Dienstag, 2. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1532

3. Oktober - Tag der deutschen ... Glückssüchtigen? Oder Feiertag derjenigen, die Menschen, die einander nicht in Kriegen "fallen" sehen wollen, als "glückssüchtig" beschimpfen dürfen und dies in der Rolle eines einen ganzen Staat repräsentierenden Militärseelsorgers tun dürfen? Welche Gedichte sind dem angemessen?
Die "Gedichte des Tages" machen den folgenden Versuch:


Hurra, heute ist schulfrei. Dann muss das wohl ein Feiertag sein. Im Kalender steht vermerkt "Tag der deutschen Einheit" - das soll man feiern? Es gibt doch nichts Schlimmeres als die Sozialistische EINHEITspartei Deutschlands?!
Na, der Mecklenburger sagt wohl, "Wat dem einn sin Uhl is dem annern sin Nachtigall".
Auf jeden Fall ist es nicht leicht, für einen solchen Tag die richtigen Gedichte auszusuchen. Letztlich entschied ich mich für Petra Namyslos "Glückskind", das inzwischen in einer spanischen Fassung vorliegt und bei der diesjährigen Cita de la Poesia die meisten Diskussionen auslöste: Wie ist das mit dem persönlichen Engagement, wenn es einem auf Kosten der am härtesten Getroffenen nicht ganz schlecht geht? Petra verwies darauf, dass man sich im Spiegel erst als behäbig geworden sehen muss, bevor man es ändert, aber die spanischen Autoren fanden dies nicht kämpferisch genug - vielleicht vergaßen sie dabei, dass zwischen lyrischem und Autoren-Ich keine Identität besteht ...
Faul war ich auch nicht. Also nahm ich die aktuelle Lage so, dass der freie, deformierte Wolf sich noch in der Rolle des Männchen machenden Hündchens gefällt. "Herr mit Hund" landet also in die Schublade der Tier- und Pflanzendichtungen ...



In der utopischen Fortsetzungserzählung zeigt sich bald, dass mitunter auch etwas mit der Evolution schief gehen kann ...


Slov ant Gali: Der lebende See (12)


... „Sooooo? Und warum trittst du dann in mich?“
Hatte ich das gerade wirklich gehört? Wroohn sah zugegebenermaßen zu mir, als hätte sie auch etwas Unerwartetes vernommen. Das konnte allerdings genauso gut damit zusammenhängen, dass ich urplötzlich meine Füße nicht mehr bewegte, weil ich sie nicht mehr bewegen konnte.
„Ich will verstehen. Wer du bist, zum Beispiel?“
Das klang hochtrabend, war aber genau das, was ich sagen konnte.
Einen Moment lang schien die Zeit still zu stehen. Dann war da wieder die Stimme.
„Warum hast du die Familie mitgebracht, die ich dir geschenkt? Für ihre Ohren wäre meine Antwort nicht geeignet.“
„Warum nicht?“ Mein Ruf kam spontan. Obwohl ich irgendwie die Antwort ahnte.
„Schick sie weg! Das ist eine Sache unter uns.“
Im selben Augenblick hatte er, es oder sie meinen Fuß losgelassen und ich stolperte aufs Ufer.
„Ich habe gehört. Was du mir sagen willst, wirst du mir sagen.“ Wroohn hatte den Kopf gesenkt, unser Kind gepackt, war aufgestanden, losgelaufen, hügelwärts. Hilflos sah ich sie entschwinden. Wroohn war eben kein Mensch, war nur in menschenähnliche Form gepresste Duldung. War denn da wirklich nichts zu machen? Längst war sie im nächsten Tal entschwunden, da sah ich ihr noch immer nach.
„Setz dich, Mensch!“ Es war eine geschlechtslose Stimme, die der meinen verblüffend ähnlich war. Widerspruchslos und gespannt setzte ich mich auf die Uferkante. Bei einer anderen Stimme hätte ich irgendwie gehofft, dass ein Nixenkörper aus dem Wasser auftauchte. Ich kam mir vor wie in einem Märchenfilm für Erwachsene. Ich schmunzelte.
„Es sind nach deinem Verständnis Millionen Jahre vergangen, seit mich jemand in solcher Weise etwas gefragt haben können ...“ Er, es machte eine Pause. Eine Computer generierte Stimme. Ja, so klang das, nur dumpf, wie aus einem Abgrund. „Aber was ist schon Zeit? Etwas für jemanden, der alles messen muss, alles einordnen in ein Davor, Danach, Darüber, Darunter. Sonst ist alles in der Mitte der Unendlichkeit wie alles andere Davor und Danach, das sich eitel vergleicht mit allem, um sich selbst am Endpunkt aller Entwicklung zu fühlen. Weil sich aber alles entwickelt, hat es Recht so wie es Unrecht hat … Ach, du meinst, das war nicht deine Frage. Ich, also, wenn du mir zubilligst, ich sei ein Ich, ich also habe schon vor, nach deinen Maßen, Millionen Jahren existiert, lange vor der großen Katastrophe, die ich nicht erklären kann. Nenne mich ein Relikt, eine Ursuppe. Viele Formen an Leben hatten sich aus mir gebildet, vieles davon so, wie du es verstehen kannst, wie du dir die Evolution vorstellst. Urwüchsig sich ausbreitend auf diesem ganzen Planeten, bis an jeder Stelle, die das zuließ, Lebensformen waren. Und mit dieser Evolution, wie sie dir vertraut ist, hatte sich die Auslese entfaltet, die du so bewunderst. Die Wesen, die da waren, bildeten Unterschiede, mit denen sie besser oder weniger gut angepasst waren, und die Wesen, die der anderen Wesen Feind waren, weil sie sie als Nahrung ausgewählt hatten, fraßen die Schwächeren und sorgten dafür, dass die Stärkeren in ihrer Art noch stärker wurden. Ja, selbst denkende Gehirne wurden zur Waffe, um besser angepasst zu sein an die vorgefundene Umwelt, nein, um diese Umwelt letztlich den eigenen Bedürfnissen entsprechend anzupassen. Auch in mir schwammen Wesen, denen du Namen gegeben hättest wie Speisefisch, Raubfisch, Pflanze, Säugetier. Manche hatten sich in mir entwickelt, manche waren vor ihren Feinden auf dem offenen Land zurück in mich geflüchtet. Damals irgendwann war ich wohl noch kein See sondern die Zungenspitze eines großen Wassers. Das wich dann zurück. Ich glaube, das war schon ein paar Millionen Jahre vor der Katastrophe, von der ich dir nichts sagen kann. Oder doch das Wesentliche:   ...



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