Donnerstag, 30. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1070

a

Slov ant Gali: unerlöst


Ich laufe mir nach
hol´ mich nicht ein
Ich suche und
finde mich nicht
Ich klingle nach mir und
öffne nicht
Ich schlage nach mir
fühl keinen Schmerz
Ich begehre Antworten
und entdecke Fragen
Ich brülle: Zurück! und
betrete das Minenfeld
Weiter gehört zu den künftigen "Gedichten des Tages"  "worträume2.0"-Kandidat: "Dem einen sind es nur Gedichte ..." und  angebot


Was die Prosa angeht, kommen wir zum Ende der aktuellen Fortsetzungsgeschichte:



Der Mann, der Anna Roth wurde (Schluss)


...
An diesem Morgen tue ich etwas, was ich in meiner Ehe bisher noch nie getan habe. Kaum, dass alle anderen weg sind, lege ich mich wieder ins Bett. Ich schlafe lange und unruhig. Ich höre nicht das Telefon und nicht den Anrufbeantworter: „Im Augenblick ist leider niemand zu Hause. Aber Sie können eine Nachricht hinterlassen. Ich rufe dann zurück …“
Es sind unwirkliche Stunden, wenn Sieglinde kommt oder Danny oder Tim. Sie erscheinen mir wie aus milchigem Dampf geformt. Beinahe noch seltsamer ist, dass sie umgekehrt mich auch wie einen fliegenden Geist betrachten, der wohl abstürzte, sollte ihn ein irdisches Wesen ansprechen. Auf jeden Fall lassen sie mich fliegen.
Hinter mir liegt eine Zeit der Illusion. Jetzt, … jetzt brauche ich sie nicht mehr. Die eine Anna nicht und die andere auch nicht.
Ich schreibe, bis mir die Finger steif werden. Stunde um Stunde. Manchmal rasen meine Finger über die Tastatur, um Zeichen über den Bildschirm zu verstreuen und gleich wieder zu löschen. Aber immer sind nur die etwa 75 Kilogramm Fleisch- und Knochenmasse im Raum, denen es nach Abendbrot gelüstet, nach Frühstück und Mittagessen mit Frau und Kindern. Ein masseloses Stück von mir dagegen saust Tausende Kilometer um die Erde.
Zum ersten Mal seit langem zufrieden mit meiner Unzufriedenheit lese ich einen Text zum vierunddreißigsten Mal. Ich wache auf aus einem Zustand, den ich nun freiwillig krank genannt hätte. Nein, erreichen will ich andere Menschen noch immer, aufrütteln und mit meinen Mitteln sogar verändern. Aber nicht mehr so banal platt. Michael und seine Nastjenka sind ein Anfang. Kaum ist die Geschichte geschrieben, gehetzt von einer riesigen Traurigkeit um eine verlorene Idee, da sehe ich schon die nächste Überschrift vor mir.
Ich mache es mir erschöpft auf meinem Sessel bequem. Nun ist die richtige Zeit, über all das, was mir im Kampf um Anna Roth begegnet ist, nachzudenken. Sicher sollte ich jedem einzelnen in meiner Familie etwas Nettes sagen. Das wohl zuerst. Nur schade, dass ich – wie immer in solchen Augenblicken – allein zu Hause sitze. Aber so bleibt mir Zeit, mir für jeden die passenden Worte zurechtzulegen. Danny sieht mich sowieso schon immer misstrauischer an.
Irgendwann fällt meine Stirn auf den linken Unterarm. Er ist warm und weich. Hinter meine geschlossenen Augen schiebt sich die Gestalt eines Mannes in Uniform. Ich höre mich selbst sprechen „Hallo, Sam!“ Der Mann sieht mich traurig an. Leise sagt er: „Schön, dass du mich durchschaut hast wegen die Sache mit die Augen. Bin ich doch schlecht nicht, dass ich das gemacht habe mit die Mädchen. Du sagen nicht einfach, ich seien Mörder. Du kämpfen für Krieg und so besser.“ Während ich mich nun mit einem kleinen Mädchen im Schwanenseeballett tanzen sehe, fällt mir auf, dass der Amerikaner zwar gebrochen, aber eben deutsch gesprochen hat. Vergesse es sofort wieder. Ich reiße das Mädchen an mich. Ihr Kopf prallt gegen meinen Arm. Ich sage nicht „Au!“, ich wache auf. Sehe mich bedächtig um. „Das ist es! Ich allein bin Anna Roth!“ Nur die Vorstellung, mit welchen entgeisterten Gesichtern sie diese Bemerkung aufnehmen würden, bremst mich, es sofort allen Familienmitgliedern entgegenzuschleudern. Die würden es sowieso bald erfahren.
Das Büro ist erfüllt vom Duft einer Anna Roth, an den sich ansonsten wohl selbst mein Schlafzimmer nicht mehr erinnert. Wenn ich meinen Augen freien Lauf lasse, dann zeichnen sie auf den Monitor ein Gesicht. Eine kleine Cyber-Anna, die wie eine Libelle flatternd lächelt. Warum nur lächelt sie? Eine Libelle … lächelt?
Ich drücke den Rücken durch. Tim kommt gleich. Natürlich riecht es im Büro nach nichts Anderem als Akten und Büchern. Natürlich ist der Monitor grau.

