Montag, 2. Dezember 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1928

.Ein wenig Prosa gefällig? Gut. Dann diesmal

Thomas Staufenbiel

Kopf auf Stein

Ich stelle mich auf den Kopf.
Richtig, ich meine mich und nicht alles um mich herum. Dank dieser neuen Erfahrung merke ich, dass sich die Welt auch anders erklären lässt, als wir sie aus unserer Kopf-oben-Fuß-unten-Perspektive kennen.
Es ist natürlich etwas kompliziert, andauernd kopfzustehen. Das Blut ist nun einmal daran gewöhnt, in die Beine zu fallen und nicht zu steigen. Da sitzt auf einmal auch das Herz nicht mehr am rechten Fleck. Und doch, auch so scheint Leben möglich. Dank ausgeklügelter organischer Technik findet mein mitgebrachtes Frühstücksei den Weg vom Mund hinauf in den Magen. Wie es dann weitergeht, möchte ich gar nicht wissen. Letztlich werde ich meinen Kopfstand dafür aufgeben müssen.
Mein Schädel trägt nun die Last des ganzen Körpers und Gedanken verdichten sich, seltsam, zu ungeahnten Erkennt-nissen. Es macht das Denken nicht leichter, das gebe ich zu. Schließlich sind mir auf einmal, natürlich absolut nicht überraschend, die Füße näher als die Gesichter. Infolge dieser Tatsache ergehe ich mich in Betrachtungen derselben und unterscheide auf diese Weise die einzelnen Klassen. Da haben wir den Geschäftsmann, dort die Hausfrau und etwas weiter hinten die Rentner. Zwischendrin tummeln sich Arbeits-entwöhnte in nagelneuen Sportschuhen, Schulkinder mit lustigen bis langweiligen Fußbekleidungen in verschiedenen Größen und Öko-Freaks in unbeschreiblichen – ja, wie nennt man die Dinger eigentlich?

Schlagartig wird mir bewusst, wo ich mich befinde, an welchem Ort ich mein Experiment durchführe: Kopfstand mitten in der Stadt, zwischen Bibliothek und Fastfood-Restaurant, zwischen Schloss und Bushaltestelle, nahe der Sonnenuhr auf dem alten Marktplatz. Es geht auf Mittag zu und Ströme von Schuhpaaren ziehen an mir vorbei. Einige Schuhbesitzer, so erkenne ich es, nachdem mein Blick sich von ihren Fußbekleidungen lösen kann, lachen, andere zeigen verächtlich mit Fingern auf mich, doch die meisten versuchen, mich geflissentlich zu ignorieren, ohne dabei den schielenden Blick verbergen zu können, mit dem sie mich nichtsdestotrotz von unten nach oben mustern. Oder etwa doch umgekehrt? Letzten Endes stempeln mich die Vorübergehenden als das ab, was ich in ihren Augen bin: anders, ein Querkopf, außer der Norm.
Aus meiner Kopfüberperspektive kann ich sie nur belächeln, nicht ohne dabei schmerzlich festzustellen, dass ich mir den Schädel auf der harten Straße plattdrücke.

In den Augenwinkeln fällt mir dieser Mann an der Rückseite der Bushaltestelle auf. Er sitzt auf der Erde, in einen viel zu großen und reichlich verschlissenen Anorak gehüllt, und scheint mir nun näher zu sein als vorhin, da ich wie alle auf zwei Beinen laufend den Platz überschaut habe. ...

.Fortsetzung in



***


Die Lyrik-Perspektive ist eine eher dezemberliche:

.Wie ist das mit der Liebe? Sebastian Deya sagt einfach, wenn wir " Unser Moment" sagen können ... oder so ähnlich.
Wie ist das eigentlich: Schmeißen wir die Vorjahresadventskalender weg? Wie sollten sie wieder verwenden - ob wir sie neu befüllen, ist eine ganz andere Sache ...



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Adventsfenster3.jpg
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