich mit mir. Ich antwortete mir. Ich hörte mich mit meiner Stimme sprechen. Ich testete mich. Über den Fernimpuls sperrte ich die Information, wo sich der Ausschalter befand. Dann befahl ich mir, mich auszuschalten. Ich sah meine Verwirrung, ich hörte mich mir antworten, das ginge nicht, meine Nanniten ermöglichten ein unbegrenztes Leben. Ich schaltete mich aus. Ich stand vor mir als starre Maschine. Ich schaltete mich an und erkannte mich wieder. Ich vermied natürlich, mir Gelegenheit zur Beobachtung des Schaltens zu geben. Ich war zufrieden. Einmal noch ruhen und in der Nacht floh mein zweites Ich in Richtung Chrust. Zusammen mit den drei Robbis, die mich zuvor heimbegleitet hatten. ....

 

Dienstag, 21. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1490

Macht Liebe glücklich? Wer die folgenden beiden "Gedichte des Tages" gelesen hat, wird weder JA noch NEIN mit inbrünstig-naiver Überzeugung sagen können:


"Auf-gelebt" war eines der frühesten Liebesgedichte meiner aktuellen Entwicklung, zugleich eine Danksagung für eine konkrete junge Frau, die sich wahrscheinlich nicht darin wiedererkennen würde, und die Kraft der einander beflügelnden Partnerschaften.
"im wind" ist dagegen klar ... die unlösbare Sehnsucht nach etwas, das doch immer unerreicht bleibt ...


Wer diese Fortsetzung des Romanprojekts gelesen hat, wird hoffentlich die Neugierde auf weitere nicht verloren haben:


Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (150)


... Für mich war diese Wanderung mehr als ungewöhnlich. Das einzig Positive war, dass es in den Schneenächten nicht absolut dunkel wurde und obwohl tagsüber kaum die Sonne schien, mir Unwetter erspart blieben. Wir kamen in der zwölften Nacht vor Morgengrauen unbehelligt an. Kannst du dir meine Gefühle vorstellen, als sich die Umrisse meiner Stadtmauer vor mir abzeichneten? Dieses innere Aufatmen, wieder nach Hause zu kommen? Zugleich die Angst, es könnte sich etwas Wesentliches verändert haben? Ich war zwar keine fünf Monate weg gewesen, aber … Nein, dieses Aber vermochte ich nicht genau zu fassen. Mich durchfuhr nur plötzlich ein Schreck: Welchen Eindruck machte es, wenn wir, die wir mit fast 30000 Männern losgezogen waren, zu viert vor den Toren der Stadt auftauchten!
Dann der beruhigende Gedanke: Das Schlachtfeld wurde doch von einem Robbi überwacht. Er würde uns ohne solche vorpreschenden Gedanken erkennen und ohne Aufhebens einlassen.
Und so geschah es. Wie heimlichen Banditen wurde uns die Pforte im Stadttor halb geöffnet und hinter uns sofort wieder geschlossen. Wir schlüpften hinein, schlichen uns über den Burghof rauf zum Monitorraum, ließen uns berichten, was es Neues gäbe. Die Antwort war ein „Nichts!“
Ich bohrte nach und erfuhr so, dass ich den Zeitpunkt meiner Invasion wirklich gut gewählt hatte. Für die Saks-Bauern war der Winter eine Jahreszeit … also auf der Erde gab es Tiere, die schliefen den Winter durch. Hier war es seit Generationen üblich, so wenig wie möglich zu unternehmen, um so wenig wie möglich Hunger zu bekommen. In relativer Apathie empfingen meine Städter ihre Mahlzeiten von den dafür eingesetzten Robbis. Ansonsten genossen sie die anheimelnden Temperaturen in ihren Häusern und hockten beieinander. Sie schienen tatsächlich fast nichts zu tun. Konnte ich es ihnen verübeln? So viele Männer würden nie mehr für ihre Familien da sein können, mehr als die gewohnte Nachbarschaftshilfe ausgleichen konnte. Mir blieb nur die Hoffnung, dass die vielen Aufgaben, die das Frühjahr bringen würde, diese demütige Trauer verdrängen würde.
Meine Mädchen arbeiteten ihre Lernprogramme ab. Anscheinend aber absolut lustlos. Es habe zwar keine Auflehnung gegeben, aber auch für die Mädchen hatte die Hauptbeschäftigung im Schlafen bestanden. Das Einzige, was sie wohl als Wunder in Anspruch nahmen, waren die Duschen. Es schien sie unwahrscheinlich zu beeindrucken, dass trotz der Kälte draußen und ohne meine Anwesenheit warmes Wasser aus den gewohnten Löchern schoss, wenn sie den Bedienhebel drückten.
...