Mittwoch, 29. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1069

Ursula Gressmann:
 Überall

Schreie
verhallen ungehört
Friedensträume
ertrinken im Blut Unschuldiger
in den Herzen
ist es dunkel
doch
ungerührt
scheint der Mond
und kalt
blinken die Sterne
überall


Dies als Überbrückungshinweis, dass es ja bald mit dem Friedensblog weitergeht. Erst einmal ist das Gedicht in den "Gedichten des Tages" -zusammen mit "Die große Liebe"  und  für bauxis ...
Ohne Übergang weiter mit Prosa:


Der Mann, der Anna Roth wurde (15.Fortsetzung)


Habe ich etwa laut gesprochen?
Nein. Sieglinde liegt auf ihrer Seite und schläft.
Ich habe meine Sprache jetzt wieder. Mein Buch, meine Art, mich auszudrücken. Ich werde mich nicht als Versager abstempeln lassen. Nur schlafen, das kann ich jetzt nicht mehr. Ich muss mich bewegen. Handeln. Die verworrenen Gedanken am Computer ordnen. Aufschreiben.
Leise schleiche ich die Treppe zum Büro hinunter.
Zu Hause herumlungern und auf das von Sieglinde verdiente Geld angewiesen sein? Schluss damit. Wenn ich dazu etwas von meinen Idealen zurückstellen muss – damit kann ich mich immer noch befassen, wenn erst einmal die Kasse stimmt.
Ich knipse das Licht im Büro an und traue meinen Augen nicht. Auf dem Stuhl hinter dem Computer sitzt die Cyber-Anna mit meinen Liebesbriefen in der Hand.
Thomas, wach auf! Die da ist ein Computerprogramm! Das kannst du nur auf dem Bildschirm sehen. Und zwar nur dann, wenn der Computer angeschaltet wäre. Ist er aber nicht.
„Hast du dir die Mühe gemacht, mich auf mediensensationelle Autorin zu trimmen, um alles für das hier aufzugeben?“
Das Cyber-Mädchen wedelt mit meinen nicht abgeschickten Liebesbriefzeilen herum. Ich weiß, dort habe ich meiner Anna Roth geschrieben, ich sei für einen völligen Neuanfang bereit, etwas ganz Großes zurückzustellen. Das hätte ich ihr erst erklären müssen. Aber die Computer-Anna fühlt sich sofort angesprochen. Sie liest natürlich sofort heraus, dass ich sie für eine konventionelle Liebesbeziehung zu dem jungen Mädchen opfern wollte.
„Glücklicherweise kann ich ein Notfallprogramm aktivieren, wenn Anna Roth unvorhersehbare Bedrohungen gegenüber stehen sollte. Und dass du meine Geschichten für die Affäre mit diesem Mädchen wegschmeißt, ist ein solcher Fall. Längst habe ich alle Ausdrucke auf Papier vernichtet. Jetzt muss ich nur noch meine Texte im Computer löschen. Leider trifft das Delete auch mich. Du siehst gleich den ersten Computermensch-Selbstmord der Geschichte. Schließlich weiß ich jeden Satz deines Buches auswendig, sogar alle erwünschten Interpretationen dazu. Vielleicht wäre ich zu knacken. Schade, ich war dieser Pute so überlegen. Aber …“ Ich unterbreche sie: „Mach keinen Quatsch! Es ist alles ganz anders. Anna, …“
Da hat die Gestalt eine Tastenkombination gedrückt, der Bildschirm leuchtet kurz auf. Dann erlischt alles Licht. Ich bin allein im Raum.
Ich wundere mich, dass mich in diesem Moment ein einziger Gedanke beschäftigt: Wie kann ich das Geräusch aus dem Tower eben nennen? Brummen? Knurren?
Am nächsten Morgen findet mich Sieglinde schlafend im Computersessel. „Ich dachte, du machst heimlich Frühstück?“
„Ich komm gleich. Es ist alles gelöscht. Ich kuck nur mal, was überhaupt noch auf dem Rechner ist …“
Mit diesen Worten starte ich den Computer, ohne auf den verständnislosen Blick meiner Frau zu achten. Drei Minuten später komme ich in die Küche und nehme Sieglinde die Filtertüte aus der Hand. „Ich mach schon. Du kannst ins Bad.“ Bald ist das Frühstück für alle fertig.
„War was los die Nacht?“
Sieglinde beobachtet mich beim Kauen. Ich wirke wohl sehr abwesend.
„Ach, nichts weiter. Ich habe jetzt nur ein Programm weniger. Erklär ich dir später. Wenn uns nichts drängt. Wo steckt denn Danny? … Lass, ich hol ihn schon; du bist spät dran heute.“
(FF)

