Donnerstag, 28. Juli 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1098

Ein besonderes Ereignis für "Unsereins" ist sicher die internationale Friedenslesung 2011. Es war auf jeden Fall eine schwere und mitunter nicht mehr nachzuvollziehende Einzelentscheidung, wenn aus den Punkten der Juroren eine Gesamtpunktzahl ermittelt werden musste, die dann "Grenzen" ziehen musste, welches sind die Preisträger und welche Texte werden in die diesjährige Anthologie des Kulturrings in Berlin e.V. aufgenommen - wo doch deren Erscheinen lange auf der Kippe stand. Wenigstens mit einem Link soll hier die nächsten 100 Tage auf die bestbewerteten Beiträge hingewiesen werden - im Wechsel auf Lyrik und gelegentlich auf Prosa. Es war ein besonderer Zufall, dass ausgerechnet eine gute Bekannte auf Platz 100 (gleich bepunktet mit mehreren anderen) landete: Ursula Gressmann mit Mahnung.


Paradies (A)


Einst wurden die ersten Menschen
verjagt.
Wild wuchern nun
unbeschnittene Triebe
unbeherrschten Grüns
in den Himmel.
Nirgendwo
eine Eva die
Kontakt suchenden Schlangen
Gesellschaft gewährte.
Ein knorriger Baum
erinnert sich
vergangener Äpfel.

Wo 
kein Herr
den Frieden diktiert
wo
jeder Apfel
Erkenntnis bringt
stirbt kein Traum mehr
unter Verwilderndem
wären wir wieder
zurück.
Dies ist eines der "Gedichte des Tages" vom 30.7.11. Es legt übrigens nahe, dass es auch ein "Paradies B" geben muss. Das findet sich allerdings nur auf dem "worträume"-Blog.
Auf dem GdT-Programm des 30.7. stehen dagegen noch Sebastian Deya mit "Bittere Pillen" und von 2008 mein   jeder mensch ist behindert .

Nach so viel Lyrik folgt Entspannung bei Spannung mit der Fortsetzungsprosa:

"Uljanas New Home"


