Thomas Reich weckt mit seinem Gedicht-Titel eine bestimmte Erwartung: "Ein Ring sie zu knechten" - also ich zumindest hätte dahinter eine feministische Dichtung erwartet. Nein, ich verrate nicht, ob diese Erwartung erfüllt wird, nur, dass im Text Friedrich Schillers "Wilhelm Tell" einen Inspirationspfeil abgeschossen hat ...
Soweit die morgigen Gedichte des Tages.
Es folgt ein weiteres Stück Leseprobe aus "Die sieben Kugeln", nämlich der Schluss des Schlacht-Kapitels ... :
... Noch
während die Medien die Invasoren sicher gefangen glaubten,
organisierten sich diese neu. Einzelne Sikrobengruppen ballten sich
zu riesigen Würmern zusammen. Die bohrten sich durch kleine Röhren
im Boden unter ihren Angreifern hindurch. Selbst die auf dem
verfestigten Silit gelandeten Tröpfchen gruppierten sich zu solchen
extrem dünnen, aber langen Bohrwürmern. Dass der Ätzerkessel
so deutlich sichtbar implodierte, war zumindest teilweise Folge
dieser Flucht in die Tiefe. Warum die Wände der schmalen silizierten
Gänge so fest wurden, dass sie nicht von den darüberliegenden
Erdschichten eingedrückt wurden, würde wohl ewig ein Geheimnis
bleiben. Der Hauptgrund war wohl ihr geringer Durchmesser. Auf
diese Weise überwanden die Sikroben auf jeden Fall eine Strecke von
wesentlich mehr als einem Kilometer. Das dauerte über eine Stunde.
Nach dem Wiederauftauchen an der Erdoberfläche gruppierten sich die
Sikrobenwürmer wieder in ihrer normalen Tropfenform, um rundum neu
auf Nahrungssuche zu gehen.
Kaum
hatten weltweit die meisten Menschen die Siegesmeldungen über die
fremdartige Invasion je nach Temperament mit Aufatmen oder
Freudentaumel quittiert, wurden die ersten neuen Sikrobenkränze
beobachtet. Plötzlich steckte der Kessel, den die Menschen
geschaffen hatten, in einem wesentlich größeren der Ätzer. Nur
dass jetzt auch die meisten Energiereserven der weltraumgestützten
Waffen aufgebraucht waren und niemand sagen konnte, welche Gebiete
man nun hätte wegradieren müssen.
In
einer Zeit von Kriegen und Katastrophen waren die Zuschauer an den
Bildschirmen abgehärtet. Tod und Vernichtung erschienen ihnen
normal, aber immer weit weg und kontrolliert. Leute, die das Ende der
Menschheit vorhergesagt hatten, hatte es zu allen Zeiten gegeben.
Spinner und Schwarzseher eben. Klar waren es diesmal mehr. Die Sekten
schossen wie Pilze aus der Nährlösung. Aber wozu gab es die
Wissenschaft? Man würde schon rechtzeitig eine Lösung finden. Je
weiter Berlin entfernt lag, desto mehr hatten die Fernsehzuschauer
die Ereignisse bisher nur mit dem Schauder der Dauer-Voyeure
verfolgt. Nun wurde es plötzlich selbst in weit entfernten Orten wie
Madrid oder Moskau schwer, das öffentliche Leben aufrechtzuerhalten.
Es sah wirklich so aus, als wäre das Problem zu kompliziert für die
Menschheit. Sollte man nicht besser abhauen in eine Weltgegend, die
so weit wie möglich weg von Berlin lag und wenigstens sich noch ein
paar schöne Tage machen?
Innerhalb
von zwei Tagen wurde ein vom Umfang her alles bisher Dagewesene
übersteigendes Europäisches Notforschungsprogramm beschlossen.
Alle Forschungseinrichtungen, unabhängig von ihrer bisherigen
Ausrichtung, wurden bis zur tatsächlichen Eindämmung der
Gefahr Einrichtungen unterstellt, die bereits an den Sikroben
forschten. Der Europäische Forschungsrat in Paris wurde ermächtigt,
notfalls erforderliche Geräte zu konfiszieren. Außerdem wurde ein
Forschungspreis ausgeschrieben. Eine Milliarde Euro bekämen die
Entdecker eines die Sikroben stoppenden Mittels. Der Preis sollte
anteilig gewährt werden, wenn mehrere Teams am Erfolg beteiligt
wären. Zumindest auf dem Papier war man ungeheuer schnell
vorangekommen. ...
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