Montag, 2. Januar 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1256

Übermorgen biete ich wieder zwei eigene Testgedichte an:



Ein Rückblick auf 2009 gesellt sich dazu:

Ursula Gressmann: Unbarmherzig


Der Himmel ist
glasblau und gegen
die Sonne hin fast weiß.
Eine Sonne, die so bleich
ist wie der Mond der
vergangenen Nacht
wirft gleißend ihre
Strahlen über das Eis.
Worte zersplittern und
Schreie fallen vom Himmel.
Zerbrochene Eisränder
am schwarzen Wasser
bleiben zurück,
gebrochene Spiegelung
des Seins im
unbarmherzigen Licht.


Na, dann zeichnen wir entweder unser Leben in weicherem Licht oder wir tragen es in wärmende Frühlingssonne ...

Und schon sind wir bei der Prosa angelangt. Da sind wir  bei der 53. Fortsetzung des utopischen Romans  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth angekommen.


Ausgerechnet nach dieser Begegnung im Korridor traf ich Dietmar, Heinz und Siegrid. Es muss richtig aus mir herausgesprudelt sein.
„ ... Es sind doch erst Tage vergangen und schon finde ich alles langweilig. Für die Menschen hier mag das Leben so normal sein. Nichts und niemand zwingt sie. Sie spielen ein Spiel, in dem keiner verlieren kann. Wo bei uns der eine gewann, verlor ein anderer, nein, eigentlich alle anderen, nur dass sich die meisten das nicht eingestanden. Der Kampf um die Existenz trieb jeden vorwärts. Hier dagegen scheint es nur Künstler zu geben, die aus dem Gefühl heraus handeln, täglich etwas Besonderes zu schaffen. Überall Gleichmut, überall Wir-sind-alle-wichtig. Es ist ja schön, aber auf die Dauer wohl nichts für mich.“
Ich hatte mich dabei richtig erregt. Die drei gaben mir keine Antwort. Aber sie warfen sich Blicke zu wie Verschwörer. Ich maß dem keine Bedeutung bei und zog mich in mein Zimmer zurück.
Nuk hatte Chorprobe. Also schlich ich verstohlen in die Hausbibliothek. Ja, die hätte ich mir viel früher vornehmen sollen. Eine ganze Reihe mit richtig altertümlichen Wälzern. Sie wirkten richtig schmuck. Ob die noch jemand las? „Illustrierte Geschichte des 16. Jahrhunderts“, des 17., des 18. - bis zum 22. Jahrhundert. In einem Anfall von Entdeckerfreude zog ich sie alle aus dem Regal. Jeder Band mochte mehr als zwei Kilo wiegen.
Musste das hier nicht komisch und fremdartig aussehen? Wie ich diese Schwarten über den Flur schleppte, im freudigen Vorgefühl, mit etwas eigener Mühe ein geschichtliches Geheimnis zu erforschen? Mir nicht gleich auf meine Frage eine Antwort präsentiert zu lassen? Ich fürchtete mich richtig, von Mama oder irgend einem anderen erwischt zu werden. Aber mir begegnete keiner, der dumme Fragen hätte stellen können. Warum ich nicht wenigstens die elektronische Datenbank anzapfte, zum Beispiel. Aber wer versteht schon den Zauber verstaubter Folianten.
Natürlich war das alles Blödsinn. Hätte ich Band für Band geholt, dann wäre nicht einmal eine große Lücke entstanden, und lesen konnte ich sowieso nur ein Buch nach dem anderen. Aber dann müsste ich meine zweite „Zeitreise“ planmäßig und vernünftig antreten. Das wollte ich nicht. Ich wollte stöbern.
Wo sollte ich anfangen? Eigentlich gab es keinen Zweifel: Bei den Kämpfen natürlich, an denen wir selbst teilgenommen hatten. Da gäbe es vielleicht was zu lachen.
Und wirklich. „ ... Um die beiden entscheidenden Schlachten des Bauernkrieges ranken sich noch immer schwer zu entmystifizierende Legenden. Über Generationen wurde weitererzählt, dass den Bauern gnomenhafte Mönchsgestalten zur Hilfe gekommen seien, deren Kreuze den Söldnern der Fürsten die gerechte Strafe Gottes zuteilten ...“
Dem folgte ein Panoramagemälde eines Franz Xandor, in dem wir Kinder allerdings mindestens vier Meter groß erschienen. Eine Hoffnung erfüllte sich nicht. Hinweise zum Schicksal von Andreas und den anderen Verschwundenen fehlten.
Weiter! Dieser Müntzer war ja ein Organisationstalent. Ganz Mitteldeutschland wurde von seinem Gottesstaat erfasst. Das Land der Gleichen, die Gemeinden Christi. Ja, so hatte ich mir das vorgestellt. Oh, nicht ganz. Das, was sich da entwickelte, war wohl ein Gemisch von Glaubenskriegern, die an die früheren böhmischen Hussiten erinnerten, Träumern, die die Taufe im Namen Gottes an erwachsenen Menschen vollziehen wollten, und geschickten heimlichen Tauschhändlern. Innerhalb von fünf Jahren hatten die Aufständischen einen Machtbereich von Holland bis zur Schweiz. Kaiser Karl der V. führte Krieg mit dem Papst und den Franzosen. Die Fürsten, die sich nicht mit den Aufständischen verbündet hatten, waren offenbar alle getötet worden oder geflohen. Dafür hatte sich eine „Volxversammlung fuer alle teutschen Lande“ gebildet. Am aktivsten darin war noch immer der Müntzer, ihm am engsten zur Seite die jugendlichen Bernhard Knipperdollinck und Johann von Leiden. Allerdings waren in dieser „Volxversammlung“ schon keine echten Bauern mehr vertreten. Hier gab es Gleichheit vor Gott verkündende Laien, die im Wesentlichen zusammen mit Kaufleuten und städtischen Innungsmeistern eine Reichsverfassung erarbeiteten. Ende 1529 besann sich Karl der V. des päpstlichen Ursprungs seiner Kaiserwürde und einigte sich mit dem Papst. Eine Art Söldnerfeldzug nach Norden sollte die alte Ordnung wieder herstellen.



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