Montag, 20. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1489

Habe ich erwähnt, dass meine Unterarme am Schreibtisch kleben bleiben? Das ist doch einmal eine kreative Erklärung für den Einfluss des Wetters auf Literaturjournale, zumindest, soweit sie mich mit betreffen, oder?
Egal. Heute gibt es also keine Eskapaden und Kapriolen sondern nur "Gedichte des Tages" aus der Kategorie "beinahe Liebe" und eine weitere Fortsetzung des SF-Roman-Projekts. (Ob übrigens einer die markierten Links bei den Gedichten noch nicht als solche erkannt hat?):


Wer erinnert sich eigentlich noch an diesen Schmelz(Schmerz?)prozess von Melodie und Rhythmus? Ich konnte mich einfach nicht zurückhalten. Irgendwie kam mir das Wortspiel bei jenem "beinahe-Liebe"-Gedicht passend vor.
Passend bei dem aktuellen Schweißwetter kam mir aus demselben Topf
"Kälteeinbruch" vor. Allerdings hat er gegenüber der veröffentlichten Vorfassung weniger Änderungen über sich ergehen lassen müssen ...

Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (149)


... Was sollte ich tun?
Immerhin hatte ich eines erreicht: Jenes Fürstentum, das ich zuerst erobert hatte, würde in absehbarer Zeit nicht angegriffen werden. Darauf baute schließlich mein neuer Plan auf.
Die einzigen Wesen, über die ich wirklich mit uneingeschränkter Macht verfügte, waren die Robbis. Es gab verschiedene Arten, ihnen Anweisungen zu geben. Normalerweise wurden sie akustisch gesteuert. Ihnen waren Programme eingegeben, die sie geradlinig abarbeiteten. Die konnte man direkt modifizieren, indem man den Robbi vorübergehend ausschaltete, man konnte auch durch eindeutige akustische Weisungen Veränderungen vornehmen, sofern man im Programm als dazu befugt eingeschrieben war. Aber die Robbis lernten auch. Viele der eingegebenen Programme waren auf ein Ziel orientiert. Man definierte ihnen also das Ziel ihres Handelns und den Primärweg, um es zu erreichen. Wenn dieser nicht zum beabsichtigten Erfolg führte, testeten die Robbis andere Wege selbstständig. Je nach Erfolg bestätigen oder verwarfen sie die danach. Möglich war auch, ihnen einen Fernimpulsempfänger ins System zu integrieren. Dieser war in der Lage, wie ein Computer Signale von einem kompatiblen Sender als überschreibende Befehle entgegenzunehmen. Um allerdings Missbrauch auszuschließen, musste die Abstimmung vor Inbetriebnahme erfolgen. Darauf baute ich auf. Ich setzte drei Robbis ein, die zusammen mit Marutos die Amtsgeschäfte in einem Vorraum des Thronsaales führen sollten. Es entsprach den gängigen Sitten, dass der Chrustino seine Handlungsweise nicht begründete. Die einzige Gefahr lag in der Zeit. Je mehr davon verging, umso misstrauischer würde zumindest Marutos werden, wenn er seinen Gott nicht zu Gesicht bekam. Für einen schwer abzuschätzenden Zeitraum würde er aber zufrieden sein, ungestört die Macht im Reich auskosten zu können – in meinem Namen.
In Begleitung dreier Robbis verließ ich Chrust in einer der folgenden Nächte unbemerkt. Die Robbis hatten dabei zwei eindeutige Befehle. Sollte uns jemand entdecken, durfte er das nicht überleben. Und sie sollten mir die Nachtwanderungen ermöglichen. Das Risiko von Gerüchten, die sich aus ein paar Spuren im Schnee ergeben konnten, musste ich eingehen. Entscheidend war, schnellstens mein halb oder ganz verlassenes Fredville unbemerkt zu erreichen.
Die Robbis erledigten beide Aufgaben hervorragend. Allerdings wagte sich auch kaum ein Saks nachts vor die Tür. ...

