Mittwoch, 10. Oktober 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1540

Zurück zur Normalität heißt in unserem Fall, dass das Journal wieder auf den nächsten "Gedichte des Tages" vorausschaut. Denn nun geht es ganz normal weiter mit dem Arbeitsstand des Romanmanuskripts, das für mich ein utopisches ist ...


Was bin ich, wenn ich Petra Namyslos Gedicht "Hunger" nicht verstehe ... und das auch noch zugebe? Anders gefragt: Ist ein solches Gedicht gut? Wie geht man damit um? Ausgewählt habe ich es, weil es das, zumindest mein Nachdenken anregt. Ich suche nach dem Sinn dahinter, finde viele Möglichkeiten und stelle mich hinter die, die mir lieb ist. Eigentlich stehe ich aber mehdeutigen Texten zumindest dann ablehnend gegenüber, wenn mindestens eine Interpretation der Autorenintention zuwiderlaufen MUSS. Aber auf jeden Fall: Kunst-Aufgabe ist nicht, die Welt zu erklären, sondern denen, die ein Kunstwerk betrachten, lesen, hören, Anregungen auf dem Weg zum Verständnis der Welt und ihrer Güte zu bieten ... oder?!
Bei meinem Gedicht "KLEINlich" vermeide ich dagegen jede Mehr- oder Doppeldeutigkeit. Für die Beförderung eines Mörders in mittelbarer Täterschaft / Anstifter zum General habe ich nicht nur kein Verständnis sondern nur Abscheu übrig ...

Slov ant Gali: Stochern im Nebel (2)

... Zu der Zeit, als die Parchmanns sich ansiedelten und ihren Rahman in die Brechtschule einschulten, war es für die Kinder des Troochs feste Gewohnheit, fast täglich ein paar Näswerderaner zu verprügeln. Jens, der den längsten Weg bis zur Straßenbahnstation Näswerder laufen musste, hatte sich deswegen zu Hause beschwert. Warum traf das immer dieselben? Er war bei seinem Vater auf wenig Verständnis gestoßen. „Was du nur willst? Bei uns war das damals genauso. Ist aus mir ein richtiger Mann geworden? Ja oder ja? Du bist nun einmal ein echter Näswerderaner. Also benimm dich auch so. Schon dein Großvater hat sich gegen die Troocher wehren müssen, später ich, jetzt du. Das Verlieren ist schlimm, ich weiß. Aber es hat auch Vorteile: Ihr lernt zusammenzuhalten. Lasst euch nicht unterkriegen, kämpft! Verliert ihr hundert Mal … das hunderterste Mal, das erste Mal, wo ihr gewinnt, das ist das entscheidende. Danach ist Ruhe, glaub mir.“
Was sollte Jens machen? Er sammelte die Näswerderaner Tag für Tag zu heroischen Abwehrschlachten. Aber selbst zusammen mit den Mädchen konnten sie ihre zahlenmäßige Unterlegenheit nicht überbrücken. Immer wieder landeten sie im Dreck. Wie oft hoffte Jens, die hundert zu verlierenden Gefechte endlich hinter sich zu haben, aber es ging immer weiter.
Da tauchte jener Rahman auf. Nein, ein Näswerderaner konnte der nicht sein. Der war anders. Der gehörte nicht dazu. Der gehörte nirgendwo dazu. Der war ein Fremder unter ihnen. So, wie sie Fremde auf dem Trooch waren, und das, obwohl er ihr Schicksal in der Brecht-Schule teilte. ...




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