Sonntag, 16. Dezember 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1607


  Soll man sich bei Gedichten nicht gelegentlich überraschen lassen? Versuchen wir das also bei Thomas Reichs "Brüder der Nacht" ... was ja irgendwie nach Grusel klingt ...
Bevor wir aber das Türchen des Tages öffnen, fragen wir, was es mit Brunhild Hauschilds "Weis(s)heitsspruch" auf sich hat:






Adventsfenste3--17.jpg


Slov ant Gali: Wo Bäume weinen ... (18)


... Tag 16

Eigentlich wollte ich nicht.
Was? Alles wollte ich nicht. Aufstehn zum Beispiel. Oder frühstücken in unserer Mensa.
Ich kam mir vor wie ein Computer, den jemand durchprogrammiert hat für den Tag. Wozu Cornflakes? Amerikanische mit Milch. Von einer Replikunstkuh. Aber die anderen funktionierten ja auch. Das ist es wahrscheinlich. Alle sehen so aus, als funktionierten sie, genauso wie man selbst, und man möchte nicht die erste sein, die nicht funktioniert. Dabei warten die anderen vielleicht nur, dass einer anfängt. Ob das vererbter Herdentrieb ist? Oder die Erfahrung, dass du als erste die meisten auf die Schnauze bekommst? Es waren noch 40 andere da. Mir war gerade nicht danach, was auf die Schnauze zu bekommen.
Wenn wir in der Baracke standen, duftete es richtig nach frischem Holz. Urlaub im Sperrgebiet Ökoland. Debbie hatte mir später erzählt, was das gekostet hatte und welche Bestätigungen wir in unseren Kennkarten hatten eintragen lassen müssen, um rein zukommen. War ja nicht für Masse und Präkies. Aber romantisch. Und hier bauten wir uns das selbst – ohne Genehmigungsdokumente. Zwei Zimmer mit je zehn mal zehn Fuß. Einmal zwei, einmal drei Liegen zum Klappen und Pennen.
Salio teilt sich sein Kabuff mit Sarah und Xu-Li. Nein, nicht umgekehrt. Sarah hat die ganze Zeit gelacht. „Der macht immer son Quatsch. Er hat gesagt, wenn er nicht hier auf mich aufpassen darf, legt er sich draußen schlafen, und ich sei schuld, wenn er am Boden anwächst.“
Ob das gut geht mit den dreien? Ich müsste mich eigentlich mal mit den beiden Mädchen unterhalten. Langsam müsste bei ihnen doch was passieren. Ob Salio da der richtige Zimmergefährte ist? „Lass,“ hatte Onja gesagt. „solange sie ihn annehmen, ist gut. Er braucht das. Und weißt du, für mich ist er doch zu jung, um den großen Bruder zu spielen und ...“ Ich hatte Onja in den Arm genommen und irgendwie war ich ihr dankbar, dass sie jetzt mit mir darüber sprach. Oder richtig: Gesprochen haben wir nicht, aber jede hatte das Gefühl verstanden zu werden.
Wir werden es uns hübsch machen. Und unsere Kajüten bleiben uns ja.


Tag 17

Schon am frühen Morgen hatte es so stark geregnet, dass man kaum die Nachbarbaracke sehen konnte. Salio erklärte uns Tschiotscho. Ich hoffe, ich habe es richtig ausgesprochen. Es ist ein dreidimensionales Damespiel. Salio hatte drei solche Spiele eingeschleppt. Ein Glück. Er spielte synchron gegen uns alle. Ich wunderte mich erst, dass er alle Spiele verlor. Aber dann flüsterte mir Onja zu, das mache er mit Absicht. So hatte sein Bruder Pedo das auch immer gemacht, wenn sie schlechte Laune hatte. Es war trotzdem irgendwann langweilig. Die Fenster haben aber gehalten. Wir sind früh schlafen gegangen.
...






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