Auf diesem Lyrikblog wurden lange keine "anderen" Autoren vorgestellt. Dabei gibt es eine weit verzweigte Lyrikwelt. Irgendwo dort stoßen wir dann auch aufRoman Reischl, für den "Der sechste Sinn" ... richtig: die Liebe ist. Er schafft nicht nur als Lyriker, sondern auch als Erzähler. Ob er zu einem Stamm-Autor der "Gedichte des Tages" aufsteigt, muss sich erst zeigen, wer mehr von ihm entdecken will, kann das aber schon HIER oder DA ...
.Es folgt ein weiteres Stück Leseprobe aus "Die sieben Kugeln":
„Amerika
und Tibet gibt es noch lange…“ Petras Lachen klang dabei auch
nicht gerade entspannt.
Eine
Weile hingen alle still brütend ihren Gedanken nach. In diese
Stimmung hinein stürmten die vier Mädchen. Einmal hoch. Einmal
runter. „Ist das nicht unheimlich, entschuldigt bitte den
Ausdruck, wie ähnlich sich die Mädchen sehen? Das kann doch kein
Zufall sein … Ich würde mich nicht wundern, wenn Sonja auch mit
solchen Zwillingen ankommt.“ Jens sah keine der Frauen an.
„Die
nahe liegendste Erklärung …“ Janine sah abwechselnd zu Petra und
Jens. „War was zwischen euch?“
„Nicht,
dass ich wüsste.“ Jens sagte das leise. Damit war Petra klar, auch
ihm wäre diese überschaubare Erklärung angenehmer gewesen.
„So
richtig zum Lachen finde ich das nicht gerade. Aber zumindest kann
ich dir versichern, Janine, dass ich nie was mit Jens gehabt habe.
Auch wenn du das nahe liegend findest.“ Petra drehte sich zu Jens.
„Aber vielleicht erzählst du endlich, warum du dieses Treffen
gerade jetzt wolltest.“
„Wollen
wir nicht noch auf Sonja warten? Mehr Kugelbesitzer habe ich sowieso
nicht erreicht.“
„Erzähl
lieber! Ich habe schon verstanden, dass du meinst, alles hängt mit
unseren Kugeln zusammen.“ Petra lehnte sich locker zurück. Ein
Seitenblick. Aha, Janine hatte die Arme vor der Brust gekreuzt.
Jens´
Blick fixierte eine Hummel, die gerade am Apfelbaum vorbeiflog.
„Also,
Rahmans Tod gab den letzten Anstoß für die Einladung. Was davor
war, war so unglaubwürdig, dass ich mich nicht getraut hätte,
darüber zu reden. Nicht einmal mit Janine. Dabei war sie eines der
Opfer. Bis vorhin hab ich immer noch gezögert, überhaupt
darüber zu sprechen. Aber nun weiß ich, es gab da etwas, was wir
unbedingt klären müssen. Etwas, was ich bisher für einen
Rausch, eine Halluzination oder so gehalten habe. Aber die
Zwillinge sind wohl wirklich keine Sinnestäuschung. Ihr Anblick hat
mich genauso überrascht wie euch … oder nicht ganz so … Und mit
den Sikroben ist ja etwas aufgetaucht, an das wir vorher nicht
geglaubt hätten. Zumindest …“ Jens machte eine Pause. In diesem
Augenblick hörten alle ein sanft anschwellendes Brummen. „Das wird
Sonja sein.“
Für
die beiden Zwillingspärchen folgten herrliche Stunden. Gelegentlich
stürmten sie hoch zum Haus, das Jana zum „Hexenhaus“ erklärt
hatte, dann dämpften sie instinktiv ihre Lautstärke, als gelte es,
einen Gegner auszukundschaften. Sie holten Saft und Kuchen und für
jeden ein Eis aus dem Kühlschrank und verschwanden wieder am See.
Tina hatte noch nie eine Badestelle erlebt, die so versteckt lag.
Schade, dass sie noch nicht gut genug schwimmen konnte. Aber es
machte auch so Spaß, von Leonies Schultern zu springen.
Einmal
irritierte sie der Blick der fremden Frau. Petra und Janine hatten
sie herangerufen, ihre Namen genannt und nicht verwechselt, warum
auch immer, Und diese Sonja starrte sie an wie Gespenster.
„Spielt
ruhig weiter!“ Janines Aufforderung ließen sie sich nicht zweimal
sagen. Schon waren sie den Blicken der Erwachsenen wieder entkommen.
„… Fest
steht: In den letzten zehn Jahren bin ich Petra nie begegnet. Die
Kinder ähneln sich aber wie eineiige Vierlinge. Also ist das hier
ein Wunder. Es wäre schon Zufall genug gewesen, wenn alles weibliche
Zwillinge gewesen wären. Du hast ja auch welche, Sonja. Aber als ich
die Idee für unser Treffen hatte, wusste ich das noch nicht. Da
beschäftigte mich etwas Anderes. Sagt mal, habt ihr irgendwann
einmal etwas Ungewöhnliches mit Insekten erlebt?“
Jens
sah dabei Sonja an. Die schüttelte mit dem Kopf. Sie war allein
gekommen Petra hatte Sonjas Blick genauso bemerkt wie die Mädchen.
Irgendwie ahnte sie im selben Moment, dass Sonjas Töchter den vieren
hier gleichfalls glichen. Sie hörte nur halb hin, wie Jens zum
zweiten Mal seine Beobachtungen mit der Kugel und den Hornissen
schilderte. Merkte Jens denn nichts? Merkte er denn nicht,
dass es in Sonjas Hirn arbeitete wie vor wenigen Minuten in ihrem?
Dass sie ihre Fassung verloren hatte und nicht zuhören konnte?
Petras Gedanken irrten ab: Als sie damals schwanger war, hatte sie
Rahmans Kugel wohl noch gehabt. Das war dermaßen verrückt – hätte
sie das verdammte Ding bloß gleich weggeworfen …
...
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