Freitag, 24. August 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1493

Was gibt es Neues? Na, es geht voran. Die nächsten "Gedichte des Tages" können vorgestellt werden und die weitere Fortsetzung des utopischen Romanprojekts. Mehr nicht für heute:

Das Stichwort gibt diesmal Sebastian Deya vor: "Großes Kino". Während er aber die Bühne Welt vor Augen hat, stürzt mein "angebot" dann auf die profan-schmalzige Liebesebene ab ...



Slov ant Gali / Gunda Jaron:   

                Ich wurde Gott (153)


... Das Mädchen gehörte zu den wenigen größeren, die ich nur wenig selbst unterrichtet hatte. Sie war im letzten Herbst mit ihren Eltern aus einer der entfernten Siedlungen gekommen. Sie hatte pflichtgemäß am Unterricht in der Schule teilgenommen, war mir sogar aufgefallen dabei, aber eher durch ihre Zurückhaltung. Ihre Haut war noch einen Hauch dunkler als die der anderen, ihre Nase war im Verhältnis zum etwas länglicheren, zarten Gesicht und dem schmächtigen Körper massiv dominant. Eigentlich waren nur ihre Augen noch auffälliger – fast riesig unter den buschigen Brauen. Und Locken hatte sie, Locken … also … Aber lassen wir das. Ich bestaunte sie, wie sie zusammen mit einer jüngeren Schwester über den Hof schritt, wie sie Essensberge schleppte, unter denen sie eigentlich im Boden hätte einsinken müssen. Den ganzen Tag beobachtete ich sie. Ich bedauerte, dass ich nicht in allen Wohnhäusern Kameras installiert hatte. Aber sie kam mehrmals heraus und aus dem, was ich dabei beobachtete, reimte ich mir ihre Geschichte zusammen. Zumindest ihr Vater war wohl während der Belagerung umgekommen. Entweder war ihre Mutter krank oder auch nicht da oder ein Geschwisterteil war krank. Jedenfalls lief sie mehrmals durch die Straßen, um etwas zu besorgen.
Endlich, im abendlichen Dämmerlicht, stand sie allein draußen. Ich sah sie Luft holen, malte mir aus, dass sie sich einen kleinen Moment von den Verpflichtungen als Ersatzmutter und -vater erholen wollte, wahrscheinlich hatte sie gerade Streicheleinheiten verteilt, und gleich würde sie wieder reingehen, denn es war ein noch sehr kühler Frühlingsabend. Da rannte ich zu ihrem Haus, um sie noch draußen abzupassen. Wahrscheinlich haben mich mehrere Saks gesehen, aber ihren Augen nicht getraut. Ich musste ihnen ja schon wegen meines für Saksverhältnisse erschreckenden Riesenwuchses auffallen, aber ich war doch weit weg.
Die kommenden Minuten … Nein, sie sind nichts für deine Fantasie. Es muss dir reichen, dass Schamoui mich hat alles machen lassen. Kein Widerstand. Keine Geste. Nichts. Als ich mich nach dem Moment von ihr löste, war da jener Blick, der so tief war, wie ich es nie erzählen könnte. Neben mir lag ein Mädchen, das ich, nein, das vorher schon ein Schicksal, zu dem leider auch ich gehörte, zur Frau gemacht hatte. Ich schob meinen linken Arm unter ihren Kopf, zog ihn an meine Brust. Weißt du, in dem Moment dachte ich daran, dass es eine starke Brust war und ein starker Arm, und ihre Locken kitzelten meine Haut und ich fühlte mich so wohl, dass ich augenblicklich einschlief.
Später habe ich Schamoui einmal gefragt, ob ich da nicht in Gefahr gewesen wäre. Sie hätte aufstehen können, ein Messer holen und es mir zwischen die ach so starken Rippen stechen. Mit Worten hat sie mir nie geantwortet, nur mit einem Blick, mit dem sie mir sagte, wie wenig ich doch von ihr verstand.
...



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