Mittwoch, 20. Juli 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1090


wir alle sind inseln
im ozean
doch treibt uns ein sturm
manchmal strandgut an

dann reiten sirenen 
unsren sonnigen punkt
und wir glauben wahrhaftig
es habe gefunkt
 
es kuschelt sich felsen
an grindige haut
wir haben uns selber
so wenig durchschaut
wir wünschen vergeblich
dass alles uns bliebe
wenn wieder ein sturm weht 
und nennen es
liebe

Spaß? Traurigkeit? Die Gedichte des Tages übermorgen - da gehört auch  Gunda Jarons "Fünfzeiler - Gar nicht so dumm (2)" dazu
  neues spiel von 2008 

Etwas ganz Schlimmes, was nur selten gelingt, ist das Schreiben einer Fortsetzung zu einem in sich abgeschlossenen Roman. Ich hatte einmal gewagt, für "Planet der Pondos" eine Fortsetzung zu schreiben. Weit bin ich nicht gekommen. Aber in diesem Rahmen kann ich ja wenigstens das Erreichte sichten, auch wenn es keine Werbung für den vorliegenden Roman sein sollte:

"Uljanas New Home"


Akustisches Tagebuch Uljana Silberbaum.
Stimmprobe vorliegend.
Zugangsbeschränkung: Generell privat.
Aufhebung Zugangsbeschränkung: mit Stimmprobe Onja oder Salio, Jenny, Xu-Li, Sarah, sofern sieben Tage keine Neueingabe erfolgt ist. Eingabeberechtigung bei vorliegenden Stimmproben.
Abruf: Eingaben mit Stimmidentität.
Aufhebung aller Zugangsbeschränkungen nach dreihundert Tagen ohne Eingaben.

Ja. Dann sind wir eh alle abgekratzt. Ist dann auch egal, was die von uns denken. Sollen sie wenigstens wissen, was wir für welche waren und warum es schief gegangen ist. Nein es darf nicht schief gehen. Aber dann liest es ja auch kein Fremder. Nein: Hört ... Ach, ist doch egal ...
Also. Wie fängt man so was an? Normal wäre ein Datum. Haben wir aber nicht. So sehr ans Herz gewachsen ist mit der Pondoplanet nun doch nicht, um die Zeitrechnung von dort zu holen. Das wäre auch echt bescheuert. Wie lange wir vorher von der Erde aus unterwegs waren in diesem missglückten Kälteschlaf, ist nur annähernd zu berechnen mit Sternbildvergleich und nachträglicher Geschwindigkeitsschätzung, weil niemand sagen kann, wie lange der Computer defekt war. Aber eine idiotisch große Zahl kommt auf jeden Fall raus. Bleibt das einfachste, der Tag der Landung ist Tag 1 im Jahr Null.
Also blende ich auf den ersten Tag zurück. Macht man das? Tagebuch nachschreiben? Oder macht das ein Kapitän? Egal. Ich mach´s.