Sonntag, 19. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1488

Muss man in einem Literaturjournal an einem Hitzerekordtag darüber schreiben, dass es schwer ist, an einem Hitzerekordtag ein Literaturjournal zu schreiben? Das könnte dann auf ein Paradoxon hinauslaufen von der Art "Was hier steht, ist falsch."  Also wenn die Aussage stimmt, ... wenn sie aber nicht stimmt, ... Also was denn nun?
Besser ist also, ein Standardprogramm zu präsentieren mit den "Gedichten des Tages" zuerst und der nächsten Fortsetzung zum Romanprojekt und ohne Extras.
Aber ... um den Anfang zu löschen, ist es dann doch zu heiß ...


Kann es sein, dass Thomas Reich in "Das falsche Blut" Begriffe in einem Topf mischt, die dort nicht zusammen hineingehören? Er konnte doch nicht wissen, dass ich mit "Königskinder am Kochtopf" dieses Motiv für "beinahe Liebe" etwas schräg verwenden würde ...?!

Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (148)


... Ich konnte natürlich Robbis als oberste Verwalter, also Gouverneure einsetzen. Die würden genau so entscheiden, wie ich ihnen das vorgab. Sie konnten verhindern, dass die Bauern über die allgemeine Ausbeutung hinaus an der zusätzlichen Bereicherung irgendwelcher kleiner Unterherrscher für sinnlosen Luxus litten. Aber selbst das konnte nur teilweise funktionieren. Ich konnte ja nicht alle Bonzen ersetzen. Ich hatte insgesamt 50 Robbis zur Verfügung und im Reich gab es unter anderem schon allein 126 solche Fürstentümer wie meines.
Alles so lassen, wie es war? Entließe ich das stehende Heer, so würde sich ein Teil bei einem der Fürsten verdingen, der andere würde sich in Räuberbanden verwandeln. Beides keine Traumperspektive.

Es war furchtbar. Während ich ekelhafte Audienzen über mich ergehen ließ, in denen sich irgendwelche würdelosen Würdenträger zuerst vor mir auf den Boden warfen, dann ein Loblied sangen auf die gewaltige Macht, die ich über Schnee, Sturm und Steine hätte, dann meine Weisheit priesen, deren Unermesslichkeit sie zu begreifen nicht mächtig wären, um letztlich langsam mit ihren kleinen, lächerlichen Bitten vorzutreten, konnte ich mich oft kaum beherrschen. Ob es geholfen hätte, wenn ich die ersten alle achtkantig hinausgeworfen hätte, anstatt zuzustimmen, dass die Tuchmacher diesmal nur mit sieben Prozent besteuert würden? Das System einer Zentralgewalt machte es zumindest theoretisch möglich, die klugen Köpfe dieses Reiches zu entdecken und zu fördern.
Egal. Schon nach wenigen Tagen im Palast lief das Leben im Reich, wie es seit Generationen gelaufen war. Die Überlebenden meines Heeres genossen kleine Beförderungen. Der Einzige, dem die neue Situation absolut nicht behagte, war ich selbst. Mir war klar, dass meine Macht wesentlich kleiner war, als sie auf den ersten Blick schien. Ich besaß einfach kein echtes eigenes Machtmittel. Sobald etwas über die Replikatoren bekannt würde, wären sie Ziel von Diebstahl oder Zerstörung. Von den Robbis abgesehen, musste ich mich mit dem Großkonfutor abstimmen, der auch vorher die Fäden der Macht geknüpft hatte. Marutos hieß er und er war eine Mischung aus Geisterbeschwörer, Zeremonienmeister und Generalslenker. Lange verstand ich nicht, worauf sein Einfluss auf die Armeeführung beruhte. Bis ich die einfache Antwort fand. Drogen. Er verfügte offenbar über Kenntnisse zur Verarbeitung einer Pflanze, die den Trinkern des Sudes Glücksgefühle suggerierte. Ob diese Pflanze Ähnlichkeiten mit einer früher auf der Erde bekannten hatte, weiß ich nicht. Allerdings machte auch sie nach wiederholtem Genuss abhängig. Sie wurde bei allen Feierlichkeiten in niedriger Dosierung eingesetzt. Die Armeeführung war ausnahmslos abhängig. Leider traf das auch bald auf die durch mich beförderten Offiziere zu.
Die Erkenntnis stärkte nur meine Überzeugung, dass eine Überwachung des Palastes keine Verschwendung technischer Reserven war. ...

Samstag, 18. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1487

Müde bin ich, geh zur Ruh -
es geht auf den Sonntag zu.
Doch zuvor ganz ohne Qual
folgt das neue Lit.-Journal ...
Ob sich jetzt unschuldige Dichtergräber kringeln? Egal. Nur ein kurzer Blick auf das Lyrik-Blog und bei dem sich entwickelnden Projekt eines irgendwann gelingenden neuen SF-Romans steht auch nur eine weitere Fortsetzung bevor ... da kann man getrost an den Sonntag denken:


Bei Thomas Reich wünschte ich mitunter eine lyrische Feile zur Nacharbeit, damit aus urtümlich gutem Spontanen richtig starke Gedichte würden. Aber vielleicht ist im Zeitalter von Blogmassen das Produkt von "heute" morgen sowieso im See der Schöpfungen versunken? Schade wärs nicht nur für "Über den Tisch gezogen".
Na gut ... wer im Glashaus sitzt, ... Aber dem schon veröffentlichten Gedicht, auf dem "Bioliebe" aufbaut, folgt diese Bearbeitung ... und vielleicht ist das noch immer nicht meine "Weisheit" letzter Schluss. Oder erkennt man die Vorlage in "Mit Blindenhund durchs Liebesland" nicht mehr?

Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (147)


... Ich will dem Schneesturm nicht alle Schuld geben, aber er förderte zumindest auch mein Abwarten. Dieses Abwarten weckte wiederum die Annahme, es würde alles so weitergehen wie bisher. Diese Möglichkeit aber ließ die bisherige Führungselite des Reiches aus ihren Startlöchern kommen. Man dienerte sich mir an. Ich würde doch ihre Erfahrung in Staatsapparat und Verwaltung benötigen. Das war leider auch nicht verkehrt. In den Schulen, die die Kinder meiner Mädchen hätten durchlaufen sollen, wäre eine moderne Generation herangewachsen, die das ganze System in die Tiefe hinein hätte verändern können. Aber diese Generation gab es noch nicht. Kontakt zu vertrauenswürdigen Saks hatte ich nicht. Ein Großteil derer, die die Mordnacht überstanden hatte, war mir sogar wirklich dankbar dafür, potentielle Konkurrenten um angestrebte einträgliche Posten so einfach losgeworden zu sein. Es war eine lange Kette von weil-dann, hinter der ich mich verschanzen konnte.
Außerdem herrschte noch die kriegsfreie Winterzeit. Niemand erwartete große Feldzüge oder Auseinandersetzungen irgendwelcher Art. Und du kannst mich verdammen: Ich wusste keine Lösung. Hätte ich jetzt die Soldaten abhängiger Staaten zu meinen unmittelbarsten Anhängern machen wollen, ich glaube es wäre dasselbe System herausgekommen – nur mit ausgetauschten Völkern als Herrschende und Beherrschte. Diesmal eben mit den Chrustani als Vasallen. Allerdings hätten die die Organisation des nächsten Widerstandes besser beherrscht. Ich hielt mich damals sogar noch für besonders weise, als ich wesentliche Machtpositionen „paritätisch“ besetzte und den Kommandoapparat vergrößerte. Ich ließ also nicht die alte Garde verjagen, sondern stellte ihr die fähigsten Kämpfer meiner Armee zur Seite. In gleichem Rang. Ob ich denen vertrauen konnte, hätte ich nicht sagen können. Sie waren ja erst vor nicht zu langer Zeit zu mir übergelaufen und hatten vorher alle Normen des Reichs der Chrustani verinnerlicht.
Von meinen Segnungen hatten diese Soldaten eigentlich nur eine kennen gelernt: Sie waren eine Weile gefüttert worden mit den Möglichkeiten der Replikatoren. Gerade die aber würden eine Schwachstelle werden. In den ersten Tagen konnte es noch nicht auffallen. Im Wesentlichen hatten die Truppen die vor dem Abmarsch replizierten Lebensmittel gerettet. Die würden noch eine Weile reichen. Aber ich hatte nur einen Replikator mit. Was noch schwerer wog: Außer einem kleinen Notstromaggregat auf Fotozellenbasis hatte ich keine Stromversorgung dabei. Es reichte kaum fürs Füttern der Robbis, für die Überwachung und etwas Eigenbedarf. Früher oder später würde ich Wünschen gegenüberstehen, die außerhalb meiner Möglichkeiten standen. Hatte ich in der Größenordnung meines unbedeutenden Fürstentums die Lebensbedingungen aller Bewohner wesentlich verbessern können, würde ich – wenn überhaupt – nur ganz allmählich in die Verhältnisse des großen Reiches eingreifen können. Anders ausgedrückt: Ich musste alles belassen, wie es war. Ja, selbst kleine Schritte zur Verminderung der an manchen Stellen schwer erträglichen Ausbeutung würden auf mich als Schaden zurückfallen. Dass es überhaupt eine Verwaltung gab, war ja nur deshalb möglich, weil für diese paar Saks von der Masse mitgearbeitet wurde. Dass andere deren freie Zeit erarbeiteten, ermöglichte wenigstens ihnen so etwas wie Bildung und Kunst und der ganzen Gemeinschaft vielleicht die ersten eigenen Erfindungen. Damit die am schwersten Arbeitenden dies zuließen, bedurfte es wiederum der Soldaten, für die ebenfalls andere arbeiten mussten. Sollte ich die aufs Feld zum Arbeiten schicken? Das hatten sie nicht gelernt. Sie waren gute Soldaten und würden jeden, der ihre persönliche Freiheit in die Mühsal auf irgendwelchen Feldern umzuwandeln versuchte, bekämpfen.
...

