Dienstag, 27. Dezember 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1250

Es ist immer spannend, über ein Blog die Entwicklung mancher Autoren verfolgen zu können. Manchmal aber stellt man fest, dass man einen Menschen nicht auf einen Ton festlegen kann. Dies wurde mir bewusst, als ich einen Blick auf die Gedichte von Petra Namyslo im Friedrichshainer Autorenkreis warf. Man kennt ihren leichten Zungenschlag. Sie hat aber auch solches unternommen:

Im blassen Morgenlicht, in den dunklen Raum
verwoben, die Silhouette einer einsamen Frau
am Fenster, den Kopf schlaftrunken im Traum
gefangen, dessen Gespenst, müde und grau,
bettschwer in sein finsteres Versteck schlurft.

Am frühen wolkenverhangenen Himmel kreist
ein schwarzer Vogel, Bote aus einem fernen
Land jenseits der Wolken. Der Weg verwaist,
der sie wegführt, hin zu den silbernen Sternen.
Ach, hätte es wirklich all des Schmerzes bedurft?

Nichts mehr zu fühlen, ohne Furcht, Verlangen
oder Begierde zu sein. Kein Wunsch oder Wille
hält die Frau noch in Raum und Zeit gefangen.
In Gedanken flieht sie weit weg in die ferne Stille,
befreit von dem Dasein, das sie einst bedrückt.

Sie öffnet das Fenster, atmet ein letztes Mal
die frische Morgenluft. Sie breitet die Arme aus.
Und während sie fortfliegt aus dem Jammertal,
weht ihr letzter Atem leise in den Tag hinaus.
Und schon ist ihre Seele Zeit und Raum entrückt.

Petra Namyslo


Hoffen wir also auf die Kraft, das Leben zu durchfliegen. Das probiert jeder lyrische Ikarus auf seine Weise. Im GdT vom 29.12. werden das wahrscheinlich sein:
Gast: Gunda Jaron mit "Eskapaden"
Weihnachtlich und angestaubt: "Festliches Fazit" und  biblisch

Angestaubt ist die Prosa auch schon. Der Verlag hat sie nicht mehr im Angebot. Das weitere Schicksal des Stoffs ist offen .... Hier bei uns also die 47. Fortsetzung des utopischen Romans  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth erreicht:


„Am liebsten ließe sich ja jeder hin und her beamen. Aber diese Geräte zur Umwandlung von Körpern in Energiestrahlung und zurück sind aufwendig herzustellen und kompliziert zu bedienen. Vielleicht sind wir mal so weit, dass jedes Haus eine Beamrampe hat, und wenn wir zur Haustür rauskommen, stehen wir in einer Erholungslandschaft. Lacht nicht! Über so etwas diskutieren wir, und viele Menschen arbeiten schon an solchen Projekten.“
Wir hatten gar nicht gelacht. Es mutete einfach nur märchenhaft an. Vielleicht genierte sich Paps einfach solcher Träume wegen.
„Wie viel müsst ihr denn so arbeiten?“
„Hm. Also erstmal weiß ich nicht, was du überhaupt unter Arbeit verstehst. Wir wollen uns durch nützliche Tätigkeiten schließlich keinen unnützen Stress organisieren. Wenn es darum geht, normal zu einer Arbeit zu gehen, haben wir hier einen Vierstundentag und eine Vier-Tage-Arbeitswoche. Es gibt sogar so etwas wie Arbeitspflicht. Fünf Jahre sollte jeder in seinem Leben organisiert gearbeitet haben. Aber Kinderpflege und –erziehung wird auch zu Hause gemacht und geht natürlich vor.“
„Wer Kinder aufzieht, arbeitet also nach eurer Auffassung?“
Martina fragte sicherheitshalber nach. Als Paps nickte, „Und nicht nur sechzehn Stunden die Woche ...“, brummte sie: „Endlich sieht das mal einer ein.“
Wir lachten. Paps aber fuhr unbeirrt fort:
„In Produktionsanlagen läuft die eigentliche Arbeit meist voll automatisch. Die sie überwachen produzieren nicht. Was machen sie also praktisch die meiste Zeit? Sie unterhalten sich miteinander. Trotzdem ist das Arbeit. Televidieren oder lesen von zu Hause aus - damit werden wir klüger und besser. Wozu soll Arbeit denn sonst gut sein? Unsere Familie lebt jetzt für euch und tauscht Erlebnisse mit euch aus. Später machen wir daraus Programme und Artikel für andere. Gut, für fremde Menschen gedachte Unterhaltungs- und Informationssendungen müssen produziert werden. Lustige neue Ideen hat immer mal jemand. Was glaubt ihr, wie viele Geschichten die Leute von ihren Reisen heimbringen. Was die anderen so vorführen möchten! Die schwerste Arbeit ist es da, auszusortieren, was am besten kein anderer zu Gesicht bekommt.“
Nicht nur ich musste lachen. Wir stellten uns die verwackelten Urlaubsfilme der Großtante bei der Familienfeier als öffentliches Programm vor.
„Jeder kann bei uns Unterhaltung und Wissen in die Unterhaltungs- und Datennetze stellen, sich selbst öffentlich darstellen. Unsere Hauptkanäle sortieren und bieten an, was wir für allgemein wichtig halten. Das ist echte Arbeit.


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