Thomas
Staufenbiel
Kopf
auf Stein
Ich
stelle mich auf den Kopf.
Richtig,
ich meine mich und nicht alles um mich herum. Dank dieser neuen
Erfahrung merke ich, dass sich die Welt auch anders erklären lässt,
als wir sie aus unserer Kopf-oben-Fuß-unten-Perspektive kennen.
Es
ist natürlich etwas kompliziert, andauernd kopfzustehen. Das Blut
ist nun einmal daran gewöhnt, in die Beine zu fallen und nicht zu
steigen. Da sitzt auf einmal auch das Herz nicht mehr am rechten
Fleck. Und doch, auch so scheint Leben möglich. Dank ausgeklügelter
organischer Technik findet mein mitgebrachtes Frühstücksei den Weg
vom Mund hinauf in den Magen. Wie es dann weitergeht, möchte ich gar
nicht wissen. Letztlich werde ich meinen Kopfstand dafür aufgeben
müssen.
Mein
Schädel trägt nun die Last des ganzen Körpers und Gedanken
verdichten sich, seltsam, zu ungeahnten Erkennt-nissen. Es macht das
Denken nicht leichter, das gebe ich zu. Schließlich sind mir auf
einmal, natürlich absolut nicht überraschend, die Füße näher als
die Gesichter. Infolge dieser Tatsache ergehe ich mich in
Betrachtungen derselben und unterscheide auf diese Weise die
einzelnen Klassen. Da haben wir den Geschäftsmann, dort die Hausfrau
und etwas weiter hinten die Rentner. Zwischendrin tummeln sich
Arbeits-entwöhnte in nagelneuen Sportschuhen, Schulkinder mit
lustigen bis langweiligen Fußbekleidungen in verschiedenen Größen
und Öko-Freaks in unbeschreiblichen – ja, wie nennt man die Dinger
eigentlich?
Schlagartig
wird mir bewusst, wo ich mich befinde, an welchem Ort ich mein
Experiment durchführe: Kopfstand mitten in der Stadt, zwischen
Bibliothek und Fastfood-Restaurant, zwischen Schloss und
Bushaltestelle, nahe der Sonnenuhr auf dem alten Marktplatz. Es geht
auf Mittag zu und Ströme von Schuhpaaren ziehen an mir vorbei.
Einige Schuhbesitzer, so erkenne ich es, nachdem mein Blick sich von
ihren Fußbekleidungen lösen kann, lachen, andere zeigen verächtlich
mit Fingern auf mich, doch die meisten versuchen, mich geflissentlich
zu ignorieren, ohne dabei den schielenden Blick verbergen zu können,
mit dem sie mich nichtsdestotrotz von unten nach oben mustern. Oder
etwa doch umgekehrt? Letzten Endes stempeln mich die Vorübergehenden
als das ab, was ich in ihren Augen bin: anders, ein Querkopf, außer
der Norm.
Aus
meiner Kopfüberperspektive kann ich sie nur belächeln, nicht ohne
dabei schmerzlich festzustellen, dass ich mir den Schädel auf der
harten Straße plattdrücke.
In
den Augenwinkeln fällt mir dieser Mann an der Rückseite der
Bushaltestelle auf. Er sitzt auf der Erde, in einen viel zu großen
und reichlich verschlissenen Anorak gehüllt, und scheint mir nun
näher zu sein als vorhin, da ich wie alle auf zwei Beinen laufend
den Platz überschaut habe. ...
.Fortsetzung in
***
Die Lyrik-Perspektive ist eine eher dezemberliche:
.Wie ist das mit der Liebe? Sebastian Deya sagt einfach, wenn wir " Unser Moment" sagen können ... oder so ähnlich.
Wie ist das eigentlich: Schmeißen wir die Vorjahresadventskalender weg? Wie sollten sie wieder verwenden - ob wir sie neu befüllen, ist eine ganz andere Sache ...
.
.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen