Freitag, 20. Januar 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1274

Die drei "Gedichte des Tages" von übermorgen sind diesmal besonders unterschiedlich geraten. Da treffen an einem Tag aufeinander 1. als Gast Gunda Jaron  mit  "haftbar" , 2. als reifendes "Freitagsgedicht" "Der Vierte"  und 3. vom Januar 2009 hinz als junger poet

zu 1.
er überfiel sie 
mit seinem Charme 
fesselte sie 
mit seinen Geschichten 
stahl ...

zu 2.
Die drei Affen
knüpfen den Strick selbst,
an dem sie hängen werden  ...

zu 3.
der hinz in seiner jugendzeit
war auch zur dichtkunst oft bereit
damit den mädchen er gefällt ...



Wir sind dann so klug, mit Prosa weiterzumachen. Wir sind gerade bei der 75. Fortsetzung des utopischen Romans  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth angekommen  


Die Stimmung in der Familie war plötzlich umgeschlagen. Than fasste es in Worte:
„Es ist schwer mit euch. Ihr bleibt eben Egoisten. Wenn es um euren persönlichen Vorteil geht, denkt ihr nicht darüber nach, wen ihr verletzt. Nuk ... also wenn Nuk etwas zustößt, ich möchte euch nicht in meiner Familie behalten."
„Sprich nicht so", wies ihn Paps zurück. Auch Mama warf Than einen strafenden Blick zu. Aber ich konnte mir nicht helfen. Ihre Ermahnungen an die jüngeren Familienmitglieder wirkten halbherzig. Sie hatten wohl selbst mit dem heimlichen Wunsch zu kämpfen, uns wenigstens mit Worten zu lynchen. Die Vorstellung, Nuk könnte weg sein, aber wir noch da, tat ihnen offensichtlich genauso weh, obwohl sie es nicht aussprechen wollten.
Die alten Familienmitglieder diskutierten unter sich weiter über Möglichkeiten, wo Nuk sein könnte. Ein paar hatten sich schon auf die Suche gemacht. Mama schüttelte nur traurig mit dem Kopf. Sie war schweigsam, hatte ihre ganze Gluckenhaftigkeit verloren. Ich bekam keinen Bissen herunter. Als keiner mehr auf mich achtete, trat Mama noch einmal auf mich zu:
„Nimm es ihnen nicht übel. Sie meinen es nicht so."
Dann drehte sie sich weg, verschwand aus meinem Blickfeld.
Siegrid, Ernst, Maria und Heinz hatten den Saal betreten. Auch sie wurden gemieden, als hätten sie eine ansteckende Krankheit. Maria und Ernst kamen sofort an meinen Tisch, Siegrid kam langsam hinterher.
„Dürfen wir uns zu dir setzen?"
Ich deutete wortlos auf die freien Plätze am Tisch. Plötzlich hatten wir uns wieder in eine Fremdlingsgruppe verwandelt, die mit den ANDEREN zurecht kommen musste. Aber nur Ernst frühstückte. Der Rest starrte vor sich hin.
„Können wir sie suchen?"
Maria rührte in ihrer Teetasse.
„Das ist nicht die Frage", unterbrach sich Ernst beim Kauen. „Frag lieber, ob wir sie finden können."
Maria schüttelte den Kopf.
„Kannst du nicht einmal sachlich sein?"
„Ich bin sachlich", verteidigte sich Ernst. „Aber muss ich unbedingt betonen, dass ich ins erstbeste Wolfskostüm schlüpfen würde, wenn ihr den bösen Wolf braucht im Märchenwald? Hilft uns das? Wir hatten es ihr versprochen – und vergessen."
Dass ich in diesem Augenblick zu Siegrid guckte, mochte Zufall sein. Sie dachte offenbar angestrengt über das nach, was Ernst gesagt hatte. Dabei erinnerte sie an einen Computer, der unangenehm brummte, weil die Kühlung des Prozessors defekt war. Früher einmal. Bei Siegrid bildete sich eine Falte, die fast wie ein Halbmond vom linken Augenwinkel zum Mundwinkel führte. Langsam verstand ich, warum ich sie instinktiv abgelehnt hatte. Es lag an ihrem Äußeren. Sie sah im Gegensatz zu uns allen wie über dreißig aus, beherrscht und kalt, und sie unterstrich das noch durch die straff nach hinten zu einem Knoten gebundenen Haare. Ich schwieg sie erwartungsvoll an.
Siegrid sagte plötzlich, „Kommt!" und sprang auf.
Tatsächlich liefen wir hinter ihr her, ohne weiter zu fragen. Es überraschte uns, dass sie wortlos in den E-Bus stieg und eine Zahlenkombination eingab. Als der Bus dann am Tierpark hielt, drehte sie sich uns zu.
„Mein Gedanke mag absurd klingen. Aber ich teste nur das, was ich an ihrer Stelle gemacht hätte."
„Du wärst zum Wolfsgehege gegangen."
„Nein, Ernst, ich wäre INS Wolfsgehege gegangen. Nuk liebt die Viecher. Im Augenblick sind sie für sie die letzten, die sie noch nicht enttäuscht haben. Entweder ich hätte einen gestreichelt oder er hätte mich aufgefressen. Und wenn, dann wäre mir das auch egal gewesen."
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