Tag 1
So aufzuwachen wünsch ich nur schlimmen Feinden, und das auch nur in Momenten, in denen ich sie besonders hasse. Ganz dunkel weiß ich´s noch: Voll gestopft war ich mit einander jagenden Monstertraumbildern. Fratzen erscheinen, lachende Fratzen, über und über bedeckt mit blütenlosem Wiesengras, nein, Disteln waren auch dazwischen, die gelacht haben. Fies gelacht... Ich fliege durch die Luft, aber ich fliege nicht, Etwas hält mich fest. Ich brenne wie ein Feuerzeug und ich kann mich nicht bewegen. Ich möchte schreien vor Schmerz, aber ich will nicht und schon schreit eine andere Stimme. Ich erkennen sie nicht, aber ich weiß, sie gehört jemandem, den ich mag. Und dann endlich rufe ich Mama! Und sie ist da! Meine Debbie! Und sie sieht noch so jung aus, ein Mädchen, würde ich sagen, und ich sehen mich im Spiegel ihrer Augen und ich bin ein Baby und sie cremt mich ein, gerade an der Stelle, die mir weh tut. Jetzt aber nicht mehr, jetzt ist alles gut. Gleich wird Debbie singen. Ich weiß das. Sie hat eine wunderbar warme Stimme, so eine habe mir immer gewünscht, da dringt es zu mir durch:
„Uli!“
Die Stimme gehörte nicht in den Traum. Gerade als er endlich schöner wurde, drang jemand in meinen Traum ein. Lass mich in Ruhe, wollte ich der Stimme antworten, aber dazu war ich einfach zu müde, zu schwach ... nein, eigentlich hoffte ich, ich könnte einfach weiter schlafen – weg mit dem Ruf. Die so mühsam verdrängten hässlichen Erinnerungen die durften in meine Träume, aber das Schöne von früher ... Eigentlich wusste ich schon, dass es vorbei war mit Schlafen. Ich lauschte. Summte da etwas? Nein. Neben mir knisterte etwas. Ich hatte das untrügliche Gefühl, als starrte mich die ganze Zeit jemand an. Warum will nur immer irgendwer was von mir?
„Uli!“
Dieselbe Stimme. Vertraut. Angenehm. Ich wusste, dass ich den Menschen mochte, zu dem diese Stimme gehörte. Mensch? Aus irgendeiner Dunkelkammer der Erinnerung stieg ein seltsames Bild. Ein Wesen mit grüner Haut und so ein bisschen eine kleine Pflanze mit menschlich geschnittenen Gesichtszügen, aber abgemähtem Gras über der Haut. Oder sind das Blätter? Irgendwie ähnelt es den Monstern aus dem Traum. Und es hat ein seltsames Gerät in der Hand. Ich weiß, eine Waffe. Warum bin ich nur so wehrlos nackt? Träume ich nun einen neuen Traum. Wieder einen mit Monstern?. Trotzdem ist es zum Lachen. Ich stehe im Wasser. Diese Bewaffneten kommen näher. Meine Freunde! Ich muss sie doch warnen! Aber ich kann nichts machen. Ich will rufen, warnen, aber...
„Uli!“
Warm klang die Stimme. Gleichmütig. Ruhig. Wie eine besorgte Freundin.
„Onja?“
Ich hatte hatte die zwei Silben instinktiv geformt, noch bevor ich wirklich jemand erkannt hatte. Das Gehirn gehorchte mir noch immer nicht. Vor allem schien es mir verbieten zu wollen, die Augen aufzumachen. Aber die Stimme gab nun neue Laute von sich. „Na endlich! Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr zu dir!“ So befreit von einer großen Sorge klang das, dass plötzlich ...
Schon wieder glühende Eisen. Es stinkt nach verbranntem Fleisch. Überall Gelächter. Ein Schrei. Nein, kein lauter. Ein Kinderschrei, und gerade, weil ihm anzuhören ist, wie sehr sich das schreiende Kind gegen diesen Schrei wehrt, tut er so weh. Nein, es tut wirklich weh! Mir wird der Brand in den Hintern gedrückt ... Nein, nicht wieder dieser Traum!
Ich schnellte hoch. Mit einem Mal waren die Erinnerungen wieder da. Alle. Auch die frischen. Ich wollte mir nicht im Traum begegnen und nicht...
Ein seltsames Gefühl an der Brust. Wie eine warme Wiese, die sich an mich schmiegte. Ich nahm alle Kraft zusammen. Die Augen mussten auf! Ich fand mich in einem Raum mit mehreren betreten schauenden Menschen und Pondos. Ungefähr je zehn, und seltsamerweise sahen die Menschen mit ihren glatt geschorenen Schädeln unheimlicher aus als die fremden Wesen. Trotzdem bemerkte ich sofort den Jungen im Hintergrund, der sich zwar halb in der Gruppe versteckt hielt, mich aber zur anderen Hälfte so fasziniert anstarrte, als wäre ich sonst was für eine Erscheinung. Dabei spürte ich ja, dass auch ich diese Glatze hatte und also alles andere als sexy aussah. Ob es daran lag? Der Anblick war sicher ungewohnt. Komisch. So sehr mir der Junge auffiel und so sehr ich wusste, dass ich ihn vor kurzem noch gesehen hatte, ich konnte mich an keinen Namen erinnern. Onjas kleine Pranke löste sich von meinem Rücken, die Wiese von meinem Oberkörper. Überdimensionale Kugelaugen funkelten mir entgegen. Ein grüner Öko--Teddy, aus dessen Kuschelhaut zarte Pflänzchen zu sprießen begannen. Jetzt erinnerte ich mich. Ja, an diese Wesen hatte ich mich vor dem Start gewöhnt.
(ff) 

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