Sonntag, 9. Dezember 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1600


  Eigentlich müsste ich schon beim Titel entsetzt sein. Thomas Reich entwickelt in seiner Bildsprache eine geradezu perverse Fantasie. Wenn man seinen Titel "Stachanow kauft ein" in Beziehung zum Gedicht setzt, muss man erst einmal wissen, dass der Namensgeber der sowjetische Vorgänger des DDR-Staats-begeisterten Superbestarbeiter Adolf Hennecke war, der eine Bewegung den Namen gab, mit viel und noch mehr Arbeit dem Fortschritt zum Sieg zu verhelfen. Ich hoffe begriffen zu haben, was das mit den Weihnachtseinkäufen zu tun hat ... und gebe über youtube einen Tipp ab ...


Adventsfenste2-10.jpg






Slov ant Gali: Wo Bäume weinen ... (11)


... Keiner von uns hatte jemals auch nur etwas Ähnliches wie eine größere Montage, ein Hausbau oder etwas von der Art von nahem gesehen, mitgemacht natürlich sowieso nicht. Es herrschte ein heilloses Chaos. Die Replikatoren spuckten Runde für Runde auf ihre Tische, was nach der Gesamtlogik des Computers für den Bau von neun Holzhäusern erforderlich war. Zuerst die Baupläne. Onja hatte darauf bestanden, dass alle Häuser nach den gleichen Plänen gebaut werden sollten. Da reichte ein Satz Pläne. Dann aber folgten Hölzer. Große Balken, kleine Splinte. Jenny fand, dass Nageln doof sei, und wenn schon aus dem Replikator, dann könne man ja die Teile so geliefert bekommen, dass sie ineinander fugenfrei passten. Alle Teile nicht länger als zwei Meter lang, damit wir sie gut tragen konnten. Überm Boden Holzparkett. Unten drunter ein Fundament war eigentlich nicht nötig. Das wäre entweder schwere Arbeit oder wir hätten uns schwere Technik replizieren lassen müssen. Wozu das? Im schlimmsten Fall konnten wir ja immer ins Schiff zurück. „Falls es hier auch Unwetter geben sollte.“ Und nicht nur Jenny lachte bei der Vorstellung, denn das Schiff war selbst im ärgsten Hurrikan sicher.
So kamen halt die Teile in schneller Folge, und wer gerade vor einem der Replikatortische stand, griff so viel, wie er gut tragen konnte, schaffte sie nach draußen und legte sie ab, wo gerade Platz war. Es waren schon drei Stunden vergangen, da kam Henk auf die Idee, man sollte doch eine lange Strecke bilden mit den größten Teilen am einen und den kleinsten Teilen am anderen Ende. Die meisten lachten. Ohne, dass das irgendwer so angeordnet hatte, lagen schon alle möglichen Teile zwar zerstreut herum, doch die meisten gleichartigen zusammen. Es war echt günstig, dass rechtzeitig vor dem Dunkelwerden Regenwolken aufzogen. So kam Jenny auf die Idee, mehrere riesige Planen replizieren zu lassen, Gewichte, sie seitlich zu beschweren, und Heringe und solch Zeug wie beim früheren Zelten. Die Planen waren gerade alle ausgelegt und beschwert, da setzte der Regen ein – es war sowieso schon so dunkel, dass wir nicht hätten weitermachen können. So war die Stimmung entspannt und nach so viel ungewohnter Beschäftigung an frischer Luft waren keine Einschlafpillen nötig. Schutzkleidung aus, Abendbrot, duschen, Schluss.


Tag 4
Am nächsten Morgen strahlte die Sonne wieder. Also hieß es Planen weg, die wenigen im Raumschiff verbliebenen Teile holen und nun ging es ans Sortieren. Ein paar Mal schüttelte ich verwundert den Kopf. Es gab fast überhaupt keinen Streit, kaum einmal wurde jemand geärgert, aber es fanden sich schnell Gruppen zusammen, bei denen sich meistens drei andere um den mit dem schnellsten technischen Überblick scharten. Kein Fluchen, einfach machen, viel Lachen. Der erste Fehler war schnell behoben. Jede Gruppe bekam ihren eigenen Bauplan. Was war das für ein Herumspringen: Jenny hatte den Computer angewiesen, jedes Teilchen (bzw. jeden Behälter für eine Art Teile) mit einer Nummer zu versehen und einer Markierung oben, unten, rechts und links. Henk hatte sich in den Bauleiter verwandelt, als er das Setzen der Eckpfeiler organisierte und den anderen erklärte, wie sie die exakten Abstände und Winkel bestimmen konnten. Wenigstens kannte die Koom Messgeräte. Es war alles eigentlich idyllisch. Niemand störte. Wenn wir nicht aus Jux meckerten, meckerte niemand. ...






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