Montag, 20. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1060

Na der Titel des vorzustellenden Gedichts für heute mag irritieren, aber ein wenig Anti-Clown im Clown schadet nichts, oder?


verkatert

Ich wär so gern ein Komödiant,
der diese Welt erträglich macht
und der mit Späßen (nicht galant)
erreicht, dass man befreiend lacht.

"Wir“ führen Krieg,
„ man“ lehnt ihn ab,
 „man“ wählt den "Sieg",
„ man“ kommt ins Grab.

Ich stehe hier,
versteh das nicht,
und trinke Bier,
bis ´s mich erbricht.
Doch lachen, lachen kann ich nicht.


Außerdem gibt es in den "Gedichten des Tages" ein Gedicht anlässlich einer Veranstaltung gegen 50 Jahre Kuba-Blockade ("Amerika") und das vom Tage aus 2008 ( dir neu geboren).
Wie üblich gibt es auch Prosa im Angebot:


Der Mann, der Anna Roth wurde (6. Fortsetzung)

Allerdings … Das Mädchen auf dem Bildschirm verwirrt mich. Gerade jetzt, wo die Cyber-Anna so tut, als dächte sie über meinen Vorschlag nach, obwohl sie sich längst entschieden hat, wo sie mich herausfordernd lockend betrachtet, vergesse ich fast, dass ich keine natürliche Anna vor mir habe. Was hat sich Pit nur dabei gedacht, das pubertierende Mädchen zu einem Computer-Sex-Girl umzufunktionieren? Und warum ist mir das nicht während der gemeinsamen Arbeit am Programm aufgefallen?
Cybersex ist Quatsch. Ich will ein Kunstmädchen in die Geheimnisse der Literatur einführen, und ihre Künste danach der echten weitergeben. Punkt. Nichts anderes. Zum Beispiel, indem ich der leibhaftigen Anna die Kunst-Anna-Lektionen zum Üben nach Hause mitgebe. Ausprobieren, was ich mit dem echten Kind nicht verderben darf. Nichts Erotisches jedenfalls.
„Wenn Sie meinen, das geht so, dann machen wir es.“
Anna ist aufgestanden und streckt mir ihre Hand entgegen. Ich mache unwillkürlich dasselbe und mit diesem virtuellen Händedruck ist unser Pakt geschlossen.
Oder habe ich mir das nur eingebildet? Ich reiße die Augen auf. Vom Bildschirm lächelt mir das Bild meiner unausgeträumten Träume entgegen. Ein bewegtes, sprechendes Bild. Mehr nicht. Warum aber schlage ich dann Anna meinen Strohwitwer-Donnerstag als regelmäßigen Textarbeitsnachmittag vor? „Da sind wir ungestört. Wir müssen uns schließlich auf unsere Manuskripte konzentrieren.“
Die Cyber-Anna grinst dazu. „Das verstehe ich.“
Ich war mir überhaupt nicht sicher, was das Mädchen verstanden hat. Doch ich möchte endlich literarisch werden. Ich lese Anna meinen Entwurf für die „Liebesflöhe“ vor. „Denk darüber nach! Kannst und möchtest du dir vorstellen, du hättest diese Geschichte geschrieben? Würdest du sie in der Öffentlichkeit präsentieren? Und wie? Du kannst ja einmal zeigen, was du als Zeichnerin so drauf hast.“
„Da habe ich genug zu tun bis zum nächsten Mal. Aber jetzt ist Zeit zum Verabschieden. Sie wollen sich sicher den Abschied romantisch ausmalen. Dann machen Sie schnell die Augen zu …“
Während ich die grinsenden Augen der Computer-Anna auf mir spüre, höre ich sie laut fragen: „Sie haben übrigens nichts zu meinem neuen Outfit gesagt. Gefällt es Ihnen nicht?“
„Doch, toll siehst du aus! Richtig zum Verlieben. Man kann deinen Freund nur beneiden“, antworte ich.
„Danke für das Kompliment!“, ruft das Mädchen und leise flüsternd ergänzt sie „Jetzt F8 drücken …“
Als ich meine Augen wieder aufschlage, bin ich allein im Büro. Stille. Der Bildschirm ist dunkel. Nur ein leises Klicken erinnert mich daran, dass ich den Kassettenrecorder ausschalten muss. Meine rechte Hand kribbelt. Als hätte darin eben noch eine zarte Mädchenhand gelegen.
Aber der Eindruck macht schnell der Wirklichkeit Platz. Im Flur fliegt ein Schulrucksack in die Besenecke. „Ich bin daaa, wer noooch??“ Da ist wohl gerade der Spätbus angekommen.
Tim reißt die Bürotür auf: „Wo is ´ n was zu essen?“…
(Fortsetzung folgt)

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