Samstag, 4. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1044

Im Schatten seiner Laube
erfüllt sich Hinz der Glaube
vom Paradies auf Erden,
dem Wachsen und dem Werden
all dessen, was die Gattin sät,
in bester Bioqualität.

Wo sonst als an der frischen Luft,
wo Hinz, umhüllt vom Kompostduft,
sein Feierabendbierchen trinkt,
die Amsel in den Bäumen singt
und Trude (einst ne Lilie)
zupft zärtlich Petersilie,
kann das Gemüse so gedeih'n?
Wo ist die Luft so klar und rein?

Mit "Bio", da kennt Hinz sich aus.
Sogar sein Handy bleibt zu Haus.
Er weiß doch, was ihm blühen kann,
trägt er das Ding zu dicht "am Mann".
Und auch ein Mikrowellenherd
kommt Hinz nicht in die Laube, lehrt
das Internet doch jedes Kind,
dass dessen Strahlen schädlich sind.

Herr Hinz lehnt sich entspannt zurück,
genießt sein saubres, kleines Glück,
durchblättert kurz das Tageblatt.
Auf Pilze gibt es heut' Rabatt .
Dann liest er was von Strahlenmüll.
Was schert ihn hier in dem Idyll
Tschernobyl, fern dem Heimatland?
Er legt die Zeitung aus der Hand.

Sein Blick sucht stolz den Blumenkohl.
Gigantisch! Hier fühlt Hinz sich wohl.
Er strahlt! So'n Garten ist was wert
für den, der sich gesund ernährt!
 Das ist zweifelsfrei das "Hauptgedicht" für morgen. Im lyrischen Test startet noch "Dogma" und als Rückblick auf den 5.6.2008 Müde  von Bärbel Klässner




Die Erzählung ABEA erschien 2009 in einem Sammelband mit utopischen Geschichten „Mein außerirdischer Liebhaber“ bei der dorante Edition:)
Es war schon ein seltsames Gefühl. Zur Schule gehen. Mit Kindern, die hier groß geworden waren, alle Wörter kannten, die fremden Dinge, die sie bezeichnen sollten, ja, die sogar genauso aßen wie ihre Nachbarn.
Sag, ich heiße Abea!“
Das hatte ihr Sam erklärt, den sie jetzt Dad nennen sollte. So tat sie es auch, als sie allein mit der Lehrerin vor der Klasse stand. Trotzdem lachten die meisten. Vielleicht hatte sie die Laute nicht richtig betont.
Mrs. Widerman winkte. Daran erkannte Abea, dass vorn dort war, wo die anderen Kinder hinsahen, wenn sie sich nicht gerade feixend wie jetzt zu ihr umdrehten.
Mrs. Widerman fragte so boshaft, als wäre völlig klar, dass Abea nicht wissen konnte, wie viel zwei plus drei sei. Aber sie dachte dabei fünf, so dass Abea laut „Fünf!“ sagte, und auch, als die Aufgaben schwieriger wurden, dachte die Lehrerin immer an die Lösung, die Abea nur laut nachsagen brauchte.
Viel hatte Abea nicht verstanden, aber weil alle ihre Antworten richtig gewesen waren, galt sie von nun an als Rechenass. Rechnen war auch leichter als die fremde Sprache, von der man so viele Worte mit so vielen Bedeutungen behalten musste, und David, der immer am lautesten dachte, formulierte so viele falsche Sätze.
Abea lernte schnell.
Trotzdem war sie traurig. Mathew hatte immer solche Angst vor dem Unterrichtsschluss. Sie fragte ihn, warum er nicht mit den anderen loslaufe.
Lass mich in Ruhe“, antwortete er abweisend. Aber da kamen schon Hobbes und dessen Gang und schlugen auf den kleinen schwarzen Jungen ein. Überrascht und hilflos stand Abea daneben.
In der nächsten Pause jedoch stellte sie sich vor Hobbes hin.
Warum lässt du Mathew nicht in Ruhe?“
Die anderen aus der Klasse bildeten einen Kreis um sie. Hobbes grinste. Sein Gedanke kam genauso schnell oder langsam wie seine Worte: „Weils einfach Spaß macht. Aber wir können ja auch dich nehmen.“
Fast alle lachten.
Nur Benny stand in der Ecke und dachte, Mädchen schlägt man nicht. Er fürchtete sich, das laut zu sagen. So war Abea am Schluss der letzten Stunde auf ihn zugegangen, hatte ihn an der Hand genommen und war mit ihm schweigend durch die Gasse der verwirrten restlichen Jungen geschritten.
Schwarze Hexe!“, rief Hobbes. Aber Abea hätte nicht sagen können, ob das abschätzig oder zumindest etwas anerkennend gemeint war.

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