Dienstag, 28. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1067

In der Ecke


Schlaghand
geschwollen

längst zu feige
noch einen
Knock-out
zu riskieren

meine Sterne
im Staub

Deprimierend?! Die nächsten "Gedichte des Tages setzen auch sogleich ein "Generationen-Rapsonett" dagegen. Schließlich ist alles ein Problem der  spielregeln, wie ich 2008 fand.
Weniger "gegensätzlich" ist da die nächste Prosa-Folge:

Der Mann, der Anna Roth wurde (13.Fortsetzung)

Anna hat keine Spuren hinterlassen. Niemandem aus meiner Familie ist etwas aufgefallen. Ich bin plötzlich von glücklichen Zufällen umgeben.
Oder nicht? Wenn ich das Erlebte überdenke, wünschte ich, ich könnte wenigstens über eine der Annas offen sprechen. Am besten gleich und ohne mühsame Geständnisse. Dann wäre alles entschieden. Mit Anna, der ganz lebendigen Anna, kann ich mein Leben von vorn beginnen. Aber selbst bei der habe ich die Gelegenheit verstreichen lassen, von dem Buch und ihrem Double zu erzählen.
Ich setze mich sofort vor einen Bogen Papier. Schreibe. Nicht Geschichten, sondern Liebesbriefe. Am Donnerstag, also schon in zwei Tagen, werde ich sie ihr persönlich in die Hand drücken und, während sie sie liest, jede Regung in ihrem Gesicht verfolgen.
Mir fließen Ströme von Gedanken aufs Papier. Mit Anna zusammen leben, das hätte ich eigentlich schon immer gewollt. Im Innersten habe ich sie geliebt, schon, als sie erst fünfzehn war.
Nein, eigentlich ist es doch besser, dass sie mich vor meiner Erzählung über die Computer-Anna verführt hat. Wie viel schwieriger wäre sonst alles geworden. Nun brauche ich das Programm nur heimlich zu löschen und mein normales menschliches Glück ist perfekt. Vielleicht kann ich sie wirklich auf dem Weg zur großen Autorin begleiten. Mich ehrlich über jeden ihrer Erfolge freuen. Die bisherige Arbeit mit der Cyber-Anna als ein ungewöhnliches heimliches Vorspiel verbuchen.
Ach, Anna, das alles so ausgeht, seufze ich triefend vor Happy End. Du wirst mich verstehen, so wie ich dich verstehen möchte.
Am Donnerstag kommt Post. Ich habe den Brief gerade geöffnet, da stürmt Tim ins Büro. „Papa, kannst du mal gucken? Welche Zensur würdest du mir für den Vortrag geben? Du warst doch mal Lehrer.“
Am liebsten hätte ich geantwortet, … aber nicht für Musik.
Damit wäre das Thema Britney Spears abgehakt gewesen und mein Unverständnis, warum sich Tim ausgerechnet für die interessiert. Müsste er in seinem Alter nicht jüngere Idole haben?
Ich greife nach dem Block, lese. „Bist du wirklich der Meinung, dass Eigenschaften, die jemandem aus einem Horoskop heraus zugeschrieben werden, in einen Schulvortrag gehören?“
„Wieso? So steht das hier. Hab ich nur abgeschrieben.“
Tim zeigt den „Steckbrief“ aus der Jugendzeitschrift.
„Ich bestreite ja nicht, dass so ein Quatsch geschrieben wird, aber musst du den mitmachen? Hast du nicht selber einen Kopf zum Denken?“
„Aber Papa, warum regst du dich denn so auf?“
Was hätte ich antworten sollen? Die Wahrheit? Soll ich etwa Annas Brief vorlesen? Da hätte ich Einiges erklären müssen.
(Fortsetzung folgt)

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