Montag, 30. Januar 2012

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1284

Wahrscheinlich ist heute die Frage nach der Lyrik am 1.2. gar nicht so erstrangig. Was auf dem Plan für die "Gedichte des Tages" steht? Na Folgendes:


Bestimmte Gedichttitel drängen sich einem mitunter mit der Penetranz einer Straßenhure auf. Einer davon ist sinnigerweise "gelassenheit" ...
 Weiter mit ... sagen wir einmal "Gewöhnungsbedürftigen": Um die " eine wirkliche geschichte mit drei unwirklichen enden" anzunehmen, mus man sich wohl schon auf die vorigen Relativkuckucks (oder hieße das Kuckucke?) eingelassen haben ... 
 Bleibt noch der Blick zurück. 2009 im lyrischen Rampenlicht:

Gunda Jaron: Lufthauch



Und auch Gunda Jaron zum Geburtstag gratulieren mit eigenen Worten können wir natürlich, müssen wir sogar:



Das Porzellan, einst makellos, 
geschützt von glänzender Glasur, 
das Rosenmuster leuchtend rot 
und von Gebrauch noch keine Spur. 
So glatt ... 

Heut' ist es angeschlagen, duff 
und fleckig und das Rot verblasst. 
Ein Netz von feinen Linien ziert 
den Glanz, der durch der Jahre Last 
nun matt. 

Mein Äußeres: Noch geh' ich grad' 
und seidig glänzt mein dunkles Haar. 
Aus meinen Augen blitzt der Schalk 
und ohne Flecken zeigt sich klar 
die Haut. 

Bald gehe ich vielleicht gebeugt, 
ein tiefes Liniennetz durchzieht 
mein Antlitz und das Aug' ist trüb, 
das Haar, wenn man's bei Licht besieht, 
ergraut. 

Heut' schaust du die Terrine an: 
Die ist doch wunderschön! 
Ich hoff', du wirst mich irgendwann 
mit gleichen Augen seh'n. 


Aber das Spannendere ist doch die Prosa. Enttäuschung: Es ist nur ein leicht bearbeiteter Entwurf aus einer für irgendwann erhofften Sammlung utopischer Erzählungen von Slov ant Gali. Die in Fortsetzungen vorzustellende Geschichte heißt Zwei Jungen, die beinahe die Welt retteten:

Er schien das Ehrwürdige dieser Burg, auf der sie ihren Abschied begehen durften, überhaupt nicht wahrzunehmen. Im Gegenteil. Als wollte er dort schauspielernd professionell eine freie Redner sprang er auf die breite steinerne Außenmauer und sah, anstatt den möglichen Sturz in die Tiefe zu bedenken, zum blassblauen Himmel hinauf. „Bestimmt schauen sie uns uns jetzt zu. Wahrscheinlich sind sie sogar schon da. Glaub mir doch!“ Pathetisch wirkte das. Die Worte. Der verklärte Blick nach oben. Die ganze Haltung des Jungen.
„Klar“, spottete der andere, „vor allem dir sind sie nah. Also wenn die nichts Besseres zu tun haben, dann tun sie mir Leid!“
Die beiden Jungen hätten verschiedener nicht sein können. Der eine trug eine Brille und hatte sein Gesicht glatt rasiert. Die Haare auf dem Kopf hatte er so kurz schneiden lassen, dass die Borsten wie eine Vergrößerung des kantigen, gnadenlos ordentlichen Gesichts abstanden. Egal, ob man ihn von weitem oder von sehr nahem betrachtete, war man sich sicher, dass der Junge nur sehr gute Noten in der Schule haben konnte und berauschenden Mitteln oder Anderem, was nicht zur Schule gehörte, bestimmt ablehnte.
Der Kopf des anderen schien etwas zu groß geraten. Überhaupt war irgendwie alles nicht ganz so, wie es hätte sein sollen. Eine Kugel schien vor ihrer Fertigstellung kurz von drei Seiten mit einem flachen Gegenstand aus ihrer eindeutigen Form gebracht worden zu sein. Überall war sie mit gelockten oder gekräuselten Haaren bewachsen, die nirgendwo den Charakter einer Frisur, eines Bartes oder von irgendetwas angenommen hatten, wofür es einen Namen gab. Und alles deutete darauf hin, dass der Junge es irgendwann aufgegeben hatte, sich zu frisieren. Von diesem Irgendwann an hatte er sich gebilligt, wie er war. Auch dass er von seinen Mitschülern nicht akzeptiert wurde, in Kauf genommen. Er hatte in all den elf Schuljahren das Klassenziel nur knapp erreicht. Kein Lehrer hatte ihn beachtet, denn auf der anderen Seite hatte er auch nicht gestört. Er war der Fleisch gewordene Satz „Lasst mich endlich in Ruhe“, sehr stiller Protest. Warum hätte man ihn länger in der Schule behalten sollen? Irgendwie hatten ihm wohl alle Lehrer bei den Abschlussprüfungen unbewusst Suggestivfragen gestellt, die er störrisch nicht richtig, aber auch nicht falsch beantwortet hatte. Musste man sich das noch ein zweites Mal antun? Er hatte all die Jahre so etwas wie den vierten Bodyguard zu einem der beiden Alphamännchen der Klasse abgegeben. Doch die Burg bot nur Zwei- oder Vierbettzimmer. Als fünfter hatte er nirgendwo hinein gepasst - so wie sein Gegenüber, der in Gedanken schon in jene höhere Schule ging, die seines Vaters Zukunftsvisionen ihm zugedacht hatten. ...
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