SOZAC – Das Glück hat einen Namen
… Und wenn sie sich selbst vor Gericht vertrat? Mit dem Gutachten eines unabhängigen Instituts? Auf ihr Haus konnte sie einen neuen Kredit aufnehmen.
Dass nicht unabhängig war, was alles sich so nannte, war ihr klar. Doch sie erinnerte sich an Professor Austin, der einige spektakuläre Suchtprozesse gewonnen hatte. Ob auch dort SOZAC zum Alltag gehörte?
„…, freue ich mich, Ihnen versichern zu können, dass in den vorliegenden Proben keine bekannten, Sucht verursachenden Substanzen ermittelt werden konnten.
Die von Ihnen im Auftragsschreiben dargelegten Wirkungen traten bei den Testserien tatsächlich auf, allerdings unabhängig davon, ob wir SOZAC oder Placebos verabreichten. … sehen deshalb keine Veranlassung, von spezifischen schädigenden Indikationen auszugehen, juristisch relevante Schadensfälle kausal auf SOZAC-Konsum zurückzuführen bzw. entsprechende Hinweise zu vermissen … Ich hoffe, Ihnen mit dieser Analyse Sicherheit zu geben und wünsche Ihnen eine glückliche Zukunft. Prof. W. Austin (Institutsleiter)“
Inzwischen gehörte Julianes Gehöft bereits zur Hälfte wieder ihrer Hausbank. Bevor eine Zwangsversteigerung angesetzt würde, wollte Juliane wenigstens selbst über den Preis bestimmen. Ein leitender Pharmaangestellter suchte wegen des Umzugs seiner Zweigniederlassung gerade ein Haus in ruhiger Randlage. Er zahlte gern, was sie wollte.
Juliane schaltete Anzeigen in einigen Cityzeitungen:
„Braucht ihr tatsächlich SOZAC zum Glücklichsein? Gebt ihr damit nicht nur euer Urteilsvermögen auf, macht euch abhängig? Mit eurer Arbeit sollt ihr euch nutzen, indem ihr anderen nutzt. Kollegen sollten Partner sein beim Lösen von Problemen. Dass ihr nur nach Geld jagt, dass ihr nicht mehr merkt, wer gerade Hase und wer Jäger ist, kann das Glück sein? Macht euch frei von SOZAC!“
Julianes Guthaben schmolz dahin. Da sie jetzt welches hatte, war ihr sofort die Sozialhilfe gestrichen worden.
Doch immer weniger Zeitungen druckten ihre Anzeigen.
„…sehen uns genötigt, im Sinne der Gemeinschaft aller inserierenden Kunden von einer weiteren Veröffentlichung Ihrer Daueranzeige Abstand zu nehmen…“
Seit ein Reporter Julianes Wohnung aufgespürt hatte, lagen Drohbriefe im Briefkasten. „… lassen uns unser Glück nicht madig machen…“ „… Du neidische Sau…“ „…. .Zeit, dass du unangemeldeten Besuch bekommst. Dass du endlich still bist! Für immer!…“
Bis hierher schrieb ich die Geschichte der Juliane Machensen als Story einer unserer Außenseiterinnen, obwohl ich selbst zu den SOZAC-Gegnern gehöre. Aber was mache ich nun? Julianes tatsächliches Ende passt nicht in unsere Glücksschluckerwelt. Der einfache Ausweg liegt auf dem rechten Schreibtischrand. Meine Packung SOZAC. Eine Pille nur und ich fände einen versöhnlichen Schluss. Doch was habe ich davon? Mein bester Freund hat mir ein Computerprogramm aufgespielt, das alles erkennt und löscht, was unter SOZAC-Einfluss entsteht. Von wegen Ehrlichkeit. Es ist nicht immer leicht mit einem Freund wie Max Machensen. Aber vielleicht wäre er sogar einer der Anti-Sozacies geworden, wenn seine Mutter nicht diesen Unfall gehabt hätte. Es gibt immer mehr davon, und am mürrischen Gesicht sind sie nicht zu erkennen.
(Ende)
Die Erzählung erschien 2009 in einem Sammelband mit utopischen Geschichten „Mein außerirdischer Liebhaber“ bei der dorante Edition.
So endete einer meine ersten Versuche, eine utopische Geschichte zu schreiben ... wenn man einmal von der Erfindung der "Liebesflöhe" absieht, die noch älter sind.
All dies entstand, bevor die "Erwachsenenphase" des Gedichteschreibens begonnen hatte. Zu der gehört dann pflegestufe von 2008. Streit anregen wird sicher Sebastian Deya mit Leb wohl, mein Kind . Zur Vorstellung hier habe ich aber das Folgende ausgewählt:
ich sah sie
an die himmelstür
klopfen
kein schmerz im herzen
nur an den handknochen
sie krallten nach
sternen in gold
ihre selbstachtung
fiel zu boden
mir legte sich
eine große schwarze wolke
aufs herz und
ich klopfte
an die tür
des vergessens
auch mir
wurde nicht aufgetan
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