Samstag, 18. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1058

Slov ant Gali: Warten auf ...?


ein alter türke
baut unerlösten
pilgerfluten
die hölle um 
zur dönerbude

Maria
kam heim von der 
engelmacherin 

überm paradies
wolken
wüstensand
öltürme schmierschwarz
bleiben ungeputzt

der dornengekrönte
klopft vergeblich
rost
von der himmelspforte
niemand lässt ihn
hinaus

Dies wird innerhalb der "Gedichte des Tages" der eine Kandidat für worträume 2.0, der andere dann "bei Vollmond". Dazu kommt ein Gedicht aus 2008, das in worträume veröffentlicht wurde: unter fröschen  .
Veröffentlicht ist inzwischen auch "Der Mann, der Anna Roth wurde" - und zwar in "Mein außerirdischer Liebhaber". Hier also eine weitere Fortsetzung:

Der Mann, der Anna Roth wurde (4. Fortsetzung)

Pit sieht besser aus als ich, ist selbstsicherer und schlagfertiger. Die meisten Mädchen schwärmen von ihm. Außerdem stiehlt er mir schon wegen der Videokamera die Show. Es ist schließlich viel verlockender, sich auf Video im Fernsehen zu erleben, als kleinlich über die Auswahl der für die Beschreibung eines Sachverhalts am besten geeigneten Wörter zu streiten. Normalerweise ärgere ich mich heimlich darüber. Doch bei „Literatur als Erlebnis…“ brauchen wir einander.
Die zehn großen Kinder sind meist in kleine Arbeitsgruppen aufgeteilt. Eine kocht und macht sauber, eine feilt mit mir an Texten herum, eine dritte schreibt selbständig die verbesserten Texte am Computer ins Reine und die größte Gruppe präsentiert sich und ihre Texte vor Pits Kamera auf dem Lesesessel, dem „Thron“. Anna braucht vorerst nicht zu wissen, wofür sie hier Modell sitzt und steht. Nur so wird sie treffende Vorgaben für Pits Computerprogramm liefern. Körperhaltung, typische Gesten, Ausdrucksweise … Die simulierte Anna soll der echten so ähnlich wie möglich werden. Ich fiebere dem entscheidenden Gespräch unter vier Augen entgegen. Es wird nicht einfach, ihr ihre künftige Rolle zu erklären.
Mühsam unterdrücke ich das Feixen. Sogar, als ich meinen buchfaulen Sohn zur Lesestunde rufe und zum Lernen von Vokabeln, kann ich nicht ernst bleiben. Wie soll ich im Vorgefühl künftiger Erfolge den strengen, wenn auch lieben Vater spielen?
Endlich kommt Pit.
Ich überfalle ihn sofort mit dem Anna-Roth-Projekt. Wenn Pit die Anna von Anfang an als Modell für eine von ihm zu schaffende Cybermiss sähe, begutachtete er sie viel aufmerksamer.
„… Versuche dir dieses Mädchen einfach vorzustellen, wie sie in ungefähr einem Jahr meine Texte als die ihren in der Öffentlichkeit präsentiert. Halte so viele Kleinigkeiten fest, wie du kannst. Ich will natürlich mit dem echten Mädchen arbeiten. Mindestens jede Woche einmal. Aber wenn etwas dazwischen kommt, und es gibt keinen Zweifel, dass mal was dazwischen kommen wird, dann brauche ich ein Simulationsprogramm. Mit dem muss ich reden können wie mit der Original-Anna. Trainieren, an Texten feilen. Und dieses Programm müsste das Gelernte danach der echten Anna weitergeben…
Zwei fast identische Mädchen, eineiige Zwillinge sozusagen. Kriegst du das hin? Denk immer dran. Die echte Anna soll in einem Jahr meine öffentliche Stimme sein. Also muss ihr Cyberdouble mehr werden als ein Computerspiel.“
„Hast du dir das mal überlegt mit deinem Privatunterricht?“ Pit schüttelt den Kopf. „Du steckst unheimlich Kraft in eine unsichere Sache. Was ist, wenn deine Anna plötzlich nicht mehr mitspielt? Schon mal was von Pubertät gehört? Da hältst du Mädchen nicht mit Wortpoesie bei der Stange. Schließlich müsste sie monatelang regelmäßig mit dir arbeiten, ohne dass gleich etwas dabei herauskommt. Heute schreiben sie Gedichte, morgen hüpfen sie mit einem Jungen in die Kiste … und Tschüs.“
Heimlich freue ich mich. Pit hat das Problem längst zu seinem eigenen gemacht. Er würde hartnäckig dran bleiben. So ist er eben.
„Wenn, wenn! Wenn du über die Straße gehst, kann dich ein Auto erfassen. Erst auf der anderen Seite bist du vor dem Unfall sicher. Trotzdem läufst du los. Sonst kämst du ja nicht vorwärts. Weißt du was Besseres? Es gibt nicht überall Fußgängerüberwege mit Ampeln.“ „Und mein Computerprogramm soll deine Ampel sein, ja? Die zweite Anna. Äußerlich gleich und so. Antworten, wie Anna wahrscheinlich antworten würde, und lernen wie Anna, nur ohne zu vergessen… Hmmm. Ein Programm als Sparringpartner anstelle des echten Mädchens. Und als deren Hometrainer. Wenn eine Lektion ausgefallen ist.“
„Genau!“
„Hmmm. Ein dreidimensionales Bild von deiner Anna wird kein Problem sein. Ich meine äußerlich und mit den auffälligen Verhaltensmustern. Da kann ich dir helfen. Aber einen ganzen virtuellen Menschen … Dann wird auch ein Stück von mir drin sein. Hilfsprogramme, die ich nicht bei deinem Liebling abgucken konnte.“
„Pit, du bist genial! Das ist doch gut! Im Gegenteil! Was nutzt mir denn ein ahnungslos-naives Kind auf dem Bildschirm? Sie soll ja das glaubhafte Modell für eine Superbuchautorin abgeben und der richtigen Anna gewachsen sein. Gib ruhig einen Schuss Pit Laubach dazu.“
Während der ganzen Zeit spielt Pit mit einem alten Flummi. Hochwerfen, auffangen, hochwerfen.
„Die Idee ist so verrückt; die könnte glatt von mir sein. Wenn du mir ausreichend Zeit lässt, ich zaubere dir eine Anna, dass nicht einmal du sie sicher von der echten unterscheiden kannst. Nur, wenn du zu oft mit der Cyber-Anna arbeitest, was wird dann aus der echten?“
Ich mache ein ernstes Gesicht. „Noch hoffe ich, dass ich meist mit dem Original arbeiten kann. Im Notfall gibt es Fernunterricht. Die beiden Annas werden sich schon verstehen.“
„…und wenn nicht?“
„Immer dein Wenn! Kommt Zeit, kommt Rat. Ehe wir uns hier verplaudern, sollten wir lieber die Technik für nachher ausprobieren.“
(Fortsetzung folgt)

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