Thomas
Staufenbiel
Fallende
Tendenz (2)
Eine
Viertelstunde des Wartens lag hinter mir und den vielen anderen
Passanten, da kam endlich der nächste Bus. Ich wollte ihn gerade
besteigen, als eine Stimme aus dem Hinterhalt – lass dich nie von
der Seite anquatschen – mich davon abhielt. Eine junge Frau, und da
will ich doch mal ein Auge zudrücken und kein Chauvinistenschwein
sein, die einen Kinderwagen bei sich führte, bat um Hilfe. Ja, sie
traf meinen wunden Punkt – wer könnte schon einer attraktiven
jungen Frau widerstehen – ich bin ein hilfsbereiter Mensch. Sie
ging voran, ich hob den Wagen von unten in den Bus. An dieser Stelle
sei gesagt, dass es noch immer nicht an jeder Haltestelle ebenerdige
Einstiege gibt. Hier fehlten sie. Die bezaubernde Blondine –
modernste Chemie weckt Urinstinkte des Mannes – bedankte sich
lässig, hob ihre Nase und verschwand in den Weiten des
Blechmonsters.
Nun
war es auch an mir, den Fuß in selbiges zu setzen, doch bevor ich
das tun konnte, war da schon wieder eine junge Frau – von
steigender Population der Eichhörnchen hatte ich bereits gehört,
dass das allerdings auch auf die menschliche Rasse zutraf, war mir
neu – mit Kinderwagen. Hatte ich bereits erwähnt, dass ich dem
weiblichen Geschlecht in jugendlicher Form wenig abschlagen kann? Nun
denn. Als ich auch diesen Wagen gerade im Bus abgesetzt hatte,
schlossen sich die Türen und ich stand draußen. Das Tiefdruckgebiet
näherte sich mit rasender Geschwindigkeit.
Der
nächste Bus kam zwanzig Minuten später und nahm mich mit. Erst
hielt ich dies für ein Wunder, sollte aber später den wahren Zweck
erkennen. Ich ergatterte einen Fensterplatz, besser, ich stürzte
mich buchstäblich auf ihn, da mir das Bein eines anderen Passanten
im Weg stand. Erreicht hatte ich damit nichts, denn die Sicht wurde
immer schlechter. Das lag jedoch nicht an meinem radikal abgestürzten
inneren Barometer, sondern an den dreckigen Scheiben, die nun nach
und nach beschlugen. Ich nahm ein Taschentuch und wischte ein
Guckloch in den Schmutz auf der Scheibe. Dabei musste ich mir wohl
einen Nerv eingeklemmt haben, jedenfalls durchzog mich ein massiver
Schmerz vom Nacken bis hinunter in das Steißbein. Er rief mir
Stellen meines Körpers ins Bewusstsein, an die ich nie einen
Gedanken verschwendet hatte, geschweige denn wusste ich, dass sie
überhaupt existieren. Ich stand auf, lief einige Schritte und verbog
mich zum Unwohlgefallen der Umhersitzenden. Sie zerrissen sich
sogleich das Maul und ich glaubte Worte wie „Spinner“ und „Was
will der denn beweisen“ zu vernehmen. Als ich mich wieder auf
meinen Platz setzen wollte, fand ich ihn von einem anderen Herrn
okkupiert. Vorsichtig erklärte ich ihm, dass dies mein Platz sei.
Der Mann jedoch verteidigte sein neu erworbenes Territorium mit
Schirm – nicht Charme – und Melone und faselte etwas von „kein
Privateigentum“ und „Idiot“, damit war das Thema für ihn
erledigt. ...
(Weiter in:
.
Nun folgt ganz unaufgeregt die nächste Ausgabe der "Gedichte des Tages":
Ein weiterer Roger Suffo - wahrscheinlich unter Einwirkung von einem kräftigen Schluck Grog entstanden, denn das Gedicht heißt "Hausfrau, leicht beschwipst". Aber es folgt ja sofort der Blick aufs Adventskalendertüchen:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen