Sonntag, 5. Mai 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1728

War etwas Ungewöhnliches zwischen dem 1. Mai 2013, diesem zumindest in Deutschland schon stark entstellten Kampftag der Arbeiterklasse, und dem 5. Mai diesen Jahres, also dem 195. Geburtstag von Karl Marx?
Für Slov ant Gali zumindest ja. Sein neues Buch, das sich sehr schwer in eine ausreichend genaue Schublade unterbringen lässt, erblickte das Licht der Welt ... noch weitgehend unbeachtet ...
Dieses Blog greift ein paar Aspekte der "belletristischen" Passagen heraus. Dabei spielen die autobiografischen Kapitel eine besondere Rolle:


Wie ich trotz und wegen der DDR zu meinem ganz individuellen Kommunismus fand (1)

Ich bin Individualist. Hielte ich „Kommunismus“ für eine verordnete Gleichmacherei im Sinne einer „Kollektivierung“, wäre er keine für mich wünschenswerte Zukunftsvorstellung. Für Massenparaden vorbei an einem Großen Vorsitzenden bin ich nicht gemacht. Weder möchte ich jemand kollektiviert wissen noch kollektiviert werden. Ich habe meine eigene Sicht darauf, was „vernünftig“ ist. Die muss man nicht teilen. Aber schon als penetrant aufdringlicher Schüler konnte ich es mir nicht verkneifen, dazwischenzurufen und den Finger vor lauter vorlauten Fragen oben zu behalten. Und heute bin ich eingebildet genug, mir das weiter zu gönnen … und wieder anzuecken. Vielleicht kann ich der Fantasie eines Lesers auf die Sprünge helfen …
Was ich erlebt habe, kann ich nicht ändern. Ich habe es eben genau so erlebt, auch wenn es zu den Erfahrungen Anderer nicht passt. ...
Keine Ahnung, wie ich geworden wäre, wäre meine Familie nicht im Frühjahr vor Abschluss der ersten Klasse in die Stadt gezogen. Zuvor war ich als Außenseiter regelmäßig verprügelt worden. Das wichtigste Gefühl meinen künftigen Mitschülern gegenüber war deshalb anfangs die nackte Angst. Um keinen Preis wollte ich wieder so isoliert sein wie zuvor.
Die Rolle des Chefs war vergeben, die des Klassenkaspers frei, und wenigstens in den folgenden drei Jahren füllte ich sie fantasievoll aus. Den Unterricht zu stören fiel mir nicht schwer und die dümmsten Kinderwitze verwandelten sich in meinem Mund in lange Geschichten. Die Rolle hatte mehrere „Vorteile“: Man schenkte mir Aufmerksamkeit und beim großen Mitschülermobbing konnte ich zusehen. Das Hauptopfer war über viele Monate ein Mädchen, das durch ihren Geruch und ihre staksigen Bewegungen auffiel und das Hinundherschubsen dadurch vergnüglich machte, dass sie so herrlich verängstigt „Was hab ich euch getan?“ oder „Lasst mich doch in Ruhe!“ jaulte. Die Lehrer konnten nicht eingreifen, weil der Terror erst nach Unterrichtsschluss draußen vor dem Schulgebäude anfing. „Erdnuss“ konnte nicht ungesehen die Schule verlassen – immer war wer vor ihr da, um den sich dann die anderen sammelten.
Zuerst war es ein Triumph, als das Mädchen aus der Schule genommen wurde und in eine „Hilfsschule“ kam. Dann aber … Im Unterbewusstsein einiger Mitschüler meldete sich wohl das Gefühl, ein unschuldiges Leben versaut zu haben. Das Mädchen hatte uns ja wirklich nichts getan. Zumindest in mir erwachte das schlechte Gewissen, dass ich lachend dabeigestanden hatte.
Mit dem Verschwinden des „Standardopfers“, an dem meine Mitschüler ihren Schulfrust abreagiert hatten, begann die Suche nach neuen. Wir waren eine Klasse mit Jungen-Überschuss und die körperlich Stärkeren begannen nun die Jagd auf Schwächere. Damit geriet auch ich wieder ins Visier. Allerdings hatte sich die Situation innerhalb der Klasse verändert. Ich hatte inzwischen einen Kreis von kindlichen Partnerschaften: Einen Freund, der an mir hing wie Watson an Holmes, und noch ein paar, durch die ich mich als Bandenchef fühlte. Ausnahmslos körperlich Schwächere. Die gegenseitige Unterstützung bestand unter anderem darin, dass ich bei den Hausaufgaben half und dafür meine Kunst-Werke für den Zeichenunterricht vorbereitet bekam, sodass die Vier in Zeichnen verschwand. Meine logische Lektion: Andere konnten etwas, was ich nicht konnte, und umgekehrt. Wenn dies auch offiziell nicht erwünscht, eigentlich Betrug war, so stand doch fest, dass die gegenseitige Nutzung unserer Stärken allen Beteiligten Vorteile brachte. Es machte mir dabei wenig aus, dass ich mehr einbrachte, als ich herausholen konnte. ...



Für ein Buch, das eher als Sachbuch gelten sollte, eher ungewöhnlich ist, dass die Stelle von "optischen Illustrationen" (Bilder, Fotos, Grafiken usw.) Gedichte unterschiedlicher Form und Länge einnehmen. In den "Gedichten des Tages sollte in den nächsten Tagen an einige erinnert werden. Logisch, dass es am Marx-Geburtstag eines sein sollte, in dem Marx "auftaucht" ...

Zu den besonderen Talenten von vielen Frauen gehört es, Mahnungen auszusprechen, ohne sie ausgesprochen zu haben, indem zumindest nachher ein schlechtes Gewissen nachher drückt: Es ist ja richtig, dass "Manche nennen es ..." Liebe als gemeinsamer Lyrikband mit Gunda Jaron im Moment etwas ins Hintertreffen geraten ist - was besser könnte daran erinnern als ein Gedicht von ihr mit eben diesem Titel ...
Nun ist aber heute gerade Geburtstag von Karl Marx. Da dürfte es siche angebracht sein, an "Sagen wird man über unsre Tage" von Slov ant Gali zu erinnern, ist es doch eines der Gedichte, die das gerade erschienene Buch "Gemeinschaft der Glückssüchtigen" würzen ...

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