8. Fortsetzung
...
Tag 14
Die folgenden Tage vergingen ohne besondere Vorkommnisse. Allmählich sahen wir nicht mehr so verängstigt auf den Waldrand, als lauerten überall unerkannte Feinde. Zehn Tage, nachdem wir mit dem Bau begonnen hatten, stand der erste Rohbau. Eigentlich sogar nach nur neun Tagen, denn am ersten hatten wir ja nur Teile rausgeschleppt. Es war übrigens nicht Henks Haus, das zuerst stand, denn fast nebenbei hatten sich die sieben Los-Teams zu den meisten Arbeiten jeweils in einem der Häuser zusammengefunden. Es war ja egal, wessen es sein würde.
Fritzi war ein Unikum. Ständig sprang ein verschmitztes Lächeln von einem Grübchen ihres Gesichts zum anderen. Ihre Augen hatten ein Blau wie ein Hochsommer-Badewetter-Himmel mit Schäfchenwolken drauf. Mit ihren, rechnete man unsere Reisezeit einmal weg, vierzehn Jahren hatte sie es geschafft, dass drei der Jungen sie ausdauernd anbaggerten, allerdings ohne dass sich ein nennenswerter Erfolg herumgesprochen hätte. Immerhin hatte sie aber nichts dagegen, dass alle drei „ihre Gruppe“ geworden waren. Ihre Baracke war die vom Raumschiff am weitesten entfernte. An jenem noch unbeschwerten 11. Bautag hatte sie eine eigentlich verführerische Idee. Sie erzählte mir nachher, wie sie ihre Gruppe gewonnen hatte: Wisst ihr, Jungs, Henk is n Spinner. Wenns nach dem geht, stehn hier militärisch ausgerichtete Grenadiere oder wie diese Preußensoldaten hießen. So was will ich nicht. Von wegen Holz! Riecht zwar so, ist aber nur echt Replikator. Das da drüben ist wirklich Holz von hier. Strahler habt ihr zum Schneiden, Kraft habt ihr zum Ranschaffen ... Wolln doch mal sehen, wer hier das originellste Haus haben wird. Seid ihr dabei?“
Das war natürlich keine Frage. Die Blöße, ihr einen solchen Wunsch abzuschlagen, hätte sich keiner der drei gegeben. Vorsichtshalber zogen sie heimlich los, als wir Pause im Schiff machten. Bis auf etwa 15 Meter näherten sie sich dem Rand des Waldes, ohne das irgendetwas passierte..
Jungs, es ist ja nur, wenn das so ne Art Farne sind, dann haben wir uns wahnsinnig blamiert, wenn wir damit ankommen. Also müssen wir den ersten richtigen Baum gefällt haben, bevor die anderen was merken, oder wir sind weg hier ... Petz, gehst du mal von rechts an den geraden Riesen da.“
Der stärkste der drei, der sich eigentlich darüber ärgerte, dass auch Fritzi ihn Petz nannte, stand noch etwas hilflos da.
Mann, der da ... der wie eine Buche aussieht. ... Ach lauf einfach geradeaus.“
Genau das versuchte Petz. Aber nach gut der Hälfte der Strecke ... Fritzi und die anderen beiden Jungen lachten laut, ohne sich weiter darum zu kümmern, ob das jemand hörte. Es war wie in einem Stummfilmspot. Genau dort, wo die Krone dieses einer Buche ähnlichen Gewächses begann, hatte Petz ... ja, es sah wirklich aus, als wäre er gegen eine unsichtbare Mauer geprallt. Und zurückgeprallt vor allem. Nun stand er da wie mit Soße bekleckert und starrte auf etwas, was nicht zu sehen war. Ja, es sah sogar so aus, als hätte er Schmerzen im rechten Arm.
Inzwischen waren wir wieder draußen. „Komm bloß!“ rief Fritzi. Jetzt hatte auch sie diese „Mauer“ erreicht. Sie zögerte nicht, den Strahler zu ziehen und auf den dicken Baum zielend abzudrücken.
Was wir dann sahen, ließ uns den Mund offen stehen: An einer Stelle in der Luft sahen wir den Photonenstrahl sich in Funken ausbreiten, um gespiegelt zurückzukommen. „Ein Glück, dass ich nicht gerade drauf gehalten habe, ich hätt mich selbst, ich hätt mich selbst ...“
Fritzi wiederholte den Satz noch, als schon fast alle um sie herumstanden und einer festgestellt hatte „Ein Kraftfeld. Da ist kein Durchkommen.“
Plötzlich war alle Barackenbauerei vergessen. Wir versuchten, die Grenzen dieses Kraftfeldes zu erkunden. Das war einfach: Es umgab unsere etwa 20 Hektar große Wiese als Kreis in unmittelbarer Waldrandnähe. Bald fanden wir auch heraus, dass es dort vom Waldrand abwich, wo er einen größeren Abstand zum Raumschiff hatte. Mir kam ein schlimmer Verdacht. Ich packte Jenny am Handgelenk, zog sie weg von den noch immer irgendwie faszinierten Gruppen. Onja folgte uns, Sarah, Xu-Li und Salio – wie fast immer, könnte man sagen.
Computer: Bitte Analyse Kraftfelderscheinung am Waldrand!“ Vor unterdrückter Wut zitterte meine Stimme.
Feldstärke?“ Da hatten die Kari den Computer sogar so weit auf Eigenintelligenz umprogrammiert, dass er auf eine Frage mit einer Gegenfrage reagierte.
Keine technischen Details. Was ist das für ein Feld?“
Antigravitation. Abstoßung. Schutzfeld. Gesamtform: Ring. Verhindert Kontakt mit Leben bedrohenden Erscheinungen.“
Das heißt, es könnte kein Tier oder Ähnliches auf die Wiese und keiner von uns kann in den Wald?“
Korrekt.“
Und das Feld ist ein vom Schiff, also vom Zentralcomputer generiertes?“
Korrekt.“
Schutzfeld abschalten!“
Abschaltung durch derzeitige Besatzung nicht zulässig. Konflikt mit Aufgabe der Priorität AA Null: Sicherheit gewährleisten.“
Aber anfangs ...“ Ich ahnte die Antwort bereits.
Anfangs lag definierte Gefahrenwahrscheinlichkeit im Normalbereich. Undefinierbares Tötungsereignis begründet allgemein erhöhte Sicherheitsrisiken.“
Ich konnte das Luftholen meiner Freunde hören. Aber ich setzte noch einmal an: „Das Kraftfeld ist also Ergebnis der Programmerweiterung durch die Kari?“
Korrekt.“
Und nur die Kari könnten sie rückgängig machen?“
Korrekt.“
Und sie können sie nicht wirklich rückgängig machen, weil sie sich außerhalb des Schutzfeldes befinden?“
Korrekt.“
Wir sind sozusagen dauerhaft innerhalb des Feldes gefangen, sozusagen in Sicherheitsverwahrung?!“
Korrekt.“
Was soll denn daran korrekt sein?!“ Ich schrie vor Wut.
Lebenssicherheit von Menschen und Koom hat allerhöchste Priorität. Erreichbar nur bei Ausschließung von Gefährdungssituationen.“
Das war keine Frage, das war ein Vorwurf, du Computer du!“
Erhöhte Stimmlage am Satzende definierte Frage. Antwort korrekt. Definition Computer korrekt.“

(ff.)

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