Donnerstag, 4. August 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1105

Als "Kandidat" für die diesjährige Friedenslesungsanthologie kann auch

Aline Gallas mit Unbeschreiblich + Mein persönlicher Frieden

 gelten. Freuen wir uns über diesen Link!

Weniger Freude im unmittelbaren Sinn bedeutet die Präsentation des Gedichts zum 6.8., dem Tag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, der historischen Zäsur, an dem erstmals "die Menschheit" mit ihrer totalen Selbstvernichtung spielte. Außer, dass ich die aktuelle Version von  "Origami für Hiroshima" vorstellen werde, zeige auch die weitere Entwicklung des Gedichts 6. August, 5.45 Uhr . Das sieht inzwischen so aus:



Durch den Mittag stürzend
suche ich den Stein,
der meinen Schatten
fasst.
Ich habe seinen Preis
bezahlt.
Kassandra schweig!
Wolken
glauben erst an Regen,
wenn der Himmel explodiert.
Ein Zauberspruch
für Gegenwind?
Luftworte der Erinnerung.

Hände erkalten
langsam in der Asche.



Um noch ein wenig Normalität zu wahren, schließt die Ausgabe mit der nächten Folge von

"Uljanas New Home"





15. Fortsetzung

Bevor die anderen sich wundern konnten, dass wir ohne Verstärker wieder kamen, hatte ich schon eingeteilt. Die drei kräftigsten wies ich an, mit mir zu kommen, den Rest teilte ich zum Dauerdienst ein. Xu-Li solle das Kommando übernehmen und für die Besetzung der Funkstation und ihre Versorgung sorgen. In dieser Reihenfolge. Dann eilte ich mit meinem Trüppchen zum Replikator. Die drei Koom waren zwar noch kleiner als unsere Kinder, aber ich hoffte auf höhere Ausdauer. Wenn sie bei sich daheim schon zwischen den Gefangenen gelandet waren, dann hatten sie vorher schon gekämpft und irgendwelche Härten durchgemacht. Vielleicht waren sie sogar bei Onjas erster Truppe dabei gewesen. Damals konnte ich diese Wesen überhaupt noch nicht unterscheiden. Jetzt wusste ich, das eine war Kontanaa, und die Jungen Konrol und Krollo. Krollo klang wie ein Nickname, und ich rief ihn gern. Er war auch der rührigste von allen, war zuerst in seinem Schutzanzug und ließ sich ausstaffieren mit Lasten, dass ich ihn kaum bremsen konnte. Wir einigten uns schließlich darauf, dass immer zwei den Hauptteil der Last trugen und zwei sich etwas ausruhten. Es würde ein Gewaltmarsch.
Es wurde ein Gewaltmarsch. Es hatte schon Gründe, dass die verschiedensten Geschichten auf der Erde kursiert waren, warum die Astronauten diese Anzüge nicht mochten. Sie waren schwer und man bekam von der Außenwelt nur durch eine ovale Sichtscheibe etwas mit, die an eine Taucherbrille erinnerte. Wenn man etwas flüsterte, dann hörten das alle anderen in ihren Anzügen richtig laut. Man hätte auf eine Schlange treten und die hätte sich in den Fuß verbeißen können – man hätte nichts davon bemerkt. Aber was sollten wir tun? Wo lagen welche Gefahren? Vielleicht hatten die, die wir jetzt suchen mussten, nur einmal im falschen Moment kurz die Helme abgenommen, um etwas gegen den juckenden Schweiß zu unternehmen. Aber Onja? Nein, die doch nicht!
Meine vier Gefährten hielten sich vorbildlich. Nach über drei Stunden Gewaltmarsch hatte noch niemand gemurrt oder gebremst. Ob die nur auf mich warteten? Ich gebe es ja zu, ich wartete immer mehr darauf, dass einer sagte, ich kann nicht mehr, und ich eine Pause ansetzen konnte. Sie gönnten es mir nicht.