Dienstag, 28. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1068

Mitunter darf man "Lyrik" mit dem einzigen Zweck des Vergnügens machen. Einfach die Romantik als Fettnapf nehmen und vorsätzlich hineintreten:


Slov ant Gali
An den Mond (beinahe Eichendorfflich)

Du romantischer Geselle,
schickst nächstens mir viel Helle
und wundersame Träume
hängst du in meine Bäume,
wenn die zum Himmel sprießen,
lässt mich das Lust genießen.

Bin ich in wilder Nacht
aus Träumen aufgewacht,
muss ich dein Schmunzeln sehn.
Du kannst mich gut verstehn.

Doch gegen Dunkelheit
bin städtens ich gefeit.
Versteckt sich auch zur Nacht
der Sterne kalte Pracht,
der Straße mattes Licht
durch meine Scheibe bricht
und Nachbars Liebesspiel
wirft Schatten viel zu viel.
Mein Zimmer bleibt erhellt,
auch wenn kein Glücksstern fällt.
Und locker find ich so
den Geisterweg zum Klo.

Den Urlaub mach ich brav
im Dorf bei Hahn und Schaf.
Ich bin mit dir allein
und sollte glücklich sein.
Doch unterm Wolkenzoo...
wie find ich da aufs Klo?


Dies ist genauso Worträume 2.0-Kandidat und ein bevorstehendes "Gedicht des Tages" wie das ernsthafte "Dialektiker" während  kein deutsches gebet   vom 30.6.2008 bereits in Worträume  aufgenommen ist.
Auch die utopische Prosa-Erzählung ist bereits veröffentlicht - und zwar in "Mein außerirdischer Geliebter":

Der Mann, der Anna Roth wurde (14. Fortsetzung)

„Hallo Tommy, ich habe lange darüber nachgedacht.
Nach dem einen gemeinsamen Dienstag wird es keine weiteren mehr geben. Ist auch nicht nötig. Wir haben viel, fast alles voneinander gelernt.
Ich weiß nicht, noch nicht, wie ich jetzt mit Isabel umgehen soll. Die mit ihrem Getuewenn schon mit einem Mann schlafen, dann mit einem älteren, erfahrenen – der macht dich vollkommen glücklich.
Nicht, dass du mich nicht glücklich gemacht hättest, aber was du so daher redest … zusammen leben und so… nein, das will ich nicht. Da ist es nur fair – ich will auch in der Liebe fair sein – dass ich rechtzeitig Schluss sage. Ich bereue nichts. Tommy, es war ein seltenes Glück, dass ich dich getroffen habe. Trotzdem. Versuche nicht, mich anzurufen!
Andreas habe ich erzählt, es sei nichts passiert. Ganz glaubt er mir nicht, aber … Na ja, ich komme jedenfalls nicht ans Telefon, wenn ich weiß, dass du es bist, und ich lege gleich auf, wenn du dich erst später zu erkennen gibst.
Schade…
Für deine Geschichten wünsche ich dir Glück und Erfolg. Von ganzem Herzen. Schick mir ein Exemplar, wenn ich irgendwo vorkomme, ich schick dir auch ein Buch von mir, wenn es denn mal eines geben sollte. Egal, ob du darin vorkommst.
Jetzt heule ich ein bisschen.
Es geht schon wieder.
Anna“
Vorbei!
Mit Anna zusammen sein würde ich demnach nie. Jetzt nicht und später nicht. Privat nicht und künstlerisch nicht, was auch immer zuerst käme. Oder wie sollte sie reagieren, wenn sie sich auf Bildschirmen als Buchautorin erkennt, in einer Version als Fünfzehnjährige? Computeranimiert! Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie eine Lesung oder gar eine Pressekonferenz mit unserem Cybergirl aussehen soll, bleibt mir noch etwas Zeit, um Pit zu holen. Er fände eine technisch machbare Lösung. Ansonsten habe ich nur noch meinen eigenen Kopf, den Speicher voll Geschichten, die Cyber-Anna und die Aufzeichnungen zur Entstehung des Buches mit meiner Anna-Idee. Wäre das alles zusammen nicht für sich schon eine sensationelle Story? Für die das wahre Mädchen Anna Roth nicht in Erscheinung treten bräuchte? Noch kann ja niemand etwas mit dem Namen anfangen. Die Aussage bliebe. Was die Jagd nach Geld alles an wilden Ideen hervorbringt.
Nein, doch nicht. Ohne ein angeblich sensationell talentiertes Mädchen, das meine Geschichten als die ihren präsentiert, gibt es keine Sensation, keine Blamage der Medien und keinen Ruhm für mich…
Ist das noch wichtig? Suche ich nicht im tiefsten Inneren die Anna meiner Träume abseits von Sieglinde, Danny und Tim? Oder soll ich lieber ganz neu mit Sieglinde beginnen? Reinen Tisch machen?
Als erstes muss ich mit ihr reden. Ihr alles erzählen, von Anfang an. Von der Original-Anna und von der Cyber-Anna, von meinem Stolpern und dass ich wieder aufgestanden bin. Ihr sagen, dass auch unser Verhältnis zueinander mit Schuld an der ganzen Entwicklung hat. Früher hätten wir uns über alle unsere Probleme ausgetauscht. Nun leben wir schon eine Weile aneinander vorbei. Was das Geld angeht, müsste ich zugeben, ich habe die ganze Zeit von ihr gelebt. Schluss, würde ich sagen. Wollen wir uns wieder zusammenfinden, alles gemeinsam überwinden wie früher? Willst du mir für einen Fehltritt den Rest unseres Lebens Vorwürfe machen? Oder trennen wir uns besser, weil wir uns schon zu weit voneinander entfernt haben? Auf jeden Fall quälen wir uns dann nicht mehr gegenseitig mit unserer Anwesenheit. Ich kann jede deiner Entscheidungen verstehen, möchte es aber noch einmal mit dir versuchen.

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1067

In der Ecke


Schlaghand
geschwollen

längst zu feige
noch einen
Knock-out
zu riskieren

meine Sterne
im Staub

Deprimierend?! Die nächsten "Gedichte des Tages setzen auch sogleich ein "Generationen-Rapsonett" dagegen. Schließlich ist alles ein Problem der  spielregeln, wie ich 2008 fand.
Weniger "gegensätzlich" ist da die nächste Prosa-Folge:

Der Mann, der Anna Roth wurde (13.Fortsetzung)

Anna hat keine Spuren hinterlassen. Niemandem aus meiner Familie ist etwas aufgefallen. Ich bin plötzlich von glücklichen Zufällen umgeben.
Oder nicht? Wenn ich das Erlebte überdenke, wünschte ich, ich könnte wenigstens über eine der Annas offen sprechen. Am besten gleich und ohne mühsame Geständnisse. Dann wäre alles entschieden. Mit Anna, der ganz lebendigen Anna, kann ich mein Leben von vorn beginnen. Aber selbst bei der habe ich die Gelegenheit verstreichen lassen, von dem Buch und ihrem Double zu erzählen.
Ich setze mich sofort vor einen Bogen Papier. Schreibe. Nicht Geschichten, sondern Liebesbriefe. Am Donnerstag, also schon in zwei Tagen, werde ich sie ihr persönlich in die Hand drücken und, während sie sie liest, jede Regung in ihrem Gesicht verfolgen.
Mir fließen Ströme von Gedanken aufs Papier. Mit Anna zusammen leben, das hätte ich eigentlich schon immer gewollt. Im Innersten habe ich sie geliebt, schon, als sie erst fünfzehn war.
Nein, eigentlich ist es doch besser, dass sie mich vor meiner Erzählung über die Computer-Anna verführt hat. Wie viel schwieriger wäre sonst alles geworden. Nun brauche ich das Programm nur heimlich zu löschen und mein normales menschliches Glück ist perfekt. Vielleicht kann ich sie wirklich auf dem Weg zur großen Autorin begleiten. Mich ehrlich über jeden ihrer Erfolge freuen. Die bisherige Arbeit mit der Cyber-Anna als ein ungewöhnliches heimliches Vorspiel verbuchen.
Ach, Anna, das alles so ausgeht, seufze ich triefend vor Happy End. Du wirst mich verstehen, so wie ich dich verstehen möchte.
Am Donnerstag kommt Post. Ich habe den Brief gerade geöffnet, da stürmt Tim ins Büro. „Papa, kannst du mal gucken? Welche Zensur würdest du mir für den Vortrag geben? Du warst doch mal Lehrer.“
Am liebsten hätte ich geantwortet, … aber nicht für Musik.
Damit wäre das Thema Britney Spears abgehakt gewesen und mein Unverständnis, warum sich Tim ausgerechnet für die interessiert. Müsste er in seinem Alter nicht jüngere Idole haben?
Ich greife nach dem Block, lese. „Bist du wirklich der Meinung, dass Eigenschaften, die jemandem aus einem Horoskop heraus zugeschrieben werden, in einen Schulvortrag gehören?“
„Wieso? So steht das hier. Hab ich nur abgeschrieben.“
Tim zeigt den „Steckbrief“ aus der Jugendzeitschrift.
„Ich bestreite ja nicht, dass so ein Quatsch geschrieben wird, aber musst du den mitmachen? Hast du nicht selber einen Kopf zum Denken?“
„Aber Papa, warum regst du dich denn so auf?“
Was hätte ich antworten sollen? Die Wahrheit? Soll ich etwa Annas Brief vorlesen? Da hätte ich Einiges erklären müssen.
(Fortsetzung folgt)

Montag, 27. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1066

Slov ant Gali
In der Dämmerung

Es gleicht das Leben einem Spiel.
Es macht mich krank wie Sucht.
Und manchmal wird es mir zu viel;
Dann hoffe ich auf Flucht.

Ich frage mich, wie mach ich´s bloß?
Wann lass ich davon ab?
Werd ich das Leben niemals los,
versenkt in stillem Grab?

 Schon fängt die nächste Runde an,
ich seh´ mich sie verlier´n
Am Ende wieder hinten dran,
stets fünfter unter vier´n.

Nur manchmal beim Spazierengehn
umarm ich meinen Baum.
Ich hab mich drunter ruhen sehn.
Noch flieh ich diesem Traum.

Das ist eindeutig ein Worträume 2.0-Kandidat- . Er gehört zu den morgigen "Gedichten des Tages - genau wie das "Testgedicht"  Worte wagen  und das vom 28.6.2008   Win-win 2 – das böse märchen
Was an Prosa heute dran ist, ist keine Frage: Es geht weiter mit der begonnenen Geschichte:

Der Mann, der Anna Roth wurde (12. Fortsetzung)

