Samstag, 8. Juni 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1762

Wenn man etwas begonnen hat, fängt es ein Eigenleben an. Also eine Fortsetzungsgeschichte verlangt eben ihre Fortsetzung, bei der logisch auf die erste die zweite Fortsetzung folgt. Das klingt banal ... aber so ist mitunter nicht nur das Leben sondern auch die Kunst:

Anna Roth: Superman (2)
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... Doch ich hörte wieder Gila damals in meiner Klasse lachen: "... Ich dich aber nicht!", nachdem ich endlich den Mut aufgebracht hatte, ihr zu sagen, dass ich sie toll fand.
Davon aber wollte ich ja gar nicht erzählen ... .
Manchmal nämlich entfloh ich meiner Wohnung doch und dem wie ewig gleich bleibenden Arbeitsweg, um eine Lesung zu besuchen. Literatur. Solche Veranstaltungen hatten einen eigenartigen Reiz. Ich brauchte nichts zu tun. Meist stellte ich mich an den Rand der kleinen Gesellschaften und beobachtete die Leute. Unsicher verleugneten die meisten von ihnen die eigene Einsamkeit, solange ihnen die Gesichter anderer entgegenlächelten. Kaum hatte sich dieses nicht persönlich gemeintes Lächeln dem nächsten zugewendet, sackten sie in sich zusammen, nur durch die nächsten Dazukommendenden aus ihrem Schattenleben gerissen. Wenn sie sich dann wieder zurückziehen durften, erschienen sie mir wie unentdeckte Kinder meines Vaters.
Achram war Kurde und mir als Fremder unter Fremden besonders sympathisch. Gelegentlich hatten wir sogar unsere Sitzplätze nebeneinander.
An jenem entscheidenden Tag gab es eine Pause während der Veranstaltung. Die Zuhörer trotteten gesittet zur Theke heunter, um ein paar nichts sagende Worte mit ihren Gläsern oder denen ihrer Zufallsnachbarn zu wechseln. Glück und Langsamkeit reservierten mir einen kaum bemerkbaren Seitenplatz, von dem aus ich die Serviererin beobachten konnte, ohne aufdringlich zu wirken. Zumindest glaubte ich das.
Plötzlich verdampften alle Gäste. Aus meinen Augen schossen Schlangenarme, die sich um das Mädchen auf der anderen Seite der Theke an sich zu drücken versuchten. Oder sollte ich lieber Frau sagen? War sie die Tochter des merkwürdigen Hausherrn? Hatte sie vielleicht frei Kinder von einem, der saufend nichts mit seinem Glück anfangen konnte, zum Beispiel mit eben diesem Hausherrn?
Für mich war diese SIE ein Mädchen, das vor meinen Schlangenarmen noch unberührt gewesen war. Ihre dunklen, kurzgeschnittenen Haare verbargen nur mühsam eine unsichtbare exotische Bauchtänzerinnenfrisur. Über ihren Wangenknochen leuchteten zwei Saphire, die gut zu ihrer halb geöffneten Bluse passten. Der Gesang auf ihren Lippen gab jeder Salpeterwolke eine männliche Gestalt. ...

***

Und die Gedichte des Tages folgen einander mit der Logik aufeinander folgender Tage:

Wie fasst man Sehnsucht in Worte? Eine mögliche "norddeutsche" Variante bietet Ursula Gressmann an: "weit weg". Ich lausche an der Muschel und ich höre das ewigen Rauschen ...
Aber erst einmal muss ich fortfahren in meinem Zyklus "Verstandsbasar (6)", der mit Sicherheit besonders schwer abzuschließen ist ...

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