Dienstag, 31. Januar 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1285

Immer wieder werden neue Metaphern erfunden für das Poetische, wofür es keine eindeutige naturwissenschaftliche Entsprechung gibt. Magische, mystische Schönheit, die sich einfach nicht erklären lässt. Das Wort "Wunder" ist inzwischen einfach zu belastet, auch "Glauben". Es ist drei Jahre her, da brachte Ursula Gressmann das Bild der Einhörner - das aus der Märchen- und Feenwelt - ins "Gedicht des Tages" ein. Sofort löste sie damit eine kleine Diskussion aus. Wir blicken darauf zurück - so wie wir auf das neu zu Testende vom Donnerstag nach vorn schauen:


Wenn man ein Gedicht ganz frisch geschrieben hat, findet man es meist wunderschön wie die Mutter ihr rosig faltiges Baby. Gespannt bin ich, wann ich mich von dem Gedanken lösen kann und muss, dass "Von der Relativitätstheorie" ein gelungenes Liebesgedicht (schmunzel) sein könnte.
Nun ja, über Poesie lässt sich eben unendlich streiten ...
Einen poetischen Dialog von dauerhafter Bedeutung brach vor drei JahrenUrsula Gressmann zuwege. In Ursula Gressmann: Entdeckungen
behauptete sie "...es gibt keine Einhörner mehr ..." - etwas, was wir so nicht stehn lassen sollten, und Gunda Jaron formulierte auch schnell ihren Protest: Gunda Jaron: Es gibt noch Einhörner


Der Prosatext spielt einfach mit Denkgewohnheiten, ist weniger Geschichte / Erzählung als Entführung aus dem, was wir kennen. Hier nun die 1. Fortsetzung:

Zwei Jungen, die beinahe die Welt retteten (2)

... Als am ersten Abend jener große Geist seine Konzentrationsübung gemacht hatte, an den mild blauen Nachthimmel zu schauen und an Nichts zu denken, also eigentlich daran zu denken, dass er an nichts denken wollte, da waren unerwartete Worte in seine ungeschützten Gedanken gedrungen: „Irgendwo da draußen gibt’s noch mehr solche wie uns.“
Jeder andere Schüler hätte sicher einen Witz draus gemacht. So in der Art „Noch so einer wie du? Kann ich mir nicht vorstellen.“ Oder er hätte seinen Unmut gezeigt wegen der Störung. Doch die Überraschung war zu groß. Waren das nicht Gedanken nur für philosophisch gereifte Jungen? Der da gedacht hatte, so etwas könnte nur von ihm kommen, schluckte erst einmal. Sein Schweigen klang wie eine laute Zustimmung.
„Was mögen die für Technik haben? Wenn sie von einem Planetensystem zum anderen fliegen, dann müssten sie ja technisch weiter sein als wir.“
Der Sprecher mit dem Kräuselkopf hieß Skworizschesko´opoli, was soviel bedeutete wie „Wolfgang, der jüngste“, wenn man den Skwori ihrer Jagd in Rudeln wegen zubilligte, mit den Wölfen der Erde Ähnlichkeit zu haben. Er hatte instinktiv die Hand auf jene Stelle seines Kleides gelegt, unter der sich die – natürlich in seinem Alter noch leere – Bauchtasche befand. Vielleicht, weil er auf seine dort besonders muskulösen Sprungläufe so stolz war, hüpfte er jeweils drei Tatzen vor und zurück, rauf auf die Mauer und wieder runter. Die anderen ehemaligen Mitschüler feierten in den großen Zimmern die Erfolge ihres zweiten Ferientages. Es waren schließlich die letzten echten Ferien ihres Lebens und das musste gefeiert werden.
Wolfgang und Bernhard – letzteres eine sicher erlaubte freie Übersetzung für Oschtschotkich, denn wenn man bei uns seine Koseform Otscho benutzte, dann dächten Kenner ja eher an eine Tangofigur als an einen Jungen aus einer fremden Galaxie – also die beiden schwiegen einen Moment tiefsinnig nebeneinander her.
„Weißt du, was ich nicht verstehe?“ unterbrach Wolfgang wieder die Stille. Es lag die Sicherheit in seiner Stimme, dass es gar keine andere Antwort als NEIN geben konnte. Er setzte auch gleich fort, als hätte der Andere bereits mit nein geantwortet: „Wir sind biologisch auserlesen als die sozial höchst entwickelte Spezies im Weltraum. ...  
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