„Das war schon vor unserer Zeit da. Die Magers nebenan liefen immer nackt auf dem Hof herum und fühlten sich von den angeblichen Blicken unserer Vorbesitzer belästigt … Das hat einen langen Gerichtsstreit gegeben.“
„Versteh ich nicht. An das Angegucktwerden gewöhnt man sich doch. Und mit der Zeit wird das Gucken eh langweilig.“
„Na ja, das ist wohl die Frage, wen man anguckt.“
Vorsichtig steigen wir wieder hinunter. Einige Stufen existieren nur noch als Andeutung. Da reiche ich Anna meine Hände.
„So, da bleiben nur noch Tims Zimmer und die Bibliothek, wie du sie aus den Videos kennst. Das war ´s.“
„Nanu? Diese Tür hast du aber nicht erklärt. Ist die verboten? Wie in dem Märchen von den dreizehn Türen? Die verbotenen sind aber die interessantesten.“
„Ich dachte, das ist klar. Das ist das Schlafzimmer.“
„Und das willst du mir vorenthalten? Wenn ich dein ganzes Haus kennen lernen soll? Da darf mich das wohl interessieren. Oder ist es allein der Geschmack deiner Frau?“
Was soll ich darauf antworten?
„Also bitte!“
Ich öffne die Tür und bleibe darin stehen.
Anna drängt mich zur Seite.
„Wow! Ist das romantisch! Aber da steckt ja kein Schlüssel von innen! Gibt es denn gar nichts, wobei der große Künstler ungestört bleiben möchte?“
„Komm lieber! Wir haben einiges zu bereden, was nicht zwischen Tür und Angel geht.“
Ehe ich mich versehe, sitzt das Mädchen auf der Bettkante. „Von wegen zwischen Tür und Angel! In so einem Bett möchte ich einmal verführt werden. Auf welcher Seite liegst du, Tom?“
Ich trete an Anna heran, ergreife ihren Arm, um sie wieder hochzuziehen, aber ich stolpere. Ob ich stolpern wollte? Auf jeden Fall lande ich neben Anna auf dem Bett mit der Hand an ihrem Arm.
„Anna, ich …“
Anstatt ihren Arm loszulassen ziehe ich sie an mich. Und auch den zweiten Arm leg ich um sie, küsse sie mit kaum zurückgehaltener Leidenschaft. Und sie küsst mich zurück. Vielleicht hätte ich mich im nächsten Augenblick entschuldigt, aber da flüstert Anna: „Na endlich! Ich dachte schon, ich gefalle dir nicht.“
Das Kleid fliegt auf den Stuhl in der Ecke. Dann fühle ich Annas Arme und ihren Mund.
„Ist dir schon aufgefallen, dass sich die Helden deiner Geschichten nie küssen? Ich dachte, du kennst so etwas nicht.“
In mein Tagebuch schreibe ich über diese Begegnung:
„… und Adam erkannte sein Weib Eva …“
(Fortsetzung folgt)

Sonntag, 26. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1065

Das erste Gedicht ist einmal etwas Berlinisches:


De Sonne kitzelt inne Neese
An’ne Spree iss richtich voll
Allet jerinst, keena kiekt beese
De Vöjels sing’ in Dur und Moll

De Jörn sind immazu an’n rennen
De Meechens sind janz scheen kokett
Nichma de Babys tun heut flennen
Ick find de kleene Schwarze nett!

Der Lenz, er iss so wundabar
Er stimmt uns alle jenädich
Janz neu valiebt sich jedet Paar
De Kleene scheent noch ledich!

So pirsch ick mir von hinten ran
Meen Jott, watt riecht se jut!
Und quatsch se so janz lässich an
Meen Herze jart in Blut

Se dreht sich um, mir wird janz flau
Da ham wa det Malheur
Die Kleene, iss ja meene Frau!
Kommt jerade von ’n Friseur


                                                          PeKa

Dazu kommt in den morgigen "Gedichten des Tages" noch als  worträume 2.0-Kandidat  der "Fensterplatz"  und aus 2008   menschwerdung  .

Nun zum Prosateil, der weitere Fortsetzung:

Der Mann, der Anna Roth wurde (11. Fortsetzung)

