Sonntag, 20. Januar 2013

Lyrik-Prosa-Wortkultur 1627


Als ich Sebastian Deyas "Glaubensbekenntnis" das erste Mal gelesen hatte, fiel mir, Sebastian möge mir verzeihen, ein Spruch des Kabarettisten Volker Pispers ein, der sinngemäß formulierte: "Auf dem Grabstein des Kapitalismus wird einmal stehen MEHR WAR NICHT GENUG" ... politisches Kabarett eben ...
In der Lyrik gibt es dagegen wenig "gewissheit", sondern eher Verunsicherung ...


Um eine besondere "Verunsicherung" geht es in unserer Erzählung



Slov ant Gali "Kampf der Titanen" (2)


... Dann, Bernd war gerade 42, hieß es plötzlich, die Auftragslage ist schlecht, wir melden uns, wenn wir wieder was für dich haben. Verzichten könnten sie nicht auf so einen einsatzbereiten Arbeiter. Er sei ja abgesichert. Doch ausgerechnet da passierte ihm der Unfall. Also nur schnell nach Eberswalde, aber der Bruder nicht angeschnallt … Beide Brüder landeten im Krankenhaus. Bernd ließ sich auf eigenes Risiko nach einer Woche wieder entlassen. Es war ja sonst niemand da für die Mutter. Allein im gemeinsamen Haus. Bernd hatte ja nur Stahlschienen im rechten Bein. Eine Nachoperation und gut. Nur Werner musste sich allmählich abfinden, dass der linke Fuß nicht mehr zu retten war. Nach Hause durfte er, aber die Prothese … Bernd sagte immer Dicker zu Werner, was bei ihm liebevoll klang wie „Digger“. Aber Werner war nicht nur übergewichtig, in den Monaten der Heilungsversuche ergab er sich immer mehr seinen schon vorher vorhandenen Leiden. Er kam nur noch zu den gemeinsamen Mahlzeiten aus seinem Zimmer oder eben, wenn er wieder zu einem seiner unzähligen Arztbesuche gefahren werden musste. Immer wieder betonte er bei solchen Gelegenheiten, dass er Bernd nichts vorwerfe und der müsse ihn nicht immer fahren. Ein Taxi ginge auch. Aber das hielt natürlich nur die Schuldgefühle wach, während Werner immer unförmiger wurde.
Als Bernd endlich wieder seine Nachtschichten in Berlin hätte fahren können, war gerade eine Saison zuende. Der Countdon für sein hohes Arbeitslosengeld lief. Im nächsten Sommer, da gehörte er zu den „Hartz IV-Empfängern“, sprach man auf seinen Anrufbeantworter, es sei gerade Druck und er möge SOFORT kommen. Doch Bernd war mit Werner und der Mutter in Eberswalde auf Ärztetour. Als er am nächsten Tag das Telefonblinken bemerkte, erklärte ihm eine Stimme, das Problem habe sich erledigt.
Inzwischen war Bernd in den Ämtern bekannt. Er ließ sich von Bearbeiterin zu Bearbeiterin schicken, lächelte, sagte, „Muttchen, siehste, so kommste mal unter Leute ...“
Die Woche Computercurs hatte er geschafft und das Bewerbungstraining. Dann aber sollte er einen „Ein-Euro-Job“ als Hilfsgärtner in der Kreiverwaltung annehmen. Für einen Bauern doch was Artverwandtes, erklärte die Sachbearbeiterin, dabei könne er wieder lernen, sich an einen geregelten Arbeitstag zu gewöhnen. Kopfschüttelnd stand Bernd da auf und ging. Seitdem stand in seiner Akte, er stünde dem Arbeitsprozess nicht zur Verfügung.
In Bernds Ohren klang das wie NICHT ZUVERLÄSSIG. Ein paar Tage spülte er die gefühlte Abwertung mit Bier herunter, dann fiel ihm der Computerkurs ein. ...

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