Donnerstag, 16. Juni 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1056

tausch

du legst 
die welt
in meine hände
als ob sie 
dir gehörte  

ich lege
die liebe
in deine hände
als ob sie 
nicht schon
dir gehörte

Mit einer solchen Liebeserklärung gehe ich in den "Gedichten des Tages" zur "Prüfung" wegen evtl.  "worträume 2.0"-Eignung. Dazu kommt ein Testgedicht ( "15 Zehntelsekunden" ) und das von vor drei Jahren ( win-win ).
Weiter mit der Prosa. Als Text(-stück) des Tages diesmal also 

Der Mann, der Anna Roth wurde (2. Fortsetzung)

Dabei hatte ich nur etwas ausholen wollen: Im Mittelalter hätten sich die Massen vorgestellt, sie lebten auf einer Scheibe, über die eine mit Gestirnen verzierte Käseglocke gestülpt wäre. Über allem ruhte der Blick des gütigen, weißbärtigen Schöpfers dieser Welt. Heute wissen wir, was für ein Blödsinn das ist. Das war es aber auch schon damals. Die das damals erkannten, wurden dafür verlacht oder verbrannt. Vielleicht ist unser heutiges globales Geldweltbild auch nur eine modernere Käseglockensicht und ich kleiner Poet sah durch die Fliegenwolken, die von dem Käse lebten?
Wäre mir nur nicht das unmoderne Wort Kommunismus als Alternative herausgerutscht! Ich hatte zwar versucht, es zu umschreiben: Alle entfalten ihre Fähigkeiten, verwirklichen sich selbst und verdienen die Anerkennung der anderen, anstatt irgendeinen prostituierenden Ersatz wie Geld anzuhäufen, das wäre doch eine bessere Welt. Aber da hatte sie schon abgeschaltet: „Erzähl das den Hühnern!“
Wer bin ich denn schon? Vielleicht bin ich der einzige, der mich ernst nimmt. Meinesgleichen gibt es genug. Meine Geschichten fallen wahrscheinlich nie einem interessanten Verlag auf. Wozu schreib ich sie dann auf? Als Psychotherapie? Für mich?
Um endlich auf dem Boden der Realitäten im jetzigen Deutschland anzukommen, … was ich gar nicht will?
Aber wenn diese Geschichten von der jugendlichen Anna Roth kämen, einem Wunderkind …? Mit der könnte ein Verlag viel Geld verdienen. Um Wunder, sprich Sensationen, reißen sich schließlich alle. Nachträglich rechtfertigte das sogar mein bisheriges Herumstümpern. Wie hätte ich meine Anna sonst finden sollen? Ohne den Verein für schreibkreative Kinder, ohne die Wettbewerbe, die „Schreibklasse“, den Kurs „Literatur als Erlebnis – Gestalten und Präsentieren eigener Texte“, also ohne alle diese unbelohnten Mühen? Wie hatte ich mich in den Zirkelstunden geschunden, kreatives Denken und kritisches Erkennen der Umwelt zu vermitteln! Hatte nach Weltverbesserern gesucht und ein paar nette Texte für regionale Werbezeitungen gefunden. Mich an der ewigen Jagd nach Fördergeldern und Sponsoren zermürbt. Jetzt endlich bekäme alles eine sichtbare Frucht. Anna, dieses talentierte, rundum interessante Mädchen. Wäre sie bei einem Modelwettbewerb entdeckt worden, wäre sie nie einmalig gewesen. Aber bei mir.
Die Texte, mit denen sich Anna für das Erlebnisseminar beworben hatte, waren wirklich gut. Aus ihr könnte einmal eine große Schriftstellerin werden. Größer als ich, wenn sie richtig angeleitet wird. Von mir. Warum sollte ich der Entwicklung des Talents nicht vorgreifen? Einen Menschen auf einen bedeutenden Weg im Leben zu bringen, ist immer eine dankenswerte Lebensaufgabe.
Die öffentliche Entdeckung eines neuen Talentes bedarf vieler Mühen und einer gehörigen Portion Zufall. Ich ließe die Öffentlichkeit das Talent entdecken, bevor es sich in der Wirklichkeit entfaltet hätte. Thomas Schillers Ideen, literarisch verpackt und präsentiert als Geschichten eines 16jährigen Mädchens – das Buch pushten Größere als ich oder Pit an die Chartspitzen. Das Buch der Bücher! Meine Texte und Anna, hübsch, freundlich, selbstsicher, klug. Woher sollten die Zweifel kommen, dass die Geschichten nicht von ihr stammen konnten?
Praktisch wenigstens einmal in der Woche müssten wir miteinander arbeiten. Ich überwachte und korrigierte ihre Schreibversuche. Ich wäre ihr nahe und ließe sie schreiben, was sie allein natürlich nie geschrieben hätte. Sie schriebe meine Texte neu. Dann diskutierten wir das Ergebnis. Wenn ich nur intensiv genug mit ihr arbeitete, wäre sie bald selbst davon überzeugt, das Buch geschrieben zu haben.
Vielleicht gäbe es Fortsetzungen.
Selbst, wenn die Wahrheit präsentiert würde, dass das Wunderkind nie eines gewesen war, wäre das als Marketinggag geeignet, schon wieder Sensation und Werbung für das nächste Buch.

Ist das nun ein guter Tag?

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