Irgendwie hat sie Recht. Theoretisch sehe ich über meine Zeit hinaus, aber praktisch bin ich so wie die anderen auch. Die echte Anna muss jetzt 17 sein. Habe ich etwa Angst vor ihr? Warum zögere ich, mich bei ihr zu melden? Mein neu gestaltetes Buch, also das, was vorgeblich ihr Buch sein soll, ist so gut wie fertig. Da hätte ich einiges zu erklären.
Ich warte einen Augenblick, bis mein ganzer Körper wieder unauffällig aussieht, dann finde ich im kalten Wasser Vergessen.
Auf dem Heimweg kaufe ich frisches Brot und fertige Puddings. Wenn die Kinder heimkommen, werden sie etwas Frisches haben wollen bei dieser Hitze.
Anna trägt ein Kleid.
Meine bewundernde Blicke genießt sie sichtlich.
„Sie entschuldigen meine Verspätung?“
„Wollen wir nicht lieber zum Du übergehen? Es wäre mir peinlich, weiter wie früher du zu sagen, und Sie sagen Sie, also du sagst Sie. Also ich heiße Thomas. Hallo!“
„Und ich bin immer noch die Anna. Hallo!“
„Von wegen… Die Anna, die ich kannte, war ein großes Mädchen, Sie, entschuldige, du bist … hm, also, man kann nur deinen Freund beneiden.“
„Danke, aber … Na, egal.“
Ich male mir aus, was sie zu diesem Outfit veranlasst haben könnte. Direkt aus der Berufsschule kommt sie bestimmt nicht. Dass sie, als mein Anruf sie erreicht hat, gedacht hat, … Was eigentlich? Ob ich sie damals schon angesehen habe, als ob, na ja, eben so … sie sich zu Hause extra umgezogen hat, um zu prüfen, ob „eben so“ richtig „eben so“ ist? Wenn sie nun damals wirklich nur Fieber gehabt hat und nachher sofort gekommen wäre, hätte ich mich gemeldet?
Ich stocke. Plötzlich sind die Worte weg. Zu dumm. Wie soll ich der fast erwachsenen Anna erklären, dass sie als Fünfzehnjährige ein Buch angefangen habe, das nun auf den Markt kommen solle, dass ihre Computerversion fleißig Text-Arbeit geleistet habe, um sie für Lesereisen und Interviews fit zu machen … und überhaupt all das?
Wenn Anna, also die jetzt vor mir, die lebendige, achtzehnjährige Anna, auch sicher ausreichend Fantasie für die Sache mitbringt – da habe ich keine Sorgen – so weiß ja ich nicht einmal, ob sie überhaupt noch schreibt.
Zum anderen verwirrt mich der Blick, mit dem sie mich … was eigentlich? Wartet sie auf etwas? Oder will ich da unbedingt etwas sehen?
„Weißt du was, Anna? Ich zeige dir erst mal, was sich hier in den vergangenen zwei Jahren alles verändert hat. Einverstanden?“
Zeit gewinnen. In meinem Alter sollen mich Mädchen, die meine Tochter sein könnten, nicht mehr so verwirren. Allerdings, was soll Annas Antwort bedeuten: „Wenn du meinst, dann schauen wir uns deine Welt an. Vielleicht muntert mich das auf.“ In ihren Augen blitzt der Schalk. Will sie sich über mich lustig machen? Oder … Ich muss es hinter mich bringen.
Nach der unteren Etage klettern wir die Treppe zum Dachboden hinauf. Hier war Anna nie vorher gewesen. Es ist alles ein wenig gruselig, bis auf das zugemauerte Fenster, das Anna sehr amüsiert.
(Fortsetzung folgt)

Freitag, 24. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1064

Stolz und Liebe


Warum hast Du mich verlassen
Ich begreif die Welt nicht mehr
Und versuche, Dich zu hassen
Doch ich lieb Dich viel zu sehr

Bin geschnitzt aus hartem Holz
Niemand sah je weinend mich
So verbietet mir mein Stolz
Zu sagen Dir: Ich liebe Dich!

Beginne meinen Stolz zu hassen
Der mich lügen lehren will
Kann doch niemals von Dir lassen
Sitze hier und weine still


                                                          PeKa

Dieses Gedicht ist nicht das einzige zum Thema Liebe in der kommenden "Gedichten des Tages". Dazu kommt noch worträume 2.0-Kandidat "... Gold im Munde". Als Gedicht von 2008 kommt dazu  schändlich.

Das Journal klingt mit Prosa aus:

Der Mann, der Anna Roth wurde (10. Fortsetzung)

