Mittwoch, 18. Januar 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1272

Erneut probiert das Literaturjournal, auf die "übermorgigen" "Gedichte des Tages" mit "Starthäppchen" hinzuweisen. Da wären wieder 1. ein Gastgedicht, 2. ein Testgedicht, 3. ein Gedicht von vor drei Jahren:

zu 1.  Roger Suffo
     "Die freie Wahl"


In ein Nobelrestaurant, / in dem die gepfefferte Rechnung / für das Tagesmenü / Demokratie in merkeliger Wulff-Spezi-Soße ...
zu 2. Slov ant Gali
     "Flashmob"

auf dem alexanderplatz stehen / mit aller kraft / der eigenen stimme / peace will come / singen / ...


zu 3. Hanna Fleiss
     "Atonon"


Zu Blättern von Disteln
Sprech ich. Antwort ein Neigen, Verstummen
Der Wurzeln, her vom Kieselgrund. ...


Ganz so abwechslungsreich ist die Prosa nicht. Da gibt es nur ein Textstück - wir sind gerade bei der 73. Fortsetzung des utopischen Romans  "Operation Zeitensprung" von Anna Roth angekommen  


„Dort leben demnach intelligente Wesen, mit denen wir ab heute kommunizieren können", versuchte ich seinen Satz zu vereinfachen.
„Das würde ich ernsthaft in Betracht ziehen. Natürlich lässt sich eigentlich nicht erklären, wieso wir dieses Sonnensystem noch nicht entdeckt haben; wir prüfen ja nicht erst seit heute, ob es irgendwo bewohnbare Planeten gibt. Daher meine Vermutung einer technisch ausgeklügelten Abschirmungsmethode."
„Unter uns gefragt: Wozu sollte eine solche Abschirmung gut gewesen sein?"
„Ich nehme an, wir haben es mit einer insgesamt sehr hoch entwickelten Gesellschaft zu tun. Diese Wesen besäßen dann wahrscheinlich keine Mittel persönlichen Terrors, Waffen oder Ähnliches mehr. Ihr inneres Zusammenleben organisieren sie bewusst. Mit Einsicht und so. Sie müssen gerade deshalb jeder Entdeckung durch Wesen entgegenwirken, bei denen Eroberungen und Krieg vorstellbare Umgangsformen anderen gegenüber sind. Die würden sie eventuell umwerfen, wie wenn bei uns eine der alten Krankheiten auftauchte, gegen die keine Impfstoffe mehr existieren."
„Ein Kompliment für uns, dass sie uns den Blick jetzt freigegeben haben, diese Abschirmung aufgegeben haben. Hätten so was die alten indianischen Kulturen gegenüber den Europäern besessen, gäbe es sie heute noch."
„Genau."
Er hatte „genau" gesagt. Ein aus einem Wort bestehenden Satz. Und mich damit gewürdigt. Ich hatte ihn verstanden. Allein – das würde ich keinem Dritten erklären. Da bliebe ich lieber bei „Ich weiß es nicht!"
Weil ich die Arbeit der Reparaturteams vor Ort koordinierte, war ich am nähesten an Neuigkeiten dran. Noch zitterte ich vor der Möglichkeit, das Ganze könnte sich als Störung herausstellen, eine Magnetfeldanomalie oder solch ein Quatsch. Meinen planmäßigen Dienstschluss ignorierte ich einfach.
Inzwischen wirkte der Zentrale Beobachtungsraum wie ein Versammlungssaal kurz vor Sitzungsbeginn. Schätzungsweise 80 Leute schwirrten von Display zu Display. Ich hängte mich an Hanje. Sie war eine übersprudelnde Blondine, die mit unbegreiflichem Instinkt immer genau an der Stelle stand, wo im nächsten Augenblick etwas passierte. Sie war schon an sechs Displays vorbei. Dort waren die Ingenieure mit ihren Systemchecks fertig. Keiner hatte eine Störquelle entdeckt. Am siebten kamen wir gerade rechtzeitig zu einem unterdrückten Brüllen:
„Das ist doch ..."
Frank, der Prüfingenieur, hatte dort nicht nur seine Simulationsprogramme laufen lassen, sondern einen Zoompotentator zwischengeschaltet. Das gehörte nicht in den Prüfalgorithmus, war also Eigeninitiative, aber nicht verboten. Die Bilder kamen dadurch langsamer. Sie waren aber genauer. Gerade in dem Augenblick, in dem sich die Projektionsschärfe automatisch eingeregelt hatte, sahen wir ihm über die Schultern. Uns bot sich ein vertraut wirkendes Bild. Pluto war zwar nicht zu erkennen und Merkur, die beiden kleinen Außenseiter, und der Saturn mit seinen Ringen tauchte erst halb hinter dem Sonnenkranz hervor. Ansonsten schauten wir auf die Planetenwelt unserer Sonne, wie sie von draußen aussehen musste. Wir verpassten den sichtbaren Planeten sofort die geläufigen Namen.
„Das kann nur ein wie auch immer entstandenes Spiegelbild unseres Sonnensystems sein."
Aller Eifer umsonst! In Sekundenschnelle übermannte mich die Müdigkeit. Ich musste ins Bett, ich hätte längst im Bett liegen müssen. Josh war bestimmt längst eingeschlafen. Ich würde ihn nicht mehr stören, aber wenigsten ruhen sollte ich bis zur nächsten Schicht. Die Erklärung klang so primitiv plausibel. Eine solche Lösung beendete alles Spekulieren. Selbstverständlich ließen wir die Prüfprogramme weiter durchlaufen – ins Protokoll konnten wir Probealarm schreiben. Und doch. Bei aller Unwahrscheinlichkeit. Woher sollte ausgerechnet an diesem Tag eine solche nie da gewesene Lichtspiegelung in unsere Anlagen projiziert worden sein? Ich drehte mich noch einmal um:
„Gibt es irgendwo im Weltraum einen Punkt, von dem aus unser verdammtes Sonnensystem so aussieht wie das hier? Frank, könntest du das feststellen? Und wenn du dafür ein neues Prüfprogramm aus dem Ärmel schüttelst! Bitte such es heraus! ... Gute Nacht!"
„Gute Nacht, Anna!"
Frank sagte das in einem Ton, als hätte ich ihn gebeten, beim Essen Messer und Gabel zu benutzen.
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