Montag, 13. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1053

Ursula Gressmann: Genesis (wieder einmal)
Adam liegt im Gras, steht nun auf, reckt sich und streckt sich. „Nicht schon wieder“, murmelt er, „immer das Gleiche, langweilig.“ Die Schlange neben ihm zischelt und schlängelt sich nahe an Eva heran. Gelangweilt pflückt Eva einen Apfel vom Baum der Erkenntnis und reicht ihn Adam. Beide kauen, schlucken, warten. Die Tür des Paradiesgartens öffnet sich, ein schwarzer Engel erscheint, Gott erscheint und trägt den allen Anwesenden bekannten Text vor:
„ Vermehret euch und breitet euch über die ganze Erde aus! Ich vertraue euch alles an, was lebt: Fische, Vögel und die übrigen Tiere, den Wald mit allen Bäumen, die Blumen und übrigen Pflanzen. Geht sorgsam mit ihnen um. Macht euch die Erde untertan.
Er räuspert sich und fährt lauter fort: „Das alles habe ich gesagt, mehrmals gesagt, das Paradies habe euch geschenkt, und was tut ihr? Nie gehorcht ihr, undankbar, seid ihr und das immer, immer wieder, und jetzt raus hier. Verschwindet endlich alle.“
Gott seufzt, wischt sich mit dem Taschentuch den Schweiß vom Gesicht, wendet sich ab und verschwindet. Er geht nach Hause.
Jetzt ist es leer im Paradies.
Indes erkennt Adam Eva und Eva erkennt, dass Adam doch nicht so taff ist, wie sie bisher dachte. Eva wendet sich immer mehr dem schwarzen Engel zu und Adam tröstet sich inzwischen mit der Schlange.
Sie werden wirklich gute Gefährten, Adam und die Schlange. Er verliert seine Seele ganz und gar an die Schlange. Diese zeigt sich aber erkenntlich und eröffnet ihm ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse. Nicht alle Geheimnisse des Universums lehrt sie ihn, aber eben genug, um eine Menge Unheil in die Welt zu bringen, z. B. macht sie ihn mit der Atomspaltung vertraut, mit der rücksichtslosen Ausbeutung der Erde und beginnt den Weg für die Umweltverschmutzung zu bahnen.
Adam und Eva sind gehorsam, was das Vermehren betrifft und augenscheinlich macht es ihnen sogar Spaß, auch wenn der Nachsatz Gottes das Gebären betreffend, verstörend für die Fortpflanzung ist. Bald bevölkern ihre Nachkommen die ganze Erde. Nicht einmal die Sintflut kann lange daran etwas ändern.
Aber der Baum der Erkenntnis will nicht auf Erden wachsen und deshalb wird es bald (egal wie lange es diesmal dauert) wieder heißen:
Die Erde ist öd und leer…

Tja, und damit kann sie weitergehen, die unendliche Geschichte um die Metaphern, die uns die Bibel als größte Baustelle der europäischen Kulturgeschichte zurückgelassen hat. Vielleicht hätte ich mich gegen diesen Prosatext gesträubt, enthielte er nicht diesen streitbaren (umstrittenen?) Satz "Aber der Baum der Erkenntnis will nicht auf Erden wachsen ..." Ich hoffe, die Autorin hat ihn formuliert in der Hoffnung (grins), die Wirklichkeit möge sie eines Besseren belehren ...


In gewisser Hinsicht schlage ich mit meinem Gedicht aus 2008  in dieselbe Kerbe:   Von der Logik der Seligkeit.  Beruhigend, dass das beim Gastgedicht in den "Gedichten des Tages" alles nicht ernst genommen wird: Gunda Jarons "o.T. 2" . Aber im Schlussgedicht für heute packt dann die totale Ernsthaftigkeit noch einmal hart zu:



Schlaghand
geschwollen

längst zu feige
noch einen
knock out
zu riskieren

meine Sterne
im Staub


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