Hallo,

vor wenigen Tagen ist eines der ungewöhnlichsten Bücher der letzten 
Jahre erschienen  ...
Erotisch, hochpolitisch, psychologisch, philosophisch, mystisch, 
theologisch, komisch – und auch ein wenig "durchgeknallt" ...
Mediensatire, Parodie auf den Generationenkonflikt, "Road Trip", _/Krimi 
der besonderen Art/_, augenzwinkernde Gaunergeschichte mit akribisch 
sich entwickelnder Detektionsstruktur–  und am Ende auch noch 
klassischer Entwicklungsroman. Protagonist ist ein 14-jähriger 
(Ober)Klugscheißer, der mit seiner Geschichte in keine Schublade passt. 
Eine Art “Harry Potter für Erwachsene“. Aber Vorsicht, kommt erst mal 
harmlos daher, ist aber wegen seiner vielen Ebenen ein hinterhäl­tiges, 
geradezu durchtriebenes Buch. Und vielleicht macht es ja gerade den 
Charme des chroni­schen Dauer­zitierers Albert aus, dass sich seine 
Ansichten nicht auf Schul­buchphilosophie a la "Sophies Welt" 
beschränken, sondern durchaus mit den Pfunden ernst zu nehmender 
denkerischer Originalität wuchern wollen?

/Worum geht es? Zum Beispiel um ...
... den „sexuellen Irrsinn“ des Pubertierenden, die Klimakatastrophe, 
das Problem der Willensfreiheit – kontrovers diskutiert in Hirnforschung 
und Rechtswissenschaft -, die Theodizee, Schönheit, Glück, Fühlen, 
Determinismus, Kosmologie, Quantenphysik, Alberts interessanten Versuch 
der Moralbegründung, Erkenntnis- und Evidenzproblematik in den 
Geisteswissenschaften, Ungerechtigkeiten innerhalb demokratischer 
Gesellschaften, die Möglichkeit neuer Kriege. Unsere (manchmal) dubiose 
Medienkultur mit ihren aufgesetzten Talkshows. Probleme der 
amerikanischen Außenpolitik. Das Thema „Sinnsuche“ und Zerrissenheit des 
jungen überdrehten Protagonisten, der schon weiß, wo es langgehen 
könnte, aber noch nicht “aus dem Quark“ kommt.
/
Schauen Sie mal hinein, ob ich übertrieben habe?

Herzliche Grüße
Peter Schmidt

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