Samstag, 24. Dezember 2011

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1247

Heiligabend ... So ein Mist aber auch: Das Journal ist ja normalerweise zwei Tage voraus.
Dann kam die Rettung: An diesem Morgen meldete sich eines der Blogs von Roger Suffo mit einem speziellen
Für manchen ist das Weihnachtsfest
ein Rauch getränktes Wespennest.
Für andere ist´s (weil sich das reimt …)
die Zeit, wo man vor Liebe schleimt.
Doch denkt dran, sagt das liebe Kind,
dass Wespen auch sehr nützlich sind …
Dies wissend kann ja a) nichts mehr schief gehen und b) mit dem Blick auf die Gedichte des Tages von übermorgen fortgefahren werden:
Gast:  Sebastian Deya mit "Tipanic (2)

Die Prosa war sowieso weg vom simulierten Fest der Liebe. Inzwischen ist die 44. Fortsetzung des utopischen Romans  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth erreicht:


Nun drehte ich mich doch zu Nuk auf die Seite. Sie drückte ihren Kopf an meine Brüste. Anscheinend war sie jetzt eingeschlafen. Meine rechte Hand lag auf ihrem Rücken. Merkwürdig. Sie hätte mein Kind sein können. Oder war mein verjüngter Körper die Chance, später noch Kinder zu bekommen? Die Männer hier waren bestimmt von keinen Mücken gestochen. Sicher würde mir Nuk genau erklären, ob es in dieser Zeit Schwangerschaften und Entbindungen gab, und wie die abliefen. Aber jetzt war wichtiger, endlich zu schlafen. Ich spürte irgendwann einen sanften Stoß in den Bauch. Wahrscheinlich hatte mich Nuk da im Traum getreten. Richtig munter wurde ich nicht davon, denn das Mädchen hatte sich an mich geschmiegt, und ich fühlte mich angenehm schwanger.
Am nächsten Morgen schleppte mich Nuk zum gemeinschaftlichen Frühstück ins Café.
„Da werden die Pläne für den Tag gemacht. Da darfst du nicht fehlen."
Ich setzte mich und schon stellte mir Nuk ein Tablett an den Platz.
„Du isst deine Eier morgens weich gekocht?“
„Ja.“
„Dann ist es richtig.“
Beim Essen schmunzelten wir uns an. Satt und zufrieden lehnte ich mich zurück. Da stand Mama auf.
„Für heute möchte ich eine gemeinsame Werksbesichtigung vorschlagen. Was haltet ihr vom Komplex Speisen und Getränke?“
Ernst sprang auf, hob sie hoch, schleuderte sie herum, dankte ihr überschwänglich dafür, dass sie an ihn gedacht hatte, und begann einen Bärentanz.
„Mama, am besten leite ich da vorübergehend unsere Gruppe. Anna braucht etwas Erholung und für das Thema fehlt ihr wie den meisten anderen das nötige Verständnis.“
Dabei stellte er unsere lachende Herbergsmutter sacht wieder auf den Boden und warf mir einen bettelnden Hundeblick zu. Er hatte Recht. Manchmal nervte es mich, nicht nur für mich selbst, sondern für die anderen mit zu sprechen, und ständig ein interessiertes Gesicht zu machen, wenn wir etwas erklärt bekamen. Und alles, was mit Essen zu tun hatte, interessierte Ernst wirklich mehr als mich. Warum sollte ich nicht einmal einfach einmal nur Anna sein? Irgendeine Anna, so wie es vielleicht auch in dieser Zeit Annas gab?

