Donnerstag, 12. Januar 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1266

Warum soll ein Christian Wulff als Staatspräsident eigentlich etwas repräsentieren, was in diesem Staat so natürlich ist wie Freilandgurken unter Südpolsonne? So ähnlich mag sich Gunda Jaron gefragt haben als sie Folgendes schrieb:



Es hat Herrn Hinz fürwahr empört,
was derzeit aus Berlin man hört.
Ein Mensch, den jeder Deutsche kennt
und den als Bundespräsident
er noch vor kurzem hoch geschätzt,
hat's Volk und ihn zutiefst vergrätzt.

Da leiht der Mann von Freunden Geld!
Ja, tät' das jeder auf der Welt,
die Banken wären insolvent!
Und dann schläft dieser Präsident
mitsamt der Gattin, wirklich wahr,
im Ferienhaus in Florida,
das auch 'nem alten Freund gehört!
Nicht, dass Herr Hinz sich daran stört,
wenn Nachbar Kunz zur Urlaubszeit
sein Sommerhaus an ihn verleiht.
Das macht man unter Nachbarn so.
Dafür hat Hinz ihm, quid pro quo,
das Geld für'n Wohnmobil geborgt
und preiswert Laminat besorgt
durch Schmitz, der'n Baugeschäft betreibt.
So sieht halt jeder, wo er bleibt.

Das ist für Hinz und Kunz probat.
Doch für den ersten Mann im Staat?!

Da hält Herr Hinz es mit der "Bild":
Wie diese ist er nicht gewillt,
Erklärungen zu akzeptier'n.
Und einen Fehler tolerier'n?
Beileibe nicht! Wo Leichen ruh'n,
da ist es ja wohl opportun,
dass man als Bürger tiefer gräbt
und noch die letzten Knochen hebt.

Demnächst stellt sich Herr Hinz zur Wahl
als Volksvertreter, kommunal.
Man liebt, vertraut und schätzt ihn hier.
In seinem Keller ruht nur Bier,
denn seine Weste, die ist rein.
Er bückt sich, hebt den ersten Stein.

Übermorgen dagegen erinnern die Gedichte des Tages an

Hanna Fleiss und Januarschnee


Weil ich an ein ganz bestimmtes Gedicht besonders erinnern möchte, hier das Testgedicht von überübermorgen: "Weisheiten für Jünger"

Bei Gedichten kann man so etwas machen. Da habe ich es Prosaautoren schon schwerer. Die sind an die Personen ihrer Handlung gebunden und die eine Fortsetzung lässt sich nicht mit der nächsten tauschen. Da sind wir nun schon bei der 67. Fortsetzung des utopischen Romans  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth angekommen und die folgt auch wirklich: 


Mir brauchte Mama nichts mehr zu erklären. Ich verstand die Logik dieser Menschen. Keiner erwartete Nachahmungseffekte. In den Nachrichten würde es heißen, drei der Zeitreisenden wären auf eigenen Wunsch weiter gereist. Wer sollte aus dem Ganzen eine reißerische Story machen wollen – es musste nichts verkauft werden. Und was sollten denn andere potentielle Geiselnehmer erpressen, was nicht sowieso alle hatten? Mama verstand meine Zurückhaltung falsch. Sie wich meinem Blick aus und antwortete auf die Frage, die ich mir nie gewagt hätte:
Ich geb’s ja zu. Ich hab sie gemocht. Nein. Ich mag sie immer noch. Schade.“
Zu Hause warteten dann doch zwei betont korrekt gekleidete Herren mit berufsmäßig bekümmerten Gesichtern. Der eine eilte sofort mit ausgestreckter Hand auf mich zu. „Anna?“
Er hatte ein freundliches Lächeln aufgelegt und schien um ein entspanntes Klima bemüht.
Ja?“
Ich bin Josh. Das ist mein Partner Patty.“
Er deutete auf den Herrn neben sich.
Können wir uns unter sechs Augen unterhalten?“
Ich hörte in seinen Worten sofort eine unterschwellige, unausgesprochene Drohung. Es lag wohl an meinem Bild vom Beruf der Besucher. Vielleicht aber nur in der Angst vor der Frage nach meiner Rolle im Spiel. Aber die Frage kam nicht.
Eigentlich könnte alles sehr einfach sein. Die drei Kranken aus eurer Gruppe haben sich selbst zur höchsten Strafe verurteilt, die bei uns möglich ist: dem Ausschluss aus der Gemeinschaft. In Anbetracht eurer Herkunft hätten wir den nie erwogen. Wir respektieren eure Vorstellungen. Trotzdem können wir dem Wunsch nach Rückreise in die Vergangenheit nicht zustimmen. Denn er hat unglücklicherweise einen schlimmen Nebenaspekt. Wenn wir eure Kameraden in die Vergangenheit reisen ließen, gäben wir ihnen die Möglichkeit, diese Vergangenheit nochmals zu verändern. Selbst, wenn sie nicht bewusst diese Absicht verfolgten. Du musst zugeben, es wäre möglich.“
Ich nickte.
Wir haben die Situation analysiert, die zu eurer ersten Zeitreise geführt hatte: Da stand die Menschheitsgeschichte fast sicher vor ihrem Ende. Euer Eingriff war also notwendig. Ganz davon abgesehen, dass ansonsten ja eine andere Zeitreise geplant war. Mit unabsehbaren Gefahren für die Erde. Wir verdanken euch unser Leben. Obwohl euer Auftreten in der Vergangenheit nicht unbedingt als Vorbild für die Menschen heute dienen dürfte.“
Meinen entrüsteten Gesichtsausdruck übersah er.
Ob allerdings weitere Veränderungen am Lauf der Geschichte Verbesserungen brächten, kann niemand sagen. Vielleicht stände eine neue Katastrophe bevor. Nur sicher wären wir dann alle nicht geboren. Sind wir so schlimm, dass es uns nicht geben darf? Wir ließen sie ja gern ziehen – schon allein der Kinder wegen, aber das Risiko ist einfach zu groß.“
Ich dachte daran, dass ich beinahe mit in die Geschichte gestürmt wäre, und schüttelte heftig den Kopf. Josh redete beschwörend auf mich ein, als ob er mich von etwas Ungewöhnlichem überzeugen müsste. Dabei verstand ich ihn ja. Ich hätte ihn ruhig die ganze Zeit reden lassen, denn jedes seiner Worte zögerte den Moment, wo ich mich zu meinem Anteil an dem Ausbruch bekennen musste, ein wenig hinaus.


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