Montag, 24. Oktober 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1187



Lade mich
wenn du
dich einsam fühlst
und dein Herz
in Fetzen hängt
wie Krähenkadaver
auf einer Wäscheleine


installiere mich
in deiner Seele


trage mich
jeden Tag
in deiner Handtasche
lausche dem Piepsen
aus der Dunkelheit


ich bin ewig für dich da
oder
bis zu dem Tag
wo du
meiner überdrüssig wirst
und mich löschst.  

Liebeslyrik heute? Zumindest übermorgen eines der "Gedichte des Tages". Ihm stehen zwei von mir zur Seite

"Die Zeit wird alles richten (3)".
 und

 geschwistergeflüster


Dann geht es utopisch prosaisch zu.  "Welcher nun bin ich?" Teil 4.

Auf die Uhr schaue ich dann so oft, dass ich zum Schluss nicht mehr weiß, wie lange ich eigentlich warten musste. Eigentlich bin ich doch wieder in meiner Zeit zurück. Da kann es doch keine Temporalorientierungsstörungen mehr geben?!
Dann wird die Tür geräuschlos geöffnet. Mich starren zwei weitere unbekannte Uniformierte ähnlich verwirrt an wie ich sie. „Ne, nich?! Also das glaubt uns keiner“, höre ich den einen sagen. „Du, also bevor wir wieder zum Gespött der anderen werden, bringen wir den erst einmal zum Blix. Soll der entscheiden.“ Ich werde von den beiden in die Mitte genommen und durch mehrere Korridore geführt. Ich bin hin- und hergerissen. Einmal versuche ich zu fragen, was denn eigentlich los sei, dann erhasche ich Details des Gebäudes, Türschilder und Ähnliches, die belegen, dass ich nicht dort bin, wo ich hergekommen war. Aber das war schlicht unmöglich. So blöd konnte ich nicht gewesen sein, den Temper nicht exakt auf Rücktransport zu gleichen Raumzeitkoordinaten einzustellen. Andererseits … Da ist doch unser Zeitlaborkomplex. Das sind unsere Gänge. Es sind nur Kleinigkeiten anders, die verwirren. Farben zum Beispiel. Und eben Namensschilder.
Namensschilder. Genau. Ich stehe plötzlich vor einer Tür mit meinem Namensschild. Wenn ich nicht wüsste, dass wir gerade den Buchhaltungsflügel erreicht haben … und die Tür mir als jene des Hauptbuchhalters bekannt gewesen wäre …
Also wenn ich nicht gleich aus diesem Albtraum aufwache, dann spiele ich Junge mit Trotzanfall. Aber ich wache nicht auf. Sehr unsanft werde ich in den Raum geschoben.
… und stehe mir selbst gegenüber. Steven Blix in voller Größe. Nein, dieser Typ da bringt vielleicht 15 Kilo Lebendgewicht mehr auf die Waage. Und die sind weniger vorteilhaft verteilt. Der da dürfte am Kletterseil hängen wie ein Mehlsack.
Immerhin erfreulich, dass er mir Gelegenheit lässt, ihn zu mustern. Mir dämmert erst langsam, dass er mich mit derselben Verwunderung betrachtet. Wenigstens hat er die Wachleute weggeschickt mit dem eigentlich voreiligen Spruch „Ich klär das selbst!“
Schließlich fehlt ihm der Schlüssel zur Lösung. Allzu lange brauche ich nämlich nicht, da ist mir alles klar. Und weil ich eigentlich ein netter Mensch bin, halte ich ihm einfach einen Vortrag:
„Du fragst dich sicher, wer ich bin? Du könntest es mit einer DNS-Probe probieren. Dann würdest du erklärt bekommen, dass ich du bin, meinetwegen du ich, wenn dir das lieber ist. Ich bin in die Vergangenheit gereist, um Lydia von der Teilnahme an jenem Katastrophenflug abzuhalten. Also bin ich kurz in die Rolle meines damaligen Ichs geschlüpft. Ich hatte unterstellt, auf der Rückreise wieder ich zu sein. Aber mein damaliges Ich hat sich ja anders entwickelt. Das wurde also zu dir. Wie es scheint, hat sich noch Anderes anders entwickelt. Die Wirklichkeit, aus der ich gekommen bin, gibt es nicht mehr. In der Wirklichkeit, in der ich gelandet bin, gibt es mich schon einmal. Okay, … Etwas verstehe ich doch nicht: Als ich die Rückholautomatik eingestellt habe, war das in meiner Welt, für meine Kapsel. In der Wirklichkeit hat mich aber eure geholt. Oder seh ich da was falsch? Vielleicht … Ne, dass wir uns hier gegenüber sitzen, ist schon Problem genug. Vor allem: Das müssen wir wirklich lösen.  

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