Soll man sich bei Gedichten nicht gelegentlich überraschen lassen? Versuchen wir das also bei Thomas Reichs "Brüder der Nacht" ... was ja irgendwie nach Grusel klingt ...
Bevor wir aber das Türchen des Tages öffnen, fragen wir, was es mit Brunhild Hauschilds "Weis(s)heitsspruch" auf sich hat:
Slov ant Gali: Wo Bäume weinen ... (18)
... Tag 16
Eigentlich wollte
ich nicht.
Was? Alles wollte
ich nicht. Aufstehn zum Beispiel. Oder frühstücken in unserer
Mensa.
Ich kam mir vor wie
ein Computer, den jemand durchprogrammiert hat für den Tag. Wozu
Cornflakes? Amerikanische mit Milch. Von einer Replikunstkuh. Aber
die anderen funktionierten ja auch. Das ist es wahrscheinlich. Alle
sehen so aus, als funktionierten sie, genauso wie man selbst, und man
möchte nicht die erste sein, die nicht funktioniert. Dabei warten
die anderen vielleicht nur, dass einer anfängt. Ob das vererbter
Herdentrieb ist? Oder die Erfahrung, dass du als erste die meisten
auf die Schnauze bekommst? Es waren noch 40 andere da. Mir war gerade
nicht danach, was auf die Schnauze zu bekommen.
Wenn wir in der
Baracke standen, duftete es richtig nach frischem Holz. Urlaub im
Sperrgebiet Ökoland. Debbie hatte mir später erzählt, was das
gekostet hatte und welche Bestätigungen wir in unseren Kennkarten
hatten eintragen lassen müssen, um rein zukommen. War ja nicht für
Masse und Präkies. Aber romantisch. Und hier bauten wir uns das
selbst – ohne Genehmigungsdokumente. Zwei Zimmer mit je zehn mal
zehn Fuß. Einmal zwei, einmal drei Liegen zum Klappen und Pennen.
Salio teilt sich
sein Kabuff mit Sarah und Xu-Li. Nein, nicht umgekehrt. Sarah hat die
ganze Zeit gelacht. „Der macht immer son Quatsch. Er hat gesagt,
wenn er nicht hier auf mich aufpassen darf, legt er sich draußen
schlafen, und ich sei schuld, wenn er am Boden anwächst.“
Ob das gut geht mit
den dreien? Ich müsste mich eigentlich mal mit den beiden Mädchen
unterhalten. Langsam müsste bei ihnen doch was passieren. Ob Salio
da der richtige Zimmergefährte ist? „Lass,“ hatte Onja gesagt.
„solange sie ihn annehmen, ist gut. Er braucht das. Und weißt du,
für mich ist er doch zu jung, um den großen Bruder zu spielen und
...“ Ich hatte Onja in den Arm genommen und irgendwie war ich ihr
dankbar, dass sie jetzt mit mir darüber sprach. Oder richtig:
Gesprochen haben wir nicht, aber jede hatte das Gefühl verstanden zu
werden.
Wir werden es uns
hübsch machen. Und unsere Kajüten bleiben uns ja.
Tag 17
Schon am frühen
Morgen hatte es so stark geregnet, dass man kaum die Nachbarbaracke
sehen konnte. Salio erklärte uns Tschiotscho. Ich hoffe, ich habe es
richtig ausgesprochen. Es ist ein dreidimensionales Damespiel. Salio
hatte drei solche Spiele eingeschleppt. Ein Glück. Er spielte
synchron gegen uns alle. Ich wunderte mich erst, dass er alle Spiele
verlor. Aber dann flüsterte mir Onja zu, das mache er mit Absicht.
So hatte sein Bruder Pedo das auch immer gemacht, wenn sie schlechte
Laune hatte. Es war trotzdem irgendwann langweilig. Die Fenster haben
aber gehalten. Wir sind früh schlafen gegangen.
...
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