Ganz so, dass mir nichts einfiele, ist es ja nun noch nicht. "Pietät?" halte ich zumindest für eine ganz (?) neue Idee ...
Slov ant Gali: Der Planet der 1000 Inseln (2)
… Ach ja, der
Sommeranzug. Er sah irgendwie unpassend, geborgt oder so aus, obwohl
ich sicher war, dass er genau passend geschnitten war. Aber Mahay sah
aus … Also ich hätte geraten, er juckte sie. Und er war … Also
wir waren alle sehr hellhäutig, die Mädchen, die sich schminkten,
versuchten einen Farbton ins Gesicht zu bekommen, der möglichst
totalem Weiß am nächsten kam, ohne weiß zu sein, während Mahay
dunkelerdige Haut hatte.
Mahay sah meist nach vorn
zum Trainer. Ich dagegen sah meist zu Mahay und nur für die Momente,
in denen sie es zu bemerken schien, nach vorn, ohne recht zu
begreifen, was der Trainer eigentlich gerade von uns wollte. Zum
Glück wurde ich während der ganzen Stunde nichts gefragt.
In der Pause wurde ich
abgedrängt. Irgendwie neidisch verfolgte ich, wie sich die anderen
um das Mädchen auf meinem Nachbarplatz drängten, wie sie sie
bedrängten. Nein, ich kann mich nicht an einzelne Fragen und
Antworten erinnern. Ich hatte während der ganzen Zeit ein Bild aus
einem alten Film vor Augen. Darin drängte sich eine Marimeute um
einen engen Käfig mit einem Prano darin. Mir schien, als fragten
sie, durch die Macht der Gitterstäbe geschützt, „Beißt du?“,
und das Raubtier konnte vor Enge kaum seine Zähne zeigen, aber kurz
aufbrüllen.
So verging der erste
Schultag. Also so direkt hatte ich kein Wort mit Mahay gewechselt.
Mit Seitenblicken hatte ich sie angehimmelt und gehofft, sie bemerkte
es nicht. Es widersprach einer guten Erziehung ja sehr. Ausgerechnet,
dass wir an diesem Tag in keines der Spezialfach-Kabinette umzuziehen
hatten, beraubte mich der Gelegenheit, Mahay etwas Unverbindliches zu
sagen, also beispielsweise, wo wir langlaufen müssen. Unser
Klassenkabinett kannte sie ja selbst. Und sich in der Pause zu einem
Mädchen stellen, das stand nur Jungen zu, die fest mit einem Mädchen
zusammen waren. Ich glaube, in der Hofpause ebbte das Interesse an
der Neuen bereits ab. Nichts von dem, was man als Schülerin in einer
solchen Schule zu wissen hatte, wusste sie. Von weitem beobachtete
ich, wie sie lächelte. Also dass sie nicht lächelt wie unter Netten
sondern verlegen, so, als wisse sie nicht weiter und dürfe genau das
doch nicht zeigen. Wie gut ich gerade diese Rolle kannte!
Wie überrascht war ich
deshalb, als sie mich nach Unterrichtsschluss ansprach. Die meisten
anderen waren längst die erste Treppe herunter. Die beiden Trainer
hatten sich zurückgezogen. Ich wollte Mahay den Vortritt lassen an
der Klassentür.
„Du hast mich die ganze
Zeit angestarrt. Bin ich dir ein exotischer Prano oder magst du mich
so?“
„Nein, ich mag dich!“
So spontan schnell habe
ich sonst nie geantwortet. Vor Verlegenheit hätte ich es natürlich
bei eine solchen direkten Frage garantiert nicht. Aber woher wusste
sie das mit dem Prano? Konnte sie Gedanken lesen? Nein. Dann hätte
sie mich ja nicht fragen brauchen. Jetzt bloß Abstand bekommen zu
allen anderen. Wie überfüllt mit Mari war doch solch eine Schule!
„Es war lieb, dass du
mich nichts gefragt hast. Es ist peinlich, wenn man keine vernünftige
Antwort geben kann, und ihr wusstet doch, dass ich keine vernünftigen
Antworten geben kann.“
Und mir war peinlich,
dass sie das sagte. Ich hätte ihr ja noch viel mehr Fragen gestellt,
wenn die anderen mich gelassen hätten, wenn ich mich nicht hätte
wegdrängeln lassen. War dann keine Antwort auch eine Antwort?
„Weißt du, man hat
mich provisorisch in eine Wohngemeinschaft untergebracht. Da gefällt
es mir nicht. So viele Fremde. Ist noch Platz in deinem Zimmer? Ich
möchte zu dir ziehen. Fragst du?“
Also was da alles durch
meinen Kopf jagte, kann ich wirklich nicht geordnet aufschreiben. Vor
allem sah mich Mahay mit einem Blick an, dass ich das Gefühl hatte,
jedes Zögern würde sie als Beleidigung, mindestens als
Zurückweisung, Verletzung auffassen. War das bei den Maniani so
normal? Fragte das ein Mädchen dort so? Also ich wusste nur, dass
das bei uns so nicht normal war, nicht einmal, wenn das Mädchen in
einem Alter war, in dem es eine eigene Familie führen konnte. Drei
Jahre vor Schulschluss war das bestimmt nicht … Also man muss doch
aber fremde Sitten achten. Das Schlimmste, was ein Mari tun kann, ist
es, einen fremden Gutmeinenden zurückzuweisen.
„Aber da muss ich erst
meine Eltern fragen, also ich lebe noch richtig bei meinen
biologischen Eltern zusammen und die sorgen sich, dass ich nichts
anstelle und … Ja, ich frage sie gleich. Nur einen Moment!“
War das peinlich. Dieses
Gesicht, so traurig, enttäuscht, als ich meine Antwort mit aber
begonnen hatte. Also nicht, hatte in ihrem Blick gestanden. Sie war
stehen geblieben, mit jeder Sehne zum Absprung ansetzend zu einem
anderen Weg, fern dem meinen für immer. Das hätte ich doch nicht …
Nein, da musste ich jetzt durch! ...
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