Freitag, 23. Dezember 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1246

 Ich strich´ dir gern Erinnrungscreme
auf deine offnen Wunden
Ich mixte sie aus angenehm
und wohl geratnen Stunden.

Du hattest einen Augenblick
mich ganz und gar besessen,
als ich dich bis aufs kleinste Stück
roh schlingend aufgefressen.

Noch schwingt er nach, der Widerhall
der Lieder, die wir sangen.
Doch hat der Alltag überall
uns klirrend eingefangen.

Nun bin ich hier und du bist fern;
wir lecken unsre Wunden.
Du hast auf einem fremdem Stern
mich wie ich dich gefunden.

Die mondene Erinnrungscreme
ist beiden uns geblieben.
Denn die Gewissheit bleibt bestehn:
Sekunden gabs zum Lieben.

Also mir gefiel der Ausflug in die romantische Liebe so gut, dass ich es als Testgedicht unter den Gedichten des Tages von übermorgen den durchaus markanten anderen beiden vorgezogen habe:
 Sebastian Deya "Der Narr
und
Hanna Fleiss: Becher-Gedichte

Die Prosa nähert sich der Normalität. Inzwischen ist es die 43. Fortsetzung des utopischen Romans  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth angekommen:



„Klar! Das ist eine Riesenauszeichnung für ihn und er tut auch immer, als müsse er mich vor lauter Gefahren beschützen. Verantwortung, sagt er, hat er für mich. Das mag ich nicht. Ich hab ihn nämlich lieb. Meistens kuscheln wir zum Schluss aber doch zusammen, und er liest mir was vor, damit ich einschlafe.“
Was sollte ich jetzt machen? Wie viel an Nuks Körper hatte Luk entdeckt und umgekehrt? Wussten das die Erwachsenen hier, war das gewünscht oder normal und, wenn ja, ging mich das etwas an?
„Darf ich zu dir kommen?“
Bevor ich nein sagen konnte, stand Nuk auf, patschte vier Schritte durch den Raum, kroch unter meine Decke und schob mich an die Wand.
„So ist es schön. ... Dann ist Maria genau so alt wie du?“
„Ja.“
„Das geht bestimmt schief. Was will Luk mit einer so alten Frau.“
Ach ja. Luk war ja Marias Pate und es war hier wohl selbstverständlich, dass sie ein Zimmer miteinander teilten. Logisch, dass, wenn Nuk Luk liebte, sie ihn jetzt vermisste. Deshalb nahm sie mich wohl auch gleich zum Kuscheln. Oh Gott! Wohin war ich nur geraten! Was würden wir hier alles verkehrt machen! Ich wagte mich nicht zu bewegen. Drehte ich mich zur Wand, könnte Nuk das als Beleidigung auffassen, drehte ich mich zu ihr, als was dann?
„Und wie bist du so in der Schule?“
Das schien mir ein unverfängliches Gesprächsthema.
„Na, die sechste Klasse ist fast vorbei. Mir fehlen noch fünf Testate. Wegen euch darf ich die zu Hause ablegen. Du kommst doch mal mit in die Schule? Ich muss dich unbedingt den anderen vorstellen.“
Dass Zeitreisende in der Familie eine Sensation waren, verstand ich, aber war hier die Grundschule wie ein Studium organisiert?
„Was sind das für Testate?“
„Die brauchen wir für die Komm-Kurse. Erst muss das Wissen bewiesen werden, auch mal mit Pauken, sagen unsere Lehrer, dann machen wir was Verrücktes damit. Eben Komm-Kurse. Klar?“
Klar war mir gar nichts. Komm-Kurse – das klang wie Kommunismus-Kurse, abgekürzt. Ich konnte mir schwer vorstellen, dass eine etwa Zwölfjährige die begeistert „etwas Verrücktes“ nannte.
„Versteh schon.“
Oh Gott, jetzt hatte Nuk wieder diesen belehrenden Tonfall. Hätte ich mich bloß weiter schlafend gestellt!
„Nichts verstehst du. Merk ich doch. Also: Wir sind eine Klasse mit 24 Schülern. Oder 28, wenn wir Grinser und die Füchse dazu rechnen. Da gehören immer zwei Lehrer dazu. Die machen, sagen wir mal, Unterricht Multiplikation B. Da steht einer vorn und einer läuft rum und hilft. Dann schreiben wir am Compi das Testat. Wer mehr als 60 von 100 Punkten hat, darf in den Komm-Kurs. Wir dürfen auch als Paten lernen. Das ist eine Auszeichnung und steht im Zeugnis. Später müssen die Minustester den Stoff wiederholen. Wir anderen bekommen komplizierte Aufgaben, die wir alleine oder als Gruppe lösen dürfen. Dabei passt der Lehrer nur auf, dass wir keinen Blödsinn machen. Mehr darf er nicht. Und Zeugnisse schreiben natürlich.“
„Minustester sind die, die den Test nicht bestanden haben?“
„Ja.“
„Und wen meinst du mit den Füchsen?“
„Na, so nennen wir die Allerbesten, die in den S-Gruppen. Sie gehören weiter zu unserer Klasse, haben Patenschaften und werden auch manchmal ausgetauscht. Mich wollten sie hoch tauschen, da kamt ihr. Ich bin lieber Beste in meiner Kernklasse als irgendein Fuchs.“


.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Follower