Wir meldeten uns zum dritten Mal bei unserer Station. Uns war nichts von Bedeutung begegnet (wahrscheinlich auch nichts ohne Bedeutung) und es war auch keine Gruppe im Lager angekommen. Die erste Gruppe sollte sich sofort in Richtung von Jennys Trupp aufmachen, die zweite dorthin, wo Henk zu vermuten war. Wenn alles nach Plan lief, dann hatten wir bis dahin hoffentlich erste Erkenntnisse, was passiert sein könnte.
Eine halbe Stunde schafften wir noch, dann ordnete ich eine Rast an. Der Platz war günstig. Während der ganzen Zeit waren wir schon durch relativ offenes Gelände gelaufen; deshalb bestimmt sehr schnell vorwärts gekommen; und nun hatten wir eine Lichtung erreicht. Es war wolkig, sodass wir nicht gekocht wurden, aber wir probierten trotzdem, wenigstens während der Pause, die Helme abzunehmen. Unbeschreiblich befreiend das Gefühl. Sarah meinte, es sei bestimmt ein Fehler, diese Anzüge zu benutzen. Wer weiß, wie weit wir ohne sie schon wären. Ich beobachtete die Umgebung. Immer wieder ein Wort, was mir nicht aus dem Kopf ging: Idylle. Aber etwas fehlte: Vögel, Schmetterlinge, vielleicht das Summen von Bienen. In unseren Schutzanzügen fiel das nicht auf, aber so ... Es war beängstigend still. „Hört ihr das auch?“ „Was?“ „...dass ihr nichts hört?“ „Sehr witzig!“
Vielleicht, nein, bestimmt hat genau dieser Witz alles entschieden. Zumindest ich war überreizt, aufs Äußerste gespannt. Ich hörte etwas, was wahrscheinlich gar nicht zu hören gewesen wäre. Ein ganz feines Surren. So kurz wie nichts. Ich hörte es nicht, ich ahnte es. Wie eine Glucke machte ich noch die Arme breit, riss, wen ich so erwischte, an den Boden herunter, lauschte wieder. Stille.
„Spinnst du? Was soll denn das?“ schimpfte Sarah. Im selben Moment begann Konrol, den ich nicht mehr erwischt hatte, wie in Zeitlupe anfangs, dann schneller werdend, umzukippen. Nun saß er nicht mehr, er lag. Und es war still wie zuvor. Instinkte sind etwas Wunderbares. Ich brauchte nichts zu sagen. Niemand sagte ein Wort. Keiner rührte sich. Wir pressten uns an den Boden und warteten. Nichts geschah. Wenn ich jetzt den Kopf hob ...
Wieder diese Idylle. Nichts regte sich. Zur Krönung war es auch windstill. Wenn uns jemand beobachtete, würde er die kleinste Bewegung bemerken. Aber der Helm! Er könnte schützen. Aber wovor?
Plötzlich das bekannte Klicken. „Lager an Gruppe Uli. Bitte melden! Kontrolle. Gruppe Uli, bitte melden! Wie weit seid ihr?“
Ich hatte das Gefühl, das konnte man Kilometer weit hören. Es kam aus meinem Helm. „So meldet euch doch endlich! Was soll denn das?“ Konnten die nicht einen Moment die Schnauze halten?
Unvernünftigerweise hatte ich leicht den Kopf angehoben. Mir wurde jetzt erst bewusst, dass wir mitten auf der Lichtung in einer Kuhle lagen. So lange wir ausgestreckt am Boden liegen blieben, konnte man uns am Waldrand nicht sehen. Aber hören konnte man diese verdammten Wiederholungen, wir sollten uns doch melden, und ewig konnten wir ja nicht so liegen bleiben. Ewig würden aber unsere Gegner nicht im Wald versteckt bleiben. Und sie mussten sich verdammt gut versteckt haben. Ich hatte nicht eine Bewegung festgestellt.
Sollten wir bis zur Dunkelheit abwarten? Aber wir kannten uns hier sicher schlechter aus als die Anderen. Ich konnte es nicht länger ertragen. Den aufgeregt rufenden Helm zog ich an mich heran, mit zwei wilden Griffen, ich kann es nicht anders sagen, stülpte ich mir ihn über und ... Stille! Im selben Moment kam auch kein Ruf mehr.

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