Montag, 26. März 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1340

Haben die "Gedichte des Tages" übermorgen etwas Überraschendes zu bieten? Das muss schon der Leser selbst entscheiden:

Vor den folgenden zwei Testgedichten von Slov ant Gali sei vorsorglich gewarnt: Sie sind nichts für empfindsame Seelen. Was da aus dem Motiv der "KÖNIGSKINDER" geworden ist, fordert bereits heraus zum Grübeln, was das soll, und das "ALPHABET" mag vieles sein, als Arbeitshilfe für Unterstufen-Deutschlehrer ist es wohl ungeeignet ...

Klarer ist das schon beim utopischen Fortsetzungsroman. Dort liegt eine Art "Prolog" vor und die Vorstellung des Haupthelden hat begonnen:


Slov ant Gali / Gunda Jaron: Ich wurde Gott (3)




... Endlich kam der Mann etwas zur Ruhe. Offenbar hatte er sein Ziel erreicht. Er war auf einer Lichtung angekommen, sah sich zufrieden um. Ja, so weit oben würde ihn niemand suchen. Man konnte es leicht in seinem Gesichtsausdruck lesen. Aber der veränderte sich schnell wieder. So unbeobachtet konnte sich der Mann seinem Schmerz hingeben. Also warf er sich ins Gras. Nachdenken! Endlich Ordnung in die Erinnerungen bringen. Der Mann war erschöpft. Aber nicht nur. Als er seine Hose ausgezogen hatte, kam eine eiternde, etwa acht Zentimeter lange Wunde zum Vorschein. Der Mann hatte sie angestarrt wie eine absolut unerklärbare Erscheinung. Mit den Fingerspitzen der linken Hand berührte er sie, als wollte er sich noch einmal von ihrer Existenz überzeugen. Vor Schmerz verdrehte er die Augen. Für einen Moment nahm er die Umgebung nicht wahr. Diesen Moment nutzte die Frau, um an ihn heranzutreten. Leicht gebeugt stand sie vor ihm. Ihr Blick spiegelte totale Verwirrung wider. Sie sah einen Menschen vor sich, der ihr so grenzenlos vertraut wie fremd in einem war, im Augenblick aber ungeheuer fremd.„Bitte lass mich sterben!“ Gequält blinzelte der Mann zu der Frau hoch.
Das sieht nicht gut aus. Wird aba wieda wardn, Frad! Ich ward dich pflagn, so gut as gaht.“ Suchend sah sich die Frau um. Dann zuckte sie mit den Achseln, streifte ihr Kleid ab, legte es sorgsam zusammen, hob den Kopf des Mannes, schob das weiche Päckchen darunter und betrachtete, sichtlich unzufrieden, das Ergebnis. Noch immer lag der Kopf des Mannes zu niedrig. Aber in der Nähe lag nichts, was als Unterlage für den Körper geeignet schien.„Gaht´s?“ Und ohne eine Antwort abzuwarten, zerriss sie ihren Unterrock, spuckte auf einen der Stofffetzen und begann den Dreck aus der Wunde zu wischen.
Hast du das etwa von mir gelernt?“, fragte er, verkrampft lächelnd.
Sie antwortete nicht. Erst als sie fertig war und einen zweiten Fetzen relativ fachgerecht zum Verbinden benutzte, lachte sie: „... aba das!“
Ich habe dich nicht verdient. Euch alle nicht“, murmelte er.
Du hast Fieba. Das wird schon.“ Die Frau strich dem Mann, den sie Frad genannt hatte, übers Gesicht.
Lass! Ich bin ein Verbrecher. Ich habe so ziemlich die schlimmsten Verbrechen begangen, die ein Mensch überhaupt begehen kann. Bitte! Lass mich meine Strafe empfangen! Keiner soll mich so in Erinnerung behalten. Auch du nicht. Gerade du nicht. Ich ...“ Der Mann machte eine Pause, überlegte angestrengt, schien nach längerem Schweigen zu einem Entschluss gekommen zu sein. „Vielleicht hast du Recht und es ist besser so. Du hast doch bestimmt viel Zeit?“ Und als sie, anstatt zu antworten, ihm nur durch die verwirbelten Haare strich, fuhr er fort: „Klar hast du Zeit. Lujann. Ich danke dir für jeden schönen gemeinsamen Augenblick. Ich dachte, es wäre besser, wenn du alles mit den Augen von früher in Erinnerung behältst. Denn was ich dir jetzt alles erzähle, wird dir weh tun, obwohl du das am allerwenigsten verdient hast. Aber es gehört wohl zu meiner Strafe, dass ich dir weh tun muss, wenn ich mich selbst bestrafen will ... Versprich mir bitte, dass du mich nicht unterbrichst. Ich glaube, dann verliere ich die Kraft für die ganze Geschichte. Merke sie dir gut und entscheide, was du mit ihr anfängst, wenn ich hier meine ewige Ruhe gefunden habe. Und nimm dein Kleid mit. Gib es weiter an deine liebste Tochter mit der Bitte, es an ihre liebste Tochter zu geben und so weiter. Es soll euch an mich erinnern ... selbst wenn du nachher fluchen magst, du wärst mir besser nie begegnet.“...

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