Mittwoch, 20. November 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1916

.Versprochen ist versprochen und abwechselnd heißt dann eben abwechselnd. Also folgt nun ein Blick auf den nächsten Prosatext aus





Thomas Staufenbiel

Welt(en)weiser

Nüchtern betrachtet, denke ich und gestatte mir einen weiteren Schluck Martini, jenen köstlichen Aperitif aus Gin und einem Schuss Wermut, garniert mit einer Olive oder, wie ich ihn bevorzuge, mit einer halben Scheibe Zitrone - nüchtern betrachtet, denke ich also – und nun habe ich den Faden verloren. So etwas passiert mir in letzter Zeit häufig. Worüber wollte ich sprechen?

Ich schaue mich um. Ein Zimmer, nicht gerade groß, zweckmäßig eingerichtet. Vis-à-vis der Tür, die ich aus meinem Blickwinkel jedoch nicht sehen kann, da mein Nacken in letzter Zeit häufiger nach einer Massage schreit als früher, eröffnet ein großes Fenster den Blick auf gegenüberliegende Dächer. Jürgen, denke ich – seltsam genug, dass ich mich selbst in meinen Gedanken mit dem Vornamen anspreche – alles ist relativ. Wir befinden uns im Dachausbau eines alten Hauses, Baujahr 1911. Auf dem Fensterbrett zwei hölzerne Giraffen, darunter eine Truhe im afrikanischen Look. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, das ganze Zimmer in diesem Stil einzurichten, doch ich fand noch kein passendes Möbelstück. Mein Blick schweift zu den beiden Regalen, Herberge für unzählige Bücher über die wundersamen Dinge dieser Welt, Geheimnisse und Verschwörungstheorien, und mittendrin mein Fernsehapparat. Flatscreen. Mein Gott, denke ich schon wieder – langsam mache ich mir mit diesem vielen Denken selbst Angst – wie lange habe ich mich mit den alten Röhrenfernsehern herumgequält? Immer größer mussten sie sein, die Augen werden mit den Jahren nicht besser. Aus Gründen, die sich mir selbst nicht erschließen, kann ich es nicht ausstehen, permanent diese Nasenfahrräder vor den Augen zu tragen.
Weiter schweift mein Blick und findet, fast schon unerwartet, so sehr war ich in Gedanken, auf dem Zweisitzer schräg gegenüber meinen alten Freund und Weggefährten Klaus sitzend.
Richtig, schießt es mir durch den Kopf, der ist ja auch noch da. Sitzt dort auf dem Sofa und schlürft genüsslich eben jenen Martini, den ich ihm vorhin zubereitet habe. Warum ist Klaus hier? Ich kann mich an keinen Grund erinnern, es scheint für ihn offensichtlich zur Gewohnheit geworden zu sein, unan-gemeldet bei mir hereinzuschneien und sich genüsslich meinen Alkohol schmecken zu lassen. Fürwahr, er kann sich über einen Mangel an Gastfreundlichkeit nicht beschweren, auch wenn ich ihn oft kurzhalte. Viel zu selten steht er selbst mit einer guten Flasche Wein oder anderen anregenden Getränken vor der Tür. Viel öfter erbittet er mit den Worten „Da bin ich, altes Haus, alles dobsche?“ Einlass und lässt sich von mir aushalten. ... 


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Den Ausblick auf die nächsten "Gedichte des Tages" haben wir uns weltenweise verdient:

Nein, es ist keine Assoziation zu Dante beabsichtigt. In dem Testgedicht vonSlov ant Gali geht es allein um "Dichters Inferno" ...
Spötter mögen sagen, "drei weisheiten für moderne kapitalisten" mögen drei aphoristische Sprüche sein aber noch kein Gedicht, aber wann ist ein Gedicht ein Gedicht? 


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