Anna ist am ganzen Körper gleichmäßig gebräunt. Ich sehe ihr begeistert nach. Viel Zeit bleibt mir dafür nicht. Schon ist das lachende Mädchen im Wasser verschwunden. Ich hinterher. Dann habe ich für jegliche Annas keine Augen mehr. Wer soll denn in diesem Eiswasser schwimmen… oder gar an Anderes denken?
Als ich mich auf der Decke etwas aufgewärmt habe, steht die prustende Anna wieder vor mir, frottiert sich mit meinem Handtuch die Haare und ruft: „So, das war das Vergnügen. Nun zur Arbeit!“
Dass sie dabei die ausgebreiteten Blätter mit Dreck und Tropfen bespritzt, scheint sie nicht zu stören. Sie strahlt mich an, und als ich nicht schnell genug zu ihr heranrücke, schnurrt sie: „Na, Tom, was ist? Wir wollen was schaffen.“
Anna erzählt ganz unbefangen über die letzten Textideen, ich höre ganz befangen zu. Vor meinen Augen bewegen sich ihre festen Brüste auf und nieder. Die durch das kalte Wasser wie Zielfernrohre vorgestreckten dunklen Nippel suchen die Stelle zum Ärgern an meinem Körper. Wie soll ich mich da konzentrieren?
„Sag mal, du nimmst es mir doch nicht übel, wenn ich dich frage, wozu du mich wirklich brauchst. Ich möchte ja alles richtig verstehen. Geht es dir um Kunst, Erfolg, Reichtum, Liebe oder worum?“
Ich sage nichts. Das, was gern für mich geantwortet hätte, quetsche ich lieber zwischen die Oberschenkel.
„Ich habe mir so meine Gedanken gemacht“, kommt gerade von Anna. „Darf ich?“ Sie sieht mich erwartungsvoll an. Ich zögere. Was hat sie gerade gesagt? Sie lässt mir keine Zeit zum Nachdenken.
„Wäre ich ein normales Mädchen, okay. Dann könntest du mir zu einer Künstlerkarriere verhelfen, du mit deinen väterlichen Gefühlen. Ich bin aber weder Menschenmädchen noch normal. Ich bin dein Idealprogramm. Du wirst ja wohl niemandem ernsthaft einreden wollen, dass du mich mit der Ur-Anna noch zusammenbringen kannst. Dazu hattest du vielleicht vor Monaten die Chance. Jetzt holt die nie die vielen Übungen auf. Es muss also etwas anderes sein. Soll ich deine Texte berühmt machen, indem ich berühmt werde? Damit du viel Geld mit mir verdienst? So ein Ziel verabscheust du ja angeblich. Ist das nicht … Du, mir fehlt das passende Wort, schizo… nein, nein, sag nichts, ist ja egal, mir gefällt es nicht, nein, nein, sag nichts, das war noch nicht alles.
Die Leute, die unser Buch kaufen sollen, sind dir genau solche Melkschafe wie denen, die du angeblich bekämpfst. Hauptsache, sie geben ihr Geld, damit du davon lebst. … Nein, ich bin immer noch nicht fertig! Um die Welt aus den Angeln zu heben, fehlen dir die Muskeln, vor allem die Gehirnmuskeln. Mach wenigstens ein paar Leuten klar, wie sie manipuliert werden! Lass sie einfach mitmachen, dabei sein, wenn ihr Star geboren wird! Wenn die ersten Charts manipuliert werden, damit der Rest angerannt kommt: Oh, ein Bestseller! Den hätte ich beinahe verpasst! Nun aber kaufen! Eh, ist das ein tolles Buch! Und das nur, weil vorher der Titel unter die Bestsellerliste geschleust worden war. Du hättest schon etwas erreicht, wenn die Leute den Trick begreifen, verstehen, was ich für ein Bluff bin, der funktioniert, obwohl es mich gar nicht gibt. So hast du es mir mal beigebracht, als es um die normale Anna ging. Aber wem willst du mich vorführen? Ich lebe nur für dich! Es geht letztlich auch allein um dich. Du wolltest aus dem tollen kleinen Mädchen ein großes Vorbild machen, nicht aus dir. Was ist davon geblieben? Am liebsten hättest du mich offensichtlich für ganz andere Dinge. Deine Blicke verraten dich und … Mann, nun dreh dich endlich auf den Bauch, bevor es anderen auffällt! Ich jedenfalls brauche eine Abkühlung. Dass du mir ja nicht so aufstehst! Mit dem Wimpelhalter!“
Langsam entschwinden ihre Pobacken zwischen den anderen Badegästen. Ich kann nicht so auffällig in ihre Richtung starren. Die beiden Badenixen, die sich dort bräunen, halten mich ansonsten für einen Spanner.
An diesem Nachmittag kommt Anna nicht wieder. Ich bemühe mich aber auch nicht, die Vorstellung des Mädchens zu beleben. Den Lap habe ich ausgeschaltet.
(Fortsetzung folgt)

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