Donnerstag, 9. Mai 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1733




Wie ich trotz und wegen der DDR zu meinem ganz individuellen Kommunismus fand (6)




... Aber als Acht- oder Neunjähriger fand ich es herabwürdigend, was der Pfarrer uns Kindern als wahre Geschichten anbot. Ich verstand noch nichts von der „Wahrheit“ in Gleichnissen, empfand es als Beleidigung, dass jemand erwartete, ich würde Märchen für Wirklichkeit nehmen. Das war dann Grund für entschiedenen Protest bei meiner Mutter und fast das Ende meiner Kontakte zu kirchlichen „Würdenträgern“. (Später empfand ich die Gastfreundschaft von Kirchenleuten auf meinen Tramptouren als wohltuend.)
Anders war das bei manchen Pioniernachmittagen. Die nachhaltigsten waren jene, bei denen wir Eicheln und Kastanien für die Tierparktiere (und zum Basteln) sammelten. Keine Ahnung, ob unsere Eicheln den Tieren wirklich das Überwintern erleichtert haben. Heute würde ich sagen, das war auch nicht das Wichtigste. Viel wichtiger war etwas Anderes: Wir hatten das Gefühl, etwas Nützliches, Wertvolles zu tun, was zugleich richtig Spaß machte. Das heißt, das Sammeln der Eicheln (und das Werfen nach Anderen) hätte auch OHNE einen höheren Sinn Spaß gemacht, es war ein vergnüglicher Zeitvertreib; das Gefühl, sozusagen unserem Patenschwein das Leben zu erhalten, machte uns aber erst richtig stolz auf die eigene Leistung. Ich hätte da nicht an „Kommunismus“ gedacht, aber hat man nicht auch als Erwachsener Anspruch auf kindliche Freude an der eigenen Nützlichkeit? Wird sie einem nicht erst durch die Erfahrung von „allgemeinem“ Egoismus vergällt? Positiv bleiben Reste solchen Erlebens natürlich besonders dann zurück, wenn man den Erfolg greifbar gemacht bekommt. Wir waren also eifrige Besucher des Tierparks, wo uns der Nutzen unseres Tuns von kompetenten Personen bestätigt wurde. (Mir scheint es selbstverständlich, dass Kinder, denen solche greifbaren Nützlichkeitserlebnisse versagt bleiben, tendenziell ein Stück weiter zu Egoisten „erzogen“ werden – ohne eigentlich erzogen zu werden.) Ganz unmittelbar erlebten wir, dass es schwächere Wesen gibt, die durch unsere solidarische Hilfe überlebten. Okay … die richtige Vorbereitung auf eine Welt einzusetzender Ego-Ellenbogen wäre es nicht gewesen … aber darauf sollten wir ja auch nicht vorbereitet werden.
Solidaritätsaktionen wie später die für Angela Davis hatten zwei Seiten: Die übertrieben agitatorische, dass eine Kommunistin einfach unschuldig sein müsse (was sich im konkreten Fall allerdings bestätigte), aber auch eine „rein“ menschliche: Stellt euch schützend vor Menschen, die zum Opfer legaler (oder halb legaler) Ungerechtigkeit werden (könnten). Eine gute Sache wird doch nicht allein dadurch „schlecht“, dass sie mehr oder weniger „staatlich verordnet“ wird. Ich finde es heute peinlich, wenn ausgerechnet mit diesem Ausdruck „Linke“ den DDR-Antifaschismus verunglimpfen. Am System des damaligen (nicht) „realen Sozialismus“ gibt es viele Kritikpunkte. Dass sich ein ganzes Volk mit den wenigen aktiven Antifaschisten, die das faschistische Terrorregime überstanden hatten, identifizieren durfte, als wären wir alle Nachkommen mutiger Antifaschisten, halte ich für bedankenswert.

Wie gesagt, ein Großteil der Möglichkeiten, die uns Kindern auf die Nase gedrückt wurden, passte trotzdem nicht zu meiner sich entwickelnden Persönlichkeit: Fahnenappelle waren mir kleinem Anarchisten schon des Einordnens wegen suspekt. Zum Glück hielt sich die Zahl derartiger Veranstaltungen für mich in engen Grenzen. Als wir im Unterricht Friedrich Wolfs „Kiki“ behandelten, wurde diese Geschichte sofort eine meiner liebsten.


Noch einmal das gestrige Experiment. Zum Erinnern an Vergangenes aus "Mit Blindenhund durchs Liebesland" von Ricardo Riedlinger"Umsonst ..." und wohl illusorischer Hoffnung auf Künftiges aus ""Gemeinschaft der Glückssüchtigen"" von Slov ant Gali"Das Breite-Lied" (nicht gerade mein Bestes, aber immerhin ...).

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