Schwanger in der Wurstfabrik

Ein Mann mit Bürstenhaarschnitt, dessen Gesicht von einer runden Brille beherrscht wurde, erzählte mit ständig leicht erhobener Stimme.
„ ... Wir wollten schließlich alle Menschen auf der ganzen Erde satt bekommen. Und nebenbei sollte jeder sein Stück Natur zur Erholung haben. Ihr kennt ja den Märchenwald. Wolltet ihr da Getreidefelder erleben? Wir haben auch die genetischen Eigenschaften von Nutztieren und –pflanzen verbessert: Trotzdem haben sich synthetische Produkte mehr bewährt. Sie veränderten den Kreislauf der Natur am wenigsten. Wie lange wir noch Erdöl aus der Erde holen können, das lässt sich ausrechnen. Aber welche Nebenwirkung genetische Veränderungen in den Pflanzen und Tieren hervorrufen, das merken wir oft wirklich erst zu spät. Auch geschlossene Nahrungskreisläufe haben wir gestaltet – mit unterschiedlichem Erfolg - aber das kennt ihr sicher.“
Schade, dass Nuk schon zu groß dafür war – ich hätte sie jetzt liebend gern auf meine Schulter gesetzt. Maria hatte sich die Hand vor den Mund gehalten und war rücklings aus der Halle geflüchtet.
„Wenigstens sind schon frühere Generationen auf die Idee gekommen, welche Verschwendung es ist, Erdöl einfach zu verbrennen. Welch herrliches Märchen ist dagegen seine Verwandlung in Fleisch, Wurst, Käse und Brot!“
Ich sah mich lebhaft Ölschnitten essen. reicht es nicht, Tierfutter daraus zu machen?
„Wir stellen unsere Nahrung nach allen möglichen Verfahren her. Manche Produkte kommen tatsächlich aus fern von Menschenmassen arbeitenden Bauernhöfen. Dort geht es ähnlich zu wie vor 500 Jahren, nur bewusst gesünder. Neben den Erzeugnissen, die vollkommen chemisch synthetisiert werden, gibt es natürlich Mischprodukte wie zu eurer Zeit wahrscheinlich auch. Die kommen am häufigsten vor. Chemische Dünger und Tierfutter sollten wir nicht vergessen. Aber ihr wollt ja bestimmt etwas Handfestes von eurem Besuch haben. Selbstverständlich haben wir zum Abschluss des Rundganges eine große Verkostungstafel für euch zusammengestellt. Da dürft ihr raten, welche Speise wie produziert worden ist, und beurteilen, welche euch am besten schmeckt. Ich verrate es euch vorher: Die künstlichen Produkte sind gleichmäßiger und wohlschmeckender. Aber wir können nicht alle Tage nur solche feinen Sachen essen.“
Mama hatte es uns erklärt. Die Anrede Sie war den Menschen hier nur aus Geschichtsbüchern bekannt. Als sie das erklärt hatte, fragte ich, ob das so ähnlich sei wie bei uns, als früher Seine Majestät mit Er angeredet wurde, aber das verstand sie nicht, weil das in ihren Büchern nicht vorkam. Verlegen hatte sie nur überlegt „Vielleicht? Kann sein.“
Von der eigentlichen Produktion sah ich kaum etwas. Auf der einen Seite floss eine schwarze teerige Masse in die Apparaturen hinein, Schautafeln stellten dar, wie sie phasenweise umgewandelt wurden, und bevor ein Mensch direkt zugreifen konnte, kamen jene verpackten Räucherschinken heraus, die wir als Andenken an diesen Ausflug geschenkt bekamen. Ohne Ernst hätte ich nicht so früh gewusst, dass das Zeug genauso köstlich rocht und schmeckte wie es aussah. Natürlich hatte der aus seinen Taschen ein Messer hervorgeholt und die Verpackung aufgeschnitten.
Bis zu der großen Fressorgie war das eigentlich das einzig Erwähnenswerte, genauer bis zu jenem Punkt der Verkostung, bei dem Hannes mit voll gestopftem Mund fragte:
„Wo ist eigentlich Maria?“
Tatsächlich war sie verschwunden. Keiner hatte sie nach ihrer Gähn- oder Übelkeitsattacke bemerkt – also seit etwa eineinhalb Stunden. Die gewaltigen Produktionsanlagen hatten unsere Aufmerksamkeit wohl doch gefangen genommen, jedenfalls mehr als unser Begleiter.

Schwanger in der Wurstfabrik?! Eine utopische Version zur unbefleckten Empfängnis?!
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